FAUD, SAJD u.a. - Proletarier, wacht auf! (1928)

Gemeinsamer Aufruf linksrevolutionärer Organisationen an den klassenbewußten Teil der deutschen Arbeiterschaft.

10 Jahre ist es her, daß Ihr aufstandet gegen Krieg und Volksbetrug und Euch zusammenfandet in der Forderung: Alle Macht den Räten!

Genossen! Eure Revolution von 1918 ist mißlungen. Noch nicht einmal den Krieg, gegen den sie sich erhob, vermochte sie zu besiegen. Eure Führer haben Euch gehindert, Eure Machtmittel gegen Ausbeutung und Krieg einzusetzen: Generalstreik, Sabotage, direkte Aktion, obwohl Ihr wußtet, daß der Kampf gegen den Krieg nur geführt werden kann als Kampf zum Sturz der kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Schon rüstet die Bourgeoisie in sichtbaren Maßnahmen zum neuen Krieg und natürlich kann sich das Proletariat nicht einfach damit abfinden, daß die gegenwärtige sozialdemokratisch geleitete Reichsregierung neue Panzerkreuzer in Bau gibt, die von Proletariern bezahlt, gebaut und bemannt werden sollen.

Die Kommunistische Partei kann dank Ihrer drei Dutzend Tageszeitungen immer noch große Teile der deutschen Arbeiterschaft hinter sich herziehen. Sie benutzte den neuen Verrat der Sozialdemokraten zu einem albernen, praktisch völlig unwirksamen, demokratisch-pazifistischen Stimmzettelschwindel. Wieder wurde das Proletariat verwirrt und von seinen revolutionären Aufgaben abgelenkt. Abstimmung und Klassenkampf hat nichts miteinander zu schaffen!

Genossen, wir warnen nicht aus Gehässigkeit oder Organisationsneid, sondern aus ehrlicher Sorge um den revolutionären Weg des deutschen Proletariats. Daher sprechen wir aus, was um der Wahrheit willen notwendig ist. Die KPD treibt mit ihren Abstimmungskomödien ein jammervolles Doppelspiel! Sie verbrämt den unrevolutionären, parlamentarischen, typisch sozialdemokratischen Charakter ihrer Aktionen mit revolutionären Redensarten, um gerade diejenigen Proletarier zu gewinnen, die nur durch windige Illusionen ihren revolutionären Willen zu reformistischen Parolen beugen lassen. So fing es bei der Sozialdemokratie auch an. Mit revolutionären Redensarten und reformistischem Tun kam es zum 4. August 1914, zum Ebert und Noske. Gleiche Ursachen führen zu gleichen Wirkungen. Es besteht Kriegsgefahr und die KPD ist auf dem Wege zum 4. August.

Die Arbeiterschaft hat das Mittel an der Hand, die Aufrüstung von Armee und Flotte zu verhindern. Ihr Mittel heißt: Direkte Aktion, das bedeutet Streik, Sabotage, Aufstand!

An Stelle der Aufforderung zur Kriegs- und Rüstungssabotage und zu wirklichen Klassenkampfmethoden verweist die KPD auf die gesetzlichen Mittel der bürgerlichen Republik. Der Grund für die Entartung der aus dem revolutionären Spartakusbund hervorgegangenen KPD liegt in der sklavischen Abhängigkeit von ihrer Moskauer Obrigkeit.

Das Rußland von 1928 ist nicht mehr das Rußland von 1917. Die russische Regierung ist keine revolutionäre Einrichtung. Die von ihr abhängige kommunistische Internationale aber maßt sich an, die revolutionäre Bewegung des Weltproletariats zu leiten. Sie leitet sie im Interesse der russischen Staatspolitik, die dieselbe Politik ist, wie die der imperialistischen Staaten. Ein paar gerissene Parteidiplomaten, gestützt auf einen ungeheuren bürokratischen Apparat, treiben die russischen Arbeiter und armen Bauern immer tiefer in die Abhängigkeit des Grundbesitzes (Kulakentum) und des westeuropäischen Industriekapitals. Die Despotie eines Parteivorstandes nennt sich Diktatur des Proletariats und verlangt dabei, die Arbeiter sollen die Rückentwicklung zum Privatkapitalismus als Etappe auf dem Wege zum Sozialismus anerkennen. Die eigenen Mitglieder der in Rußland alleinherrschenden Partei, die das völlige Verlassen aller revolutionären Traditionen als Verrat brandmarkten, verkommen in den Gefängnissen Rußlands oder in der sibirischen Verbannung. Sie teilen dieses Los mit den Revolutionären aller proletarischen Richtungen: Anarchisten, Syndikalisten, Marximalisten, linke Sozialrevolutionäre und Arbeiteropposition, deren Ausrottung schon mindestens bis zu der Niederschlagung der Kronstädter Matrosen und Arbeiter zurückgeht, die die Rechte der freien Sowjets verteidigen wollten. Zu einer Amnestie der revolutionstreuen Proletarier hat sich das sogenannte Sowietrußland bis jetzt noch nie aufschwingen können, man verleumdet sie als Konterrevolutionäre.

Die unterzeichneten antiparlamentarischen revolutionären proletarischen Organisationen haben sich zu einer Arbeitsgemeinschaft gegen jeglichen Arbeiterbetrug zusammengefunden. Sie richten zum 10. Jahrestage der deutschen Revolution an das Proletariat den Appell:

Werft alle Illusionen, als könnte Euch die Beteiligung an Wahlen oder Volksentscheiden das geringste nützen, über Bord, befreit Euch vom Einfluß aller parlamentarischen Parteien und reformistischen Gewerkschaften, führt den Kampf unmittelbar und direkt gegen jede Art Ausbeutung, gegen das Lohnsystem, gegen die Herstellung jeder Art Kriegsmaterial, gegen Staats- und Verwaltungsbürokratie, gegen die Ungleichheit arbeitender Menschen, führt den Kampf für aktiven Widerstand gegen Kriegsgefahr, für Gleichheit aller Arbeitenden, für die Freilassung aller proletarischen Revolutionäre und Verfolgten, wie in andern Ländern, so auch in Rußland, für den Sturz der bürgerlichen Gesellschaft, für die Selbstbestimmung des Proletariats in seinen Räten.

Die Befreiung der Arbeiterklasse kann nur das Werk der Arbeiter selbst sein. Sie kann ihr weder von einheimischen, noch von russischen Bonzen abgenommen werden.

Arbeiter, besinnt Euch auf Eure eigene Kraft!

Anarchistische Vereinigung / Anarchistische Jugend / Freie Arbeiter-Union (Syndikalisten) /  Syndikalistisch-anarchistische Jugend / Antiautoritärer Bund /  Proletarischer Gesundheitsdienst

Aus: Fanal, 3. Jahrgang, Nr. 2, November 1928. Digitalisiert von www.anarchismus.at anhand des Nachdrucks aus dem Impuls Verlag (bearbeitet, Ue zu Ü usw.)


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