Frank Schweizer - Bildungsgrenzen. Warum Lehrer und Schüler nicht füreinander geschaffen sind

Michael Palin, ehemaliges Mitglied der Komikertruppe Monty Python, drehte in seinen späteren Jahren viele Reisedokumentationen für die BBC. Einmal besuchte er ein Zen-Kloster, in dem sich junge und alte Mönche versammelten, um nach Erleuchtung zu suchen. Palin fragte den Obersten des Klosters, was er denn - wenn er sich seinem Kloster anschließen würde - lernen könne. Die Antwort des Zen-Mönchs verblüffte den Engländer. „Woher soll ich denn wissen, was Sie hier lernen können?!“

In unseren Tagen scheint nichts wichtiger zu sein als Bildung und Lernen. Der harte Konkurrenzkampf auf dem Arbeitsmarkt wird nicht mit Waffen und Äxten ausgefochten, sondern mit guten Zeugnissen, Nachweisen von Praktika und Bescheinigungen von Fort- und Weiterbildungen. Bildung boomt. Eltern geben nach dem Institut für Forschung- und Sozialökonomie jährlich eine Milliarde für Bildung aus (1). Eine gute Ausbildung zu besitzen, sehen viele als Sprungbrett zu einem abgesicherten Leben. Die „klassischen“ Bildungskategorien dagegen wie Belesenheit, Anstand oder Konversationsvermögen spielen keine Rolle mehr. Wenn man noch weiter zurückgreift - zweihundert Jahre in die Zeit der Aufklärung, Klassik und der Romantik - findet man einen fast vergessenen Bildungsbegriff (2): Diese Epochen sahen darin die Ausbildung von Innerlichkeit durch Lebenserfahrung und betrachteten das Ich als ein herrliches Kunstwerk (3), das nicht mit Hammer und Meisel, aber durch Bildung und Lernen aus rohem Stoff geschlagen wird. Im Zentrum der damaligen Bemühungen stand noch keine Wirtschaft, die ein paar Ingenieure mehr braucht, um gegen die asiatische Konkurrenz bestehen zu können (4), sondern die Ambitionen des Autodidakten, der an der Vervollkommnung seines Ichs interessiert war. Schon längst steht dies alles im Ideenmuseum (5). Bildung ist schlicht zur Summe des abfragbaren Lernens geworden, die in bürokratischen Papieren wie Zeugnissen oder Teilnahmebescheinigungen kund getan werden kann (6). Jemand, der sich heute bilden will, muss eine längere Zeit seines Lebens eine Lehrer-Schüler-Beziehung akzeptieren. Der Transport von Wissen geht in der Schule oder entsprechenden Lehranstalten fast unvermeidlich über diese „Verknotung“ zweier Menschen zu Bildungszwecken. In diesem Artikel soll das Dogma hinterfragt werden, das besagt, dass diese Verbindung zwischen Lehrer und Schüler wirklich optimale Lernvoraussetzungen schafft.

Das klassische Lernmodell kann mal als Sender-Empfänger-Modell beschreiben. Der Lehrer „codiert“ und „dosiert“ die Informationen, die dem Schüler gesendet werden. Lernprobleme treten dann auf, wenn der Schüler nicht „richtig“ auf „Empfang“ geschaltet hat. Sie liegen in der Regel im Empfängermodul (Schüler), nicht in der Sendeanlage (Lehrer). Damit ist die klassische Lernsituation noch nicht abgedeckt, denn sie besitzt eine zweite Ebene, die des Transfers. Das bedeutet, dass der Schüler aus den empfangenen Daten die richtigen Schlüsse ziehen muss. Wenn dem Schüler dies nicht gelingt, dann wird er in der Regel als „untalentiert“ oder gar „dumm“ kategorisiert, denn dem Schüler obliegt es, die Intentionen des Unterrichtenden richtig zu deuten; „richtig“ bedeutet hier gemäß den Denkziel-Vorgaben des Lehrers. Ein wirklich eigenständiges Urteil zu treffen, stellt nicht die Aufgabe des Schülers dar. Die Kontrolle des Lernstoffs, der aus Informationspaketen sowie aus zugeordneten Lernintentionen besteht, liegt vollständig in den Händen des Lehrkörpers.

Aus dem Kontrollbedürfnis des Lernfortschritts heraus entsteht nicht selten ein Kontrollwahn. Stellen wir uns vor, ein Lehrer bestraft einen Schüler, der seine Hausaufgaben nicht erledigt, mit Nachsitzen. Er soll dadurch lernen, dass man seine Hausaufgaben immer machen muss, was in der Erkenntnis mündet, dass ordentliches, zuverlässiges Arbeiten ein wichtiger Teil des späteren Erwachsenenlebens sein wird. Das könnte der Zögling hier durchaus erkennen. Doch auch ein anderes Szenario bietet sich an. Der Schüler lernt, er ist in einem autoritären, ja diktatorischen System gefangen, das ihn entmachtet sowie seiner Freiheit beraubt, dessen Sabotage er bei nächster Gelegenheit fortsetzen muss. Der irrige Glaube der Lehrer, didaktischer Wirkungen kontrollieren zu können, lässt die Lehrer völlig blind gegenüber seinen realen Resultaten werden (7). Der ganze disziplinäre Strafkatalog inklusive der schlechten Noten soll angeblich Schüler dazu bewegen, bessere Leistungen zu zeigen, obwohl wohl jeder weiß, dass nichts demotivierender ist als vor der Klasse als „faul“ dargestellt zu werden oder eine „Fünf“ in einem Fach zu erhalten. Der Lehrplan des Deutschunterrichts sieht beispielsweise vor, den Schülern die deutschen Klassiker zu vermitteln. Das kann gelingen, doch die meisten werden wissen, dass oft nur „gelernt“ wird, dass Klassiker - ja Bücher an sich - langweilig sind, was bedeutet, dass man im weiteren Leben einen großen Bogen um sie machen sollte (8).

Die Schulzeiten sind lang, bis zu zwölf Jahren muss die Schülerschar unter eingeschränkter Freiheit seine Zeit mit den Lehrern verbringen. Das verändert den Blick. Alles ist scheinbar Lernen oder dient dazu. Augenzwinkernd könnte man dies als eine Lernpsychose bezeichnen, die derjenige bekommt, der zuviel in der Schule sitzt. In einem Fernsehgespräch vor längerer Zeit sprach eine ältere Frau aus Israel mit einem deutschen Politiker. Der Politiker versicherte der Frau in Bezug auf den Holocaust, dass die Deutschen aus ihrer Geschichte gelernt hätten. Wütend wurde er von der Frau angefahren: „Unser Leid ist nicht dazu da, damit Sie was lernen!“ Die Frau hatte Recht: Wer aus allem eine Lernsituation macht, aus der er „Bildungsprofit“ zieht, vergisst, dass sich hinter Buchfakten reale Menschen verbergen.

Die oft artifizielle, weil institutionell herbeigeführte Hierarchie zwischen autoritärem Lehrer und dem ihm unterworfenen Schüler, die beständig aufrecht erhalten werden muss, lädt das Verhältnis zueinander mit spürbarer Gewalt auf. Auf den ersten Blick würde man dies für falsch halten, denn welche Gewaltdimension (9) sollte gemeint sein? Geht’s nicht recht friedlich in den Klassenzimmern zu? „Einen strafen – zehn erziehen“. In kaum einer Situation wurde allerdings historisch gesehen mehr Gewalt ausgeübt. Prügelstrafen bei Ungehorsam, Hintern versohlen, auf die Hände schlagen, Anschreien, Kreide werfen, am Arm packen usw. sind ja ständige Begleiter von gut gemeinten Lernintentionen gewesen (10). Das bestätigt selbst der Volksmund, da jemand, der einem anderen „eine Lektion“ erteilen will, diesen anderen in irgendeiner Form zu schädigen plant, wenn nicht körperlich, so doch seelisch.

Auch ohne diese körperlichen Attacken darf man die psychischen Misshandlungen (11) (bedrohen, beleidigen, bloßstellen, blamieren etc.) nicht unterschätzen. Strukturelle Gewalt greift ebenso die Freiheit an: Darunter versteht man all die Zwänge (still sitzen, pünktlich sein, Hausaufgaben machen) gegenüber denen der Schüler hilflos ist, insofern er sich ihnen im Schullalltag unterwerfen muss. 

Die Begründung für das Sammelsurium rohen Umgangs mit einem Menschen entspringt dem Rettungsgedanken, den der Pädagoge in seinem Herzen verspürt. Der Lehrer will dem Schüler eigentlich nur helfen, indem er ihn vor einer schlechten Note oder gar vor lebenslanger Unbildung bewahrt. Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr, wie es heißt. Dass Hans nichts mehr lernt, scheint speziell ein Problem von Hans zu sein, denn Erwachsene lernen normalerweise im Erwachsenenalter enorm dazu, von ‚die Steuererklärung ausfüllen’ bis zu fast allen Dingen, die sie in der Praxis des Arbeitslebens brauchen. Der Gedanke ‚durch Bildung den Menschen zu retten’ hat vermutlich eine christliche Wurzel, denn nur diejenigen, die lesen konnten, speziell Latein, waren fähig, Gottes Wort zu verstehen und standen damit einen Schritt näher an der Erlösung. Dies klingt heute noch in der allgemeinen Wertschätzung eines Menschen parallel zu seinem Schulabschluss nach. Der Schüler ist derjenige, welcher aus dem Sumpf der Unwissenheit, in dem er steckt, mit jedem erdenklichen Mittel gerettet, ja erlöst werden muss.

Verbunden mit dem Stigma menschlicher Verlorenheit, das ein Schüler trägt, bedeutet die klassische Bildungssituation eine tiefgreifende Veränderung der sozialen Stellung sowie der eigenen Wertigkeit. Die hierarchische Lernsituation stellt im Grund ein Relikt aus vergangener, undemokratischer Zeit dar, das es - von Kritik kaum behelligt - in die Moderne geschafft hat.

Die Persönlichkeitsrechte werden in der Lernsituation durch das Ziel, den individuellen Charakter des Einzelnen zum Typ „Schüler“ zu transformieren, stark eingeschränkt. Die Angleichung „realer Mensch“ und idealer Stanzform „Schüler“ wird angestrebt. Doch dies gelingt nur selten randlos. Was an lebendigem Menschen übrig geblieben ist, bekämpft der Lehrer. Plötzlich steht nicht mehr nur die Fähigkeit, die erlernt werden sollte, zur Kritik, sondern die ganze Person. Jemand, der „auszog“, um beispielsweise Chemie zu lernen, muss nicht selten über die charakterlichen Defizite seiner gesamten Persönlichkeit hören. Nicht einmal die Tatsache, dass verschiedene Schüler unterschiedliche Lerntypen haben können, wird berücksichtigt, da die Stanzform „Schüler“ sich als ein äußerst zweidimensionales Gebilde präsentiert. Daraus resultiert logisch stringent die Passivität des Schülers, denn alle Aktivität und Kreativität liegen auf der Seite des Lehrers. Der Schüler dagegen hört zu, sitzt still da, bewegt den Stift gelegentlich über sein Heft. Wer etwas sagen möchte, muss wie ein Knecht die Hand vor seinem Herren heben, um eine kurze Redezeit zu bekommen (12), in der eine ihm gestellte Frage beantworten darf. Damit erfüllt er die disziplinären Erwartungen eines Lehrers. Ob allerdings eine solche gewünschte Leblosigkeit das Lernen fördert, darf man bezweifeln. Selbst sprechen, selbst fragen, selbst denken und selbst tun werden dem Schüler nicht gewährt.

Kaum jemand nimmt wahr, dass Schüler, vor allem wenn ihnen noch etwas Jugend anhaftet, im Grunde nicht die Frage stellen „Was kann ich wissen?“; sondern „Wer bin ich?“. Die Antwort, die ihn als Schüler erwartet, lautet: „Du bist niemand“. Identitätsstiftung stellt einer der stärksten Motivatoren dar, sich in eine Lernsituation zu begeben. Stattdessen folgt der Entzug der Subjektivität, die in anderen Ländern anhand von Schuluniformen sichtbar gemacht wird, aber auch bei uns gleicht mancher Schulhof eher dem Innenhof eines Gefängnisses. Selbst von der Löschung von Subjektivität, wenn sie sich in Kunst ausdrückt, wird oft nicht Halt gemacht. Eric Clapton erzählte in einem Interview zu der Zeit, als er noch Gitarrist der Band „Cream“ war, dass er als Schüler seinem Musiklehrer eine Notenkomposition eines selbst geschriebenen Songs präsentieren musste, und dieser „falsche“ Melodien korrigierte.

Wer sich bilden geht, den erwartet, dass der Lehrer ihm vorgefertigtes Wissen mitteilt, und zwar in Form eines unbezweifelbaren Systems richtiger Sätze. Die Entfernung der Subjektivität aus der Lernsituation macht sie gewissermaßen „künstlich“, insofern einem Schüler nicht nur die Antworten erläutert werden, sondern auch die Fragen dazu. Welche Liebschaft Goethe beispielsweise hatte, als er ein bestimmtes Gedicht geschrieben hat, kann als Frage nur in der Lehrer-Schüler-Konstellation auftreten, während ein ungebundener Leser eher von einem Gefühl des Interesses ausgeht: „Was sagt das Gedicht mir?“

Wenn jemand eine Person fragen würde, wann und wie sie im Leben etwas Wichtiges gelernt hat, dann würde sie selten die Lehrer-Schüler-Lernsituation beschreiben, sondern eher eine „Erfahrung“, die sie gemacht hat. Ohne die Bindung an die eigene Person zeigt Lernen die Tiefe, die jemand hat, der ein Telefonbuch auswendig weiß. Lernen heißt dann dressiert werden. Diese mangelnde Relevanz des Lernstoffs soll oft mit Schulnoten wettgemacht werden. In einem System, wo gute Noten das Entscheidende sind, lernt der gute Schüler, wie er das System manipulieren muss, um solche zu erhalten, der schlechte nicht einmal das. Am Ende steht nicht echtes Wissen, sondern Zeugniszettel und Nachweispapierchen (13). Wenn man Wissenszuwachs nicht dadurch definieren würde, was ein Schüler am Prüfungstag ins „Kurzzeitgedächtnis“ gestopft hat, sondern nach einem Jahr in einem unangekündigten Test noch weiß (14), würde man das ungebrochene Vertrauen, das viele in dieses System haben, doch etwas schmälern müssen.

Wie sehen die Alternativen zum Lehrer-Schüler-Modell aus? Alternativen gibt es viele. Durch Reduzierung von Kontrolle und nicht nur der körperlichen, sondern auch der verbalen und strukturellen Gewalt, sowie durch die Aufwertung des subjektiven Lernens ließen sich sehr leicht Änderungen erzielen. Die klassische Pädagogik unterstellt, dass man nur als Kind etwas lernen kann, als Erwachsener jedoch nur sehr schwer. Zum einen dogmatisiert das eine äußerst unbewiesene These, die noch aus der Zeit der Romantik stammt, wo die Bedeutung der Kindheit aufgewertet wurde. Zum anderen übt sie einen gewaltigen Druck auf die Phase der Jugend aus, in die sämtliche Inhalte eines späteren Erwachsenendaseins gepresst werden sollen. Der Lernstoff – auch wenn er didaktisch noch so klug aufbereitet wird - ist deswegen nicht kind- und jugendgerecht. Erwachsene haben als Ergebnis oft kein Vertrauen in ihre Lernfähigkeiten, weil sie angeblich zu alt für etwas Neues seien.

Kritisiert wurde das klassische Lernmodell schon lange; am gründlichsten von Paulo Freire (15) und John Taylor Gatto (16), aber kritische Stimmen werden schlichtweg überhört. Wer auf die oft stark unterfinanzierten Alternativschulen (17)  verweist, mit der Hoffnung, dass die Unzufriedenen dahin gehen und das alte Modell ad calendas graecas fortbesteht, macht es sich zu leicht. Immer mehr räumen allerdings selbst konservative Pädagogen ein, dass zumindest das Schulsystem als Ganzes (wo dieses Modell ungebrochen praktiziert wird) nicht genügend erfolgreich ist. 15% der Schüler verlassen die Schule als Analphabeten (18), 8% verlässt die Schule ohne Abschluss (19), nur 13% der nicht-deutsch-stämmigen Schüler schaffen das Abitur (20) (aber 34% der „Deutschen“). Zudem bestimmt der soziale Hintergrund den Schulerfolg (21) (Akademikerkinder werden selbst mit erhöhter Wahrscheinlichkeit Akademiker, Arbeiterkinder schaffen „nur“ den Hauptschulabschluss). Letzteres sei, nach dem Internet-Portal „spiegel-online (22), eine gut untersuchte Tatsache, die darauf beruhe, dass die „Schulen in Deutschland nicht in der Lage sind  auszugleichen, was Kinder nicht von zu Hause aus mitbekommen, gleich ob deutsch oder nicht“. Dies ließ die Angst entstehen, durch mangelnde Bildung wirtschaftlich die Marktführer-Position zu verlieren. Aus diesem Grund haben zwischenzeitlich einige Pädagogen einen neuen Ansatz gewählt, welcher einen flexibleren „Menschentyp“ produzieren soll, der sich später besser in die sich ständig verändernden Anforderungen des Marktes einpasst, nämlich das so genannte „selbstgesteuerte Lernen“. Hierbei bleibt es dem Schüler selbst überlassen, wann er einen bestimmten Stoff, in welcher Reihenfolge und auf welchem Weg er eine Vorgabe lernt. Dabei wird dem Schüler eine gewisse Anzahl Stunden im Wochenplan eingeräumt, in denen er zusammen mit anderen oder allein lernt. Der Schüler soll teilweise oder ganz die Lehrerrolle übernehmen. Allerdings wird die eigenständige Stoffwahl unterbunden. Das Wegrücken des Lehrers für eine kurze Zeit aus den Augen des Schülers, lässt das Kontrollbedürfnis des Pädagogen nur noch steigen. Dies (23) drückt sich aus in Steuerung durch Aufgabenstellungen, sowie „Lerntagebüchern“ zur Überprüfung des Lernfortschritts, „Signalkarten“, auf die ein Schüler seine größten Fehler notiert, die dann mit dem Lehrkörper diskutiert werden können, Lernpartnerschaften, bei denen sich Schüler gegenseitig kritisch Feedback geben, exakte Arbeitsanweisungen, kontinuierliches Beobachten des Schülers, investigative Gespräche mit dem Lehrer, vor, nach und während des „selbstgesteuerten“ Lernens usw. Das „selbstgesteuerte Lernen“ schiebt Lehrer und Schüler zeitlich, oft auch räumlich auseinander, aber nur kurzfristig. Es bricht nicht mit dem alten Modell, stattdessen versucht es zu beweisen, dass das Sender-Empfänger-Modell über eine größere Distanz funktioniert.

Es bewirkt vor allem eins, nämlich dass die Kontrollmaßnahmen gegenüber dem Schüler deutlich erhöht werden. Der Idealfall dieser Methode erreicht, dass der Lehrer ganz unnötig wird, mit der Zielsetzung der Erschaffung eines „internalisierten Lehrers“, indem Lehrer und Schüler verschmelzen. In dieser Verjüngung ergrauter Strukturen sind Fremdkontrolle verbunden mit beinahe allen Nachteilen, die im alten Modell auftraten, immer noch zu finden (24).

„Selbstgesteuertes Lernen“ stellt trotz allem ein Fortschritt dar. Lernen lernen ist ein wichtiger Teil zum Autodidakten, einer Person die konsequent fähig ist, seine eigenen Bildungsinteressen durchzusetzen. Auffällig ist, dass bei Bildungsanstalten wie Universitäten, wo größere Wissensfortschritte erwartet werden, autodidaktische Strukturen eine größere Rolle spielen. Zu den Anfangszeiten des Computers fehlten staatliche Institutionen, an denen man Informatik lernen konnte - selbst heute ist noch viel Selbstlernen nötig – dies hat der Verbreitung des PCs nicht geschadet. Sport wird – außer ein paar Tipps von Trainern oder Kundigen – ohne Anleitung gelernt. Bei anderen Gebieten wie die Erziehung der eigenen Kinder würden sogar nur die wenigstens Eltern akzeptieren, durch einen Pädagogen bevormundet zu werden oder nur nach Abschluss einer staatlichen Prüfung, erziehungsberechtigt zu sein. Lehrerlos zu sein, scheint nicht in allen Fällen die Verbreitung von Wissen zu hemmen.

Fußnoten:
1.) http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-67036826.html
2.) Humboldt schreibt: „Der wahre Zweck der Menschen (…) ist die höchste und proportionierliche Bildung seiner Kräfte zu einem Ganzen. Zu dieser Bildung ist Freiheit die unerlässliche Bedingung.“ In: Wilhelm von Humboldt: Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen. S. 25. http://ia700407.us.archive.org/27/items/ideenzueinemvers00humbuoft/ideenzueinemvers00humbuoft.pdf
3.) Ursprünge der Bildungsidee werden gemeinhin bei dem Mystiker Meister Eckhart aus dem 13. Jahrhundert gesehen, der „Bildung“ als „imago dei“, das Abbilden Gottes in der Seele des Menschen und die Bildung des Menschen nach Gott, verstand.  
4.) Es wird immer wieder in der Literatur kritisch angemerkt, dass Bildung und der Ausgebildete „Warencharakter“ (S.7) annehmen. Vgl: Ulrich Klemm: Bildungsreform ist immer Gesellschaftsreform.. espero 70 (2011). Henry Giroux spricht bezüglich der Bildungsinhalte von „culture of positivism“, und meint damit, dass die Billdungsinhalte von den Erfordernissen einer technisierten Welt bestimmt werden, Fakten unkritisch geschichtslos dargeboten werden und das Bewusstsein von sozialer Konstruktion von „Wahrheit“ gänzlich fehlt. Henry Giroux: Schooling and the culture of positivism. In: Educational Theory 4 (1979).  S. 37f.
5.) Einen guten Überblick über die Geschichte des Bildungsbegriffs gibt: Martin Textor: Bildung. Kindergartenpädagogik. Online Handbuch. http://www.kindergartenpaedagogik.de/127.html
6.) Nicht umsonst wird das Ergebnis in dem Buch von Stefan Bonner als „Generation doof“ verspottet.
7.) Man könnte unken, dass das einzige, was ein Schüler aus dem Lehrer-Schüler-Modell lernt, ist, dass Lernen unweigerlich an dieses Modell geknüpft ist. Meistens lernt er zusätzlich noch, dass Lernen keinen Spaß macht.
8.) Ähnlich beschreibt das unter dem Pseudonym erschienen Buch „Lexikon des schulischen Elends“. Hamburg 2007. S. 136f.
9.) Vgl.: Philipp Rackwitz: Gewalt von Lehrern gegenüber Schülern. http://www.lernen-ohne-angst.de/index-Dateien/Lehrergewalt_Forschung_Ueberblick_rphr_070629-2.pdf
10.) In den Medien dagegen werden Schüler als Täter dargestellt. Die Gewalt bei Jugendlichen steige angeblich, was sich allerdings mit der Realität nicht vereinen lässt. (Vgl.: Rackwitz). Gerade die psychische Gewalt in Form von verbalen Übergriffen, (wie jemanden  beschimpfen oder vor allen lächerlich zu machen), werden zu wenig als Gewaltform akzeptiert. Gianna Stift fordert eine Enttabuisierung dieses Themas. Vgl.: http://www.lernen-ohne-angst.de/index-Dateien/bachelorarbeit_-_enttabuisierung_von_lehrergewalt.pdf
11.) Immerhin 77% der Schüler geben an Kränkungen und Mobbing durch den Lehrer erleiden zu müssen. Vgl: http://www.stern.de/panorama/schlaege-beleidigungen-mobbing-tabuthema-lehrergewalt-616481.html
12.) Der griechische Philosoph Pythagoras, von dem im antiken Griechenland als erstes etwas bekannt ist, wie in dessen Philosophenschule unterrichtet wurde, führte eine Institution, in der jeder Schüler die ersten fünf Jahre nicht sprechen durfte, sondern lediglich den Meistern zuhören musste.
13.) Erstaunlich ehrlich und nicht wenig zynisch erläutern Pädagogen, dass Prüfungen „Auswirkungen auf die Vergabe von Zukunftschancen“ habe. Die „Vergabe von Zukunftschancen“ war früher Gott, der Göttin Fortuna oder dem Schicksal überlassen, zwischenzeitlich üben Oberstudienräte und ihr Kollegen diese Tätigkeit aus. Zitiert aus: Michael Glasperl: Ein Einblick in das Lernen. S. 23.  http://m.gasperl.at/downloads/lernen.pdf
14.) Dies Verfahren ist bei anderen Tests üblich und nennt sich in der Wissenschaft die „Reliabilität“ eines Tests.
15.) Vgl: Paulo Freire: Pädagogik der Autonomie. Berlin 2008.
16.) John Taylor Gatto: The underground history of education. Oxford 2001.
17.) Eine Liste findet sich hier: www.freie-alternativschulen.de
18.) http://www.alphabetisierung.de/infos/faq.html
19.) http://www.ard.de/zukunft/kinder-sind-zukunft/kinder-wollen-lernen/schule-ohne-abschluss/-/id=520618/nid=520618/did=553692/csi64b/index.html
20.) www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,800959,00.html
21.) Das demokratische Prinzip der Chancengleichheit ist nicht gewahrt.
22.) ebd.
23.) Die genauen Methoden lassen sich beispielsweise nachlesen bei Dagmar Kilius: Lernen für den ganzen Tag.  http://www.ganztag-blk.de/cms/upload/pdf/brandenburg/Killus_Selbstgesteuertes_Lernen.pdf
24.) Einen wirklich anderen und vorbildlichen Schulansatz verfolgt beispielsweise die Nova Schule in Seattle. http://novaprojectptsa.wordpress.com/

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