Schwarzer Block und aggressives Geplärre. Die radikale Linke und ihr abschreckendes Auftreten

Zugegeben, es ist nicht jedermenschs ästhetisches Verständnis, das durch das typische Auftreten linksradikaler Demonstrationen angesprochen wird. Eine solch typische, von radikal Linken organisierte Demonstration in Nürnberg sieht folgendermaßen aus: Vorne ein schickes Fronttranparent mit dem Motto des Tages, dahinter ein bis zwei Dutzend Reihen meist dunkel gekleideter Männer und Frauen, seitlich flankiert von weiteren, im besten Falle zum Thema der Demo passenden Transparenten. Dahinter fährt dann meist ein Lautsprecherfahrzeug, von dem informative Durchsagen in lakonischem oder aggressiven Ton erschallen und auch ab und an mal Musik. Dahinter widerum laufen alle, die nicht in den vorderen Reihen laufen. Vorne, das ist „der Block“, hinten, das ist „der Rest“. Entgegen den Illusionen mancher Dauerquerulanten ist jedoch zumindest in Nürnberg „der Rest“ selten mehr Leute als „der Block“. Nur bei etwas größeren Demonstrationen, wie zum Beispiel der revolutionären 1. Mai-Demonstration, ist das Verhältnis anders. „Der Block“ ist meistens am lautesten. Aus ihm heraus werden am häufigsten Sprechchöre gerufen. Neben ihm laufen oft auch Reihen gepanzerter Spezialpolizisten. „Der Rest“ ist an manchen Stellen laut, meist unterhält man sich aber eher mit anderen Leuten, als laut zu rufen. Das kommt aber natürlich immer auf die konkrete Situation an, in der sich die Demo gerade befindet. Kurz gesagt: Wer in den letzten zehn Jahren in Nürnberg an Demonstrationen die von und mit radikalen Linken organisisiert wurden teilgenommen hat, weiß in etwa auf was man sich einstellen muss. In diesem Artikel geht es im Allgemeinen um die Ausdrucksformen radikal linker Politik auf Demonstrationen, in erster Linie aber um die wohl am stärksten das radikal linke Image prägende Aktionsform: den Block.

Der Schwarze Block

Der sogenannte „schwarze Block“ ist eine Aktionsform der radikalen Linken, die wohl Anfang der 80er Jahre entstand und in den 90ern seine Blüte hatte. Die meist in Gruppen organisierten TeilnehmerInnen dieser Aktionsform kleiden sich schwarz oder zumindest dunkel. Sie versuchen eine Masse zu bilden, die es erschwert, Einzelne herauszufiltern. Das ist sowohl generell Schutz gegen Repression, als auch werden damit militante Aktionen und das darauf folgende „Untertauchen“ ermöglicht. Der schwarze Block ist aber auch als ein inhaltlicher Ausdruck zu lesen: Das gleichartige anonyme Auftreten zeigt Kollektivität und Einigkeit und negiert den bürgerlichen Charakter der Individualität. Mit einer Uniformierung sollte das aber nicht verwechselt werden. Im Gegensatz zu Polizei und Militär, deren Hierarchien und Uniformierung, ist jedes Individuum im schwarzen Block gleich wichtig. Es gibt keine Ränge und keine Befehle sondern nur Arbeitsteilung. Hohe Verantwortung jeder und jedes Einzelnen ist Voraussetzung dafür, dass der Block auch als Aktionsform funktioniert. Mensch muss die neben sich gut kennen, im schwarzen Block um auf schwierige Situationen eingehen zu können. Im Idealfall agiert der Block verantwortungsvoll mit Rücksicht auf seine TeilnehmerInnen. Es werden keine Leute „verheizt“ und es wird sich im Notfall auch kollektiv zurück gezogen. Teil des Konzepts schwarzer Block kann auch der fließende Übergang sein: Es können spontane Blöcke entstehen, die sich genauso spontan wieder auflösen können. Das ist alles eine Frage des Organisationsgrades und der Planung, der Erfahrung und der Eingespieltheit der TeilnehmerInnen.

Im schwarzen Block kann daher auch nicht jeder und jede mitlaufen. Die Reihen sind oft fest ausgemacht und dass man sich gegenseitig kennt ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass der Block auch das tut, was die, die ihn bilden damit aussagen wollen. Sich gegenseitig kennen heißt, dass es für Spitzel und Provokateure schwieriger wird uns auszuforschen oder die Dynamik einer Demonstration in eine bestimmte Richtung zu lenken. Ein 100 prozentiger Schutz davor ist der schwarze Block natürlich nicht, selbst wenn alle sich kennen. Die oft seitlich mitgeführten Transparente bieten auch einen gewissen Schutz vor ungewolltem Fotografieren und wenn sie ein bisschen verstärkt sind, z.B. durch Seile, auch vor dem Eindringen übereifriger Prügelbullen. Dass dahinter auch ungesehen nette Aktionen vorbereitet werden können, z.B. ein Farbbeutelwurf auf irgendein politisch lohnendes Ziel, beschreiben Ordnungsamt und Polizei immer wieder, wenn sie Seitentransparente per Auflage verbieten wollen.

Selbstverständlich gibt es aber auch Kritik an dieser wunderbaren Aktionsform. Eine oft geäußerte Kritik ist, das Auftreten des schwarzen Blocks sei mackerhaft und aggressiv, das verschrecke Menschen, potenzielle Demo-TeilnehmerInnen und PassantInnen. Kritik am mackerhaften Auftreten von Genossen ist selbstverständlich immer angebracht so auch in einem Block. Falsch wird es jedoch wenn die Ursache hierfür in der Aktionsform schwarzer Block an sich gesucht wird. Es kommt beim schwarzen Block nicht darauf an, individuell herumzumackern und eine große Klappe zu haben. Der schwarze Block entfaltet seine Macht im kollektiven, kämpferischen, politischen Handeln. Bedrohlich auf seine GegnerInnen wirkt auch die praktizierte Solidarität. Ähnliches gilt für die Behauptung, die schwarze Kleidung und die (Teil-)Vermummung würden abschreckend wirken. Auch unvermummte, bunt gekleidete Menschen, die radikal Linke Inhalte verbreiten dürfen sich jedoch der Abscheu ihrer GegnerInnen sicher sein. Für die meisten Bürgerseelen, die sich nichts mehr wünschen als eine ruhige Heimatfront, ist nämlich kämpferisches Auftreten gleich bedeutend mit bedrohlich und aggressiv.

Böse DemonstrantInnen, gute DemonstrantInnen

Über das allgemeine Gejammere über die böse, böse Aggressivität, die der schwarze Block angeblich vermittelt und die im übrigen schon als Begründung für das mittlerweile höchstrichterlich weitgehend gekippte bayerische „Militanzverbot“ herhalten musste hinaus, gibt es aber auch echte Schwächen des schwarzen Block-Konzeptes. In der Öffentlichkeit werden, auch wenn sich die Presse oft nicht entscheiden kann, ob sie Autonome lächerlich oder bedrohlich finden muß, schwarze Blöcke als Ausdruck gewaltgeiler autonomer Chaoten dargestellt. Alles beherrschend ist, politisch gewollt, die Gewaltfrage immer Punkt, an dem gute und böse DemonstrantInnen definiert werden. Im schwarzen Block sind dabei – aufgrund der medialen Verknüpfung des Blockkonzeptes mit Gewalt – immer „die Bösen“. Während ein gut augestellter schwarzer Block zwar nicht so leicht zerstreut werden kann, wie ein unorganisierter Demo-Teil, ist er doch leicht auszumachen und kann, wenn er klein ist, leicht komplett von Polizei umstellt werden. Meist geschieht das auch von Anfang an, in Form eines Polizeispaliers. Wenn man mehr vor hat, als auf der Demoroute, aus dem Block heraus niederschwellig zu agieren, ist man damit erst mal festgesetzt. Ursprünglich als kollektive Strategie gegen die Ohnmacht, die staatliche Repression erzeugt, entwickelt, ist heute der schwarze Block das Hauptziel für die Polizei-Einsatzleiter. Der individuelle Schläger-Bulle jedoch, sucht sich oft lieber leichtere Ziele. Meist kriegt mensch eher was ab, wenn mensch nicht im Block läuft.

Die Form ist der Inhalt, oder?

Für jede politische Bewegung ist es überlebensnotwendig, Ausdrucksformen zu finden, mit denen sie ihren Inhalten Formen verleihen und darüber, auch auf ästhetischer Ebene, für sich werben kann. Ausdrücke politischer Inhalte sind zunächst mal Symbole und Handlungen, denen eine bestimmte Bedeutung durch ihre Verwendung im jeweiligen Kontext gegeben wird. Oder als Beispiel: Eine rote Fahne hat erstmal keine „natürlich“ gegebene Bedeutung. Sie wird aber meist als Symbol der Arbeiterbewegung und der aus ihr entstandenen revolutionären Bewegungen verstanden. Das kommt daher, dass die rote Fahne über eine lange Zeit als Symbol mit dieser Bedeutung verbunden wurde. Von frühen Aufständen, über die französische Revolution bis zur Gründung der Sowjet Union etablierte sich die Rote Fahne als Symbol allgemein von sozialistischer und kommunistischer Bewegungen. Der schwarze Block hat sich, vor allem als Zeichen der autonomen Bewegung und der Antifa-Bewegung etabliert. Die meisten mobilisierungsfähigen revolutionären Organisationen und Gruppen werden in der BRD ebenso mit ihm in Verbindung gebracht. Dass die Medien einen schwarz gekleideten Nazimob (Stichwort: „Autonome Nationalisten“) nicht vom schwarzen Block unterscheiden können, hat weniger mit tatsächlicher Austauschbarkeit der Akteure zu tun, sondern mit der Ideologie der Extremismustheorie und dem Verwechseln von Form und Inhalt. Den gleichen Fehler machen aber auch einige linke KritikerInnen des schwarzen Blocks. Sie unterschätzen den Wiedererkennungswert und die Attraktivität organisierten Auftretens und überschätzen die angeblich abschreckende Wirkung, die hauptsächlich von den GegnerInnen kollektivistischer Politik geäußert wird und arbeiten sich an Details ab, die mit dem Blockkonzept nur sekundär zu tun haben. Auf der Suche nach besseren Konzepten wird viel zu schnell ein Konzept das ja gerade den TeilnehmerInnen mehr Sicherheit geben soll, gegen wesentlich undurchdachtere Konzepte ausgetauscht. Dabei ist die Auseinandersetzung um Ausdrucksformen linksradikaler Politik eine wichtige Auseinandersetzung die aber leider meist kurzfristig im Vorfeld von Demonstrationen schlecht vorbereitet geführt wird.

Eine Frage von Strategie und Taktik

Die Illusion, bestimmte Menschen, die uns in der Stadt anschreien „Warum vermummt ihr Euch!“ durch ein anderes Auftreten gewinnen zu können, ist weit verbreitet. Dabei wäre es viel sinnvoller, zu erklären, warum man sich vermummt. Es wäre sinnvoll zu erklären, warum die bürgerliche Presse und der Staat uns hasst und warum dieser Hass wechselseitig bedingt ist. Es ist kein Spiel, wenn die Bullen auf uns einprügeln und es ist auch kein Spiel, wenn militante Politik gestaltet wird. Darum müssen wir uns entscheiden, wie unsere Politik aussehen soll und wen wir damit gewinnen wollen. Militärisch gibt es übrigens nichts zu gewinnen. Selbst wenn sich die Bullen mal zurückziehen müssen, ist nicht der Rückzug das entscheidende, sondern welche Wirkung dieses rare Ereignis politisch, gesellschaftlich und auf alle einzelnen Beteiligten hat. Verteidigung gegen Übergriffe des Staates ist natürlich legitim und wir brauchen dazu Strukturen. Das gleiche gilt für den antifaschistischen Kampf. Diese Strukturen müssen uns Stärke und Handlungsfreiheit geben, unsere Ziele zu erreichen und faschistische Strukturen und Ideologie zurückzudrängen. In Bezug auf Demonstrationen könnte ein schwarzer Block an der Spitze einer Bündnis-Demo zum Beispiel das Ziel haben, durchsetzungsfähig zu sein. Er könnte aber auch gleichzeitig das Ziel verfolgen, dass linksradikale Inhalte und Positionen wahrnehmbar sind und nicht untergehen.

Am wichtigsten für die radikale Linke ist es jedoch sich immer konkret für die aktuelle Situation Gedanken darüber zu machen, was erreicht werden soll und wie. Es braucht Ziele und Methoden, mit denen mensch einschätzen kann, ob die Ziele erfüllt wurden. Bei Demonstrationen heißt das konkret, mensch muss diskutieren, welchen Ausdruck sie haben sollen und was damit erreicht werden soll. Dabei heißt es flexibel zu sein und je nach Situation auch mal die Taktik wechseln zu können. Das funktioniert dann, wenn es klare Entscheidungsstrukturen gibt und die Ziele der Demonstration bei den organisierten Teilnehmenden verkollektiviert sind.

Je kreativer, desto mehr muss geplant werden

So etwas wie ein schwarzer Block formiert sich meist da, wo die linke Szene ist, automatisch. Ohne Planung aber eher als Karikatur des eigentlichen Blockkonzeptes. Wie von unsichtbaren Kräften manipuliert, gehen die dunkel gekleideten Menschen zusammen. Sie umgeben sich mit Transparenten und erzeugen damit so etwas wie eine laufende Wäscheleine. Zwischen den Transparenten läuft dann vielleicht auch eine Handvoll Menschen. Einen guten Block, der seine Ziele (Schutz, Entschlossenheit, Wahrnehmbarkeit) erfüllen soll, muss vorbereitet sein und die Teilnehmenden müssen informiert und willens sein, diese Ziele zu erfüllen. Das gilt natürlich umso mehr für alle anderen Aktionsformen, die noch nicht so tradiert sind wie der schwarze Block. Hier ist, wenn es einen ganzen Block, eine ganze Demo betreffen soll, erforderlich, dass das Konzept den Akteuren bekannt ist und verstanden wurde. Das erfordert eine ausführliche Diskussion im Vorfeld und eine sorgfältige Planung. Mit Abstimmungen provoziert man bei so etwas eher die Abstimmung mit den Füßen bei der Aktion. Überzeugung ist gefragt, gerade wenn man von tradierten, aber überholten Ausdrücken weg möchte. Wer nicht überzeugen kann, der muss wohl aushalten, dass das tradierte sich durchsetzt.

Eine Warnung zum Schluss

Vor Aktionsformen, deren Ausdruck uns ununterscheidbar vom zahmen bürgerlichen Protest macht, der lediglich darauf setzt dass die Medien ihn interessant und die Politik ihn bedeutend genug finden, sollte die radikale Linke sich hüten. Auch große Themen, wie z.B. Proteste gegen Atomenergie haben gezeigt, dass die Aktionen, die keinem weh tun zwar viel Applaus von den Bürgerseelen bekommen, aber deren Wirkung gleich Null ist. Dynamik brachten dagegen Auseinandersetzungen, Massen-Blockaden von Straße und Schienen. Sie provozieren auch die Staatsmacht, die ihr demokratisch-rechtsstaatliches Verständnis dann meist mit zügellosen Gewaltorgien unterstreicht. Ganz anders die „netten“ Aktionen. Sie haben in Agitation und Propaganda ihre Berechtigung. Doch nette Aktionen, die jeder beklatscht werden allein keinen Nazi-Treff schließen und schon gar keine Revolution auf die Tagesordnung setzen, die Ausbeutung und Unterdrückung beendet.

Erschienen in barricada – Zeitung für autonome Politik und Kultur, Dezember 2012

Originaltext: http://www.redside.tk/cms/barricada/schwarzer-block-und-aggressives-geplarre/