Peter Giersich - Wer war Max Hoelz?

Max Hoelz war kein Anarchist, seine Geschichte sei hier trotzdem erwähnt. Ab 1919 war er Mitglied der KPD und stellte gegen den Willen der KPD-Führung proletarische Kampfgruppen auf, die 1920/21 einen Aufstand im Vogtland begannen. Die KPD schloss ihn deshalb wegen Disziplinlosigkeit aus, Hoelz trat daraufhin der linkskommunistischen KAPD bei, bei der er bis Mitte der 1920er-Jahre blieb. Nach dem erfolglosen Ende des Aufstands verbrachte er 8 Jahre im Zuchthaus, wendete sich schließlich wieder der KPD zu und ging 1929 in die Sowjetunion. Um seinen Tod 1933 - Hoelz ist nach offiziellen Angaben beim Baden ertrunken - ranken sich Gerüchte, er sei (wie viele andere) vom stalinistischen Geheimdienst ermordet worden. Sicher ist, dass er nach seinem Tod, allen offiziellen Trauerfeiern und Ehrungen zum Trotz, von Stalins Geheimpolizei mittels grotesker Fälschungen zum Oberhaupt einer antisowjetischen Verschwörung erklärt wurde.

Max Hoelz - ein ehrlicher revolutionärer Kämpfer des deutschen Proletariats

Am 14. Oktober 1889 wurde Max Hoelz in Moritz bei Riesa (heute Ortsteil der Gemeinde Röderau) geboren. "Als Sohn einfacher, armer Landarbeiter hat er die ganze Schwere des Schicksals der Proletarierkinder zu kosten bekommen. Nur ausgerüstet mit den mangelnden Kenntnissen einer sächsischen Dorfschule trat er ins Leben. Zwei Jahre nach seiner Schulentlassung ging er in die Stadt und einige Monate später nach England. Tagsüber arbeitete, abends lernte und studierte er. Er wollte nicht, wie seine Eltern, ein ärmliches Dasein führen. Er glaubte an die ´freie Bahn des Tüchtigen´. Er nahm alles Wissen von dort, wo er es fand und hat mit großer Zähigkeit und Ausdauer bis an die Grenze seiner physischen Leistungsfähigkeit seinem Ziele zugestrebt." (Georg Schumann) Er studierte Geometrie und erwarb sich Grundkenntnisse im Eisenbahnbau, in der Vermessungstechnik.

1909 kehrte er nach Deutschland zurück, arbeitete als Eisenbahntechniker in Berlin, dann als Filmerklärer in Dresden. Dabei führte er seine Studien weiter. 1912 erklärten ihn die Ärzte bei einer Tauglichkeitsuntersuchung für den Wehrdienst als tuberkuloseverdächtig und rieten ihm, in eine gesündere, waldreiche Gegend überzusiedeln. So kam Max Hoelz 1912 als Landvermesser nach Falkenstein im Vogtland. Nebenbei arbeitete er als Filmerklärer, wobei er seine Redegewandtheit übte und ausbaute. Abends lernte er weiter. Er heiratete die Tochter eines Fuhrunternehmers, Klara Buchheim, und bezog eine Wohnung in der Falkensteiner Amtsstraße.

Falkenstein war das industrielle Zentrum der damaligen Amtshauptmannschaft Auerbach. Mit Beginn des 1. Weltkrieges ging die Produktion der hier Monopolstellung innehabenden Textilindustrie rapide zurück. Die Männer wurden zum Militär eingezogen oder als Rüstungs- oder Armierungsarbeiter in Großstädte wie Chemnitz, Leipzig, Berlin u. a. verpflichtet. Das ohnehin schon karge Leben der Arbeiterfamilien wurde dadurch noch ärmlicher. Viele rangen um die nackte Existenz.

Max Hoelz meldete sich sofort bei Kriegsbeginn zu den Sächsischen Königshusaren. Wie viele Deutsche glaubte er, sein Vaterland vor Feinden schützen zu müssen. Er kam an verschiedenen Abschnitten der Front im Westen und Osten zum Einsatz.

In Galizien (Gebiet zwischen oberer Weichsel und oberen Pruth) hörte er 1917 von der Oktoberrevolution in Rußland und lernte dort auch Georg Schumann, ein maßgebliches Mitglied der Spartakusgruppe, kennen. Fünf Wochen hatte er täglich Kontakt mit ihm. Die furchtbaren Kriegserlebnisse und die Erklärungen Schumanns ließen ihn vom "unpolitischen", christlichen, königstreuen Staatsbürger zum streitbaren Humanisten, leidenschaftlichen Kämpfer gegen die scheinheilige bürgerliche Ordnung werden.

Fünf Jahre später erinnerte er sich dieser Begegnung: "Als ich auf so eigentümliche Weise 1917 in Galizien Deine Bekanntschaft machte, hing ich vollkommen in der Luft. Das Alte in mir stürzte, etwas Neues konnte ich nicht finden. Dafür fehlte jede Voraussetzung und Anregung. Den allerersten Schimmer einer neuen Weltanschauung für mich, der gleich Blitzstrahlen meine inneren Kämpfe beleuchtete, hast Du mir damals vermittelt. Nicht allein durch das, was Du mit mir u. den anderen besprachst u. die Schriften, die Du bei Dir hattest, sondern vor allem auch durch die ganze Art Deines Wesens, Deines Auftretens, Deine damalige göttliche Ruhe u. absolute Sicherheit hat einen nicht geringen Eindruck auf mich gemacht, ebenso aber auch auf die anderen. Wer in dieser Situation sein seelisches Gleichgewicht so bewahrt wie Du, der mußte seiner Sache verteufelt sicher sein. Das war der erste und nachhaltigste Eindruck, den ich von Dir empfing.

Allgemein wurde angenommen, daß Dir das famose Kriegsgericht 10 Jahre Zuchthaus aufhängen würde. Der Schreiber von der Ortskommandantur, ein mit allen Salben geschmierter Junge, gab uns dann ein anschauliches Bild von der Verhandlung vor dem Kriegsgericht. Er hatte an der Türe gelauscht, darin war er Fachmann, und schilderte, wie Du mit Deiner Ruhe den Kriegsgerichtsrat aus der Ruhe gebracht hattest, und ihm Nüsse zwischen die Zähne klemmtest, an denen er sich die Zähne ausbiß.

Der Gedanke an Dich, Deine Worte und Ziele hat mich dann nicht mehr los gelassen. Ich fuhr dann nach Kriegsende nach Leipzig u. erkundigte mich bei der Leipziger Volkszeitung nach Deinem Aufenthalt, und erfuhr dort, daß Du noch nicht zurück, aber doch wohl auf dem Rückmarsche seiest. Und dann gelang es mir doch, Dich für eine Versammlung in Falkenstein zu gewinnen. Für mich warst Du jedenfalls damals der Inbegriff des neuen Werdens. Daß dann bei mir das Gefühl mit dem Verstande durchging, war wahrhaftig kein besonderes Wunder. Mir fehlte jede theoretische Grundlage. Ich fühlte das Neue, das Werden aus dem Vorgehenden, aber sein eigentliches Wesen, seine wichtigsten Zusammenhänge vermochte ich nicht zu erkennen. Seit unserem letzten Zusammensein habe ich ja nun allerdings eine harte Schule durchgemacht, und ich glaube, ich habe in dieser Schule manches gelernt. Es wäre aber auch gut, wenn andere Genossen mit aus meinen Fehlern gelernt hätten. Ich meine damit vor allem die Genossen in der kommunistischen Arbeiterpartei, bei den Rühleanern und in der A.A.U.

Wer heute noch von diesen Genossen auf dem Standpunkt der Einzelaktion, der sogenannten Propaganda der Tat und andere spezifische Methoden der K.A.P. steht, der hat nichts gelernt aus der Vergangenheit und wird kaum jemals etwas daraus lernen. Für sie ist es besser, wenn sie ihr Domizil auf der Raabeninsel aufschlagen u. dort Frösche fangen.

Es gibt nur einen Weg, um vorwärts zu kommen, nach all den mannigfachen Rückschlägen der letzten Jahre: Sammlung aller revol. Kräfte im Rahmen der K.P.D., keine Einzelaktion, sondern einheitliches Handeln unter Zentraler Leitung im Sinne des kommun. Programms. Alles andere, auch wenn es noch so gut gemeint u. mit Tapferkeit ins Werk gesetzt wird, führt immer nur zur Zersplitterung und Zermürbung wertvoller Kräfte, ohne der Sache auch um ein geringstes zu nützen. Die Genossen von der K.A.P. und von all den anderen kleinen Gruppen u. Grüppchen müssen auch einmal den Mut aufbringen, etwas zu tun, was scheinbar ein Rückwärtsgleiten ist, in Wirklichkeit aber uns eine Sammlung aller Klassenkämpfer zu einer einzigen Kampfreihe.

Die Genossen von der K.A.P., der A.A.U. usw. in Halle, Merseburg, Hettstedt, Helbra, Eisleben und in Leipzig müssen ihren Brüdern in der K.P.D. die Hände zu einem festen Bunde reichen, dann kann sich Hörsing und seine Handlanger die Zähne ausbeißen an dieser Phalanx."

Im November 1918 kehrte Hoelz nach Falkenstein zurück. Sofort setzte er sich für die Bildung eines Arbeiter- und Soldatenrates ein. Um seine gewonnenen politischen Anschauungen auch praktisch umzusetzen, schloß er sich der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) an. Bald merkte Hoelz, daß diese Partei von Zentristen und Pazifisten geführt wurde und keine wahre Kampfpartei für die Interessen des Proletariats war.

Als herausragendes Ergebnis der deutschen Novemberrevolution hatte sich am 31. Dezember 1918 die Kommunistische Partei Deutschlands (Spartakusbund) konstituiert. Sofort gingen ihre aktivsten Mitglieder daran, überall Ortsgruppen der KPD zu bilden. Max Hoelz trat Ende Januar 1919 zur KPD über und wurde Mitglied des Ortsgruppenvorstandes Plauen der KPD. Er initiierte gemeinsam mit dem Chemnitzer Eugen Steinert, eine kommunistische Volksversammlung im Hotel Zum Falken in Falkenstein. In dieser Versammlung am 12. Februar 1919 wurde die Ortsgruppe Falkenstein der KPD gegründet, die am 19. Februar 1919 ihre erste Mitgliederversammlung im Gasthaus Zum Fuchs, genannt Hackepeter, durchführte.

Max Hoelz war führend am Kampf der Plauener Arbeitslosen um die Verbesserung ihrer sozialen Lage im Februar 1919 beteiligt. Als dieser Kampf durch das opportunistische Verhalten der rechten Plauener USPD-Führer und mit militärischer Gewalt beendet wurde, wandte er sich seinem Wohnort Falkenstein zu. Am 24. April 1919 wählten die Falkensteiner Arbeitslosen einen neuen, kommunistischen Arbeitslosenrat, dessen Vorsitzender Max Hoelz wurde. Konsequent und energisch trat dieser Rat für die Interessen der Erwerbslosen und der notleidenden Bevölkerung ein. Dabei beschränkte er sich nicht auf Appelle und Forderungen, sondern ging zu praktischen Aktionen über.

Die Unterstützungssätze für Erwerbslose und Kriegerwitwen wurden auf sein Betreiben erhöht, Brennmaterial und Lebensmittel herbeigeschafft, Hamstererlager wurden requiriert und eine gerechte Verteilung lebensnotwendiger Güter gesichert. Dreimal wurde Falkenstein in dieser Zeit von Militär besetzt, um das von den Kommunisten eingeführte Gerechtigkeitsregime zu beseitigen. Die Falkensteiner wehrten sich. So erzwangen sie nach der ersten Besetzung durch die Festnahme des Bürgermeisters und weiterer Honoratioren der Stadt als Geiseln die Freilassung von verhafteten Mitgliedern des Arbeitslosenrates.

Als nach der zweiten Besetzung eine Bürgerwehr, die schnell gebildet worden war, Hoelz festsetzen wollte, wurden diese "tapferen Krieger" entwaffnet und nach Hause gejagt. Auch zu Beginn der dritten Besetzung verhinderten die Falkensteiner Arbeiter die Festnahme von Max Hoelz und befreiten ihre Gefangenen aus dem Falkensteiner Amtsgericht. Nach der Niederschlagung der Bayrischen Räterepublik wurde die Reichswehr verstärkt gegen die revolutionären Unruheherde, wie auch gegen Falkenstein, eingesetzt. Max Hoelz und Eugen Steinert, die als die führenden Persönlichkeiten der KPD im Vogtland angesehen wurden, standen auf der Fahndungsliste und mußten illegal arbeiten.

Max Hoelz verließ zeitweilig das Vogtland. Er besuchte einen Zwei-Wochen-Kursus der KPD in Walsrode (Lüneburger Heide), der von Otto Rühle (den man den "sächsischen Karl Liebknecht" nannte) geleitet wurde. Als Agitator der KPD wurde er in Mitteldeutschland und in Bayern eingesetzt. Im Hannoverschen gelang es der Polizei, seiner habhaft zu werden. Kampfgenossen aus Falkenstein befreiten ihn wieder aus dem Gefängnis. Mehrmals tauchte der steckbrieflich Gesuchte auch in Falkenstein auf.

In der Nacht vom 12. auf den 13. März 1920 zog die Marinebrigade Ehrhardt mit Hakenkreuzen an den Helmen und kaiserlichen Fahnen in Berlin ein. Die Regierung wurde für abgesetzt erklärt, die Nationalversammlung aufgelöst. Generallandschaftsdirektor Kapp übernahm das Amt des Reichskanzlers, Freiherr von Lüttwitz war militärischer Führer des Putsches. Noch am selben Tag, einem Sonnabend, rief die KPD-Bezirksleitung Erzgebirge-Vogtland zum bewaffneten Widerstand gegen den Kapp-Putsch, zum Kampf um die politische und militärische Macht auf. Am Abend des 13. März 1920 traf Max Hoelz, aus Oberfranken kommend, in Oelsnitz/Vogtland ein. Hier vereinbarte er mit den Genossen der KPD-Ortsgruppe um Georg Dittmar und Arno Rudert, den Kampf gemeinsam mit den Falkensteiner Arbeitern zu führen. Falkenstein war, wie Plauen und Treuen, in Vorbereitung auf den Putsch seit Anfang Februar 1920 von der Reichswehr besetzt. Zwar gelang es den Falkensteiner Arbeitern, am 15. März 1920 einige Waffen zu erbeuten, doch war das Kräfteverhältnis zu ungleich, um die Herrschaft über die Stadt zu erlangen.

Hoelz wandte sich mit seinen Kämpfern nach Auerbach. Hier war gerade im Schützenhaus ein Aktionsausschuß gewählt worden. Sofort zogen die Versammelten nach Auerbach-Mühlgrün, wo im Goldenen Anker eine Gendarmeriestation eingerichtet war. Die Gendarmen wurden im Handstreich entwaffnet und gefangengesetzt. Ein leichtes und ein schweres Maschinengewehr, zahlreiche Karabiner, Pistolen und Handgranaten wurden erbeutet.

Im Gesellschaftshaus "Harmonie", dem Auerbacher Sitz der Freimaurer, richteten die bewaffneten Arbeiter ihren Stützpunkt ein. In der Nacht rückte eine Abteilung Reichswehr heran. Es kam zu einem halbstündigen Feuergefecht, in dessen Verlauf ein Unbeteiligter durch eine verirrte Kugel fiel. Die Reichswehr zog sich nach Falkenstein zurück. Am frühen Morgen des 16. März 1920 rückte sie nach Plauen ab.

Die bewaffneten Arbeiter besetzten unter Leitung von Max Hoelz das Falkensteiner Schloß (heute Sparkasse und Heimatmuseum), welches zum Sitz des Falkensteiner Aktionsausschusses wurde. Wie vereinbart, nahmen der Falkensteiner und der Oelsnitzer Aktionsausschuß enge Verbindung auf, koordinierten ihre Tätigkeit und führten viele Aktionen gemeinsam durch. Georg Dittmar und Arno Rudert aus Oelsnitz widmeten sich besonders der politischen und Öffentlichkeitsarbeit, während Max Hoelz und Paul Popp aus Falkenstein stärker als militärische und organisatorische Führer in Erscheinung traten.

In Falkenstein wurde eine Rote Garde gebildet, in der alle bewaffneten Arbeiter militärisch organisiert waren. Als Kern dieser Volksmiliz bildete der Aktionsausschuß eine Arbeiterwehr, in die politisch organisierte Arbeiter eintreten konnten. Sie erhielten Löhnung, wurden im Schloß kaserniert und verrichteten Wach- und Patrouillendienst. Der Falkensteiner Anzeiger, die Lokalzeitung, wurde unter die Zensur des Aktionsausschusses gestellt. Die bewaffneten Arbeiter sorgten in der Stadt für Ruhe, Sicherheit und Ordnung.

Der einmütige Generalstreik im ganzen Land und die Erfolge der Arbeiter im bewaffneten Kampf gegen die Konterrevolution führten zu einem vollständigen Zusammenbruch des Putsches. Am 17. März 1920 mußte die Regierung Kapp abdanken. Am 18. März rief die Führung der SPD zum Abbruch des Generalstreiks auf, während die Zentrale der KPD am 19. März 1920 dazu aufforderte, den Streik fortzusetzen, bis die Reaktion entwaffnet und die Waffen in den Händen des werktätigen Volkes seien. Am 22. März 1920 vereinbarten SPD, USPD und Gewerkschaften die Beendigung des Generalstreiks ab 23. März.

Max Hoelz sah in den bewaffneten Aktionen des Proletariats gegen die Putschisten den Beginn der proletarischen Revolution, des Kampfes für die "proletarische Diktatur und die kommunistische Räterepublik". Um die Arbeiter zu bewaffnen, wurden am 17. März 1920 in Zwickau Waffen beschafft. In der Nacht vom 22. zum 23. März 1920 gelang es etwa 50 Falkensteiner und Oelsnitzer Arbeitern, gemeinsam unter dem Kommando von Max Hoelz 21 politische Gefangene aus dem Amtsgerichtsgefängnis Plauen zu befreien. Am Nachmittag des 23. März 1920 rückten bewaffnete Arbeiter aus Falkenstein und Oelsnitz unter Hoelz' Führung in Markneukirchen ein, um dort die Bürgerwehr zu entwaffnen, die die Aktionsausschüsse der umliegenden Orte bedroht hatte. Am 24. März 1920 sprach Hoelz in einer großen öffentlichen Volksversammlung im Falkensteiner Schützenhaus über den Kampf der Roten Ruhrarmee und die Perspektive der proletarischen Bewegung. Er war überzeugt vom Sieg des deutschen Proletariats, erkannte nicht, daß die Chancen für eine erfolgreiche sozialistische Revolution in Deutschland nicht mehr gegeben waren. Hoelz war der festen Überzeugung, daß, solange das Proletariat noch kämpft, eroberte Positionen gehalten werden müssen. Deshalb weigerte er sich, die Waffen niederzulegen und, der Erklärung der Zentrale der KPD vom 23. März 1920 entsprechend, den bewaffneten Kampf einzustellen.

Am 28. März 1920 sprach Hoelz in Plauen zu ca. 15.000 Menschen über die Ziele der Revolution, die in erreichbare Nähe gerückt seien. Nach dieser Versammlung zog er mit Angehörigen der Falkensteiner Roten Garde zur Neuen Vogtländischen Zeitung. Dieses bürgerlich-reaktionäre Blatt hatte ständig in besonders gehässiger Weise gegen die revolutionäre Arbeiterschaft gehetzt und direkt zum Mord an Max Hoelz aufgerufen. Die Falkensteiner drangen in das Verlagsgebäude ein, zerstörten die Druckmaschinen und verbrannten auf der Straße Geschäftspapiere.

Zur Finanzierung der Arbeiterwehr und zur Beschaffung von Lebensmitteln verlangte der Rote Vollzugsausschuß (ein engeres Leitungsgremium des Falkensteiner Aktionsausschusses um Max Hoelz) von Kapitalisten des Vogtlandes Geldspenden, die er auch erhielt - aus Plauen und Falkenstein, aus Lengenfeld, Markneukirchen, Klingenthal und Oelsnitz/V. Zahlreiche Aktionen der Roten Garde trugen dazu bei, ihren Ruf und ihr Ansehen unter den Arbeitern zu erhöhen.

Viele Proletarier aus Sachsen und anderen angrenzenden Gebieten kamen nach Falkenstein, der letzten bewaffneten Bastion der Arbeiterklasse, um hier "mit der Knarre in der Hand" für ihre Klassenideale zu kämpfen. Hoelz, Dittmar und die anderen Führer des vogtländischen Proletariats handelten im festen Glauben, mit ihren Aktionen zu den Zielen der KPD beizutragen.

Am 4. April 1920 forderten Beauftragte der KPD-Bezirksleitung Erzgebirge-Vogtland Hoelz auf, den geordneten Rückzug einzuleiten. Der Rote Vollzugsausschuß lehnte diese Aufforderung ab. Weil durch die von Max Hoelz geführten Aktionen falsche Hoffnungen in der Arbeiterklasse genährt wurden, die die Einheitlichkeit des Handelns der KPD gefährdeten, und Hoelz die Parteidisziplin bewußt verletzte, schloß ihn der Bezirksparteitag der KPD am 6. April 1920 aus der Partei aus. Die Volkszeitung für das Vogtland, eine Zeitung der USPD, berichtete darüber und druckte den Beschluß der Konferenz ab:

"Resolution über die Lage im Vogtland

Die Bezirkskonferenz der K.P.D. Erzgebirge-Vogtland erklärt den primitiven Kommunismus, der im Vogtland unter Führung von Hölz sich auftut, als überwundenen, den gegenwärtigen Machtverhältnissen des Kapitalismus nicht entsprechend, ab. Das Wesen des Kommunismus ist nicht, wie ein Oelsnitzer Aufruf ausspricht, dort wegzunehmen, wo was ist, um es dort hin zu tun, wo nichts ist. Kommunismus ist die zielklare Vorhut-Arbeit zur Sammlung der gesamten Arbeiterklasse, um in der gesamten Arbeiterklasse die revolutionäre Kraft zur Verwirklichung des Kommunismus, zur Umformung der Gesellschaftsordnung, zur Überführung des Privateigentums an den Produktionsmitteln in das Eigentum der ganzen Gesellschaft zu erwecken.

Die Taten des Hölz sind nicht die Folge großer revolutionärer Kraft des Vogtländischen und Erzgebirge-Proletariats, sondern im Gegenteil, ein Zeichen der revolutionären Ohnmacht. Das Erzgebirgische-Proletariat handelt nicht als Masse revolutionär, sondern sympathisiert nur mit Hölz, weil es hofft, daß Hölz mit seinen anderthalb Hundert todesmutigen Genossen für es die Revolution machen werde. Das ist eine gefährliche Illusion, die, wenn wir ihr nicht entgegentreten, die Entwicklung zu kommunistischer Klarheit hemmen muß. Die noch so opfermutigen Handlungen des Hölz können diese Kraftlosigkeit der Masse des Proletariats im Vogtland und im Erzgebirge nicht ersetzen. Im Gegenteil. Weil die Handlungen von Hölz nicht der wirklichen Kraft der Masse der Arbeiterschaft entsprechen (nur ihrem Wunsche), und weil die revolutionäre Gesamtlage Deutschlands nicht im siegreichen Aufstieg, sondern bereits wieder abgeebt, ist durch den verräterischen Abbruch des Kampfes, ehe er die alten Machtverhältnisse zu ändern vermochte, weil dem so ist, kann alles, was Hölz tut, der Festigung der revolutionären Macht der Arbeiterklasse nicht dienen. Es hat keinen Sinn, im Vogtland ein rote Armee zu organisieren, dieweil im übrigen Deutschland sich die Abwürgung der Ruhrbergleute ohne ernste Gegenwehr vollzieht.

Es ist erste Pflicht jedes politischen Handelns, die Aktionen des Proletariats miteinander in Einklang zu bringen; wir im Erzgebirge können im gegebenen Augenblick nicht isoliert vorwärts stürmen, sondern wir müssen Tritt fassen, bis die Arbeiterschaft im übrigen Reich uns eingeholt hat.

Obgleich wir die Hetze gegen Hölz der sächsischen Regierung und der gesamten Reaktion aufs schärfste bekämpfen werden, erklären wir hiermit öffentlich, daß wir die Aktionen von Hölz, die die Aktionen der Masse der Arbeiterschaft ersetzen sollen, ablehnen. Hölz stellt sich mit seinen Leuten durch seine wirren Aktionen außerhalb der Partei, da die Partei nur leben kann, wenn die Parolen der Gesamtpartei ausgeführt werden."

(Bereits im November 1920 nahm ihn der 5. Parteitag der KPD auf Antrag des gemeinsamen Delegierten für Oelsnitz und Falkenstein, Georg Dittmar, wieder in die Partei auf.)

Nach der Niedermetzelung der Roten Ruhrarmee schickte sich die Reichswehr an, das rote Vogtland zu erwürgen. Hoelz sah die Sinnlosigkeit eines bewaffneten Kampfes seiner etwa 300 Mann starken Roten Garde gegen die 50.000 eingesetzten, wohlausgerüsteten und erprobten Söldner ein. Mit furchterregenden Proklamationen und Aufrufen versuchten er und seine Genossen, die Reichswehr vom Eindringen in das Vogtland abzuschrecken. So erschien am 30. März 1920 im Falkensteiner Anzeiger, der unter Zensur des Roten Vollzugsrates stand, der

"Aufruf an die besitzende Klasse:

Nachdem uns bekannt geworden ist, daß von verschiedenen Seiten darauf hingewirkt wird, reaktionäre Truppen (Reichswehr) nach dem Vogtlande zu ziehen, um die Herrschaft der Arbeiterklasse zu brechen und die Aktionsausschüsse aufzulösen, geben wir folgendes bekannt:

Proklamation des Generalstreiks, Stillegung aller Betriebe, auch der lebenswichtigen.

Sollte diese erste Maßnahme nicht genügen, um den Einmarsch der Truppen zu verhindern, so würden wir auch nicht davor zurückschrecken, die Maschinen in den Betrieben zu zerstören und als äußerstes und letztes Mittel würden wir gezwungen sein, die Villen, überhaupt alle Häuser der besitzenden Klasse, sowie die Gebäude der Behörden, Staatsgebäude usw. in Brand zu setzen oder in die Luft zu sprengen. Was dadurch heraufbeschworen würde, können sich die betreffenden Klassen selbst ausmalen. Wir warnen daher jedermann, reaktionäre Versuche zu unterstützen und machen wir für die daraus entstehenden Konsequenzen die in Frage kommenden Kreise verantwortlich.

Solange die alte Regierung und die Reichswehrtruppen nichts gegen die Herrschaft der Arbeiter unternehmen, werden wir selbst mit allen Kräften für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung sorgen.

Achtung!

Als Maßnahme gegen den eventuellen Einmarsch der Truppen hat sich ein Brandkomitee gebildet, das beim Herannahen der Truppen sofort in Tätigkeit tritt.

Achtung!

Wenn gegen einen Vertreter der Arbeiter oder gegen einen Arbeiter überhaupt, sowie gegen den Genossen Hoelz ein Anschlag (Attentat) usw. verübt wird, dann tritt das Rachekomitee in Tätigkeit und wird unter der besitzenden Klasse aufräumen.

Der rote Vollzugsausschuß"

Der Ring um das Vogtland wurde immer fester. Im festen Glauben, daß bewaffnete Arbeiter aus anderen Landesteilen den bedrängten Vogtländern zu Hilfe kommen würden, harrten die Falkensteiner aus und erließen eine Woche später einen noch radikaleren Aufruf:

"Erklärung.

Die revolutionären Arbeiter des gesamten Vogtlandes und der angrenzenden Gebietsteile erblicken in der Tatsache, daß die konstitutionelle Regierung des Freistaates Sachsen den Kopfpreis für die Auslieferung des Genossen Max Hoelz auf 30.000 Mk. erhöht hat in einer Zeit, in der die Arbeiter Deutschlands aufgerufen wurden, der Schlange der Reaktion den Kopf zu zertreten, eine ungeheure Provokation, eine Kampfansage an das revolutionäre Proletariat und Tausende von revolutionären Arbeitern sind fest überzeugt von der Reinheit seiner Ziele, seiner Ideale. Der Genosse Hoelz unterscheidet sich von anderen Arbeiterführern nur durch eine ausgeprägte Klarheit seines Willens und durch eine unbeugsame Energie.

Im Vogtland ist weder die Räteregierung ausgerufen, noch ist irgendwie die Staatsform (politisch und wirtschaftlich) angetastet worden. Wo irgendwelche Eingriffe geschehen sind, sind diese Produkte des Kampfes, der mit der Proklamation des Generalstreiks von seiten der gefährdeten konstitutionellen Reichsregierung eingeleitet wurde oder waren sie notwendig aus Gründen der schreienden Not und der furchtbaren sozialen Ungerechtigkeit, die das gesellschaftliche Leben heute aufweist. Im übrigen aber ist im Vogtland nur geschehen, was allenthalben im Reiche angesichts der drohenden reaktionären Gefahr notwendig war, die Bourgeoisie und das Bauerntum, die in einer Weise bewaffnet waren, daß der Arbeiterschaft erst heute die Größe der Gefahr recht zu Bewußtsein kommt, sind entwaffnet worden und die Waffen sind in Händen der Arbeiter. Und diese Waffen wird die revolutionäre Arbeiterschaft des Vogtlandes freiwillig nicht wieder aus den Händen geben. Wir wissen, und der Aufruf der sächsischen Regierung läßt es deutlich erkennen, daß der Wille vorhanden ist, der Arbeiterschaft die Waffen zu entwinden. Das bedeutet, daß man den alten gefährlichen Zustand wieder herstellen will, bedeutet, daß man die Arbeiterschaft rettungslos dem Wüten der Reaktion, Mord und Tod, dem weißen Terror, preisgeben will. Wir können niemand hindern, Truppen ins Vogtland zu senden, aber wir sind uns vollständig klar darüber, daß es dann für uns nur eines geben kann, den Kampf mit allen Mitteln auf Leben und Tod, Kampf bis zum Sieg oder zur Niederlage, Kampf unter allen Umständen, auch mit den verzweifeltsten Mitteln, das ist für diesen Fall die Parole der revolutionären Arbeiterschaft des Vogtlandes. Noch ist kein Tropfen Blut geflossen, aber wir, die wir mit dem Leben abgeschlossen haben, werden nicht aus der Welt gehen, ohne den Teil der Bourgeoisie ohne Unterschied des Alters und des Geschlechts mitzunehmen, den wir erreichen können. Ein Teil der handlichsten Schuß- und Sprengwaffen ist in den Händen entschlossener Genossen außerhalb unseres Gebiets. Diese Genossen haben geschworen, den Tod der revolutionären vogtländischen Arbeiter zu rächen durch Attentate auf die Spitzen der deutschen Bourgeoisie, wie auf diejenigen bekannten Führer in der deutschen Arbeiterbewegung, deren Verrat offen bekannt wird. Wir revolutionären Arbeiter des Vogtlandes haben bewiesen, daß wir handeln können - wie werden handeln.

Man hat uns gelehrt, daß die Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln (Erfurter Programm) Voraussetzung sei für den Aufbau der sozialistischen Ordnung, man hat uns gelehrt, daß die Befreiung der Arbeiterklasse nur das Werk der Arbeiterklasse selbst sein kann und man will nun wieder uns die Waffen entreißen, um sie denen zu geben, die die Befreiung der Arbeiterklasse, unser alleiniges Ziel, nicht wollen können. Wir leiden seit Monaten, seit Jahren ungeheuer und wir sind nicht mehr imstande, all die vielen Zumutungen zu ertragen, ohne seelisch zu zerbrechen. Wir warten sehnenden Herzens auf den welterlösenden Sozialismus, wir kämpfen für ihn, für nichts anderes, und wenn man uns den Glauben an den Sozialismus aus den Herzen reißen will, dann allerdings soll man Reichswehrtruppen schicken, dann werden wir ausgehungerten, ausgemergelten vogtländischen Arbeiter den einzigen Weg gehen, der uns zu gehen übrig bleibt, den Weg in den Tod!

Für die revolutionäre Arbeiterschaft des Vogtlandes und der angrenzenden Gebietsteile die Ortsgruppen der Kommunistischen Partei Deutschlands (Spartakusbund): Falkenstein, Grünbach, Ellefeld, Auerbach, Hinterhain, Lengenfeld, Klingenthal, Oelsnitz, Adorf, Zeulenroda, Gera, Greiz, Reichenbach, Ruppertsgrün, Crimmitschau, Werdau, Schönfels, Zwickau, Niederplanitz, Oberplanitz, Oberhohndorf, Crossen, Thalheim, Oelsnitz i. Erzgeb., Ortmannsdorf, Heinrichsort, Lößnitz, Aue, Schlema."

Um aussichtslose Kämpfe und Blutvergießen zu vermeiden, jedoch auch, um die bewaffnete Macht der Arbeiter zu erhalten, zog sich die Rote Garde in Richtung Klingenthal zur CSR-Grenze zurück. Auf CSR-Seite waren kriegsstarke Einheiten aufgezogen, denn man fürchtete ein Ausweiten des "kommunistischen Aufstandes" auf tschechisches Gebiet. Viele seiner Kämpfer, auch Max Hoelz, gingen nach Verhandlungen mit den tschechoslowakischen Behörden über die Grenze und ließen sich internieren. Hoelz selbst wurde in der CSR wegen verbotenen Waffenbesitzes verurteilt und vier Monate im Zuchthaus Karthaus eingesperrt.

Über den Strafprozeß gegen Max Hölz schrieb sein deutscher Rechtsbeistand, der Rechtsanwalt Ernst Hegewisch vom Oberlandesgericht Celle, welcher der Gerichtsverhandlung in Gitschin als Zuhörer beigewohnt hat, folgenden Bericht:

"Vor dem Senat des Kreisgerichts in Gitschin (Tschecho-Slowakei) fand am 19. Juli unter überaus zahlreichem Andrang des Publikums die Verhandlung gegen den Kommunisten Max Hoelz aus Falkenstein i.V. wegen der Straftaten statt, die er in unmittelbarem Anschluß an seine Flucht aus Deutschland auf dem Boden der Tschecho-Slowakei begangen haben sollte.

Dem Angeklagten wurde von der tschechischen Staatsanwaltschaft das Verbrechen der ´öffentlichen Gewalttätigkeit durch gefährliche Drohung gegen obrigkeitliche Personen in Amtssachen sowie Verbrechen gegen das Sprengstoffgesetz zur Last gelegt, weil er bei seiner Untersuchung durch tschechische Gendarmen eine Handgranate bei sich führte und mit dieser die Beamten bedroht haben sollte, um der Inhaftierung zu entgehen. Der Angeklagte gab zu, bei der Untersuchung im Wachtzimmer der Gendarmerie-Station von Marienbad eine Handgranate, die er bei sich trug, in die Hand genommen zu haben; er will dies aber nicht getan haben, um den Gendarmen Furcht einzujagen, sondern um die Handgranate zu verstecken.

Der Gendarmerie-Wachtmeister Hönig, der den Angeklagten untersucht hat, gibt aber als Zeuge seiner Meinung dahin Ausdruck, daß der Angeklagte ihn mit der Handgranate habe bedrohen wollen. Der Zeuge vermag jedoch auf den Vorhalt des Verteidigers Dr. Porel (Prag) keine Erklärung dafür zu geben, warum er dem Angeklagten die Handgranate nicht sofort abgenommen habe, obwohl doch der Angeklagte unmittelbar vor ihm gestanden habe und obwohl sich im Untersuchungszimmer noch zwei weitere Gendarmen befunden hätten."

***

Aus: Peter Giersich / Bernd Kramer: Max Hoelz. Man nannte ihn: Brandstifter und Revolutionär, Robin Hood, Che Guevara, einen Anarchisten, den Roten General. Sein Leben und sein Kampf. Karin Kramer Verlag

Originaltext: http://www.karin-kramer-verlag.de/lp/237-7-lp.html#kap1


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