I.W.W. - One Big Union. Eine Große Gewerkschaft

Vorwort

Der hier vorliegende Text ist ein Schwergewicht unter den programmatischen Dokumenten der internationalen Arbeiterbewegung.

Ausgehend von der Tatsache, dass die Interessen von Arbeit und Kapital entgegengesetzt sind, ist die Schrift durchgängig von einer Frage beherrscht: Wie kann die Klasse, wie können alle Schichten und Teile der Arbeiterklasse am besten zu größtmöglicher Stärke vereinigt werden?

Jede/r, die/der schon einer Gewerkschaft angehört oder noch keiner angehört, kann anhand der Prinzipien, die hier dargelegt sind, prüfen und vergleichen. Sind die Bedingungen, die Strukturen, die Ideen so gestellt, um die LohnarbeiterInnen, die Arbeitslosen, die am meisten Ausgebeuteten, stark zu machen? Ist deine Gewerkschaft von unten nach oben aufgebaut? Gibt sie sich zufrieden mit verewigter Lohnarbeit und Abhängigkeit von einer kleinen Minderheit, für die alles in Bewegung gesetzt wird? Stehen die obersten Ebenen auf deiner Seite oder pflegen sie schon mehr Gemeinsamkeit mit der Gegenseite? Existiert eine Vorstellung, wie wir einmal für uns selbst, für den Wohlstand aller arbeiten könnten? Indem die vereinten Produzenten den naheliegenden Schritt tun: die Ausbeuter auszusperren und die Industrien, die Basis der Gesellschaft, in ihre Hände zu nehmen und damit eine umfassende Demokratie möglich zu machen. Das kann und sollte Gewerkschaft sein.

Dies ist die Übersetzung der 8. revidierten Fassung von 2001. Im Text wird der englische Begriff One Big Union beibehalten, weil sich noch kein deutschsprachiger Begriff eingebürgert hat. Und auch, weil die Bedeutung von One Big Union über den Plan einer Organisierung in der Einen Großen Gewerkschaft hinausgeht. Der Begriff meint auch eine große Vereinigung aller ArbeiterInnen und den Bund der ArbeiterInnen aller Länder. Für dieses Ziel steht die IWW – in diesem Sinne beteilige dich an der One Big Union!

Unser Platz in der menschlichen Entwicklung

1. Was ist Industrie und wie hat sie sich entwickelt?

Die Industrie – von der Umwandlung von Rohstoffen in Gegenstände des menschlichen Bedarfs bis zur Bereitstellung von Dienstleistungen – ist das Zentrum und das Fundament unseres gesellschaftlichen Lebens. Die Kapitalisten als alleinige Eigentümer der Ressourcen, der Geräte und Anlagen, die für die Umwandlung von Rohstoffen und die Bereitstellung von Dienstleistungen benötigt werden, bilden die kleinere der beiden Klassen in der Gesellschaft. Die Arbeiterinnen und Arbeiter, die die Rohstoffe gewinnen, sie in Gebrauchsgüter verwandeln oder von der Gesellschaft benötigte Dienstleistungen bereitstellen, bilden die andere, und viel größere, Klasse.

Die Interessen dieser Klassen sind gegensätzlich. Diese Tatsache prägt das ganze gesellschaftliche Leben der Welt.

Die Unternehmer- oder Kapitalistenklasse ist bemüht, ihre Herrschaft und die Privilegien, die aus ihrer Macht resultieren, zu behalten. Um ihre Stellung zu sichern, strebt sie die Kontrolle über alle gesellschaftlichen Institutionen an oder versucht, sie zu halten. Diese Klasse will, dass die Regierung für sie die Gesetze schreibt und ihnen Geltung verschafft. Sie will, dass die Schulen Achtung und Gehorsam gegenüber den wenigen Privilegierten lehren. Sie will, dass die Presse, das Fernsehen und das Internet unsere Gedanken und Gefühle so formen, dass sie ihren Interessen dienen. Und sofern sie Organisationen, die die Arbeiterklasse aufgebaut hat, nicht los wird, will sie auch diese kontrollieren.

Zwei unübersehbare Tatsachen bedrohen die führende Rolle der Kapitalisten:

  • Die heutige Entwicklungsstufe der Industrie hat ihre Tätigkeit überflüssig gemacht.
  • Die Arbeiterklasse ist in der Lage, – sobald sie es wirklich will – die Kontrolle über die Industrie zu übernehmen und damit eine viel leistungsfähigere und befriedigendere Gesellschaft zu errichten.


Die ursprüngliche Funktion des Kapitalisten war es, die Geldmittel bereitzustellen und die Produktion zu leiten. Heute wird die Leitung von eigens ausgebildeten Managern durchgeführt und Geldmittel werden reichlich aus den verschiedenen Rücklagen, die aus dem Profit stammen, bereitgestellt. Das System der Unternehmensverwaltung, das die Kapitalisten aufgebaut haben, hat sie selbst überflüssig gemacht.

Die Klasse der Kapitalisten kam infolge langer Kämpfe gegen Könige und feudale Grundbesitzer an die Macht. Könige und feudale Grundbesitzer führten die Welt gestützt auf ein agrarisches Gesellschaftssystem, in dem Grundbesitz die Machtgrundlage war. Mit Hilfe der einfachen Leute, welche die Kämpfe ausfochten, gewannen die Kapitalisten den Kampf gegen den Feudalismus, weil er wegen neuer Erfindungen, Verfahren und Entdeckungen nicht mehr zeitgemäß war. Die Organe des Parlaments, die geschaffen worden waren, um Gelder für die Feudalordnung aufzubringen, hatten auch ein leistungsfähigeres Regierungssystem errichtet und Könige und Grundherren so überflüssig werden lassen wie Kapitalisten heute.

Historische Reisen und Entdeckungen, Verbesserungen der Navigation und das neue System der Fabriken hatten den Besitz von Lagern, Schiffen und Geräten bedeutender als den Besitz von Boden werden lassen. Die Basis der Gesellschaft hatte sich vom Bauernhof zur Fabrik verlagert und die Leitung der Gesellschaft wechselte zu jenen, die die Industrie kontrollierten.

2. Revolutionärer Fortschritt

Die Konservativen des Feudalismus warnten, dass das Fortschreiten des Kapitalismus das Ende der Zivilisation sei. Sie irrten sich; trotz seiner Mängel war der Kapitalismus ein Schritt nach vorn. Was auch immer aus der alten Ordnung der neuen nützlich war, wurde behalten und verbessert. Zerstört wurden Aspekte der Feudalherrschaft, die den Fortschritt behinderten.

Im Kapitalismus florierten Erfindungsgabe und Industrie wie nie zuvor. Die Produktions- und Lebensweisen haben sich in den letzten 200 Jahren schneller geändert als in den 2000 Jahren davor. Die Produktivität eines jeden Arbeiters ist mindestens hundert mal so hoch wie zu der Zeit, als der Kapitalismus erstmals den Feudalismus ersetzte. Weil jedoch unser Lebensstandard nicht Schritt hielt mit der Erfindungsgabe und das auch nicht kann, solang Kapitalisten die Industrie kontrollieren, werden die Möglichkeiten des Überflusses und der Freizeit in künstlich geschaffenem Mangel, in Krisen und Kriegen verschwendet.

Die moderne wirtschaftliche Entwicklung hat nicht nur die Tätigkeit der wenigen, die die Industrie kontrollieren, überflüssig gemacht, sie hat auch die Anzahl der Kapitalisten reduziert. Das Wachstum großer Unternehmen erfordert die Schließung vieler kleiner Betriebe oder ihre Integration als Tochtergesellschaften in Großunternehmen.

Auf der Spitze dieser ökonomischen Pyramide sitzen die Wenigen, die Reichen und die Mächtigen. Sie sind eine Oligarchie, die eine fast unkontrollierte Autorität über das ökonomische Funktionieren der Welt ausübt und ihre persönlichen Interessen auf Kosten der überwältigenden Mehrheit der Menschheit verfolgt, häufig auf Kosten eben des Ökosystems der Erde, das unser aller Leben ermöglicht.

Angesichts eines gering organisierten Widerstands kennt die Gier der Kapitalisten kaum Grenzen. Die jüngste Statistik des Zensus-Amtes (U.S. Census Bureau)1 zeigt, dass in den USA das reichste Fünftel der Haushalte 50,3% des gesamten jährlich erzeugten Einkommens bezieht. Zwischen 1989 und 1996 erlebten die reichsten 5% der Bevölkerung der USA eine Steigerung des jährlichen Einkommens um 10%, während bei 80% das Einkommen gesunken ist. Im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts sind die Reichen reicher geworden, während die Einkommen der Arbeiter_innen stagnierten oder sanken.

In anderen Ländern als den USA ist die herrschende Clique oft ein erheblich kleinerer Teil der Bevölkerung. Die Kapitalisten aller Länder koordinieren ihre Tätigkeit, um aus den arbeitenden Menschen überall den größten Profit herauszupressen.

Durch Kartelle und multinationale Körperschaften plant und kontrolliert eine Handvoll Leute das Wirtschaftsleben der ganzen Welt. Nach dem UN-Bericht über die menschliche Entwicklung (1999)2 haben die 200 reichsten Menschen der Welt zwischen 1994 und 1998 ihr Reinvermögen von 440 Mrd. $ auf über 1 Bio. $ mehr als verdoppelt. Das war mehr als das Einkommen von 41% der Weltbevölkerung.

Der Besitz der drei reichsten Milliardäre war 1999 höher als das Bruttosozialprodukt aller niedrig entwickelten Nationen und ihrer 600 Mio. Menschen. Fast 1,3 Mrd. Menschen lebten von weniger als einem Dollar pro Tag und beinahe eine Milliarde konnte ihren Bedarf für den täglichen Verbrauch nicht decken.

Die Handvoll Menschen, die die Ressourcen der Welt kontrolliert, hat viele Diener, aber wenige Freunde. Nur die Privilegien dieser Minderheit würden reduziert, wenn ihnen die Kontrolle der Industrie entzogen würde. Wir Übrigen wären viel besser dran.

3. Wer soll die Kontrolle haben?

Seit dem Aufkommen des Kapitalismus ist die Arbeiterklasse in vielfacher Weise gewachsen. Sie ist zahlenmäßig so gewachsen, dass sie fast jeden einschließt. Sie hat an Wissen und Können zugenommen. Der/die heutige Arbeiter/in muss verstehen und tun können, was den/die Ingenieur/in oder Wissenschaftler/in vor einem Jahrhundert verblüfft hätte. Anstelle einer Klasse analphabetischer Leibeigener sind wir eine Arbeiterklasse, die lesen und schreiben kann. Wir haben eine umfangreiche eigene Literatur. Wir sprechen täglich über die Weltnachrichten. Auch an organisierter Macht haben wir gewonnen.

Jeder Schritt, den die Arbeiterklasse in Richtung Einheit und Solidarität unternommen hat, ist ein Eindringen in die vormals absolute und ausschließliche Domäne der Eigentümer der Industrie gewesen. Jedes Mal wenn ArbeiterInnen für eine Verkürzung der Arbeitszeit, für eine Lohnerhöhung oder für die Verbesserung der Sicherheit und der sanitären Verhältnisse am Arbeitsplatz kämpften, mussten sie vereint kämpfen, um zu siegen.

Deshalb sind organisierte Bewegungen der Arbeiterklasse von der Kapitalistenklasse als ihr Todfeind bekämpft worden. Und nach der Logik der Ereignisse ist das genau, was eine organisierte Arbeiterschaft sein soll. Jeder Schritt nach vorn stärkt unsere Position als logische Nachfolger der Kapitalistenklasse in der Kontrolle über die Industrie. Und da es unter uns keine Klasse gibt, wird unser Triumph die erste klassenlose Gesellschaft seit Beginn der Zivilisation bedeuten, das Ende all des Gräuels, der Unbarmherzigkeit, der Dummheit und der Ungerechtigkeit, die mit der Klassengesellschaft zwangsläufig einhergehen.

Die wichtige Frage für heute und morgen lautet: Wie soll die Industrie kontrolliert werden? Die Frage ist weniger, wem die Industrie gehört. Was zählt, ist die leitende Kontrolle. Und die ist von den eigentlichen Investoren weitgehend unabhängig geworden. Wer soll sagen, ob die Industrie arbeiten oder stillstehen soll? Wer soll entscheiden, was produziert und wie verteilt werden soll? Wer soll entscheiden, welche Dienstleistungen bereitgestellt werden sollen und für wen? Das sind die wichtigen Fragen.

  • Soll die moderne Industrie von einer Handvoll Manager kontrolliert werden?
  • Soll sie von Politikern geführt werden?
  • Oder soll sie von jenen geleitet werden, die die Arbeit leisten?


Es gibt nur diese drei Möglichkeiten. Die Manager versuchen über ihre Banken, ihre Kontrolle der Vorstände und Aufsichtsräte und ihren enormen Einfluss auf die öffentliche Debatte über die ihnen gehörenden Medien ihre totale Kontrolle über das Wirtschaftsleben der Welt zu sichern.

Aber ihre Kontrolle unterdrückt naturgemäß dieses Wirtschaftsleben, denn es ist unrentabel, die Arbeiterklasse alles produzieren zu lassen, was sie imstande ist zu produzieren. Also verbünden sich die Herren der Industrie entweder mit den Regierenden, um sich vor der Demokratie zu schützen, oder die Inhaber der Staatsmacht erweitern ihre Steuerung auf die Industrie und ihre Arbeiter_innen wie in den staatlich gelenkten Wirtschaftssystemen.

4. Industrielle Demokratie muss her

Die IWW findet nichts Gutes an einer Wirtschaft, die von Managern oder Politikern geleitet wird. Stattdessen wollen wir wirtschaftliche Demokratie – die Industrie wird von den Arbeiterinnen und Arbeitern durch direkt-demokratische Verfahren frei von Hierarchie geleitet.

Das größte Problem, vor dem die Menschheit steht, ist nicht die viel diskutierte Frage der Produktion und Verteilung, sondern das Problem der Herrschaft. Es ist nie ungefährlich gewesen und wird es nie sein, wenige über die Angelegenheiten von vielen bestimmen zu lassen.

Die Krisen, die Kriege und die anderen Übel der modernen Welt sind nur möglich gewesen, weil es bereits eine gefährliche Konzentration der Macht in den Händen der wenigen gab. Was geschah, war das Ergebnis des Willens dieser wenigen, nicht des Willens der vielen.

Im Kapitalismus hat jede Erfindung, die unsere Produktions- und Zerstörungskraft gestärkt hat, die Macht der wenigen verstärkt und die Macht von uns Übrigen geschmälert. Jede Verbesserung der Kommunikation hat das Imperium dieser Minderheit erweitert. Und jedes Mal, wenn wir wieder mehr Macht an jemanden abtreten, damit Übel untersucht und behoben würden, verstärken wir das Problem noch mehr. Dies gilt, ob wir zulassen, dass diese Macht an die derzeitigen Manager der Industrie fällt, an ihre Freunde in der Regierung oder an ihre Freunde in den undemokratischen, unternehmernahen Gewerkschaften. Folglich ist industrielle Demokratie die einzige sichere und logische Wahl – eine Industrie, die von denen geleitet wird, die die Arbeit leisten, unter täglicher Anwendung direkt-demokratischer Verfahren zum gemeinsamen Vorteil aller.

5. Jetzt liegt es an uns

Wir können selbst die Industrie leiten und dadurch das Problem der Herrschaft lösen, denn alle Kraft, die diese Welt antreibt, kommt aus unseren eigenen Anstrengungen. Unsere Klasse muss nur das lassen, was ihr befohlen wird, und das beginnen, was sie gemeinsam beschließt, damit sie ihren Gegnern die ganze Macht entzieht, die diese jemals hatten, und selbst die ganze Macht erwirbt, die sie noch brauchen wird.

Die Verwaltung der Industrie durch dafür beauftragte ArbeiterInnen ist nicht bloß ein Traum. Das ist eine historische Tendenz. Das ist das Ziel, auf den jeder Schritt der Arbeiterschaft nach vorn – ob beabsichtigt oder nicht – gewiesen hat. Aber er kann ohne bewusste Planung und Organisation nicht erreicht werden. Geschieht das nicht, setzt sich die Gegentendenz durch: Reglementierung von allem entweder durch verschiedenste Formen des Kommerzes, durch verschiedenste Formen der Regierung oder durch deren unheilige Allianz, den Faschismus.

Die industrielle Demokratie löst viele Probleme. Sie kann die Demokratie lebendig halten, die nicht überleben kann, wenn sie nur am Wahltag praktiziert wird. Sie kann uns von Furcht und Not, von Verschwendung und Krieg befreien. Mit modernen Produktionsverfahren kann sie es den einfachen Leuten ermöglichen, alle materiellen Güter zu bekommen, die sie brauchen, indem sie so viel arbeiten wie sie für richtig halten.

Die industrielle Demokratie kann uns Sicherheit und Freiheit geben, diese äußerst erstrebenswerten Ziele, die nur beide zusammen möglich sind – denn ein von Not Getriebener kann nicht frei sein und eine Marionette bleibt immer abhängig. Die industrielle Demokratie kann die rationale Gesellschaft ein harmonisches Ganzes werden lassen, indem sie intelligent für den Nutzen aller funktioniert – denn nur wenn die ganze Menschheit entscheiden kann, was zu produzieren ist und was aus den Produkten wird, kann die Menschheit ihr eigenes Tun durchschauen.

Die industrielle Demokratie kann nur von einer organisierten Arbeiterklasse errichtet werden, die sich als Klasse ihrer Ziele und der Wege dahin bewusst ist, anstatt dass sie Entscheidungsgewalt an „Arbeiterfreunde“ in Parteien oder an herrschende Cliquen oder Avantgarden in den eigenen Reihen abtritt.

Der Zusammenschluss der Arbeiterklasse muss zwei Zwecken dienen:

  • Er muss die effizienteste Struktur bereitstellen, um den täglichen Kampf um bessere Bedingungen und besseren Lohn fortzuführen.
  • Er muss eine umfassende und flexible Lösung liefern für die Fragen, die die gerechte und nachhaltige Produktion und Distribution von Gütern betreffen, indem er die Verwaltung der modernen Industrie durch organisierte Produzenten ermöglicht.


Glücklicherweise, aber nicht zufällig, dient dieselbe Art der Organisation beiden Zwecken; denn indem wir uns so organisieren wie wir arbeiten, damit wir dieselben Beziehungen in den Gewerkschaften wie im Produktionsprozess haben, sind wir so aufgestellt, den größten strategischen Vorteil im alltäglichen Kampf zu haben und zugleich die notwendige Struktur, um die Verantwortung für die industrielle Produktion zu übernehmen.

Wie wir uns richtig organisieren sollen, ist daher die allererste Frage. Auf genau diese Frage versuchen wir eine Antwort zu finden. Weil die Art der Organisation den Charakter der Zukunft festlegen wird, denkt die IWW bei der Organisation an die Zukunft, die wir wollen.

Die Organisation der Industrie und die Organisation der IWW

1. Wer macht was?

Die ganze Industrie hängt so sehr zusammen, dass man sagen kann: es gibt wirklich nur eine Industrie – die Produktion von Gütern und Dienstleistungen. Betrachten wir an einem Mantel, welche Verfahren bei seiner Herstellung nötig sind. Nicht nur Arbeit und Material, die unmittelbar bei der Herstellung eingesetzt wurden, waren erforderlich, sondern auch Gebäude und Maschinen vor Ort. Der Stoff und die Farben mussten hergestellt werden. Der Transport und die Planung der Fahrten für alle eingesetzten Materialien sowie die Maschinen und Gebäude, die bei ihrer Herstellung genutzt worden sind, waren notwendig.

Die Arbeiterinnen und Arbeiter, die bei all diesen Vorgängen mitarbeiten, hätten sich nicht darauf spezialisieren können, Stoff und Farben herzustellen, Gebäude und Textilmaschinen zu bauen, diese Maschinen zu bedienen, Güter zu transportieren usw., wenn sich nicht andere Arbeiterinnen und Arbeiter darauf spezialisiert hätten, ihnen Häuser zu bauen, Nahrungsmittel und verschiedene andere Dienstleistungen, die sie brauchen, bereitzustellen. Es ist schwer vorstellbar, dass Arbeiter_innen irgendwo etwas tun, was nicht in einer gewissen Beziehung mit der Herstellung eines Mantels steht.

Diese Arbeit ist kein zufälliges Durcheinander. Sie ist ähnlich eingeteilt und organisiert wie unser eigener Körper eingeteilt und organisiert ist. Zunächst können wir sechs Hauptbereiche unterscheiden:

  1. Die Rohstoffe, die angebaut werden;
  2. Die Rohstoffe aus den Minen, Steinbrüchen o. ä.;
  3. Der Bau von Straßen, Häusern, Schiffen, Docks etc.;
  4. Die Weiterverarbeitung der Rohstoffe zu Nahrung, Kleidung, Maschinen, Werkzeugen etc.;
  5. Transport und Kommunikation;
  6. Die vielfältigen Dienstleistungen von Schulen, Krankenhäusern, Theatern, Geschäften und öffentlichen Einrichtungen.


Diesen Hauptbereichen entsprechen die sechs Abteilungen der IWW. Die daraus folgenden Vorteile für die praktische Gewerkschaftsarbeit werden noch aufgezeigt.

Innerhalb der Abteilungen befinden sich die einzelnen Industrien und ihre Industriegewerkschaften. Wegen der Wechselbeziehungen, die alle produktiven Arbeiten miteinander verbinden, ist es unmöglich, den Bereich eines jeden Industriezweigs mit zweifelsfreier Genauigkeit abzugrenzen.

Ein bestimmter Wirtschaftszweig ist also ein soziales Gebilde von ArbeiterInnen, Ausrüstung und Arbeitsabläufen, das sich durch die engen Beziehungen nur wenig von anderen Wirtschaftszweigen absetzt. Die Einteilung in Industriegewerkschaften muss deshalb keineswegs eine Trennlinie zwischen den ArbeiterInnen darstellen – im Gegenteil, sie soll ein Mittel sein, um sie zu einigen.

2. Klassifikation der Industrie

Das Ziel der IWW ist, die Arbeiterklasse den industriellen Gegebenheiten entsprechend zu organisieren. Als Klassifikationssystem für dieses rationale industrielle Gewerkschaftswesen verwendet sie eine Dezimalmethode, die reichlich Spielraum für alle Änderungen und Hinzufügungen lässt, die neue Erfindungen und industrielle Verfahren möglicherweise nahelegen.

Es ist so ähnlich wie das System, mit dem Büchereien ihre Bücher erfassen. Egal welches Buch über welches Thema geschrieben wird, es kann eine logische Nummer erhalten, die es in den richtigen Zusammenhang mit allen anderen Büchern zum selben Thema stellt. Entsprechend gibt es eine logische Klassifizierung für jedes Mitglied in der One Big Union.

Ohne die von der One Big Union gestaltete Koordination wäre kein Organisationsschema möglich, das die Arbeiter_innen so zusammenschließt, dass sie gemeinsam in Aktion treten können wie es verschiedene Situationen erfordern. Dafür sind die miteinander verwobenen Beziehungen der Industriezweige verantwortlich. Die Stahl­industrie benötigt beispielsweise Bergleute in Erz- und Kohleminen, Arbeiter in Kalksteinbrüchen, in Kokereien und in der Heizölindustrie, LogistikarbeiterInnen auf der Schiene, der Straße und zu Wasser, ebenso ArbeiterInnen am Hochofen und im Walzwerk. Die Arbeiter_innen, die Materialien liefern, sind oft bei einer Stahlfirma angestellt. Für andere Beziehungen ist es aber am praktischsten, diese Bergleute sich mit anderen Bergleuten organisieren zu lassen, die LogistikarbeiterInnen mit anderen LogistikarbeiterInnen.

Für die effektive Solidarität der Arbeiterklasse ist es notwendig, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter sowohl innerhalb einer Industrie gemeinsam vorgehen können wie auch mit anderen KollegInnen, an die sie liefern. Diese Flexibilität ist nur mit einer Gewerkschaftsstruktur möglich, die sich zur One Big Union zusammenfügt. Die Grenzen, entlang deren die Industrie aufgeteilt wird, sind keine Barrieren; sie sind universelle Nahtstellen.

Arbeiter_innen mit derselben Beschäftigung sind immer Mitglieder derselben Gewerkschaft. Mit Arbeiter_innen sind alle Bezieher von Lohn oder Gehalt gemeint, sofern sie nicht dazu befugt sind, einzustellen oder zu entlassen. Jede Industriegewerkschaft entscheidet selbst, wer als Mitglied geeignet ist und wer nicht.

3. Wie sich die Unternehmer organisieren

ArbeiterInnen können nicht blind die Organisationsmodelle des Kapitals imitieren, aber wir sollten von ihnen lernen.

Die (sogenannten) Arbeitgeber organisieren sich in erster Linie als Gesellschaften, Körperschaften usw. nach den Erfordernissen der Produktion, um ihre unmittelbare Aufgabe direkt anzugehen: so viel wie möglich herauszuholen, d.h. aus uns herauszuholen. Sie richten sogar eigene Abteilungen ein, die diese Ausbeutung sicherstellen.

ArbeiterInnen haben kaum einen oder gar keinen Grund, miteinander zu konkurrieren oder zu streiten, doch oft kämpfen wir gegeneinander. Arbeitgeber haben viele Gründe, zu konkurrieren oder zu streiten, dennoch gelingt ihnen die Zusammenarbeit. Das Hauptgeheimnis dafür liegt darin, dass sie für einzelne Zwecke besondere Abteilungen einrichten und deren Ziele sauber trennen. Zum Beispiel lassen sie ihre Handelsbeziehungen nicht wegen politischer Differenzen platzen.
Sie haben viele komplizierte Finanzorganisationen aufgebaut, auch weltweit. Mit Hilfe dieser Gesellschaften arbeiten sogar die Kapitalisten angeblich feindlicher Nationen zusammen. Viele ihrer gefährlichsten Vorhaben fußen auf einem ungeschriebenen gegenseitigen Verständnis ihrer kollektiven Interessen. Sie machen es jedem Arbeitgeber schwer, der nicht auf diese Weise mitspielen will. Und sie haben es geschafft, auf diese Weise die Welt zu beherrschen, obwohl sie sie mehrmals ins Chaos gestürzt haben.

4. Alle Gewerbe - Eine Gewerkschaft

Im Organisationsschema der One Big Union gibt es für jede/n Lohnarbeiter/in eine logische Stelle, sodass alle KollegInnen auf sehr wirksame Weise Solidarität üben können.

Zur Struktur der One Big Union muss noch kurz bemerkt werden: Die Zuständigkeit einiger Industriegewerkschaften scheint unverhältnismäßig ausgedehnt; Walzwerke, Fertigung von Textilmaschinen und Uhrmacherei können den angemessenen Rahmen einer Industriegewerkschaft sprengen. Aber das verwendete Klassifikationssystem erlaubt beliebige Unterabteilungen innerhalb der Gewerkschaft zur Bildung einer Sektion, wenn es dafür praktische Gründe gibt. Außerdem bilden alle Arbeiter_innen an einem Arbeitsplatz ihre eigene Betriebsgruppe und entscheiden in ihr über alle Dinge, die allein mit ihrer Arbeit zusammenhängen.

Weil einige Arbeiten eine beträchtliche Zahl untergeordneter Tätigkeiten enthalten, müssen Arbeiter_innen gemäß der Regel „Ein Betrieb – eine Gewerkschaft“ anderen Industriegewerkschaften angehören als ihr Beruf erwarten lässt. In einem Krankenhaus z. B. arbeiten außer Pflegern, Ärzten, Technikern und Assistenten auch Reinigungskräfte, Köche, Elektriker und viele andere. Sie sind alle in derselben Industrie tätig und deshalb in derselben Industriegewerkschaft (Gesundheitswesen, IU 610) organisiert.

Ohne den Grundgedanken der One Big Union würden die Industriegewerkschaften zu manchen Handicaps führen. Wenn sich WäschereiarbeiterInnen in Kliniken mit den Beschäftigten anderer Wäschereien zusammentun wollen, um einheitliche Bedingungen in allen Wäschereien zu erreichen – in der One Big Union können sie das, z. B. Komitees gründen, um Beschlüsse zu fassen und voranzubringen. Oder KraftfahrerInnen, die für ein Geschäft oder eine Fabrik arbeiten, sind zunächst dort zusammen mit den ArbeitskollegInnen ihrer Firma organisiert. Sie wollen sich mit anderen FahrerInnen auf ein gemeinsames Vorgehen bei speziellen Fragen wie Laderegelungen oder Fahrzeiten einigen – in der One Big Union ist das möglich.

In jeder Frage am Arbeitsplatz haben Auszubildende, Facharbeiter_innen oder Ungelernte mehr miteinander gemeinsam als mit den Bossen. Die One Big Union schmiedet sie zusammen, damit sie gegen die Bosse mit vereinten Kräften antreten können.

5. Andere praktische Vorteile

Die Struktur der Gewerkschaft ist so entworfen, dass sie die Arbeiterinnen und Arbeiter möglichst zweckmäßig vereinigt.

Mit wem können wir am besten kollektiv verhandeln?  Mit wem werden wir wahrscheinlich zusammen im Streik stehen? Solche Fragen aus der Praxis entscheiden, in welche Industriegewerkschaft eine Gruppe von ArbeiterInnen eingeordnet wird. Die Küchencrew auf einer Ölplattform, die Küchenmannschaft eines Schiffes oder die Belegschaft einer Fabrikkantine machen die Art von Arbeit wie die Beschäftigten eines Restaurants. Aber sie können ihre Arbeitsbedingungen besser aushandeln, wenn sie sich bei den Ölarbeitern, Seeleuten bzw. Fabrikarbeitern organisieren.

Im Handel kann diese vernünftige Regel auch angewendet werden. Wenn die jeweiligen ArbeiterInnen nur das Produkt eines Lieferanten vertreiben (wie bei Tankstellen) ist es das Beste, wenn sie sich mit denen organisieren, die dieses Produkt herstellen. Die ArbeiterInnen in den Ölfeldern und Raffinerien sind in einer besseren Position, wenn sie die Verteilung der Treibstoffe stoppen können, und die Beschäftigten der Tankstellen haben ihrerseits den Vorteil einer starken Unterstützung durch die Ölarbeiter. Die Crews von Öltankern werden es dagegen vielleicht zweckmäßig finden, sich mit anderen Seeleuten zu organisieren, aber sie werden die Finger von „heißem Öl“ lassen, wenn die Arbeiter auf Ölfeldern streiken.

Wenn es keine so enge Beziehung zur Produktion gibt, ist es für die Beschäftigten in Distribution und Handel besser, sich zusammen zu organisieren, ob sie nun in Kaufhäusern, Bekleidungsläden oder wo auch immer arbeiten.

Die Beispiele zeigen, dass ohne die Zusammenführung zur One Big Union die Arbeiterbewegung nicht die verschiedenen Möglichkeiten der Koordination hat, wie sie wechselnde Umstände erfordern.

Ohne die One Big Union würden die Industriegewerkschaften in nutzloses, unkoordiniertes Durcheinander verfallen.

6. Eine Klasse - Eine Gewerkschaft

Die Einteilung in Industriegewerkschaften darf nicht als Trennmauer betrachtet werden, sondern als Hilfsmittel, wie die Arbeiter_innen sich effektiv organisieren können. In der IWW sind alle Mitglieder direkt Mitglieder der IWW selbst. Sie entscheiden und diskutieren eigenständig über die Belange ihrer Industriegewerkschaft. Ein Mitglied kann, etwa wenn es den Job wechselt, jederzeit von einer in die nächste Industriegewerkschaft wechseln.

Die direkte Organisation an einem Arbeitsplatz geschieht durch die Betriebsgruppe und nur die dort Beschäftigten haben ein Mitsprache- und Stimmrecht in Fragen, die ihren Arbeitsplatz betreffen. Alle Elemente sind unabhängig und arbeiten in voller Selbstverantwortung. Allerdings sollen sich sowohl Industriegewerkschaften wie auch Betriebsgruppen im Rahmen der Statuten der IWW bewegen. Die IWW ist keine Föderation von Einzelgewerkschaften: Alle Mitglieder, Betriebsgruppen, Ortsgruppen, Industriegewerkschaften und -abteilungen sind Teil der One Big Union der Arbeiterklasse. Die Wechselbeziehungen der modernen Industrie machen jede andere Struktur ungeeignet für die Bedürfnisse der Arbeiterschaft.

Die Struktur der One Big Union vermeidet außerdem Streit über die Zuständigkeit für ArbeiterInnen, deren Klassifikation aufgrund der Komplexität der modernen Produktionsprozesse nicht mehr eindeutig ist. So ist es z. B. wünschenswert, dass alle ArbeiterInnen im Erzabbau in einer Gewerkschaft sind. Jedoch stellen wir fest, dass Magnesium chemisch aus Meerwasser gewonnen wird, indem man erst Magnesiamilch, dann Magnesium herstellt. Aluminium gewinnt man elektrolytisch aus Bauxit.

In einem Bund von Gewerkschaften gäbe es Gründe, über die richtige Gewerkschaftszugehörigkeit zu streiten. In der One Big Union ist diese Frage unerheblich; Arbeiter können sich in der für sie am geeignetsten Weise organisieren. Produziert ein Unternehmen, das hauptsächlich Elektrogeräte herstellt, nebenher auch Radios, gehören alle Angestellten zur Gewerkschaft Metall und Maschinen. Wenn hingegen ein Unternehmen, das sich auf die Tischlerei spezialisiert hat, auch Radios produziert, dann organisieren sich die Arbei­terIn­nen in der Gewerkschaft Möbel.

7. Abteilungen der Industrie in der Gewerkschaft

Industriegewerkschaften verwandter Industriezweige schließen sich zu Industrieabteilungen zusammen. Der Vorteil hierbei ist besonders offensichtlich wenn man das Transportwesen betrachtet. Eisenbahnen, Busunternehmen, Speditionsfirmen, Flugzeuglinien bieten unterschiedliche, sich ergänzende Arten des Transports an. Wären alle Arbeitenden dieser unterschiedlichen Zweige gemeinsam organisiert und würden sie zusammen kämpfen, hätten sie alle Macht und es wäre wohl kaum übertrieben zu behaupten, das Schicksal der ganzen Welt läge in ihren Händen.

Stell dir vor, wie viel Elend der Menschheit erspart worden wäre, wenn die organisierten TransportarbeiterInnen es abgelehnt hätten, Güter zu laden oder zu transportieren, die für kriegführende Staaten bestimmt waren oder für Länder, deren TransportarbeiterInnen nicht dieser Pflicht folgten. Es wäre eine gute Investition gewesen, hätten alle anderen organisierten Arbeiter_innen die entsprechende Summe aufgebracht, um den TransportarbeiterInnen den Lohnausfall zu erstatten. Auf diese Weise könnte ein großer Erfolg ohne große Belastung für den Einzelnen erreicht werden.

Oder überlege, wie ähnliche Maßnahmen es sinnlos machen, Streikbrecher anzuheuern, wenn deren Produkte nicht transportiert werden. Wenn wir Arbeiterinnen und Arbeiter richtig zusammenhalten, können wir nicht besiegt werden.

Was hier vorgeschlagen wird, ist die Organisierung der Arbeiterklasse zu einer Gemeinschaft mit wirkungsvoller Solidarität. Jeder Gewerkschafter, der mit KollegInnen über Gewerkschaften gesprochen hat, ist nur zu vertraut mit dem Einwand: „Gewerkschaft ist ja schön und gut, aber das Problem ist, dass die Arbeiter nicht zusammenhalten.“ Wir halten diesen Einwand für falsch.

Wir glauben das nicht, da wir schon so oft die Anstrengung von Kolleginnen und Kollegen gesehen haben, um sich zusammenzuschließen, genauso wie wir erlebt haben, wie schlechte Organisation diese Anstrengungen zerstörte und die Arbeitenden von konstruktiver Solidarität abhielt. Im Wesentlichen machen die Dinge das, wofür sie gemacht worden sind. Schreibmaschinen und Nähmaschinen werden aus demselben Material hergestellt, aber sie arbeiten anders, weil sie anders zusammengesetzt wurden.

Dieselben Arbeiter_innen können entweder in einer losen Föderation von Organisationen sein, die zu bestimmten Zwecken geschaffen wurden, oder sie können in der One Big Union sein. Wenn eine Gewerkschaft entworfen wurde, um uns auseinanderzudividieren, dann ist es keine Überraschung, wenn gesagt wird: „Arbeiter halten nicht zusammen.“ Wenn wir uns organisieren, um zusammenzuhalten, dann werden wir zusammenhalten und entsprechend stark sein.

Das von der IWW entworfene rationale Gewerkschaftskonzept gründet sich auf diese elementaren Prinzipien:

  • Alle Arbeiter eines Betriebes, unabhängig von Beruf und Ausbildung, gehören derselben Betriebsgruppe an.
  • Alle Arbeiter in einer Industrie gehören derselben Industriegewerkschaft an.
  • Alle Mitglieder dieser Industriegewerkschaften gehören direkt als Mitglieder der One Big Union der Arbeiterklasse an.
  • Jeder Arbeiter kann bei einem Jobwechsel ohne Aufnahmegebühr zu einer anderen Industriegewerkschaft wechseln: „Einmal Gewerkschaftsmitglied, immer Gewerkschaftsmitglied.“


Kein Teil der Arbeiterbewegung sollte sich dazu verpflichten lassen, an von Streikbrechern geliefertem Material zu arbeiten, ihnen Material zu liefern oder Anweisungen auszuführen, die die Streikenden ausführen sollten. Zudem sollte niemand eine Streikpostenkette durchbrechen oder irgendwie helfen, den Streik irgendeiner Gruppe von Arbeitern zu brechen.

Das ist die Organisationsform, die von der IWW vorgeschlagen wird, um die Arbeiterklasse unbesiegbar zu machen. Bist du dabei?

Die Praxis der IWW

1. Gewerkschaftsdemokratie

Der Zweck der IWW ist die Etablierung von Demokratie in unserem Alltag im Betrieb und in der Wirtschaft als Ganzes. Ihre praktischen Methoden sind auf dieses Ziel ausgerichtet und wesentlich, um es zu erreichen. Sie sind bestimmt durch zwei grundlegende Prinzipien: Solidarität und Demokratie in der Gewerkschaft. Alle Handlungen, die Konflikte mit der Einheit unserer Klasse erzeugen, müssen vermieden werden und noch wichtiger ist es sicherzustellen, dass nicht die Gewerkschaft die Mitglieder verwaltet, sondern umgekehrt.

Die Demokratie aus einer Organisation, wie sie die IWW aufbaut, herauszuhalten, würde sie dem Faschismus und anderen autoritären politischen Gruppen überlassen und der Arbeiterschaft zum Hindernis werden lassen. Diktaturen aller Epochen und auf der ganzen Welt hielten es für nötig, die arbeitenden Menschen in eine derartige Organisationsform zu treiben. Die Macht der One Big Union müssen wir selbst ausüben, nicht andere über uns.

Zum Schutz vor einer Clique, die die Gewerkschaft leiten würde wie sie es will, wurden diese Vorsichtsmaßnahmen ausgearbeitet:
Jedes Amt wird für höchstens ein Jahr gewählt.

  1. Eine Person darf höchstens dreimal direkt hintereinander in dasselbe Amt gewählt werden.
  2. Alle Funktionsträger werden durch ein Referendum gewählt, an dem alle durch die zu wählenden Funktionen vertretenen Mitglieder teilnehmen dürfen.
  3. Die Mitglieder von Betriebsgruppen wählen die Funktionäre der Zweigstelle der Industriegewerkschaft, die sie vereinigt; die Mitglieder einer Industrie wählen die Funktionäre ihrer Industriegewerkschaft; alle Mitglieder der IWW wählen die Vertreter an der Spitze der Organisation.
  4. Alle Funktionsträger können durch ein Votum der Mehrheit abberufen werden.
  5. Wahl und nicht Berufung ist unser einheitliches Verfahren.

2. Beiträge

Die Art der Geschäftsführung innerhalb der Gewerkschaft ist eine zusätzliche Absicherung der Demokratie. Vom Einsammeln der Mitgliedsbeiträge bis zur Kontrolle der Ausgaben muss sich die Obhut über die Kasse in den Händen der Mitglieder befinden.

Die IWW lehnt das „Check-off“-System ab, bei dem die Bosse als Bankiers fungieren, die Gewerkschaftsbeiträge vom Lohn abziehen und Gewerkschaftsangestellten aushändigen. Dieses System unterbricht die direkte Kontrolle zwischen Mitgliedern und gewählten VertreterInnen.

Es bekräftigt nur die (von Betriebsleitungen gern geförderte) Vorstellung, Gewerkschaftsbeiträge seien bloß ein unangenehmer Abzug vom Lohn. Die Gewerkschaft wirkt dadurch wie etwas Fremdes (wie z. B. ein Anwalt), den wir beauftragen, und weniger als unsere Organisation, an der wir uns beteiligen und in der wir das Sagen haben. Außerdem werden Betriebsleitungen in die internen Zusammenhänge der Gewerkschaft hineingezogen, die sie nichts angehen.

Wenn KassenführerInnen der Gewerkschaft die von der Firma abgezogenen Beiträge per Scheck erhalten, werden sie sich möglicherweise mehr Sorgen um das Wohlwollen der Firma als um das der Mitglieder machen. Mit diesen Einnahmen könnten sie ihre Freunde anheuern, um die Gewerkschaftstreffen zu kontrollieren, und die Gewerkschaft als bloße Beitragssammelagentur im Interesse der Firma und der Gewerkschaftsangestellten betreiben.

Andererseits ist die Art der Beitragszahlung ein direktes Indikationsmittel der Zufriedenheit (oder Unzufriedenheit) der Mitglieder mit ihren Repräsentanten. GewerkschaftsvertreterInnen, die nicht auf ihre Mitglieder hören oder ihnen nicht dienen wollen, sind meistens für das „Check-off“-System.

Verstoßen VertreterInnen gegen den Willen von Mitgliedern, werden sie nicht mit zurückgehenden Beitragszahlungen und säumigen Mitgliedern konfrontiert. Das direkte Kassieren der Beiträge stellt so viel mehr Kontakt zwischen Mitgliedern und FunktionärInnen her. Aus allen diesen Gründen toleriert die IWW das Checkoff-System nicht.

Stattdessen hat die IWW ein einfaches und praktisches System der Beitragskassierung durch Delegierte im Betrieb eingeführt – es schützt vor unehrlichem Umgang mit der Kasse und ermöglicht der Betriebsgruppe den Überblick über den Beitragsstand jedes Mitglieds. Alle Delegierten und Funktionäre sind auf Treffen der Betriebsgruppe berichtspflichtig. Bei jedem Treffen wird durch ein gewähltes Komitee eine Rechnungsprüfung durchgeführt. Durch diese Maßnahme wird erreicht, dass die Geschäfte zur Zufriedenheit der Mitglieder geführt werden.

Es darf keine Umlage erhoben werden ohne Bestätigung durch ein Referendum derer, die es zahlen sollen.

3. Keine Leitung durch ein Clique

Die Geschäftsordnungsbestimmungen und Verfahrensmethoden zum Schutz der Gewerkschaftsdemokratie sollen alle Motive beseitigen, die irgendeine Clique motivieren könnte, die Macht in der Gewerkschaft anzustreben. Dies geschieht durch die folgenden zusätzlichen Schutzmaßnahmen:

Es kann keinen finanziellen Gewinn durch Cliquenherrschaft geben, da das Gehalt von Funktionären den Durchschnittslohn der ArbeiterInnen, die sie repräsentieren, nicht übersteigen darf. Effizientes Berichtswesen und streng genaue Abrechnungen werden durch monatliche und jährliche Berichte und Buchprüfungen erzwungen. „Sonstige Ausgaben“-Konten sind verboten.

Funktionäre haben keine Befugnisse, außer denen, die notwendig sind, um die Beschlüsse der Mitglieder auszuführen. Streiks können nicht durch Funktionäre ausgerufen oder beendet werden. Das können nur die betroffenen Mitglieder. Vereinbarungen können nur durch Komitees der betroffenen ArbeiterInnen ausgehandelt werden. Besprechungen der Komiteemitglieder und Funktionäre mit der Unternehmerseite dürfen nur im Beisein des Komitees stattfinden.
Politischen oder ähnlichen Cliquen, die in der Gewerkschaft die Macht anstreben, um ihre Einrichtungen, ihre Ressourcen oder ihre Reputation für eigene Zwecke zu missbrauchen, wird vorgebeugt durch Regeln gegen Politik in der Gewerkschaft. Diese wurden von der Basis beschlossen, um unsere Einigkeit zu schützen.

4. Keine Politik in dieser Gewerkschaft

Es ist gut fundierte Gewerkschaftsart, seine Bevorzugung einer Religion oder einer politischen Richtung für sich zu behalten. Das sind keine gewerkschaftlichen Fragen und müssen von jedem Gewerkschaftsmitglied nach eigener Auffassung geklärt werden. Die Gewerkschaft ist dazu da, um Entscheidungen über wirtschaftliche Fragen zu erreichen und durchzusetzen. Ihre Macht auf diesem Feld kann durch Aufsplitterung ihrer Kräfte auf politische Kampagnen zerstört werden.

Damit sich alle Arbeiter_innen ungeachtet ihrer religiösen oder politischen Richtung zusammenschließen können, um den größtmöglichen Vorteil aus ihrer Arbeit zu bekommen, muss die IWW nicht-politisch und nicht-religiös sein. Ihre Mitglieder mögen sich zu diesen Angelegenheiten stellen, wie sie es selbst für richtig finden – mit dem zusätzlichen sozialen Bewusstsein, der Achtung für ihre Kolleg_innen und dem allgemeinen aufgeklärten Wissen, das sie aus ihrer Gewerkschaftsarbeit ziehen.

Das heißt nicht, dass die IWW indifferent ist gegenüber den großen gesellschaftlichen und ökonomischen Tagesfragen. Ganz im Gegenteil. Wir glauben, dass die IWW die praktischen Lösungen für diese Fragen liefert. Wenn die Industrien der ganzen Welt von den Arbeiter_innen für ihr eigenes Wohl in Gang gesetzt werden, dann sehen wir das Ende von Arbeitslosigkeit, Krieg, sozialen Konflikten, Großkriminalität und anderer großer gesellschaftlicher Probleme nahen. Mit dieser Art Organisation, die die IWW aufbaut, kann die Arbeiterbewegung jeden notwendigen Druck erzeugen, um die Possen der Politiker zu zügeln, und sie kann auf konstruktivem Wege durch Direkte Aktion das zustandebringen, was auf der politischen Ebene nur allzu oft misslungen ist.

5. Arbeiteraktion und Gesetz

Ein Beispiel: Als Arbeiter und Mitglieder von Gemeinden wollen wir Öllager und Chemiefabriken an sicheren Orten haben, nicht da, wo wir und unsere Arbeitskollegen wohnen. Eine Methode ist, zu versuchen, Gesetze durchzubringen, und dann zu erreichen, dass sie umgesetzt werden.

Viel einfacher, viel verlässlicher und mit Sicherheit viel hilfreicher für die Entwicklung unserer Fähigkeit, unsere Probleme selbst zu lösen, wäre es, dass wir uns weigern, unsichere Betriebsstätten zu errichten und uns weigern, in Anlagen zu arbeiten, die irgendeine Gemeinde gefährden. Gesetze sind gewöhnlich auf das reale Geschehen bezogen. Am besten konzentriert sich die Arbeiterschaft darauf, das reale Geschehen zu beeinflussen – das erleichtert gute Gesetzgebung und erschwert schlechte Gesetzgebung. Die Gesetzgeber werden das Kräfteverhältnis in der Gesellschaft berücksichtigen.

Die One Big Union macht die Arbeiterschaft mächtig. Wenn sie einmal gut organisiert ist, wird der Gesetzgeber sie ernst nehmen müssen. Nimmt er sie nicht ernst, so macht das nichts. Denn was dann passiert, entscheidet die organisierte Arbeiterklasse.

Um die Arbeiterklasse nach dem Industrieprinzip zu vereinen, müssen solche Methoden wie hohe Gewerkschaftsbeiträge, Beitrittssperren, rassische, religiöse oder politische Diskriminierungen abgeschafft werden. Was wir brauchen, ist die One Big Union aller ArbeiterInnen gleich welcher Sprache, Weltanschauung oder Hautfarbe. In der Gewerkschaft sind alle gleich, weil wir alle vom selben System gleich ausgenützt werden. Was die Mehrheit über irgendeine wirtschaftliche Frage beschließt, ist die Entscheidung, die alle befolgen müssen. Deshalb ist es unzulässig, zu versuchen, über andere Fragen zu entscheiden.

6. Gewerkschaft effizient gestalten

Solidarität und direkte Demokratie in der Gewerkschaft sind die grundlegenden Prinzipien. Die andere Seite derselben Prinzipien sind Effektivität und Effizienz. Unsere Effektivität erreichen wir durch gemeinsame Stärke, sie misst sich nur daran, was wir machen können. Unsere Effizienz drückt das Verhältnis aus zwischen den Zielen und dem dafür erforderlichen Aufwand, entweder in Zeit, Geld, Ärger oder in den Opfern, die die Arbeiterschaft oft auf sich nehmen muss. Eine Fliege mit dem Vorschlaghammer zu erschlagen ist zweifellos effektiv, aber kaum effizient. Wir wollen den größten Erfolg mit dem geringsten Aufwand.

Dass die IWW effizient ist, wird gut durch die Tatsache bestätigt, dass sie trotz ihrer vergleichsweise kleinen Mitgliederzahl überproportionale Erfolge für die Arbeiterschaft errungen hat. Die Effizienz wird erreicht durch ihre Demokratie und ihre Basisstruktur. Es gibt einen Mythos, dass Demokratie zu Ineffektivität führt. Die Gewerkschaftserfahrung widerlegt diesen Mythos.

Zuallererst müssen wir, um die Resultate zu bekommen, die wir wollen, diese auch anstreben. Die Leitung der Gewerkschaft in andere Hände als die der Mitglieder zu geben wäre wie der Versuch, Holz zu hacken, wenn jemand anderer dabei den Axtstiel hält.

Zweitens, je mehr Mitglieder in Gewerkschaftsfragen mitentscheiden und selbst auf die Umsetzung achtgeben, umso größer ist das Kräftepotential der Gewerkschaft. Wir gewinnen unsere Kämpfe nicht, indem wir nur in die Schatztruhe der Gewerkschaft einzahlen. Geld kann nur für die Infrastruktur der Gewerkschaft aufkommen. Was die Gewerkschaft voranbringt, sind die Anstrengung und Begeisterung ihrer Mitglieder – etwas, das man nicht kaufen kann.

Es sind die direkte Beteiligung an den Gewerkschaftsaktivitäten und das System der gewählten Betriebsdelegierten und Betriebskomitees, die die Fähigkeiten der Mitglieder entwickeln und nicht Vollzeitangestellte und Geschäftsführer. Das macht aus der IWW eine Kraft, mit der wir unsere Zukunft angehen können.

Und drittens ist es die in der Struktur angelegte Selbstverantwortlichkeit oder Autonomie der Bestandteile der IWW, die es ermöglicht, Probleme auf die zweckmäßigste und kostengünstigste Weise zu handhaben. Diese Gewerkschaft ist gebaut wie eine Hand – jeder Teil kann sich selbstständig bewegen, aber alle ihre Teile können sich schnell und effektiv zu einer geballten Faust schließen.

7. Direkte Aktion

Die direkte Kontrolle über die Angelegenheiten der Gewerkschaft durch die Mitglieder spiegelt sich in der Direkten Aktion im Arbeitskampf, wofür die IWW berühmt ist. Vor vielen Jahren modernisierte die IWW die Holzindustrie der Westküste der USA und Kanadas. Unsere Mitglieder führten den Achtstundentag ein, indem sie selbst am Ende von acht Stunden das Signal zum Feierabend gaben und die Arbeit verließen, anstatt die von den Bossen erwarteten weiteren zwei Stunden weiterzumachen. Einige Trupps wurden gefeuert, doch der nächste Trupp machte es genauso und so wurde der Achtstundentag zur üblichen Praxis. (Später wurde ein Gesetz erlassen.)

Vorher war es üblich, in Stockbetten oder engen Kojen zu schlafen und auf der Arbeitssuche seine eigene Decke mitzubringen. Die in der IWW organisierten Holzfäller machten Freudenfeuer mit den Betten und Matratzen und forderten anständige Unterbringung von den Bossen, wenn sie weiter Arbeitskräfte haben wollten.

Lange Streiks können unvermeidbar sein, aber die IWW vermeidet sie soweit möglich. Wir ziehen eine Serie kurzer Streiks vor, um das gleiche oder ein besseres Ergebnis mit geringeren Kosten für unsere Mitglieder zu erreichen. Warum in den Ausstand treten, wenn die Firma einen unzumutbaren Vorarbeiter nicht abziehen will? Warum nicht einen der betroffenen Arbeiter wählen, dessen Urteil, wie man Arbeit am besten leitet, man vertraut und damit den Anweisungen ihres eigenen Beauftragten folgen statt denen des von der Firma bestellten Vorarbeiters?

Mit dem Rückhalt der Arbeiter_innen am Arbeitsplatz kann das meistens so gemacht werden. Warum in den Ausstand treten, wenn eine Kollegin oder ein Kollege gefeuert wird? Es kostet uns nichts und die Firma sehr viel, wenn wir zur Arbeit gehen und unser Leid über diese Behandlung in der Art, wie wir arbeiten, zum Ausdruck bringen.

Die Logik der Direkten Aktion ist einfach genug. Wenn wir aufhören, das zu tun was uns gesagt wird, und stattdessen anfangen, das zu tun, was wir gemeinsam beschlossen haben, dann gibt es nicht viel, das uns aufhalten könnte. Die IWW erwartet, auf diese einfache Weise eine bessere Welt zu schaffen. Dies sind in Kürze einige der Mittel, die die IWW in ihrer weiten und reichhaltigen Erfahrung in Arbeitskämpfen seit ihrer Gründung 1905 als die besten herausgefunden hat. Aus der Erfahrung der vielen guten Mitglieder, die die IWW aufgebaut und aufrecht erhalten haben, können wir der Arbeiterklasse einen rationalen Plan der industriellen Organisation anbieten, ein Bündel von glaubwürdigen Prinzipien, von Methoden und erfolgversprechenden Strategien und Taktiken. Sie versprechen Erfolg nicht nur im gewöhnlichen Kampf für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen, sondern auch im Kampf für die Schaffung einer wirklichen sozialen Ordnung.

Während eines von der IWW geleiteten Streiks der Textilarbeiter in Lawrence (Massachusetts) trugen einige der streikenden Arbeiterinnen und Arbeiter ein Banner mir der Losung „Wir wollen Brot, und Rosen auch.“ Wenn die IWW sagt, dass sie mehr von den guten Dingen des Lebens will, meinen wir nicht nur, dass die Bosse mit etwas mehr Geld herausrücken sollen. Wir wollen ein besseres Leben hier und jetzt, die neue Gesellschaft, die wir in der Schale der alten aufbauen.

8. Was zu tun ist

Eine vernünftige Welt, von den Produzent_innen für das gemeinsame Wohl aller verwaltet, ist ein Ziel, das erreicht werden sollte und erreicht werden kann. Die IWW kann der Arbeiterbewegung die Gestalt geben, mit der sie es erreicht. Es gibt eigentlich nur ein großes Problem auf der Welt: Wenn die Arbeiterklasse zu chaotisch ist, um zu ihrem Besten zu handeln. Die IWW hat die Lösung für dieses Problem. Es ist eine Schande, Teil des Problems zu sein, und es ist eine Ehre, Teil der Lösung zu sein. Es liegt an dir, an deinen Platz zu treten.

Wenn dein Betrieb unorganisiert ist, nimm Kontakt mit der IWW auf und wir werden dir und deinen Kolleginnen und Kollegen bei der Organisierung helfen. Wenn du für kürzere Arbeitszeiten, höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und demokratische Schlichtungsverfahren kämpfst, wirst du damit auch die Genugtuung haben, für die Lage der Arbeitenden insgesamt einzutreten und zu helfen, eine bessere Welt zu schaffen.

Auch wenn du schon Mitglied einer anderen Gewerkschaft bist, kannst du deinen Platz in der One Big Union einnehmen. Viele Mitglieder der IWW gehören noch anderen Gewerkschaften an. Sie haben sich der IWW angeschlossen, weil sie nicht die Probleme der Arbeiterklasse verstärken wollen, sondern die Lösung. Sie wissen, dass, nur wenn die Lösung größer gemacht wird als das Problem, dieses überwunden werden kann. Und sie gehören in ihren anderen Gewerkschaften zu den kämpferischsten Mitgliedern. Die Sorge der IWW um Solidarität und Gewerkschaftsdemokratie ist eine ausreichende Garantie dafür, dass ihre Entscheidung für die IWW sie nicht dazu verleiten wird, Machtpositionen in anderen Gewerkschaften anzustreben oder sie auf andere Weise zu spalten.

Die IWW fordert ihre Mitglieder auf, ihre Mitgliedschaft fortzusetzen, ganz gleich wohin ihre Arbeitsstelle wechselt. Sie fordert von ihnen, sich mit ihren Ideen und Mitteln vollkommen vertraut zu machen, damit sie noch nützlichere Mitglieder werden. Sie fordert sie auf, diese Ideen anderen ArbeiterInnen zu erklären und nach jeder möglichen Gelegenheit zu suchen, damit diese Gewerkschaft wächst und ihren nahen und fernen ArbeitskollegInnen von noch größerem Nutzen sein kann.

9. Einige Bemerkungen zum Schluss:

Der Arbeitsplatz ist der einzige Platz, an dem deine Forderungen erreicht werden können. Organisierung geschieht nicht einfach, sie muss geschehen gemacht werden. Tu deinen Teil dazu. Der Mensch, der als nächster neben dir steht, sollte in der Gewerkschaft sein. Hast du es versucht?

Die IWW ist nah an der Praxis. Lass es die Leute wissen. Gewerkschaftsliteratur in deiner Tasche liegt brach. Hol sie raus und lass sie wirken.

Wenn jeder Wobbly jeden Monat einen dazu gewinnt, haben wir den Vierstundentag in einem Jahr. Wenn es an deinem Ort noch keine Treffen gibt, dann kannst du sie einberufen.

Die Aktivität der Basis und nicht der „Führer“ wird die Sache der Arbeiterschaft voranbringen. Frag nicht nach dem Delegierten, wenn du es selbst machen kannst.

Wer Angst hat, unterwirft sich. Die IWW zu kennen, heißt zu wissen, dass die Gewerkschaft dich schützen wird.

Auch in einem Betrieb, in dem die Gewerkschaft nicht sofort Fuß fassen kann, gibt es immer etwas zu verbessern. Gemeinsame Aktion kann den Grundstock für später legen. Unsere Stärke liegt in der Solidarität.

Präambel zur IWW Verfassung

Die Arbeiterklasse und die Klasse der Kapitalisten haben nichts gemeinsam. Frieden kann es nicht geben, solange Millionen arbeitender Menschen Hunger und Not leiden und die wenigen, die die Kapitalistenklasse bilden, alle guten Dinge des Lebens genießen.

Der Kampf zwischen diesen zwei Klassen muss andauern bis sich die ArbeiterInnen der Welt als Klasse zusammenschließen, die Produktionsmittel in Besitz nehmen, das Lohnsystem abschaffen und in Harmonie mit der Erde leben.

Wir stellen fest, dass die Konzentration der Verwaltung der Industrien in immer weniger Händen die Spartengewerkschaften in ihrer Fähigkeit zum Kampf gegen die ständig wachsende Macht des Kapitals behindert. Die Spartengewerkschaften fördern eine Lage, die zulässt, dass eine Gruppe von Arbeitern gegen eine andere Gruppe von Arbeitern in derselben Industrie zum Kampf angestachelt wird. Dadurch tragen sie dazu bei, dass sich alle in Lohnkämpfen gegenseitig zu Fall bringen. Außerdem helfen die Spartengewerkschaften der Kapitalistenklasse, die ArbeiterInnen irrezuführen, dass sie glauben, die Arbeiterklasse und die Kapitalisten hätten gemeinsame Interessen.

Diese Verhältnisse lassen sich nur ändern und die Interessen der Arbeiterklasse nur hochhalten von einer Organisation, die so aufgebaut ist, dass alle ihre Mitglieder in jeder beliebigen Industrie – wenn nötig, in allen Industrien – die Arbeit niederlegen, immer wenn in einer ihrer Branchen ein Streik oder eine Aussperrung läuft. Dadurch wird ein Angriff auf eine(n) zu einem Angriff auf alle.

Statt des konservativen Mottos: „Ein gerechter Lohn für ein gerechtes Tagewerk!“, sollten wir auf unser Banner die revolutionäre Losung schreiben: „Nieder mit dem Lohnsystem!“

Die historische Aufgabe der Arbeiterklasse ist den Kapitalismus abzuschaffen. Die Armee der Produzenten ist nicht bloß für den täglichen Kampf mit den Kapitalisten zu organisieren, sondern auch dafür, die Produktion weiterzuführen, wenn der Kapitalismus gestürzt sein wird. Indem wir uns industriell organisieren, bilden wir die Struktur der neuen Gesellschaft in der Schale der alten Gesellschaft.

(Übersetzung der achten editierten Ausgabe von 2001 durch Mitglieder der IWW im deutschsprachigen Raum)

Originaltext: One Big Union – Eine große Gewerkschaft. Industrial Workers of the World. Der bisher hier vorhandene Text (Spiegelung von http://anarchosyndikalismus.wordpress.com/texte/) war eine inzwischen veraltete Übersetzung und wurde am 2.8.2012 durch obige, aktuelle Version ersetzt.


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