Zur Geschichte der K(ommunistischen) A(rbeiter)-P(artei) D(eutschlands)

1. Die Ursachen der Entstehung der Partei und die Zeit der revolutionären Aktionen

Die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands (K.A.P.D.) ist entstanden in der Zeit schärfster revolutionärer Kämpfe. Ihre Geschichte ist daher ein Teil der Geschichte der Deutschen Revolution. Deren Entwicklung stand unter dem Einfluß der Tatsache, daß, als das deutsche Proletariat zum erstenmal in den Zustand aktiv-revolutionärer Massenbewegung hineingeriet, die Diktatur der Bourgeoisie mit noch nicht dagewesenen Mitteln des durch den Krieg schon jahrelang herrschenden Belagerungszustandes, schärfster Rede-, Presse- und Versammlungsknebelung, eine klärende Auseinandersetzung unmöglich machte. Erschwerend, entscheidend kam hinzu, daß die Arbeiterorganisationen, die auf Grund ihrer marxistischen Klassenkampftheorie, auf Grund ihrer Geschichte und ihrer Schicksale in der Vorkriegszeit berufen waren, die revolutionär werdende Situation zu erfassen und aus dem Proletariat heraus zu gestalten, um der nationalen Idee willen den Burgfrieden mit den Mächten des alten Staates geschlossen hatten. Die unabweisliche Folge hieraus, die eigene Opposition gegen die Kriegsziele LUDENDORFFS so zu halten; daß dessen Kriegsführung dadurch nicht gestört wurde, zwang zu einer auf alle Fälle anti-revolutionären Willensrichtung, zu einer Ablehnung des revolutionären Momentes als gesellschaftsbildenden, Sozialismus verwirklichenden Faktors. Die dadurch gewonnene Legalität des Auftretens, ungehinderter Publizistik und Finanzgebarung sicherte der Partei- und der Gewerkschaftsleitung die alleinige Auswertung des großartigen Organisationsapparates. Daraus ergab sich naturgemäß, daß die allmählich aufbegehrenden Massen nicht nur gegen den Staat und dessen Krieg, sondern auch gegen die führenden Instanzen ihrer Organisationen zu kämpfen hatten. Die hierdurch gezeitigte Verwirrung führte und mußte führen zum Scheitern der wichtigsten Aufgabe des erwachten Proletariats: die chaotischen Elemente, die in jeder Revolution sind und sein müssen, zu klären und zum bewußten Handeln der Klasse zu gestalten.

Wenn diese Überlegungen an den Beginn der vorliegenden Abhandlung gestellt werden, so nicht, urn zu polemisieren oder um revolutionsmoralische Wertungen aufzustellen, sondern weil diese Zusammenhänge, ebenso wie sie der Ausgangspunkt der Revolution waren, auch ihren weiteren Verlauf kennzeichneten und entscheidend wurden für das Wesen der Schichtenbildung innerhalb des Proletariats und damit der besonderen Struktur der einzelnen Parteien, deren Werden und Entwicklung ohne Erkenntnis dieser Ausgangssituation nicht begriffen werden können. Es mußte dazu kommen, daß auf lange Zeit hinaus das negative Moment innerhalb der Opposition dominierend blieb und daß deren Gestaltung zu einem positiv gerichteten Willensfaktor verschleppt und verzögert wurde - über den Elan des Anfangs hinaus, der Zeit der solidarischen Opferbereitschaft des Proletariats, der Zeit der vollkommen verwirrten, verzagten, zu keiner Gegenwehr fähigen Bourgeoisie.

Aus diesem chaotischen Zustande löste sich Ende Dezember 1918 der Spartakusbund aus der Verbindung mit der U(nabhängigen) S(oz.-dem.) P(artei) D(eutschlands) und vereinigte sich mit der Gruppe I(nternationaler) K(ommunisten) D(eutschlands) zur K(ommunistischen) P(artei) D(eutschlands) (Spartakusbund). Die Führer KARL LIEBKNECHT und ROSA LUXEMBURG und bald darauf LEO JOGISCHES wurden von den weißen Garden erschlagen. Die Neuwahl der Zentralleitung war unter den damaligen Zuständen nicht möglich. Die Zentrale wurde daher durch Kooptation ergänzt und stand nunmehr unter Leitung von PAUL LEVI, der unter dem Einfluß von KARL RADEK und des russischen Emissärs BRONSKI die Partei aus der Aktivität in die Passivität überleitete. Dies war wenigstens die Auffassung einer allmählich wachsenden Opposition, die in der Parteipresse - besonders der wichtigen Bezirke Berlin, Hamburg, Sachsen - zu Worte kam. Der Zentrale wurde vorgeworfen, daß sie, statt treibende Kraft des Drängens breiter Massen zum Handeln zu sein und damit Klarheit und Konzentration in diese aktiv-revolutionären Tendenzen zu bringen, selbst nur ein Moment der Zerfahrenheit und Unentschlossenheit darstelle, daher mit schuld daran sei, daß die sich ergebenden Kämpfe vereinzelt und verzettelt verliefen. Getreu der einmal eingeschlagenen Taktik der Abkehr von revolutionärer Angriffspolitik - hieß es in der Presse der Opposition und in Beschwerden nach Moskau - wolle sich die Parteileitung auf jene Gebiete beschränken, in denen die bürgerliche Gesellschaft der Arbeiterschaft ein Wirken erlaube, auf politischem Gebiet in den Parlamenten und auf wirtschaftlichem in den Gewerkschaften. Die Opposition hielt ihrerseits parlamentarische und gewerkschaftliche Betätigung für unvereinbar mit revolutionärem Handeln.

Es ergaben sich so drei Streitfragen: nach Umgestaltung der Organisation der Partei; nach ihrer parlamentarischen Betelligung; und alternativ, nach Betätigung innerhalb der Gewerkschaften oder Schaffung neuer wirtschaftlicher Kampforganisationen. Diese Streitfragen führten dann zur Spaltung der Partei und zur Gründung der K.A.P.D. Wie diese Gegensätze sich entwickelten, schildert der folgende im Juni 1921 erstattete Bericht der Delegation der K.A.P.D. an das Exekutiv-Komitee der 3. Internationale:

"Der Gründungsparteitag der K.P.D. (Spartakusbund) hatte mit überwältigender Mehrheit beschlossen, sich im Gegensatz zu allen anderen Parteien an den Wahlen zur Nationalversammlung nicht zu beteiligen. Nach den Kämpfen des Frühjahrs und Sommers 1919 machte sich in der Parteileitung (Reichszentrale) eine starke Strömung zum Parlamentarismus bemerkbar. Die Stimmung in den Mitgliedschaften war eine entgegengesetzte. So nahm eine Funktionärversammlung Groß-Berlins im August 1919 eine Resolution an, der Genossin KLARA ZETKIN, die noch von den ­,Unahhängigen" her im württembergischen Landtage saß, ein Ultimatum zu stellen, ihr Mandat niederzulegen oder aus der Partei auszuscheiden. Genossin ZETKIN reagierte nicht darauf, und die Zentrale der Partei, zu der auch die Genossin ZETKIN selbst gehörte, bestärkte sie in ihrer haltung. Die Zentrale nahm dann in der folgenden Zeit offen Stellung für den Parlamentarismus, ohne eine Änderung des Parteitugsbeschlusses abzuwarten. Ja, sie ging weiter, sie bekämpfte die Ortsgruppen und Bezirke, die am Parteitagsbeschluß festhielten, sabotierte dort die Agitation durch Entziehung der finanziellen Unterstützung etc.

"Die Entwicklung des Gegensatzes in der Gewerkschaftsfrage nahm ungefahr folgenden Verlauf: Aus den Kämpfen des Jahres 1919 hatten die Proletarier die Lehren gezogen, daß die Gewerkschaften zur Führung der großen Kämpfe und Massenaktionen nicht nur völlig unbrauchbar sind, sondern sogar ein schweres Hemmnis der Revolution darstellen. Sie schritten überall spontan zur Gründung eigener proletarischer Kampforganisationen, die sich nicht auf die Berufe, sondern auf die Betriebe aulbauten, die nicht die Arbeiterschaft zersplittern und Klassengegensätze innerhalb der Arbeiterschaft hervorrufen, sondern die Klasse des revolutionären Proletariats einheitlich zusammenfassen dort, wo sie von Natur eins ist, im Betriebe. Derartige B(etriebs)-O(rganisationen) entstanden spontan im Ruhrrevier, im Oberschlesischen Industriegebiet, in Mitteldeutschland, in Berlin, an der Wasserkante, kurz gesagt in allen Industriezentren Deutschlands. Als die Parteileitung der K.P.D, im Sommer 1919 das Entstehen und Wachsen dieser Massenbewegung sah, versuchte sie zunächst diese Organisationen mit allen Mitteln zu fördern. Die damaligen Führer wie LEVI, LUDWIG, KÖRTING, FRÖHLICH gaben die allgemeine Parole heraus zur Gründung solcher B.O.en. und zum Austritt aus den Gewerkschaften. Mit dem Umschwenken der Reichszentrale in der Frage des Parlamentarismus im Spätsommer 1919 gewann auch diejenige Richtung innerhalb der Parteileitung die Oberhand, die, unter Führung PAUL LANGES, die B.O. aufs heftigste bekämpfte und den Eintritt und das Arbeiten der Kommunisten innerhalb der Gewerkschaften verlangte. Nunmehr wurden auch diejenigen Mitglieder der Zentrale, die die B.O. selbst mit aufbauen geholfen hatten, ihre heftigsten Gegner. Die Masse der Parteimitglieder aber hielten an den B.O.en, zusammengefaßt in der A(llgemeinen-)A(rbeiter-)U(nion) fest. Die Kluft zwischen den Parteiinstanzen und großen Massen der Mitgliedschaften, hauptsächlich in den Industriezentren, vergrößerte sich von Tag zu Tag. Daraufhin wurde zum 20-24. Oktober 1919 ein Parteitag nach Heidelberg einberufen. Dort überfiel die Reichszentrale die Delegierten mit den bekannten sogenannten "Heidelberger Leitsätzen", die vorher den Mitgliedschaften noch nicht zur Diskussion vorgelegt und den Delegierten völlig neu waren. Die dagegen stimmenden 18 Delegierten wurden von der Konferenz ausgeschlossen, nachdem man sich durch verschiedene Manöver eine Stimmenmehrheit für die Reichszentrale gesichert hatte. Die oppositionellen Bezirke dachten zunächst nicht daran, sich zu einer eigenen Partei zu konstituieren, sondern wollten einen neuen Parteitag erzwingen, wo über alle diese Fragen nochmals abgestimmt werden sollte, nachdem die Mitgliedschaften Stellung dazu genommen hätten. Um die Fühlung miteinander nicht zu verlieren, beschlossen sie, dem Bezirk Nord-West (Bremen) die Funktion einer Informationsstelle der Opposition zu übertragen. Die nächsten Monate waren ausgefüllt mit inneren Auseinandersetzungen, wobei die Reichszentrale mit schärfsten Mitteln zugriff. Sie rief z. B. in Berlin, Bremen, Hamburg und anderen Städten öffentliche Versammlungen gegen die ortsansäßigen Organisationen der Partei ein. Die Zentralausschuss-Sitzung schloss im Februar 1920 die Bezirke Groß-Berlin, Nord, Nordwest und Ostsachsen aus der Partei aus und forderte die Anhänger der Zentrale auf, dort neue Organisationen zu gründen. Ein Beispiel, wie wenig Anhänger die Zentrale in diesen Bezirken hatte, bietet der Bezirk Groß-Berlin. Aus diesem damals 8.000 Mann starken Bezirk traten etwa 500 Mitglieder aus und gründeten eine neue Parteiorganisation im Sinne der Reichszentrale."

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Noch wollten die ausgeschlossenen Bezirke keine selbständige neue Parteibildung. Zweierlei hielt sie davon ab, Die Hoffnung, infolge der zahlenmäßigen Stärke der Opposition, doch noch die Einheit der Partei und den Sieg ihrer Anschauuug retten zu können. Ferner aber wollte man die Stellung der 3. Internationale abwarten, von der man schließlich doch eine Zustimmung zu den Theorien der Opposition erwartete. Dies auch deshalb, weil die Vertreter des Amsterdamer Büros der Kom(munistischen) Intern(ationale), die bei den Russen in hohem Ansehen stehenden Genossen HERMAN GORTER und ANTON PANNEKOEK, für diese Theorie des Anti-Parlamentarismus, für die Bildung der auf Betrieben aufgebauten Union eintraten. Diese Erwartung erwies sich aber als trügerisch, KARL RADEK, der von seiner Gefängniszelle aus, neben den Konferenzen mit Industriellen wie RATHENAU und DEUTSCH und mit Politikern aller Richtungen, auch die Leitung der deutschen Revolution in die Hand genommen hatte und zum mindesten der Inspirator der Reichszentralc war, nahm die schroffste Haltung gegen die Opposition ein und setzte auch durch, daß das Amsterdamer Büro telegraphisch als aufgelöst erklärt wurde.

Den entscheidenden Anstoß zur Konstituierung der Opposition als neuer Partei gab dann die Haltung der Zentrale während des KAPP-Putsches, also im Augenblick höchster Aktivitätsbereitschaft und schärfster Parolen der Opposition das revolutionäre Prolatariat durch das von BRONSKI verfaßte, von ihm jeden falls auch weiter verteidigte Flugblatt der Zentrale: Gegen den Generalstreik - Gewehr bei Fuß! in Verwirrung gebracht wurde. Die nächsten Tage aber ergaben die völlige Isoliertheit der Männer der Zentrale, so daß diese ihr eigenes Flugblatt desavouierten. Auch die Komintern rückte von ihnen energisch ab.

Die Ereignisse nahmen nun ihren bekannten Verlauf. Die K.P.D. entsandte zwei Vertreter zu Verhandlungen über das sog. Bielefelder Abkommen, das sie sanktionierte. Die Opposition suchte mit allen Mitteln in den Massen gegen dieses Abkommen schärfsten aktiven Widerstand zu erzeugen mit der Begründung, daß weder das Militär noch die gerettete alte Regierung die in dem Abkommen. der Arbeiterschaft gemachten Zugeständnisse einhalten würden, und daß die Gegenseite lediglich die Entwaffnung der Arbeiter erreichen wolle.

Wir folgen jetzt in der Darstellung der Gründung der K.A.P.D. und der sich anschließenden Ereignisse dem oben zitierten Bericht.

"Der Kapp-Putsch hatte gezeigt, daß das Verhalten der offiziellen Parteileitung gleichbedeutend war mit einem Aufgeben des revolutionären Kampfes, mit einem Hineingleiten ins opportunistische Fahrwasser. Er hatte gezeigt, daß sich tatsächlich zwei verschiedene Parteien gebildet hatten, deren Wiedervereinigung ebenso unmöglich war wie die Vereinigung von Feuer und Wasser. Die Berliner Organisation rief deshalb zum 3. April 1920 einen Parteitag der Opposition ein, auf dem beschlossen wurde, sieh als "Kommunistische Arbeiter-Partei Deutschlands" zu konstituieren. Vertreten waren etwa 80.000 Mitglieder der früheren K.P.D., obwohl einzelne Bezirke erst nach dem Parteitag zu uns stießen. Die Aufgaben und die Tätigkeit der neuen Partei waren klar vorgezeichnet. Bei der Ablehnung der parlamentarischen gesetzlichen Tätigkeit mußte sie jede inner- und außenpolitische Situation ausnutzen, um den aktiven Kampf gegen den bürgerlichen Staat wieder zu entfachen, und vor allem auch, um ein Wiedererstarken dieses Staates hintanzuhalten, damit bei der außerordentlich verworrenen, politisch und wirtschaftlich gleichermaßen labilen, unterhöhlten Situation das Proletariat gerüstet blieb, die Macht übernehmen zu können.

Ein Beispiel des Wirkens der K.A.P.D. in dieser Richtung bildet ihr Verhalten während des Russisch-Polnischen Krieges, Sommer 1920. Die K.A.P.D. rief die Arbeiterschaft zur Arbeitsverweigerung in den Munitionsfabriken und zur Sabotage der Munitionslieferungen, die nach Polen rollten, auf. Die K.P.D. bezeichnete dies als Revolutionsromantik, bis infolge eines Aufrufs des Moskauer Exekutivkomitees die gleichen Parolen aufgegriffen wurden. Die K.A.P.D. forderte das Proletariat zur höchsten Aktivität auf, zur Wahl von revolutionären Aktionsausschussen und politischen Arbeiterräten, zur Vereinigung mit den russischen Brüdern, als die rote Armee sich Ostpreußen näherte, zur Bildung der geschlossenen Front Räterußlands mit Rätedeutschland. Wir wollten es zum Aufstand kommen lassen, während die K.P.D. die in sieh unsinnige Parole "Neutralität zugunsten Rußlands" herausgab. Aus dieser Parole absoluter Passivität ging sie nur über zu einer Aktivität - nicht gegen die Bourgeosie und ihren Staat, sondern gegen die K.A.P.D. die in höchster Kampfbereitschaft war und den Aufstand propagierte und vorbereitete. Da erschienen am 19. und 20. August in der "Roten Fahne", der "Freiheit" und den Provinzblättern Alarmaufrufe gegen die K.A.PD. Parolen. Die Arbeiterschaft, vielfach bereit zum Kamf, wurde verwirrt, und die nicht mehr zu verhindernden Anfange der Bewegung im Keim erstickt. Es war dies ein typisches Beispiel, wie eine Bewegung, nicht ihrer Anlage nach, aber in ihrem Resultat, in ihrer Wirkung, den Effekt eines Putsches hat, weil die Haltung der K.P.D. die Arbeiterschaft in Verwirrung bringt. Bei der Märzaktion, auf die wir weiter unten noch zu sprechen kommen werden, die von der K.P.D. selbst ausgelöst wurde, wiederholte sich dasselbe Moment. Wir haben dann weiter versucht, die wirtschaftlichen Kämpfe auszuweiten zu politischen Kämpfen um die Machtergreifung. Der größte Kampf dieser Art war der Elektrikerstreik in Berlin November 1920, der schließlich an dem Verhalten der K.P.D.-Zentrale zugrunde ging in dem Augenblick, als sich die Ausweitung zu einem Generalstreik durchführen ließ."

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Ein Zusammenarbeiten beider Kommunistischen Parteien erfolgte dann während der Kämpfe in Mitteldeutschland urn die Osterzeit 1921, in der sogenannten "Märzaktion".

Ausgelöst wurde diese Bewegung durch Einrücken der Truppen in das mitteldeutsche Industrie-Gebiet zur Besetzung der Betriebe, insbesondere des Leuna-Werkes. Geleitet wurden die Kämpfe durchweg von gemeinsamen Bezirkskommissionen der V.K.P.D. (es war kurz nach dem Übertritt der linken U S.P.D. zur K.P.D. auf dem Parteitag in Halle) und der K.A.P.D., in deren Auftrag der zur K.A.P.D. gehörende MAX HÖLZ in die Leitung der Kampfhandlungen eintrat.

Der Ausgang dieser Kämpfe ist bekannt. Die K.A.P.D. wies in ihrer Presse und durch ihren Vertreter im Exekutivkomitee der 3. Internationale darauf hin, daß ein wesentlicher Faktor des Scheiterns in der Tatsache zu suchen sei, daß die V.K.P.D. ohne jede publizistische und organisatorische Vorbereitung ihrer Anhänger einen völligen Umschwung ihrer bisher geübten Taktik eingeleitet und dadurch Verwirrung in die Reihen ihrer unvorbereiteten Mitglieder getragen habe. Wenn man monatelang ausschließlich eine parlamentarisch-gewerkschaftliche Taktik verfolgt und dann von heute auf morgen sieh auf revolutionäre Aktivität umgestellt habe, so können wohl eine zentrale Körperschaft, nicht aber der gesamte Funktionärkörper und breite Massen der Mitgliedschaften einen so raschen Umschwung mitmachen. Große Arbeitermassen reagieren nicht auf einen unerwarteten Kommandowechsel wie eine Kompagnie Soldaten der alten WILHELMinischen Armee. Die Haltung der K.P.D.-Zentrale habe aus der im dialektischen Kräftespiel der Revolution naturnotwendig ausbrechenden Aktion des Proletariats einen Putsch gemacht. Die von der 3. Internationale proklamierte Politik, vor allen Dingen größere Massen in die angeschlossenen Parteien hereinzubekommen, die dann schon revolutioniert werden würden von der Partei, war von der K.A.P.D. stets bekämpft worden als unmarxistisches Verkennen der massenpsychologischen Gesetze, nach denen sich die Struktur der Klasse, die Entwicklung proletarischer Ideologie zum Klassenbewußtsein gestalten.

Die Leitung der K.P.D. entschuldigte damals jenes Versagen mit der Begründung: Die Zeit zur Revolutionierung der aus der U.S.P. herübergekommenen Massen sei zu kurz gewesen. Der spätere Verlauf hat gezeigt, daß der Prozeß gerade umgekehrt verläuft, wie ihn sich die Verfechter jener Massentheorie vorstellten: das Schwergewicht der breiten Massen, die aus Sympathie mit Sowjetrußland, aber ohne die klare und harte Einsicht in die Notwendigkeiten revolutionärer Klassenkampfpolitik den Hauptbestandteil der V.K.P.D. darstellten, setzte sich in der Gesamthaltung der Partei durch. Nicht die Massen wurden revolutioniert, sondern die Massen entrevolutionierten die Partei. Ein Ergebnis, das sich im Kampf innerhalb der Gewerkschaften wiederholte.

Die Märzaktion war der letzte Versuch gewesen, die latenten Elemente des Klassenkampfes revolutionär auf breiter Basis im Kampf um die Machtergreifung zur Auslösung zu bringen. Diese Versuche scheiterten an zwei Momenten: dem prinzipiellen Widerstand der Sozialdemokratie und der Gewerkschaften gegen aktiv-revolutionäre Gestaltung des Klassenkampfes; sodann an dem Verhalten der K.P.D., die, im Programm revolutionär, eine Führerdiktatur an Stelle der Klassendiktatur setzen wollte, wobei diese Führerschicht in den unterschiedlichsten, sich widersprechenden Auffassungen von dem Begriff revolutionärer Politik diese ständig wechselte und durch dieses die Arbeiterschaft verwirrende Verhalten die Entwicklung des Klassenbewußtseins bei breiten Massen verhinderte (1). Gegenüber diesen beiden Faktoren des Scheiterns der Revolution in Deutschland ist die Tatsache des Widerstandes der Bourgeoisie nur insoweit von Bedeutung, als er eben kausal bedingt war von jenen beiden anderen. Die Konzentration und Geschlossenheit der bürgerlichen Front ist erst wieder Kennzeichen der gegenwärtigen Phase der Entwicklung. In den ersten Jahren nach dem Kriege war die Front des Bürgertums noch vollkommen aufgelöst in die großen Gegensätze zwischen den monarchistischen Kreisen und der aufkommenden "Demokratie" auf polititischem, zwischen Inflationsgewinnern und Inflationsverlierern auf wirtschaftlichem Gebiet. Über das Einwirken der Russen auf den Gang der deutschen Revolution wird noch in dem Abschnitt, der sich mit den Auseinandersetzungen zwischen der K.A.P.D. und der 3. Internationale befaßt, die Rede sein. Zunächst ist noch nachzuholen der Verlauf der inneren Entwicklung der Partei seit ihrer Gründung.

2. Innere Richtungskämpfe. Die Thesen über die Rolle der Partei in der proletarischen Revolution

Es ist schon eingangs darauf hingewiesen worden, wie diese Partei entstanden war aus der Opposition von Mitgliedern der K.P.D. gegen die Zentrale. Daher strömten der neuen Partei zunächst alle Gruppen zu, die in Opposition zur herrschenden Zentrale standen, ohne daß auch in positiver Hinsicht diese Opposition bereits eine homogene, in ihren Auffassungen und Zielen gleichgerichtete Masse gewesen wäre. Der Kampf gegen die alte Partei war begleitet von einem inneren Klärungsprozeß, der vor allem gegen zwei Richtungen gefüht wurde; gegen das nationale-bolschewistische Programm der Hamburger Opposition (Fritz WOLFFHEIM und Heinrich LAUFENBERG und gegen die Anhänger der sogenannten Einheitsorganisation und Parteiverneiner (Otto RÜHLE-Dresden).

WOLFFHEIM und LAUFENBERG verfochten das Programm eines revolulionären Burgfriedens zwischen Bourgeoisie ünd Proletariat, einer allgemeinen Volkserhebung gegen den Ententeimperialismus, und verurteilten die Desertionsparole des Spartakusbundes während der letzten Kriegsmonate als Verrat.

Als kurz nach der Gründung der Partei sich die Bezirks-konferenz Nord in einem Flugblatt zum 1. Mai 1920 an die breite Parteiöffentlichkeit wandte mit einem offenem Appell im Sinne dieser Theorie, unterzeichnet von W. und L., nahm die Partei sofort Stellung. Der Parteitag in Berlin-Weißensee im August 1920 sprach sich scharf gegen die nationalbolschewistische Gruppe aus; der Bezirk wurde ausgeschlossen und im Verlauf der Zeit neu aufgebaut. WOLFFHEIM und LAUFENBERG verloren bald jede Fühlung mit dem Proletariat und gründeten zusammen mit Offizieren und Gutsbesitzern eine "Gesellschaft zum Studium des deutschen Kommunismus". Der hieraus entstandene "Denksportring e. V. Sitz Hamburg" bestand noch bis zum Sommer 1927.

Während es sich bei den Nationalbolschewisten um eine kleine Gruppe handelte, die eigentlich nur in der engeren Gefolgschaft der genannten Propagandisten bestand und über eine lokale Bedeutung nicht hinauskam, traf die Auseinandersetzung mit den "Einheitlern" unter Führung RÜHLE auf eine im ganzen Proletariat verbreitete Richtung ausgesprochen anarchistisch-syndikalistiseher Tendenz, die, durchsetzt mit kleinbürgerlich-individualistischer Ideologie, die Partei als Organ des Proletariats überhaupt ablehnte und lediglich den Zusammenschluß in wirtschaftlichen Organisationen, den Unionen, propagierte, auf föderalistischer Grundlage vollkommener Autonomie der einzelnen Bezirke. Der Kampf wurde im wesentlichen innerhalb der A(llgemeinen) A(rbeiter-)U(nion) geführt, von der sich eine Sondergruppe als A.A.U.E. (Einheitler) abspaltete. Aus der Partei schieden diese Anhänger der "Einheitsrichtung", die sich den Ideen der amerikanischen I.W.W. und dere Prinzip "One big Union" verwandt fühlten, aus. Die K.A.P.D. hatte wohl erkannt, daß sich in diesen Reihen manche gute und zuverlässige Revolutionäre befanden, die häufig nur durch die Enttäuschung über das Versagen der auf dem Führerprinzip - aufgebauten großen Parteien jetzt ins Extrem gefallen waren, die Partei überhaupt abzulehnen, damit aber für die Vorbereitungszeit der Revolution schon einen Zustand vorwegsetzend, der erst mit der klassenlosen Gesellschaft verwirklicht werden kann. Die Stellung der K.A.P.D. zur Frage der Partei wurde in den "Leitsätzen über die Rolle der Partei in der proletarischen Revolution" im Juli 1921 zusammengefaßt (2). Wegen der prinzipiellen Bedeutung dieser Frage seien die Hauptpunkte auszugsweise wie folgt wiedergegeben:

"1. Es ist die historische Aufgabe der proletarischen Revolution, die Verfügung über die Schätze dieser Erde in die Hände der arbeitenden Massen zu bringen, das Privateigentum an den Produktionsmitteln zu beseitigen und damit die Existenz einer besitzenden, ausbeutenden und herrschenden Klasse unmüglich zu machen. Das Ziel ist die Befreiung der gesellschaftlichen Wirtschaft von allen Fesseln politischer Gewalt, und zwar im Weltmaßstabe.

2. Die tatsächliche Beseitigung der kapitalistischen Wirtschaftsweise, die Übernahme der gesamten Produktion und Verteilung in die Hände der Arbeiterklasse, die Aufhebung aller Klassenunterschiede, das Absterben der politischen institutionen und der Aufbau der kommunistischen Gesellschaft ist ein historischer Prozeß, dessen einzelne Momente sich nicht alle genau vorausbestimmen lassen. Bezüglich der Frage, welche Rolle in diesem Prozeß die politische Gewalt spielen wird, lassen sich jedoch einige Punkte bestimmt festlegen.

3. Die proletarische Revolution ist zugleich ein politischer und ökonomischer Prozeß. Sie kann weder als politischer noch als ökonomischer Prozeß einen Abschluß in nationalem Rahmen finden; vielmehr ist die Errichtung der Weltkommune ihr lebensnotwendiges Ziel. Daraus ergibt sich, daß bis zur endgültigen Niederringung der Kapitalsgewalt im Weltmaßstabe auch die siegreichen Teile des revolutionären Proletariats noch eine politische Gewalt brauchen zur Verteidigung und, wenn möglich, zum Angriff gegen die lindere politische Gewalt der Konterrevolution.

4. Zu den außenpolitischen Gründen, die für die siegreichen Teile des Proletariats das Fortbestehen einer politischen Gewalt (auch in ihrem eigenen Herrschaftsbereich) nötig machen, kommen Gründe der inneren Entwicklung hinzu. Die Revolution, als politischer Prozeß betrachtet, hat zwar einen entscheidenden Moment: den Moment der Übernahme der politischen Macht. Die Revolution, als ökonomischer Prozeß betrachtet, hat jedoch keinen solchen entscheidenden Moment, da die konkrete Übernahme der Wirtschaft in die Hände des Proletariats und der Umbau aus der Profitwirtschaft in die Bedarfswirtschaft eine langwierige Arbeit erfordern. Es ergibt siels von selbst, daß die Bourgeoisie während dieses Prozesses nichts unversucht lassen wird, um den Profit zu verteidigen und zu diesem Zwecke die politische Macht wieder an sich zu reißen. Sie wird dazu in den Ländern einer entwickelten demokratischen Ideologie - also den alten Industrieländern - insbesondere auch die Irreführung von Proletariern mit demokratischen Betrugsparolen zu benutzen suchen. Es ist dabei mindestens so lange eine starke und rücksichtslose politische Gewalt der revolutionären Arbeiter erforderlich, bis die konkrete Übernahme der Wirtschaft in die Hände des Proletariats beendet und damit der Bourgeoisie der ökonomische Existenzboden entzogen ist. Dies ist die Diktatur des Proletariats.

5. Die Notwendigkeit einer politischen Herrschaftsgewalt des revolutionären Proletariats auch nach dem politischen Siege der Revolution begründet zugleich die Notwendigkeit einer politischen Organisation des revolutionären Proletariats sowohl nach als auch vor der Ergreifüng der politischen Macht.

6. Die politischen Arbeiterräte (Sowjets) sind die historisch gegebene breite Organisationsform der proletarischen Herrschaft und Verwaltung: sie tauchen jeweils auf bei Zuspitzung des Klassenkampfes zum Kampf um die ganze Macht.

7. Die historisch gegebene Organisationsform zur Zusammenfassung der bewußtesten, klarsten, tatbereitesten proletarischen Kämpfer ist die Partei. Da das historische Ziel der proletarischen Revolution der Kommunismus ist, kann diese Partei nur eine in ihrem Programm und ihrem Geist kommunistische Partei sein. Die kommunistische Partei muß ein programmatisch durchgearbeitetes, in einheitlichem Wollen zusammengeschweißtes, von unten her einheitlich organisiertes und diszipliniertes Ganzes sein. Sie muß der Kopf und die Waffe der Revolution sein.

8. Die erste Aufgabe der Kommunistischen Partei, sowohl vor wie nach Ergreifung der Macht, ist: in den Wirrnissen und Schwankungen der proletarischen Revolution den einzig sicheren Kompaß, den Kommunismus, zielklar und unbeirrt festzuhalten. Die kommunistische Partei muß den proletarischen Massen in allen Situationen unermüdlich und ohne jedes Schwanken das Ziel und den Weg zeigen, nicht nur mit Worten, sondern auch mit dar Tat. Sie muß in allen Frauen des politischen Kampfes vor Ergreifung der Macht mit voller Schärfe zur Entscheidung zwischen Reform und Revolution drängen, muß jede reformistische Lösung brandmarken als ein Ausflicken und eine Lebensverlängerung des alten Ausbeutungssystems, als Verrat an der Revolution, d.h. an den Interessen der gesamten Arbeiterklasse. Denn so wenig wie zwischen Ausbeutern und Ausgebeuteten eine Interessengemeinschaft bestehen kann, ebensowenig kann zwischen Revolution und Reformismus ein politisches Bündnis bestehen; der Reformismus sozialdemokratischer Herkunft, unter welcher Maske er sieh auch verstecken mag, ist heute das schwerste Hemmnis der Revolution und die letzte Hoffnung der Bourgeoisie.

9. Daher muß die kommunistische Partei jeden Reformismus und Opportunismus zunächst von sich selbst mit absoluter Rücksichtslosigkeit fernhalten, sowohl aus ihrem Programm wie aus ihrer Taktik, ihrer Presse, ihren einzelnen Parolen und Handlungen; insbesondere darf sie ihren Mitgliederbestand nie rascher erweitern, als es die Angliederungskraft des festen kommunistischen Kerns gestattet.

10. Die Arbeitermassen machen im Verlauf der Revolution unvermeidlich Schwankungen durch. Die Revolution ist nicht nur im ganzen, sondern auch in einzelnen Phasen ein dialektischer Prozeß. Die kommunistische Partei dagegen als die Organisation der bewudtesten Elemente mud trachten, diesen Schwankungen selbst nicht zu erliegen, sondern sie zu meistern. Sie muß durch die Klarheit und Reinheit ihrer Parolen, die Übereinstimmung zwischen ihren Parolen und ihren Taten, ihr Vorangehen im Kampf, die Richtigkeit ihrer Voraussagen den Massen helfen, solche Schwankungen rasch und gründlich zu überwinden. Die kommunistische Partei muß also durch ihr gesamtes Verhalten das Klassenbewußtsein des Proletariats entwickeln, selbst um den Preis eines vorübergehenden äußerlichen und scheinbaren Gegensatzes zu den breiten Massen. Nur so wird die kommunistische Partei im Laufe der revolutionären Kämpfe das Vertrauen der Massen gewinnen und eine revolutionäre Erziehungsarbeit in breitem Maßstabe leisten.

11. Die kommunistische Partei darf sich natürlich nicht von den Massen loslösen. Das heißt, sie muß - abgesehen von der selbstveratündlichen Pflicht unablässiger Propaganda - auch an die Bewegungen der Arbeitermassen wegen wirtschaftlicher Nöte, Teilforderungen usw. anknüpfen, muß versuchen, solche Bewegungen geistig zu klären, sie zu wirklichen Kämpfen zu treiben, sie durch Aufruf zu aktiver Solidarität zu verbreitern und so zu verschärfen, daß sie revolutionäre und wenn möglich politische Formen annehmen. Aber es kann nicht die Aufgabe der kommunistischen Partei sein, sich dümmer zu stellen, als sie ist; d h.: es kann nicht ihre Aufgabe sein, den Geist des Opportunismus zu stärken, indem sie unter Verantwortlichkeit der Partei reformistische Teilforderungen ausgibt.

12. Die wichtigste praktische Leistung der Kommunisten für die wirtschaftlichen Kämpfe der Arbeiter liegt aber in der Organisation derjenigen Kampfwaffe, die in der revolutionären Epoche, in hochentwickelten Ländern die einzig praktisch brauchbare Waffe für solche Kämpfe ist, d. h. die Kommunisten müssen dafür sorgen, daß die revolutionären Arbeiter (nicht nur die Mitglieder der kommunistischen Partei) in den Betrieben zusammengefaßt werden, und daß die Betriebsorganisationen sich zusammenschließen zu Unionen und sich ausgestalten zu dem organisierten Werkzeug für die Übernahme der Produktion durch die Arbeiterklasse.

13. Die revolutionären Betriebsorganisationen (die Unionen) sind der Mutterboden für die im Kampf entstehenden Aktionsausschüsse, die Kadres für die um wirtschaftliche Teilforderungen und schließlich um die Produktion selbst kämpfenden Arbeiter, die Vorbereitung und der tragfähige Unterbau für die revolutionären Arbeiterräte.

14. Indem so die Kommunisten die breite Klassenorganisation des revolutionären Proletariats schaffen, daneben aber als Partei sich die Kraft eines geschlossenen, programmatisch einheitlichen Körpers bewahren und in der Union wie überall als oberstes Gesetz den kommunistischen Gedanken zur Geltung bringen, sichern sie den Sieg der proletarischen Revolution und ihren weiteren Sieg zur kommunistischen Gesellschaft.

15. Die Rolle der Partei nach dem politischen Siege der Revolution ist abhängig von neu internationalen Verhältnissen uud von der Entwicklung des Klassenbewußtseins der Arbeiterschaft. Solange die Diktatur des Proletariats, die politische Gewalt der siegreichen Arbeiterklasse notwendig ist, muß die kommunistische Partei alles tun, um die Entwicklung in der kommunistischen Richtung sicherzustellen. Zu diesem Zwecke ist es in allen industriell entwickelten Ländern unerläßlich, daß unter der geistigen Führung der Kommunisten die revolutionären Proletarier selbst im breitesten Maßstabe dazu herangezogen werden, die Übernahme und den Umbau der Produktion durchzuführen. Die Organisation nach Betrieben und in Unionen, die Schulung in ständigen Einzelkonflikten, die Schaffung von Aktionsausschüssen sind die Vorbereitung hierzu, die im Verlauf des revolutionären Kampfes von der Vorhut der Arbeiter selbst begonnen wird.

16. In demselben Maße, in dem die Union als Klassenorganisation des Proletariats nach dem politischen Siege der Revolution erstarkt und fähig wird, die ökonomische Grundlage der Diktatur in der Form des Rätesystems zu festigen, wird sie an Gewicht gegenüber der Partei gewinnen. In demselben Maße ferner, in dem die proletarische Diktatur durch ihre Verankerung im Bewußtsein der breiten Massen gesichert wird, verliert die Partei ihre Bedeutung zugunsten der Arbeiterräte. In demselben Maße schließlich, in dem die Sicherung der Revolution durch politische Gewalt überflüssig wird, in dem also die Diktatur sich verwandelt in die kommunistische Gesellschaft, verschwindet die Partei."

Alle diese Richtungskämpfe, die dem Atem der Zeit entsprechend mit großer Heftigkeit gerührt wurden, waren mit Ablauf des Jahres 1920 liquidiert und hatten zu einer in sich geschlossenen politischen Linie geführt. Heftig nur entbrannte noch einmal der Kampf der Meinungen über die Frage der Stellung zu Sowjetrußland und zur 3. Internationale.

3. Die K.A.P.D. und die 3. Internationale. Parlamentarismus und Gewerkschaftsfrage

Die Partei hatte auf ihrem Gründungstag den Beitritt zur Komintern beschlossen, in voller Erkenntnis der Gegensätze, die sie in den wesentlichen Fragen des revolutionären Klassenkampfes von der Meinung der nach Deutschland gesandten Vertreter der Komintern und der von diesen informierten Exekutive trennte. Noch aber war der Glaube an die Möglichkeit einer Einwirkung. Das Proletariat sah in Sowjet-Rußland die vorderste Front der Weltrevolution, die es in Solidarität zu stützen galt, von der der Anstoß zum Durchbruch der Revolution in die Massen des Westeuropäischen Industrieproletariats erwartet wurde. Für die K.A.P. begann der Kampf um die 3. Internationale, der erst nach völligem Fehlschlagen und nach der rapiden Entwickelung Rußlands von der Revolution fort zur - aus staatspolitischem Interesse unvermeidlichen - Verständigung mit der internationalen Bourgeoisie, von dem Kampf gegen die 3. Internationale abgelöst wurde.

Zunächst entsandte die Partei bald nach dem ersten Parteitag JUNG und APPEL nach Moskau und folgte damit der Einladung des Exekutivkornitees, das eine Aussprache in Moskau vorgeschlagen hatte. Das Ergebnis aber verlief völlig negativ, da der Experte für deutsche Angelegenheiten KARL RADEK war. So war es natürlich unmöglich, zu einer wirklich klärenden Auseinandersetzung zu kommen. Das Leitmotiv Sowjetrußlands - vor allen Dingen Anschluß an große Arbeitermassen zu bekommen, im Interesse des verzweifelten Selbsterhaltungskampfes Rußlands sehr naheliegend - wurde von der K.A.P.D. damals für Rußland begreiflich gefunden, für den Kampf des westeuropäischen Proletariats aber schien ihr die erste Forderung, die eine kommunistische Partei zu stellen hat, das Prinzip eindeutiger Klarheit, unbedingten Fernhaltens jeder kompromißlerischen Tendenz zur Erzielung gelegentlicher Tageserfolge, die Ablehnung jedes auf Breitenausdehnung gerichteten Zuwachses von Mitgliedermassen, denen die Einsicht in die besonderen Bedingungen der Revolution noch fehlen mußte, weil sie in den vorrevolutionären Formen des Parlamentarismus und der Gewerkschaftsorganisation befangen waren. Demgegenüber legte anderseits Rußland Wert darauf, so schnell wie möglich den Kontakt mit der großen Arbeiterschaft zu bekommen, mit eben den nun einmal vorhandenen großen Organisationen und ihren Mitgliedern, die, wenn auch nicht programmatisch zustimmend, so doch gefühlsmäßig stark genug waren, als politischer Faktor die eigene Regierung in prorussischem Sinn zu beeinflussen, oder doch mindestens die gegen Sowjetrußland gerichteten Tendenzen zu paralysieren.

Die K.A.P.D. begriff diese Einstellung vom Standpunkt des Willens zur Machterhaltung. Sie vertrat nur demgegenüber die Auffassung, daß dies mit dem Wesen der proletarischen Revolution in Westeuropa nichts zu tun habe, daß die Bolschewisten gegen die Praxis der eigenen Vergangenheit das revolutionäre "Experiment" auszuschalten suchten. Sie, die selbst 1917 einen Kampf geführt hätten und eine Taktik, die gewiß eines der größten Experimente der Geschichte zu nennen sei. Die Eroberung der Macht bedeute aber einen Phasenkampf zwischen Siegen und Niederlagen im Sinne des dialektischen Geschehens. Nur dann könne das Proletariat aus diesen Kämpfen zur Selbstbewußtseinsentwicklung sich durchringen, wenn es von einer Partei geführt wird, die jedes Kompromiß ablehnte und in dem Kampf - möge er auch zu Niederlagen führen - selbst den vorgeschrittenen Teil des Proletariats darstelle.

Nach wenigen Wochen kehrte die Delegation zurück, mit einer Reihe Ermahnungen versehen, die Auffassung der Partei hinsichtlich des Parlamentarismus und der Gewerkschaftsfrage zu revidieren, inzwischen mit der K.P.D. ein provisorisches Verständigungsbüro zu organisieren und zum bevorstehenden II. Kongreß im Juli 1920 Delegierte zu entsenden.

Die ablehnende Haltung Moskaus hatte trotz eines weit verbreiteten Offenen Briefes an die Mitglieder der K.A.P.D. (3) keinen Einfluß auf die Mitgliedschaften, als nur den, an dem einmal Erkannten festzuhalten - auch gegen die Majorität der Sektionen der Komintern. Die nach Moskau zum II. Kongreß delegierten RÜHLE (der damals noch in der Partei war) und MERGES reisten schon in den ersten Tagen wieder ab, ohne auch nur den Versuch zu machen, den Standpunkt der K.A.P.D. vor der breiten Öffentlichkeit der versammelten ausländischen Genossen darzulegen. Der II. Kongreß gipfelte in den bekannten 21 Thesen, in welchen die K.A.P. nur eine Verstärkung einer reformistisclien Entwicklung sah. Sie wurde aufgefordert, bis zum nächsten Kongreß zu erklären, ob sie diese Aufnahmebedingungen annehmen würde.

Auf dem sich anschließenden Parteitag in Gotha erklärte nunmehr die K.A.P. ihren Beitritt als "sympathisierende" Partei - gegen eine Minderheit, geführt von PFEMFERT und BROH, die schon damals den Abbruch der Verhandlungen mit dem Exekutivkomitee forderte. Die Partei wollte aber noch einmal den Versuch machen, ihren Auffassungen in Moskau und bei den anderen Parteien der 3. Internationale Geltung zu verschaffen, und sandte eine neue Delegation, bestehend aus GORTER, RASCH und SCHRÖDER, nach Moskau, um diesen Beschluß mitzuteilen. Die ausführlichen Debatten in diesem Zusammenhang in Moskau und Leningrad fanden ihren Niederschlag in GORTERs Buch: "Offener Brief an den Genossen Lenin" (4), eine Antwort auf LENINs Broschüre: "Der Radikalismus, eine Kinderkrankheit des Kommunismus"; in der Broschüre ANTON PANNEKOEKs: "Weltrevolution und kommunistische Taktik" (5) und in zahlreichen Aufsätzen in der Parteipresse, Resolutionen der Bezirksorganisationen, die sich alle einmütig auf den Boden des K.A.P.-Programmes stellten: Los vom Parlamentarismus! Zerstörung der Gewerkschaften! Aufbau der Betriebsorganisationen!

Da diese beiden Fragen die Grundlagen des K.A.P.-Programmes bilden, soll aus der Parteiliteratur kurz die prinzipielle Stellungnahme wiedergegeben werden.

1. Zur Frage der Beteiligung an den Parlamenten

"Die Macht, die die Bourgeosie in der jetzigen Periode noch besitzt, ist die geistige Abhängigheit und Unselbständigkeit des Proletariats. Die Entwickelung der Revolution ist der Prozeß der Selbstbefreiung des Proletariats aus dieser Abhängigkeit, aus der Tradition vergangener Zeiten - was nur durch die eigene Kampferfahrung möglich ist... Der Parlamentarismus ist die typische Form des Kampfes mittels Führer, wobei die Massen selbst eine untergeordnete Rolle spielen. Seine Praxis besteht darin, daß Abgeordnete, einzelne Personen, den wesentlichen Kampf führen; es muß dies daher bei den Massen die Illusion wecken, daß andere den Kampf für sie führen können... Der Parlamentarismus hat die unvermeidliche Tendenz, die eigene zur Revolution notwendige Aktivität der Massen zu hemmen... Die Revolution erfordert, daß die großen Fragen der gesellschaftlichen Rekonstruktion zur Hand genommen, daß schwierige Entscheidungen getroffen werden, daß das ganze Proletariat in schaffende Bewegung gebracht wird... Solange daher die Arbeiterklasse glaubt, einen leichteren Weg zu sehen, indem andere für sie handeln, von einer hohen Tribüne Agitation führen, Entscheidungen treffen, Signale für die Aktionen geben, Gesetze machen, wird sie zögern und durch die alten Denkgewohnheiten und die alten Schwächen passiv bleiben (6).

2. Zur Gewerkschaftsfrage

Die Gewerkschaften entstanden zur Zeit des aufsteigenden Kapitalismus und entsprachen ihrem damals mšglichen Zweck als Organe zur Erkämpfung besserer Lohn- und Arbeitsbedingungen innerhalb des kapitalistischen Systems. Ihr letztes propagandistisches Ziel war wohl die Umwandlung des Kapitalismus in den Sozialismus, ihre wirkliche Tätigkeit bestand aber durchaus in der reformistischen Bekämpfung der Schäden und Auswüchse des kapitalistischen Systems. Dieser Tätigkeit entsprechend nahmen die Gewerkschaften je länger je mehr auch in ihrer Organisationsform rein kapitalistischen Charakter an. Es bildete sich eine führende Bürokratie, die über alle Machtmittel der Organisation verfügte, ohne selbst noch Wurzel zu haben im Produktionsprozeß. Auf Gedeih und Verderb also an die Existenz der Organisation gebunden, mußten sie notwendig als Opfer des Systems dahin kommen, schweren Erschütterungen aus dem Wege zu gehen, dem sich verschärfenden Klassenkampf das eigene egoistische privatwirtschaftlich orientierte Wollen entgegen zu werfen, dem Kompromiß und der Verschleierung zu dienen.

Die Mitgliedschaften der Gewerkschaften sind gegliedert nach Berufsgruppen. Einen Sinn, d.h. einen Klassenkampfsinn hatte dies nur zu einer Zeit, in der auch der Kapitalismus zumeist nur den Klein- und Mittelbetrieb kannte mit einer bestimmten Berufstätigkeit. Die Berufsgliederung verlor aber in dem Grade an Berechtigung, in dem der moderne Großkapitalismus in Riesenunternehmungen, in vertikalen und horizontalen Trusts über ganze Länder hin innerhalb eines Produktionsrahmens Arbeiter aller Kategorien, jeglichen Alters und jeglichen Geschlechts zu Zubehörteilen seines technischen Apparates heranzog und ausbeutete (7).

3. Allgemeine Arbeiterunion und Betriebsorganisationen

Die A.A.U. ist der erste Grundstein zur Bildung der Räteorganisation. Sie muß sich also aufbauen auf den Betrieben als den Zellen der Produktion. In den Betrieben steht das Proletariat als Klasse, einer neben dem andern als Klassengenosse. Hier steht die Masse im Triebwerk der Umbildung und Neubildung der Gesellschaft. Hier kann der geistige Kampf, die Revolutionierung des Bewußtseins in unerschöplichem Strom von Mann zu Mann zu gehen, gerichtet allein auf das Klasseninteresse, nicht auf kapitalistische Vereinsmeierei; das Berufsinteresse eingeengt auf das ihm zukommende Maß.

Die Betriebsorganisation ist die grundlegende Zelle der Union; die Union ist die organische Einheit dieser Zellen... Die einzelnen Betriebsorganisationen, zu denen die Arbeitslosen als eine Sonderart von Betrieb gehören, schließen sich zunächst zusammen nach geographischen Wirtschaftsbezirken, diese Wirtschaftsbezirke entsprechen nach Möglichkeit bestimmten ökonomisch zusammenhängenden Komplexen (8)."

Als Ergebnis dieser oben erwähnten Verhandlungen im Herbst 1920 wurde der K.A.P.D. ein ständiger Sitz im Exkutivkomitee der Komintern eingeräumt. Die Partei entsandte auch ihre Delegierten. Aber irgendein praktischer Erfolg wurde nicht erzielt. Wohl stimmten SINOWIEW, BUCHARIN, RADEK u. a. in vielen Punkten oden Vorwürfen der K.A.P. über die Haltung der K.P.D.-Führer zu. Sie forderten aber immer wieder, gerade aus der Berechtigung dieser Vorwürfe, den Eintritt der K.A.P.-Mitglieder in die K.P.D. und vor allem ihre Tätigkeit in Parlamenten und Gewerkschaften. Sie blieben dabei, daß es nur der Mitwirkung von wahren Revolutionären bedürfe, um auch in diesen konterrevolutionären Organisationen revolutionäre Wirkungen zu erzielen. Der gegenteilige Standpunkt, daß eine prinzipiell konterrevolutionäre, im derzeitigen Stand der Klassenkampfentwickelung historisch überholte Organisationsform nicht revolutioniert werden könne, vielmehr naturnotwendig im besten Falle revolutionäre Kräfte nutzlos absorbiere, meistens aber diese entrevolutioniere infolge der Schwerkraft ihrer eigenen soziologisch sich auswirkenden Gesetzmäßigkeit, diese Auffassung, die die K.A.P. aus der täglichen Praxis glaubte nachweisen zu können, wurde bestritten.

Der Gewinn dieser etwa im ganzen 6 Monate dauernden engeren Fühlungnahme mit den Moskauer Kreisen bestand lediglich in der Möglichkeit tieferer Einblicke in die Struktur der russischen Aufbauarbeit, die Mentalität der führenden Schicht zu gewinnen sowie auch in der Verbindung zu den verschiedensten proletarischen Schichten. Denn den Delegierten war uneingeschränkte Bewegungsfreiheit eingeräumt.

Das leidenschaftliche Interesse, das die russischen Proletarier in den großen Arbeiterversammlungen an den Vorgängen in Deutschland bewiesen, machte einen tiefen Eindruck, um so mehr als die heftigen Debatten, die die Gegensätzlichkeit der bekannten Führer der K.P.D. in der Frage der Märzaktion klar zutage treten ließen, der Zwiespalt, der durch PAUL LEVIS Broschüre gegen die Parteien auch zu grundlegenden Meinungsverschiedenheiten zwischen dem gemäßigten Flügel unter Führung von Klara ZETKIN und dem radikalen Flügel unter Führung REUTER-FRIESLANDs geführt hatte, die russischen Proletarier in Verwirrung gebracht batten. In persönlicher Unterhaltung mit LENIN ergab sich, daß dieser die Art des Vorgehens von LEVI zwar entschieden verurteilte, ihm in der sachlichen Beurteilung der Märzpolitik aber Recht gab.

Die Fühlungnahme mit den nichtrussischen Mitgliedern des Exekutivkomitees ergab häufig, daß viele Sektionen der Komintern aus ehrlicher proletarischer Begeisterung sich der 3. Internationale angeschlossen hatten, ohne daß dieser Begeisterung eine marxistisch klar durchgedachte Erkenntnis zugrunde gelegen hätte. Besonders fiel dies bei den Delegierten der englischen Partei auf.

Im Sommer 1921 fand der III. Kongreß statt, auf dem die Vertreter der K.A.P., BERGMANN, HEMPEL, SACH und SEEMANN, noch einmal in den Diskussionen den Standpunkt ihrer Partei darlegen konnten, soweit dies hei der beschränkten Redezeit möglich war und bei der erfolgten Ablehnung ihres Antrags, ein Referat oder Korreferat zugeteilt zu bekommen.

Abgesehen von diesen Diskussionen in eigener Sache hat die K.A.P.-Delegation als einzige auswärtige Delegation dann noch die von ALEXANDRA KOLLONTAI geführte Arbeiteropposition innerhalb der R.K.P. in der Debatte zur Frage der russischen Politik (Referent LENIN) unterstützt.

Die am Schluß des Kongresses der K.A.P. auferlegte Verpflichtung, sich mit der K.P.D. zu verschmelzen und sich den 21 Thesen zu unterwerfen, wurde von ihr abgelehnt. Da der Delegation zu einer abschließenden Stellungnahme in öffentlicher Sitzung das Wort verweigert wurde, wurde in der Schlußsitzung des Exekutivkomitees folgende Erklärung verlesen und zu Protokoll gegeben:

"Die Delegation der K.A.P.D. hat die Ergebnisse des Kongresses einer erneuten Prüfung unterzogen, sowohl in bezug auf die Stellungnahme zu dein Kongreßbeschluß, der ultimativ die Verschmelzung der K.A.P.D. mit der V.K.P.D. fordert, wie auch hinsichtlich des Verhältnisses zur 3. Internationale. Im vollen Bewußtsein der Schwere der Verantwortung ist die Delegation einstimmig zu folgenden Erkenntnissen gekommen:

Der taktische Kampf gegen die K.A.P.D. bei Gelegenheit dieses Kongresses vollzog sieh von vornherein in den Formen der Bekämpfung eines politischen Gegners, dessen Argumente nicht sachlich gewürdigt werden sollen, dessen Existenz als politischer Faktor unter dem Vorwande der Disziplin vernichtet werden soll. Dem entsprach es, daß:

1. Die Kongreßteilnehmer seit Wochen durch entstehende Artikel in der russischen Presse, in die "Kommunistische Internationale" und der Zeitung des Kongresses ein Zerrbild von der K.A.P.D. erhielten, während unsere sachlichen Darlegungen und Richtigstellungen nicht abgedruckt wurden;

2. Durch die Geschäftsführung des Kongresses ein Beschneiden unserer freien Meinungsäußerung durchgesetzt wurde. Die wohlüberlegte Absicht dieser Taktik wurde besonders deutlich in dem Beschluß, uns in unserer eigenen Angelegenheit, der Frage der K.A.P.D., weder Referat noch Korreferat, sondern nur eine halbstündige Redezeit zu bewilligen. Dadurch waren wir - um nicht unfreiwillige Helfer einer Komödie zu werden - gezwungen, auf das Wort zu verzichten;

3. Als Grundlage des an uns gerichteten Ultimatums ein angeblicher Beschluß des Exekutivkomitees bekanntgegeben wurde, obwohl das EK, sich in keiner Sitzung mit der Frage beschäftigt hatte, uns darüber nicht gehört hatte, geschweige einen Beschluß hatte fassen können;

4. Diese Frage, die wochenlang folgerichtig als selbstständiger Punkt auf einer der letzten Stellen der Tagesordnung stand, ohne jede vorherige Fühlungnahme mit uns im Zusammenhang mit dem an zweiter Stelle stehenden Bericht des EK. nicht nur besprochen sondern durch Beschluß erledigt wurde. Die Absicht, dem Kongreß zu präjudizieren, ehe er bei der Debatte der prinzipiellen Fragen in Gefahr kam, unsere Auffassungen kennen zu lernen, wurde dadurch erreicht.

Dieses formale Verhalten hängt aufs innigste zusammen mit der politischen Tendenz, in der sich die 3. Internationale unter dem bestimmenden Einfluß der russischen Genossen entwickelt. Der Verlauf des Kongresses hat es gezeigt: die politische Linie PAUL LEVIs siegte auf dem Kongreß, die äußerliche Anerkennung der Märzaktion erwies sich damit als Revolutionsspielerei; die tschechoslowakische Partei wurde ohne jede reale Garantie auf leere Versprechungen hin unter ängstlicher Schonung ihres opportunistischen Führers ÉMERAL als vollberechtigte Sektion angenommen. Mit der sozialistischen Partei Italiens, die in diesem Augenblick ein Abkommen mit den Faschisten geschlossen hat, verhandelte man ausführlich und bereitwillig. Die prinzipielle Teilnahme an den bürgerlichen Parlamenten wurde festgehalten, trotz der traurigen Erfahrungen, die man damit in Deutschland, Österreich, Frankreich usw. gemacht hat, trotz der Karrikaturen von angeblich revolutionärem Parlamentarismus, den man erlebt hat. Indem man die verhängnisvolle Politik des Arbeitens in die alten Gewerkschaften bestätigte, hat man sich trotz aller Phrasen in Wahrheit vor Amsterdam gebeugt und unterstützt den kapitalistischen Betrug des wirtschaftlichen Parlamentarismus. Sogar den lächerlichen Gedanken der Revolutionierung der Konsumgenossenschaften hat det Kongreß sich gefallen lassen.

Dies alles kennzeichnet die Fortführung des schon auf dem II. Kongreß beschrittenen Weges, der ein Irrweg ist: von der Resolution weg zum Reformismus, von der Sphäre des Kampfes zur Taktik der Diplomatie und des Verhandelns und der illusionierenden Übertüchung der Gegensätze. Der von uns zu Protokoll gegebene Protest gegen die Annahme der Thesen über die Taktik erhält durch diese Beispiele seine Bestätigung.

Dies sind die Voraussetzungen, unter denen man den unsere Verschmelzung mit der V.K.P.D. fordernden Beschluß betrachten muß, um zu erkennen, daß er für die K.A.P.D. völlig indiskutabel ist. Diese Verschmelzung würde die Unterordnung unter die Disziplin einer sich zersetzenden Partei bedeuten, in der unter dem Einflusse des Kongresses der Reformismus vorherrscht. Die Knebelung durch einen uns feindlich gesinnten Organisationsapparat (Presse, Finanzen, Führerklique) beraubte jede Hoffnung auf unseren heilsamen Einfluß in einer solchen Partei jeder realen Grundlage. Aus diesen Tatsachen würde sich auch - auch ohne besonderen Auftrag der Partei - die Haltung der Delegation von selbst ergeben: sie lehnt einstimmig das Ultimatum der Verschmelzung mit der V.K.P.D. ab.

Den Austritt der K.A.P.D. aus der 3. Internationale erklären wir trotz unserer Vollmachten nicht. Unsere Mitglieder selbst werden sprechen. Sie werden die Antwort geben auf die Zumutung, den Weg des Reformismus, des Opportunismus, mitzugehen. Das internationale Proletariat wird diese Antwort hören.

Unser Beschluß ist gefaßt worden in voller Erkenntnis seiner Tragweite. Wir sind uns klar bewußt unserer Verantwortung gegenüber der revolutionären deutschen Arbeiterschaft, gegenüber Sowjetrußland, gegenüber der Weltrevolution. Die Revolution läßt sich durch Kongreßbeschluß nicht binden. Sie lebt, sie geht ihren Weg. Wir gehen mit ihr, wir gehen in ihrem Dienste unsern Weg" (9).

Die Antwort der Mitgliedschaften wurde in unmittelbarem Anschluß an die Veröffentlichungen über den Verlauf des Kongresses gegeben: die Partei erklärte den Austritt aus der 3. Internationale auf Grund nahezu einstimmiger Beschlüsse der einzelnen Wirtschaftsbezirke.

Zusammen mit den oppositonellen Gruppen der holländischen und der bulgarischen Partei, die sich ebenfalls von ihren zur Komintern gehörenden Sektionen lossagten, wurde schon im April 1922 die Kommunistische Arbeiter-Internationale gegründet, die im wesentlichen in einem Organisationsbüro besteht, das die Aufgabe hat, den internationalen Zusammenschluß der gleichgerichteten Parteien herbeizuführen.

Die vorliegende Arbeit beschränkt sich auf die schon zur Geschichte gewordene Zeit der Kämpfe des Proletariats um die Macht. Daher sei die weitere Entwickelung der Partei nur kurz angedeutet.

Durch das Sinken der revolutionären Welle und durch die großen Lücken, die das Walten der bürgerlichen Klassenjustiz in die Reihen der Mitgliedschaften gerissen hat, ist deren zahlenmäßiger Bestand erheblich zurückgegangen. Die Partei betrachtet es jetzt als ihre Aufgabe, die Erkenntnisse über den Charakter und die Organisationsnotwendigkeiten des revolutionären Klassenkampfes auch in den Zeiten des Niederganges weiter auszubauen und propagandistisch hineinzutragen in das Proletariat, entsprechend ihrer Auffassung, daß auch in einer neuen Welle der Revolution und des erstarkten Klassenbewußtseins das Proletariat nur siegen kann in entschlossener Abkehr von den vorrevolutionären Formen proletarischer Interessenvertretung.

***

Für die vorstehende Arbeit wurden - neben Protokollen und Sitzungsberichten - benützt:

Von Parteizeitungen und Zeitschriften:
Die Rote Fahne, Organ des Wirtschaftsbezirkes Groß-Berlin, 1919 (Organ der Opposition bis zur Gründung der K.A.P.D.); Kommunistische Arbeiterzeitung, Berlin, 1920,1921; Kommunistische Arbeiterzeitung, Hamburg, 1920; Kommunistische Arbeiterzeitung, Westsachsen, 1920; Der Kommunist, Dresden, 1920; Kommunistische Montagszeitung, Berlin, 1920/21; Der Geist (Monatsschrift), Berlin, 1920; Der Proletarier (Monatsschrift), Berlin, 1921, 1922; Rote Jugend, Organ der Kommunistischen Arbeiterjugend, Berlin, 1921; Der Kampfruf, Organ der Allgemeinen Arbeiterunion, Berlin, 1920, 1921.

An Broschürenmaterial (hrsg. von der K.A.P.D.):
SCHRÖDER und WENDEL: Wesen und Ziele der revolutionären Betriebsorganisation. - Karl SCHRÖDER: Vom Werden der Neuen Gesellschaft. - Arthur GOLDSTEIN: Nation und Internationale. - Herman GORTER: Offener Brief an den Genossen Lenin. - Derselbe: Der historische Materialismus, 2. Aufl. 1921. - Derselbe: Die Kommunistische Arbeiter-Internationale, Berlin, 1923. - Anton PANNEKOEK: Die Westeuropäische Politik der 3. Internationale. - Joh. SEEMANN: Der Steuerabzug vom Lohn. - Alexandra KOLLONTAI: Die Arbeiter-Opposition in Rußland, Verlag Kommun. Arbeiter-Internationale, Berlin.

Ohne Autorennamen:
Die Allgemeine Arbeiterunion (Revolutionäre Betriebsorganisation), hrsg. von der A.A.U., Berlin, Auflage 1923, - Wahlkampf oder Klassenkampf? -Die K.A.P.D. und die Kommunistische Internationale. - Der Weg des Dr. Paul Levi - der Weg der V.K.P.D. - Die Sowjetregierung und die 3. Internationale im Schlepptau der internationalen Bourgeoisie.

Ferner:
Bulletin des Ill. Kongresses der Kommunistischen Internationale, Moskau, Juni/Juli 1921.


Anmerkungen:
* Die folgende Arbeit will aus dem sehr verstreuten Material der Publikationen, der Protokolle und Presseäußerungen der K.A.P.D., den Kundgebungen innerhalb eines entscheidenden Abschnittes der Deutschen Revolution, ein geschlossenes Bild geben von der Entwicklung, dem Werden und Wirken der K.A.P.D., ihrer theoretischen Grundlage und der besonderen Stellung, die sie innerhalb der mannigfachen Schichtung des deutschen Proletariats und der sieh auf MARX berufenden Arbeiterparteien einnimmt. Ich habe daher Wert darauf gelegt, nach Möglichkeit die Partei selbst in ihren Dokumenten zu Wort kommen zu lassen. Soweit nicht der Text die Quellen zitiert, wird auf das Literaturverzeichnis am Schluß hingewiesen.

** Die REICHENBACHsche Abhandlung bildet ein Pendant zu der Studie JOHANNES WERTHEIMS über "Die Föderation revolutionärer Sozialisten Internationale" in diesem Archiv XII, 297/309. Sie stammt ebenfalls von einem an der geschilderten Entwicklung persönlich führend beteiligten Parteipolitiker und ist mit parteipolitischem Temperament, also gewiß nicht sine iro et studio geschrieben. Beide Artikel jedoch erscheinen besonders wertvoll, weil sie das - jetzt schon sehr schwer zuglängliche - Material zur Kenntnis zweier Nebenströmungen im großen Strom der deutschen und österreichischen sozialistischen Arbeiterbewegung nach dem Weltkriege näherbringen und für die Erinnerung festhalten. (Fußnote von Carl Grünberg.)


Fußnoten:
(1) Im Zusammenhang unterrichten über diese Auffassung der K.A.P.D. die Broschüren: Der Weg des Dr. Levi - der Weg der V.K.P.D. (Verl. d. K.A.P.D.) und von Herman GORTER: Offener Brief an den Genossen Lenin. (Berlin, ebenda.)
(2) Abgedr. in "Proletarier", Monatsschrift f. Kommunismus I Heft 7. Berlin, Juli 1921.
(3) Das Exekutivkomitee der III. Internationale und die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands, Verl. d. K.A.P.D., Berlin.
(4) Verl. d. K.A.P.D., Berlin, 1920.
(5) Verl. d. Arbeiterbuchhandlung, Wien, 1920.
(6) PANNEKOEK a.a.O.
(7) Aus: Die Allgemeine Arbeiterunion. Berlin, 1923.
(8) "Die Allgemeine Arbeiterunion", hrsg. von der A.A.U. Berlin 1923.
(9) Entnommen der Kommunistischen Arbeiter-Zeitung, Berlin, Jahrg. 1921, Nummer 219.

Quelle: Bernhard Reichenbach (Hamburg), erschienen in Archiv für die Geschichte des Sozialismus, "Carl Grünberg Archiv", XIII, Leipzig, 1928

Originaltext: http://www.left-dis.nl/d/berreich.htm


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