Eine Geschichte aus dem Leben

Ihr habt zusammen auf deinem Bett gelegen, euch stundenlang unterhalten. Über alles mögliche, worüber man so redet. Da habt ihr auf einmal angefangen, euch ganz sanft zu streicheln. Ohne einen Ton zu sagen. Ihr konntet nicht anders, ihr mußtet es einfach tun. Und es hat euch beide glücklich gemacht. Nachher ward ihr total erschöpft und seid sofort eingeschlafen. Du bist fast ausgetickt vor Glück. So hattest du dich noch nie gefühlt...Als du diesen Traum das erste Mal hattest, dachtest du dir nichts weiter dabei. Aber er kam wieder, fast jede Nacht. „Das geht schon wieder vorbei”, hast du gehofft. Aber es ging nicht vorbei. Auch dann nicht als du deine erste Freundin hattest. Im Gegenteil! Du hast dich in Jungs verliebt, hast dauernd an sie denken müssen. Sicher, du findest auch Mädchen nett. Aber nur bei Jungs bekommst du das gewisse Kribbeln im Bauch. Du kannst nichts dagegen tun. Und willst nicht mehr länger warten. Du willst, das deine Träume endlich wahr werden. Am liebsten würdest du es noch heute ausprobieren. Doch da sind diese Ängste: „Wird er mich überhaupt verstehen oder mich einfach nur auslachen? Was werden meine Eltern sagen? Mit wem kann ich darüber sprechen? Und was ist mit Aids?” Viele Fragen auf einmal. Oft weißt du nicht, mehr wo dir der Kopf steht, weißt nicht, ob du lachen oder weinen sollst. Kein Wunder. So wie dir geht es vielen Jungs und Männern. Du wirst sie Kennenlernen, denn es gibt sie überall: in der Schule, an der Uni, im Sportverein, in deiner Gruppe, in der Kneipe ...

... und Romeo liebt Julia?

In der Schule hörst du es immer wieder: Schwule Säue, Schwuchtel ... Dein Vater verzieht abends beim Fernsehen das Gesicht, wenn sich zwei Männer lieben und dein Opa schaut angewidert weg - damals gab’s das nicht! Deine Tante erzählt deiner Mutter, daß der Sohn der Nachbarin schwul ist, und daß ihr die Eltern jetzt leid tun, aber eigentlich hat sie ja nix gegen Schwule. Dein Cousin ist da toleranter, der hat nix gegen Schwule, bloß anmachen soll’n sie ihn nicht. Der Aufklärungsunterricht in der Schule ist ausgewogen: „Und dann gibt’s da noch die Schwulen und Lesben, aber das interessiert euch bestimmt nicht“ und schon liebt Romeo wieder Julia. Die Werbung sagt dir, daß du nur in der Kleinfamilie glücklich sein kannst und auch sonst ist irgendwie nix okay. Du hoffst daß das wieder vorübergeht - schon drei Jahre. Eigentlich geht’s dir hier schon recht gut, naja, wenigstes besser als im Iran, wo es für Homosexuelle die Todesstrafe gibt oder in Rumänien, wo Lesben in den Knast wandern. Oft bist du verzweifelt und verliebt, traust dich aber nicht es ihm zu sagen. Mittlerweile wissen es deine Mutter und ein paar Freunde. Irgendwann hast du deinen ersten Freund und du kannst dein Glück kaum fassen und dennoch ist immer irgendwas zwischen euch, irgendwie ist es nicht so entspannt wie bei deiner Schwester und ihrem Freund. Ihr trefft Absprachen, wie du dich am Telefon zu verhalten hast, wann du seine Hand oder ihn in den Arm nehmen darfst und wann der Begrüßungskuß okay ist. In deinem Kopf kreisen immer wieder die gleichen Gedanken, bloß nicht auffallen, nur nicht zu erkennen geben, lieber nix sagen. Ob du offen Position für Schwule und Lesben beziehst, mußt du selber wissen, sicher ist nur, allein machen sie dich ein! Diskriminierung können wir gemeinsam entgegentreten. Damit auch du mit deinem Freund Arm in Arm durch die Stadt gehen kannst, ohne angeglotzt zu werden wie ein Außerirdischer.

Verfolgung wegen Homosexualität muß als Asylgrund anerkannt werden!
Gleichstellung aller gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften!


Aus: Basta! Linke Jugendzeitung Nr. 3

Originaltext: www.nadir.org/nadir/periodika/basta/nr3/story.html