Ulrich Linse - Die "Schwarzen Scharen": Eine antifaschistische Kampf Organisation deutscher Anarchisten

1. Die Lage des deutschen Anarcho-Syndikalismus während der Weltwirtschaftskrise

Die "Freie Arbeiter-Union Deutschlands" (FAUD), die Organisation der deutschen Anarcho-Syndikalisten, erreichte ihren Höhepunkt in den politischen und wirtschaftlichen Kämpfen nach dem Ersten Weltkrieg und der Novemberrevolution von 1918: Ende 1921 besaß sie etwa 150.000 Mitglieder und spielte in der Generalstreikbewegung jener Jahre im Bergbau und in der Schwerindustrie in vielen Orten Rheinland-Westfalens eine führende Rolle. [1] Ebenso schnell, wie ihr in der revolutionären Situation nach Kriegsende die Mitglieder, vor allem junge Genossen, zugelaufen waren - Rocker spricht von einer Verzehnfachung allein in den paar Monaten zwischen dem Waffenstillstand und der Jahresmitte 1919 [2] - fielen diese mit dem Abflauen der revolutionären Situation wieder ab. So wurde seit 1923 aus der revolutionären Massenbewegung "eine - allerdings außerordentlich rührige - politische Sekte". [3]

Zwischen 1930 und 1933, in den Jahren der Weltwirtschaftskrise und der Präsidialkabinette, schmolz die Mitgliederzahl nochmals drastisch von anfänglich fast 10.000 auf 4.000 im Jahre 1931 und knapp 3.000 ein Jahr später. [4] Rudolf Rocker charakterisierte in einem Brief an Max Nettlau die hoffnungslose Lage der FAUD im Jahre 1932 mit den Worten: "Wenn man bedenkt, daß hier in Deutschland dreiviertel der gesamten Bewegung gänzlich arbeitslos sind und unter den schwersten physischen und seelischen Depressionen zu leiden hat, so ist es geradezu ein Wunder, daß noch eine Wochenzeitung ("Der Syndikalist", 1933 als Fortsetzung "Arbeiter-Echo"), eine Monatsrevue ("Die Internationale"; sie erschien ebenfalls im Verlag 'Der Syndikalist') und andere Dinge erscheinen können, dazu noch große Versammlungen in allen Teilen des Landes abgehalten werden" [5] Bemerkenswert erscheint es im Rückblick auch, daß die Anarcho-Syndikalisten in diesen Jahren der Arbeitslosigkeit die Kraft zum Aufbau einer Buchgemeinschaft ("Gilde freiheitlicher Bücherfreunde", 1929 - 1933) mit Monats-Zeitschrift ("Besinnung und Aufbruch", 1929 - 1933) fanden. Sie dokumentierten damit, daß sie sich nicht nur als wirtschaftliche Kampfgemeinschaft, sondern auch als "Kulturbewegung" verstanden und es ihnen deshalb in diesen Jahren der materiellen Not auch um das "geistige Brot" ging. [6]

Die FAUD beurteilte frühzeitig den Nationalsozialismus als eine Hauptgefahr für den Frieden und das Wohlergehen der Arbeiterschaft. Ihre Analyse des Faschismus war aber sehr einseitig; sie sah in ihm "lediglich eine auf die Spitze getriebene Form des politischen Terrorismus, wie er in graduellen Abstufungen jeder Form der staatlichen Herrschaft eigentümlich und dessen totalitäre Ausprägung sogar von der etatistisch ausgerichteten Arbeiterbewegung begünstigt worden sei." [7]

Insbesondere die Jugendorganisation der FAUD, die "Syndikalistisch-anarchistische Jugend Deutschlands" (SAJD) [8] mit ihrer Zeitschrift "Junge Anarchisten" (1923 - 1931), engagierte sich aktiv im Kampf gegen den Autoritarismus der Präsidialkabinette und den heraufziehenden Faschismus und forderte die jungproletarische Einheitsfront gegen die braune Gefahr. So verabschiedete ihr 8. Reichskongreß in Erfurt im Dezember 1930 Resolutionen gegen den Faschismus (Aufforderung zur Organisation des Widerstandes "gegen Kapitalismus, Faschismus und Staatstyrannei") und die drohende Arbeitsdienstpflicht ("Es lebe die Einheitsfront des Jungproletariats gegen Krieg, Militarismus und staatliche Zwangsarbeit!") [9] Die in der SAJD organisierten Lehrlinge und Jungarbeiter forderten eine Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit nicht durch Arbeitsdienstverpflichtung, sondern durch Arbeitszeitverkürzung (6-Stundentag!). Aktivisten der SAJD wie Gustav Doster aus Darmstadt gingen noch weiter und forderten die "direkte Aktion", also die revolutionäre Selbsthilfe der Erwerbslosen: [10] Er verteilte im September 1929 vor dem Darmstädter Arbeitsamt ein Flugblatt, in dem es u.a. hieß: "Soll dieser Raub hinfällig werden, so heißt es für die Erwerbslosen unverzüglich den außerparlamentarischen Kampf aufnehmen, sich frei machen von dem Geschwätz der Partei-und Gewerkschaftspfaffen jeder Schattierung, sich frei machen von parlamentarischen Bittgängen, Aufnahme der anarcho-syndikalistischen Kampfparolen der direkten Aktion gesteigert bis zum sozialen Generalstreik, schließt euch in Trupps zusammen. Stadt und Staat haben landwirtschaftliche Güter, beschlagnahmt und enteignet die dort lagernden Vorräte und bringt sie unter den Erwerbslosen der betreffenden Orte durch die zu schaffenden Erwerbslosen-Räte zur Verteilung. Aufnahme der direkten Aktion auf der ganzen Front, Zusammenschluß der Erwerbslosen mit den Betriebsarbeitern, Besetzung und Enteignung der Betriebe und der großen Güter und die Durchführung der anarchosyndikalistischen Prinzipien bedeuten Brot für alle." Die Anklageschrift des Staatsanwalts bemerkt dazu, Doster habe damit zur Begehung einer strafbaren Handlung "ohne Erfolg" aufgefordert.

Es fehlte in der FAUD und SAJD nicht an Selbstkritik angesichts der Wirkungslosigkeit und des eigenen organisatorischen Niedergangs im Vergleich zu dem erfolgreichen Aufstieg der NSDAP in den Jahren der Weltwirtschaftskrise. Die interessanteste Reaktion auf diese Einsicht war die Gründung der "Schwarzen Scharen".

2. Die Gründung der "Schwarzen Scharen" in Oberschlesien

Die "Schwarzen Scharen" nahmen ihren Ausgang nicht von den Zentren des deutschen Anarcho-Syndikalismus an Rhein und Ruhr oder an der Spree, sondern von der organisationsmäßig eher unbedeutenden preußischen Provinz Oberschlesien: "Vor einiger Zeit", so rühmt ein Berliner Flugblatt 1930, "wurde in Ober-Schlesien von FAUD-Genossen eine 'Antifaschistische Vereinigung' gegründet. Diese Organisation, die sich 'Schwarze Schar' nennt, hat es verstanden, in kurzer Zeit einen weit größeren Kreis aktiver Arbeiter zu erfassen, als wie es der dortigen FAUD möglich war."

Die Ursache für Entstehung und Erfolg der "Schwarzen Scharen" gerade in Oberschlesien scheint auf der Hand zu liegen: Die praktische Anwendung des Prinzips der nationalen Selbstbestimmung war hier nach dem Ersten Weltkrieg besonders umstritten gewesen; polnische Freischaren hatten nach der Volksabstimmung und dem Teilungsbeschluß der Alliierten 1921 versucht, ein fait accompli zu schaffen; sie wurden schließlich durch Selbstschutzverbände der ansässigen deutschen Bevölkerung und Freikorps aus dem übrigen Reich zurückgeschlagen (Höhepunkt: Erstürmung des Annabergs). Nationale Selbstbehauptung und antipolnischer Volkstumskampf hatten in Oberschlesien den militärischen Selbstschutz legitimiert; die Anarcho-Syndikalisten übernahmen 1929 dieses Prinzip des Selbstschutzes von der nationalen Rechten, nachdem auch andere Parteien im Reich zur Bildung paramilitärischer Verbände übergegangen waren. Ausgangspunkt der "Schwarzen Scharen" war Ratibor: [11] "Der Mittelpunkt der anarcho-syndikalistischen Bewegung in der Provinz Oberschlesien ist Ratibor. Dort wohnt auch ihr geistiger Führer Pilarski". Alfons Pilarski, geboren am 6. Juli 1902 in Leschnitz, Kreis Groß-Strehlitz, war Schriftleiter der "Freiheit" [12] und stand mit führenden deutschen Anarcho-Syndikalisten wie Augustin Souchy und Reinhold Busch, dem Reichsleiter der FAUD, in Briefkontakt. [13] Die Ortsgruppe Ratibor der FAUD trat erst 1928 in Erscheinung und hatte 1930 etwa 45 Mitglieder. Im Oktober 1929 gründete sie eine "Schwarze Schar". Ihr Führer war zunächst ein Theodor Bennek aus Ratibor, zuerst Schriftleiter der "Freiheit" und darauf der "Ostdeutschen Rundschau", [14] dann der mit ihm nicht verwandte Georg Bennek, geboren am 14. August 1895 in Ratibor, der Schriftführer der dortigen Ortsgruppe der FAUD. Als weitere Funktionäre hatte die Ratiborer "Schwarze Schar" einen Verantwortlichen für den Zeitungsvertrieb (Konrad Saballa, geboren am 13. Februar 1901 in Ratibor), einen Schriftführer (Theodor Siegmund, geboren am 25. Februar 1889 in Ratibor) und einen Kassierer (Emanuel Leibnitz, geboren am 1. Januar 1893 in Meinberg in Sachsen). Das Alter dieser leitenden Personen lag über 30 Jahren, so daß zumindest in Ratibor die "Schwarze Schar" keine ausgesprochene Organisation des Jungproletariats war. Im Herbst 1930 zählte sie etwa 40 Mitglieder.

Es ist anzunehmen, daß von ihr auch die Gründung weiterer "Schwarzer Scharen" in Oberschlesien ausging. Am 16. November 1929 wurde eine solche in Beuthen ins Leben gerufen; im August 1930 besaß sie etwa 45 Mitglieder. Am gleichen Tag - ein zusätzlicher Beleg für eine zentrale Initiative Ratibors - entstand auch in Rosenberg eine "Schwarze Schar"; sie zählte im August 1930 12 Mitglieder. 1930 oder später gab es "Schwarze Scharen" auch noch in Katscher, Gleiwitz und Bobrek-Karf.

Leider hat sich bisher keine programmatische Äußerung der ersten "Schwarzen Scharen" gefunden. [15] Aus den Polizeiberichten sind aber einige Charakteristika der neuen, neben und außerhalb der FAUD geschaffenen oberschlesischen Formationen zu erkennen:

(1) Sie sind uniformiert, übernehmen also bewußt die paramilitärische Erscheinungsform bestehender rechts- und linksradikaler Kampfverbände: "Die Mitglieder der 'Schwarzen Schar' sind einheitlich gekleidet. Zu ihrer Uniform gehören schwarze Bluse, schwarze Baskenmütze, Koppel und Schulterriemen. Das anarchistische Symbol der Gegnerschaft gegen Rechtsordnung und Staatsgewalt, die Darstellung eines zerbrochenen Gewehrs, findet sich auf den Koppelschlössern sowie auf den Mützenkokarden der 'Schwarzen Schar'."

(2) Sie treiben aktive Propaganda-Arbeit. Diese reicht von Propagandaumzügen, öffentlichen Versammlungen bis zu Sommernachtsvergnügen am Ort. Dazu kommt die sogenannte "Landpropaganda" außerhalb der genannten Städte auf dem flachen Land wie in benachbarten Kleinstädten. Die Zuwendung zum Land ist bemerkenswert, da die FAUD ja in der städtischen Arbeiterschaft  verwurzelt war. Zwar  fand bei den  Anarcho-Syndikalisten, gefördert vor allem durch Fritz Köster und seine Düsseldorfer Tageszeitung "Die Schöpfung. Sozialrevolutionäres Organ für das sozialistische Neuland", in den Nachkriegs-Inflationsjahren ein Experimentieren mit Landkommunen und Siedlungsgenossenschaften  statt;  die Geschäftskommission der FAUD lehnte aber gerade diesen neuen Weg nach Utopia als mit den Grundprinzipien des Syndikalismus unvereinbar ab. [16] Allgemein ist erst ab 1928 in der Presse und auf den Kongressen der FAUD wie in ihrer Praxis eine stärkere Hinwendung zur Präge der Agitation unter den Landarbeitern [17] und Kleinbauern [18] festzustellen. Die "Schwarzen Scharen" müssen in diesem von der Bewegung vernachlässigten Gebiet ein geeignetes Arbeitsfeld gesehen haben. Vielleicht wurden sie dabei besonders durch die Schuldner-Revolte der bald auch gewalttätig werdenden "Landvolkbewegung" angeregt, die sich ab 1928 von Schleswig-Holstein aus auf Oldenburg, Sachsen, Thüringen, Pommern, Ostpreußen, Hannover und Schlesien ausbreitete; sie trug zwar ebenfalls die Schwarze Fahne, bereitete aber in der Landbevölkerung den Boden für die NSDAP vor.

(3) Die verstärkte Propaganda-Arbeit der "Schwarzen Scharen" galt in besonderem Maße der Warnung vor dem Nationalsozialismus. Dabei wurde offenbar als wesentlich für den Erfolg die Zusammenarbeit zwischen den einander bisher bekämpfenden linksradikalen Parteien und sonstigen sektiererischen Kleinorganisationen der Linken betrachtet. So hielt am 2. April 1930 die "Schwarze Schar" in Ratibor zusammen mit der KPD eine "Versammlung gegen den Youngplan und Faschismus" ab. Sie wurde geleitet von dem Führer der Ratiborer Kommunisten; es erschienen dazu 70 Kommunisten und 80 Anhänger der "Schwarzen Schar". "Die Schwarze Schar hat in der Berichtszeit im Verein mit der KPD eine rege Werbetätigkeit entfaltet", heißt es in einem weiteren Polizeibericht vom Oktober 1930. So hielten am 3. August 1930 Anarcho-Syndikalisten und KPD in Ratibor eine Antikriegskundgebung ab. Es nahmen etwa 300 Personen daran teil, darunter 47 uniformierte Syndikalisten (also die "Schwarze Schar") und etwa 100 Mitglieder der kommunistischen "Arbeiterwehr" und der KPD. In Vorbereitung dieser Antikriegskundgebung hatten die Ratiborer Anarcho-Syndikalisten in einem Propaganda-Umzug einen Wagen mit antimilitärischen Aufschriften und Karrikaturen mitgeführt: "U(nter) a(nderen) Bildnissen enthielt eine Wagenseite die Karrikatur einer Christusgestalt mit einer Gasmaske und das Bildnis des Reichspräsidenten in Schlafrock, Pantoffeln und einer langen Tabakspfeife."

3. Berlin zieht nach: "Die Schwarze Schar. Antifaschistische Vereinigung revolutionärer Arbeiter"

Es dauerte vermutlich bis zum Sommer 1930, ehe der Funke aus Oberschlesien auf Berlin, das Reichs-Zentrum der FAUD, übergriff. Nach einem Polizeibericht [19] gründeten in diesem Jahr die Kommunisten den "Kampfbund gegen den Faschismus". Die Berliner anarcho-syndikalistische Bewegung habe deshalb versucht, "ebenfalls aus den Reihen ihrer jugendlichen Mitglieder eine ähnliche Organisation unter dem Namen 'Schwarze Schar' aufzuziehen". Im Juni 1930 jedenfalls wandte sich "Die Schwarze Schar. Antifaschistische Vereinigung revolutionärer Arbeiter" mit einem ersten Aufruf an die Berliner Arbeiterschaft. Er begann mit den Sätzen:

"Wie stehst Du zur Abwehrfront gegen Faschismus und Feinde des Anarcho-Syndikalismus? Wir als junge Revolutionäre sind nicht mit der Stagnation in unserer Bewegung einverstanden. Wir hatten uns deshalb zusammengefunden, um über die Mittel und Wege zu beraten, die aus dieser Stagnation herausführen. Unser Entschluß ist folgender:

dem Beispiel der Oberschlesischen Genossen folgend, für Berlin die 'Schwarzen Scharen' , die Abwehrformation gegen den Faschismus, und Kampforganisation für den Anarcho-Syndikalismus sind, zu begründen."

Als Träger der Berliner "Schwarzen Schar" ist hier vor allem die SAJD auszumachen: "Wir haben die Stagnation der (anarcho-syndikalistischen) Jugend und auch der alten Bewegung (der FAUD) schon vor längerer Zeit gekennzeichnet und daraus bestimmte Schlüsse gezogen. Wir sind zur Gründung der 'Schwarzen Schar' übergegangen." Die Bewegung sei durch jahrelange Stagnation gelähmt und inaktiv geworden. Statt "verknöcherte Pessimisten" mit passiver und abwartender Haltung heranzuziehen, gelte es, wieder gute und fruchtbringende Arbeit unter den Massen zu leisten.

Im Unterschied zu Oberschlesien sind wir durch die Veröffentlichungen der Berliner "Schwarzen Schar" [20] genauer über deren Kritik an SAJD bzw. FAUD und über die Absichten der neuen antifaschistischen Vereinigung orientiert:

(1) Die FAUD stagniere, weil sie sich zu sehr als gewerkschaftliche Organisation auffasse und die politische Auseinandersetzung vernachlässige. Deshalb müßten sich die "Schwarzen Scharen" als "Ergänzungsorganisation der FAUD" insbesondere des politischen Kampfes annehmen. Eine solche "Kampforganisation" sei "gerade jetzt, wo der Nationalsozialismus auf dem Vormarsch ist", dringend erforderlich: "Wir als FAUD sind noch nicht imstande gewesen, an größere Massen von Arbeitern heranzukommen, weil wir keinen festzusammengefügten Kern aktiver Genossen haben, die tagespolitisch geschult, planmäßig... propagandistisch arbeiten (können)."

(2)  Die Stagnation der anarcho-syndikalistischen Bewegung wurde auch mit deren latenter oder offener individual-anarchistischen und elitären Organisationsfeindlichkeit in Zusammenhang gebracht: "Wir hatten uns eingekapselt und dankten uns besser als die Masse. Und gerade die antiautoritäre Jugend trifft ein großer Teil Schuld an dieser ungesunden Tätigkeit. Wir erinnern an die Ablehnung der festen Organisationsform und an die damit verbundene individuelle Einstellung der Kameraden, die all dieses als einen Eingriff in ihre individuelle Freiheit ablehnten. Wir erinnern an das Prinzip der Freiwilligkeit, das es mit sich brachte, daß jede Tätigkeit und (die) finanziellen Leistungen auf die Schultern der wenigen verantwortlichen Kameraden abgewälzt wurden." Um aber die Welt zu verändern, könne man nicht "Sekte" nach dem bisherigen Motto "klein aber rein" bleiben, sondern müsse sich umstellen und wieder "Volksbewegung", "Massenbewegung" werden.

Diese Umstellung sei mit der "Schwarzen Schar" vollzogen: sie habe sich eine straffe Organisationsform gegeben und ein festes Programm als Voraussetzung zielbewußter Propaganda-Arbeit geschaffen. Es gehe ihr nicht um "militärische Spielereien", sondern um ihre Pflichterfüllung als "Soldaten der Revolution".

(3) Die "Schwarzen Scharen" sollten künftig die gesamte Agitations- und Propagandaarbeit für die FAUD leisten. Gedacht sei an Propagandafahrten auf das flache Land und entlang der Wasser-Kanäle, an Agitation unter den Landarbeitern und Binnenschiffern. Es gelte auch, planmäßige "Haus- und Hofagitation" zu betreiben.

Diese Propaganda dürfe nicht mehr nach veralteten Methoden, die niemand mehr ansprechen, sondern müsse auf moderne Weise geschehen, d.h. mit eigenen Musikkapellen, Theatergruppen, wirksamen Plakaten, Häuserblockzeitungen und Lastautotouren aufs Land: "Wir dürfen uns nicht scheuen, mit großem 'Tam-Tam' unsere Propaganda zu betreiben; durch Massensuggestion die Menschen zu beeinflussen, um sie für unsere Idee zu gewinnen. Man wird uns zwar vorwerfen, daß wir dann als Bewegung verflachen und reformistisch werden, Konzessionen machen. Wir aber sagen: eine Organisation, die nicht in der Lage ist, durch ihren Ideengehalt die Neueingetretenen zu erziehen und zu bilden, wird auch niemals tätig sein, die Revolution durchzuführen."

(4) "Auf neuer (organisatorischer und programmatischer) Basis und mit neuen Methoden" wollten die "Schwarzen Scharen" für den Anarcho-Syndikalismus eine "größere Organisationsbasis" schaffen. Gleichzeitig sollte aber angesichts der "faschistischen Gefahr" die Einheit der Arbeiterklasse jenseits der parteipolitischen Spaltungen angeregt werden. Mit der "überparteilichen Formation" der "Schwarzen Schar" will das anarcho-syndikalistische Berliner Jungproletariat "die Schaffung einer wirklichen antifaschistischen Kampffront" einleiten, ja bereits die Einheitsfront der "direkten proletarischen Aktion" repräsentieren. "Die 'Schwarze Schar' arbeitet zusammen mit allen antiautoritären Organisationen des Proletariats, die den direkten Kampf gegen Kapitalismus und Staat auf ihre Fahnen geschrieben haben, und vor allen Dingen mit der Freien Arbeiter-Union Deutschlands". Diese Formel scheint eine Kooperation mit den Kommunisten, wie sie in Oberschlesien betrieben wurde, eher auszuschließen.

Was wurde nun von diesen angestrebten Zielen in Berlin verwirklicht? Es wurde zunächst eine "Schwarze Schar" für Berlin gebildet; Treffpunkt war das Lokal von Otto Karwe, Ecke Wolliner und Demminer Straße im Berliner Norden zwischen den Stadtteilen Wedding und Prenzlauer Berg. Später erfolgte eine Zweiteilung durch die Gründung einer "Schwarzen Schar" im Berliner Süden. Über die tatsächliche Struktur der Leitung (Schriftführer, Kassierer, Beisitzer usw.) ist nichts bekannt; unklar ist ferner, inwieweit die vorgesehene straffe Unter-Organisation in Gruppen, Abteilungen, Hundertschaften mit ihren Gruppen-, Abteilungs- und Hundertschaftsführern wirklich zustandekam. Auch die zahlenmäßige Stärke der Berliner "Schwarzen Scharen" ist unklar.

Einer der Leiter der Berliner "Schwarzen Schar", so die Polizei, sei "der bekannte Jugendführer" Walter Kaps. Von Kaps wissen wir, daß er die Berliner SAJD - nach deren Spaltung und Auflösung im Jahre 1927 [21] - im folgenden Jahr neu mitbegründete. Als Kontaktanschrift der "Ortsföderation Großberlin" der SAJD wird Kaps genannt; gleichzeitig ist er der Leiter der Untergruppe "Prenzlauer Berg" im Berliner Norden [22] - also dort, wo später auch die Berliner "Schwarze Schar" ins Leben trat.

Für diese wurde ein programmatisches Organisationsstatut geschaffen ("Richtlinien der Schwarzen Schar, Bezirk Berlin-Brandenburg") (s. Anhang), dazu als Kommunikationsorgan das hektographierte "Mitteilungsblatt der Schwarzen Schar. Antifaschistische Vereinigung revolutionärer Arbeiter". [23] Flugblätter und Zettel zur Beitrittswerbung wurden verteilt [24], Haus- und Hofpropaganda in und um Berlin betrieben. Auch die Uniformierung wurde durchgeführt: "Als Kopfbedeckung sind hier breite Zimmermannshüte und dunkelblaue Schirmmützen beobachtet worden, während in Oberschlesien die Baskenmütze getragen wird." Neben dem Symbol des zerbrochenen Gewehrs werde auch der Sowjetstern mit Hammer und Sichel auf schwarzem Felde - ein schon bekanntes Symbol der SAJD [25] -angesteckt.

Wie in Ratibor fand auch in Berlin zur Erinnerung an den Beginn des Ersten Weltkriegs am Sonntag, den 3. August 1930 eine Antikriegskundgebung statt. Ihr Programm: Treffpunkt zur Hofpropaganda 8 Uhr Bülowplatz, 11 Uhr Kundgebung auf dem Bülowplatz mit Ansprachen von Rudolf Rocker und Fritz Linow. 12 Uhr Abmarsch des Demonstrationszuges nach dem Brunnenplatz unter Beteiligung der Schwarzen Schar, des Arbeiter-Schalmeienchors, der FAUD (Kreis-Arbeitsbörse Groß-Berlin) und der SAJD (Ortsföderation Groß-Berlin). Eine begrenzte Zusammenarbeit mit den Kommunisten scheint es in Berlin ebenfalls gegeben zu haben; ein Polizeibericht spricht davon, daß dort "das Auftreten der 'Schwarzen Scharen im Straßenbild, besonders bei Kundgebungen der Kommunisten, aber getrennt von diesen in besonderen Abteilungen, beobachtet worden ist".

4. "Schwarze Scharen" in Mitteldeutschland und im Rheinland

Soweit noch an anderen Orten "Schwarze Scharen" nachzuweisen sind, fällt ihre Gründung offenbar erst ins Jahr 1931.

So bildete sich 1931 in Kassel eine "Schwarze Schar". In einem Polizeibericht vom Februar 1931 heißt es, sie sei erst im Aufbau begriffen und 20 Mann stark; nach einem weiteren Bericht war sie im August desselben Jahres auf 40 Mann angewachsen (zum Vergleich: der kommunistische Kasseler "Kampfbund gegen den Faschismus" zählte damals 800 Köpfe!). Initiator war der Tischler Willy Paul, am 1. 7. 1887 in Göttingen geboren, Mitbegründer und Vorsitzender der Kasseler Ortsgruppe der FAUD. [26] Er gab in Kassel auch in einer Auflage von je 500 Stück "Die Proletarische Front. Organ der antifaschistischen Wehrorganisation" heraus. [27] Als weiteres Mitteilungsblatt der Kasseler "Schwarzen Schar" erschien "Die schwarze Horde". [28] Nach einem Polizeibericht schlug deren Oktobernummer 1931 als gemeinsamen künftigen Führer der "Schwarzen Scharen" Erich Mühsam vor und begründete dies damit, der Dichter des revolutionären Proletariats und sogenannte "Rädelsführer" der Münchner Räterepublik sei reich an Erfahrung und im proletarischen Klassenkampf bewährt. Weitere "Schwarze Scharen" existierten in Mitteldeutschland wohl in Suhl und vielleicht auch in Erfurt.

Im FAUD-Bezirk Rhein-Maingau gab es in Darmstadt eine "Schwarze Schar. Antifaschistische Vereinigung revolutionärer Jungarbeiter". Treibende Kraft in Darmstadt dürfte dabei Gustav (Gustl) Doster gewesen sein, [29] der 1930 einen Aufsatz in den "Jungen Anarchisten" mit dem Aufruf schloß: "Auf! Die schwarzen Sturmbanner voran!" [30] Eine "Schwarze Schar" wurde 1931 auch im Bezirk Rheinland-Westfalen in Wuppertal gebildet. [31] Ihr gehörten etwa 20 Mitglieder an, überwiegend Jugendgenossen aus der SAJD, dazu noch einige jüngere Mitglieder der FAUD. Die einheitliche Uniformierung war aus finanziellen Gründen nicht ganz zu verwirklichen: "Wir trugen schwarze Hemden, schwarze Hose und Stiefel und 'n Gürtel. Mancher hat mit Schuhwichse etwas nachgeholfen - wir hatten ja kein Geld." Bei zentralen, antifaschistischen Demonstrationen der Anarcho-Syndikalisten ging die "Schwarze Schar" mit ihrer Fahne (Aufschrift: "Tod dem Faschismus") voran, dahinter die Schalmeienkapelle der FAUD aus Duisburg, der einzigen des Bezirks.

Während wir bei anderen "Schwarzen Scharen" die Bewaffnung nur vermuten können, ist von der Wuppertaler Gruppe belegt, daß sie mit mehreren Revolvern ausgerüstet war und auch einen Karabiner besaß, in dessen Gebrauch sie von einem erfahrenen Genossen in einem verlassenen Schleifkotten in der Nähe Solingens eingeführt wurde. In den Straßenschlachten und sonstigen brachialen Auseinandersetzungen mit der nationalsozialistischen SA wurde auch mehrmals Waffengewalt angewandt. Uniformierung und entschlossenes, gewalttätiges Auftreten wurden dabei als psychologischer Vorteil gesehen: "Die SA hat uns für stärker gehalten als wir waren und Angst vor uns gehabt."

In Wuppertal kam es zur politischen Zusammenarbeit mit der "Sozialistischen Arbeiter-Partei Deutschlands" (SAPD), der "Kommunistischen Partei-Opposition" (KPO) und einer Abspaltung des kommunistischen "Rotfrontkämpferbundes" in einer überparteilichen "Kampfgemeinschaft gegen Faschismus und Reaktion". Dagegen fehlte eine Beteiligung am kommunistischen "Kampfbund gegen den Faschismus".

5. Anarcho-syndikalistische Kritik an den "Schwarzen Scharen"

Die Einrichtung "Schwarzer Scharen" war innerhalb der FAUD und SAJD umstritten. Folgende Gründe wurden gegen die Bildung solcher paramilitärischen Formationen ins Feld geführt: [32]

(1) Der Faschismus sei keine primär politische Erscheinung, sondern eine ökonomische; seine Wurzeln lägen im "bestehenden Wirtschafts- und Ausbeutungssystem". Zu dessen Erhaltung bediene sich die "herrschende Klasse" der staatlichen und in für sie kritischen Zeiten (ergänze: wie der Weltwirtschaftskrise) auch außerstaatlicher Machtmittel wie der SA. An den wirtschaftlichen Wurzeln allein könnten "Lohnknechtschaft und Tyrannei" erfolgreich bekämpft werden; die Auseinandersetzung dürfe sich nicht an bloßen Begleiterscheinungen wie den militärischen Formationen der SA festbeißen. Der Anarcho-Syndikalismus sei eine  "wirtschaftliche Kampfesorganisation" und  "revolutionäre Gewerkschaft"; "direkte Aktion" könne für sie nur die Anwendung ökonomischer Machtmittel bis hin zum "sozialen Generalstreik" bedeuten (letzterer, so ist zu ergänzen, wird aus den Betrieben und Industrien heraus organisiert). Alles andere sei ein Rückfall in die Gedankengänge der "parteipolitischen Illusionisten" und eine Ablenkung der Arbeiterschaft von dem einzig wahren Weg ihrer Befreiung durch den ökonomischen "Klassenkampf."

(2) Die Geschichte der Weimarer Republik, insbesondere der Kapp-Putsch, zeige, daß allein der Generalstreik ein wirksames Mittel zur Bekämpfung des Faschismus sei. Wann immer sich aber die Arbeiter zur Roten Armee bewaffneten und zum offenen Kampfe antraten, dann hätten "Noskiden und Baltikumer (also Reichswehr und Freikorps) gemeinsam die Arbeiter niederkartätscht". Diese Erfahrung spreche gegen die Bildung paramilitärischer Formationen durch die Anarchisten: "Den Kampf gegen den Faschismus durch 'Schwarze Scharen' führen zu wollen, bedeutet daher dasselbe, als wenn wir dem Militarismus eine offene Feldschlacht liefern wollten, um ihn zu besiegen... Die Zeiten eines 'Florian Geyer' sind vorbei, wo man sich noch mit Sensen und Dreschflegeln bewaffnet dem Gegner zum Kampfe stellen konnte; und dennoch unterlag auch er der militärischen Macht seiner Zeit."

(3) Auch andere Parteien hätten sich ja militärische Formationen geschaffen - SPD und Zentrum das "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold", die Kommunisten den "Rotfrontkämpferbund". "Die Tatsache, daß durch derartige Formationen im Laufe der Zeit nichts an der Lage der Arbeiterschaft gebessert werden konnte, dürfte uns Syndikalisten Lehre genug sein... Welchen Wert haben diese Formationen für die Arbeiterschaft? Auf wirtschaftlichem Kampfgebiete gar keinen! Oder besteht der Wert dieser Organisationen darin, indem (sic!) sie sich gegenseitig auf der Straße verprügeln?" So seien "Schwarze Scharen" ohne praktische Bedeutung, eine bloße modische "Spielerei".

(4)  "Selbstschutz" sei auch ohne Uniformierung möglich: "Müssen wir denn, um unsere Versammlungen zu schützen, uns ein schwarzes Kostüm zulegen, würden wir uns darin kräftig fühlen, oder glaubt man, dem Gegner dadurch einen Schreck einzujagen, indem man sich 'Schwarze Schar' nennt? Wer sich als Mann und überzeugter Mensch fühlt, wird auch seiner Überzeugung verstehen Geltung zu verschaffen, ohne daß er in einer schwarzen Uniform zu stecken braucht."

(5) Die "Schwarzen Scharen" (Abkürzung S.S.!) seien auch im speziellen Sinne eine "Nachäffung dessen, was wir bisher bekämpft haben": "Nebenbei gesagt, Mussolini hatte ja auch die bekannten 'Schwarzhemden'!" Es mußte wohl auch manchem Anarcho-Syndikalisten merkwürdig klingen, wenn die Berliner "Schwarze Schar" zur Antikriegskundgebung am 3.  August 1930 mit dem "Marsch der Linken Sozialrevolutionäre in Litauen" warb [33]:

Auf denn zum Kampfe, auf Kameraden!
Auf denn zum Kampf, schließt fester die Reih'n
Vorwärts! Errichtet kühn Barrikaden.
Kampf bis zum Sieg muß Losung jetzt sein.
: Drauf und dran, Mann für Mann!
Nachtschwarz flattert unsere Kampfesfahn';
Die schwarze, stolze Kampfesfahn'! :
Herren und Junker knechten und schinden;
Bürger und Pfaffen stehlen den Lohn.
Arbeiter, Bauern! Ihr müßt euch finden;
Auf stürzt den Geldsack, auf stürzt den Thron.
: Drauf und dran... :
Baut Barrikaden. Hißt die Paniere!
Dengelt die Sensen. Fällt das Gewehr!
Schlagt sie zu Boden; die Henker, die Tiere;
Brecht euch die Bahn durchs feindliche Heer.
: Drauf und dran... :
Hört ihr es dröhnen?
Drauf Kameraden, Gebt euer Blut dem Volke zum Kauf!
Hinter den Kaunaser Blutbarrikaden
Flammt unseres Sieges Morgenrot auf.
: Drauf und dran... :


Vermutlich war der Antimilitarismus das wirksamste Mittel der Kritik an den "Schwarzen Scharen" aus den Reihen der SAJD. Führende Köpfe der damaligen Jugendorganisation wie Georg Hepp (Frankfurt/Main), der Leiter des Bildungsressorts der SAJD, oder Karl Gültig (Offenbach), eine Zeitlang der 1. Vorsitzende der Reichsinformationsstelle der SAJD, setzten Faschismus und Militarismus gleich. 1927 etwa hatte Hepp in einem Artikel "Der Militarismus in der Arbeiterbewegung" [34] den Militarismus wegen seiner autoritären Strukturen für die anti-autoritäre Jugend verworfen: "Wir lehnen den Militarismus ab, weil er im tiefsten unserem Ideal von der Freiheit zuwiderläuft... Das Kennzeichen eines jeden Militarismus ist die Entpersönlichung seiner Anhänger, die Ausschaltung des eigenen Willens, der blinde Glaube an die höhere Sendung seiner Vorgesetzten und die bedingungslose Ausführung ihrer Befehle." Auch für Gültig heißt im gleichen Jahr "Kampf dem Faschismus": [35] "Der Kampf gegen den Faschismus ist der Kampf gegen Staat, Militarismus und alle finsteren Mächte." Das Reichstreffen der SAJD zu Pfingsten 1929 in Kassel formulierte als sein Programm: [36] "Gegen die Militarisierung der Jugend! Gegen Faschismus und Diktatur!" Und auf dem von Hepp und Gültig geleiteten 1. Reichsferienlager der SAJD im Juni 1930 in der Bakuninhütte bei Meiningen sprach Hepp ausdrücklich mit Bezug auf SA, Reichsbanner und Rote Jungfront "Gegen (die) Militarisierung der Jugenderziehung" [37] "Erging davon aus", schrieb er in dem von ihm selbst verfaßten Protokoll einer auf dem 2. Reichsferienlager im Mai 1931 zu Heidersbach/Thüringen abgehaltenen Arbeitsgemeinschaft über Erziehungsfragen, [38] "daß die Erziehungsfrage innerhalb der SAJD soweit geklärt sei, daß gegenüber der reinen Erziehungsgemeinschaft von früher und den militärischen Erziehungsmethoden der gegnerischen Jugend, die SAJD mehr und mehr die Methode anwendet, im Rahmen des Klassenkampfes die Erziehung durchzuführen."

Nicht den Kampf auf der Straße konnte deshalb Gültig als Mittel gegen den modernen "industriellen" Militarismus empfehlen, sondern den "industriellen Antimilitarismus gegen den Krieg" [39] (was in der Praxis entweder auf Generalstreik oder Industriesabotage hinauslief). So ist es sehr unwahrscheinlich, daß sich die SAJD als Gesamtorganisation zugunsten der eigenen Militarisierung durch "Schwarze Scharen" aussprach. [40]

Einheitskleidung und Bewaffnung, so hieß es auf der Bezirkskonferenz des Rhein-Maingaus im Juli 1930 in Darmstadt, würden zu einer Militarisierung gerade der anarcho-syndikalistischen Jugend führen, "wodurch unser jahrelanger Kampf gegen Krieg und Militarisierung der Jugend zur Farce werden. Es wurde gesagt, daß Mangel an Geist sich nicht durch Schablonisierung und Mechanisierung ersetzen läßt. Wir dürfen nicht in den Fehler der politischen Parteien verfallen, welche ihrem inneren Wesen nach außerparlamentarische Kämpfe nicht anders als auf militärischer Grundlage führen können. Als syndikalistisch-anarchistische Jugend müssen wir unser Augenmerk viel mehr als bisher auf wirtschaftliche Kämpfe richten". [41]

(6) Die Tatsache, daß auf der 12. Geschäftskommissions-Sitzung der FAUD in Berlin im Februar 1931 der Beschluß gefaßt wurde, [42] "daß die 'Schwarzen Scharen' nur in Verbindung mit der FAUD und den Betrieben entstehen dürfen", weist auf Ängste der FAUD vor organisatorischer Verselbständigung und möglichen Abspaltungstendenzen hin. Die Kontrolle der "Schwarzen Scharen" durch die FAUD hatte auch praktische Gründe: "Außerdem besteht die Gefahr, daß in derartigen Organisationen (den militärischen Formationen) sich jedes beliebige Individuum einschleichen kann, worüber die Arbeiterschaft keine Kontrolle ausüben kann. Haben wir doch bei den 'Rotfrontkämpfern' zu verzeichnen, daß ganze Gruppen zu den Faschisten übergegangen sind, einzelne sogar zu Verräter(n) und Mörder(n) ihrer ehemaligen Kameraden geworden sind." [43]

Deshalb sei die weltanschauliche Bindung an die FAUD ein wichtiges Korrektiv gegenüber bloßem Aktionismus.

6. Die Bedeutung der "Schwarzen Scharen"

(1) Die "Schwarzen Scharen" sind ein sprechender Beleg für die mentale und faktische Militarisierung gerade der radikalen Jugend in der Schlußphase der Weimarer Republik. Im Organ der SAJD, den "Jungen Anarchisten", fällt dies schon am Wortschatz auf: "Kampf und "kämpfen" sind nun beliebte Worte, dazu Zusammensetzungen wie "Kampfschrift", "Kampffondsmarken", "Kampffront" und "Kampflieder". Neben der Uniform, der schwarzen Fahne (dem "schwarzen Sturmbanner") und den Schalmeienkapellen müssen gerade diese "Marsch- und Kampflieder" - die freilich in einer langen Tradition anarchistischer Marsch- und Kampfgesänge stehen [44] - als wichtiges Indiz für diesen neuen militanten Geist der anarcho-syndikalistischen Jugend gesehen werden: [45] Mit dem "Russischen Anarchisten-Marsch" singen sie "Schwarz unsre Fahn, die mit Blut wir bespritzen"; [46] schließlich erhalten sie von Hermann Ritter (er war außerdem Verfasser und wohl auch Vertoner des "Syndikalistenmarsches" [47]) ihr eigenes kämpferisches "Lied der schwarzen Scharen": "Sturm und Revolte/Wir schwarze Scharen!" (s. Anhang). Der Unterschied zwischen der "zivilen" Phase bis 1929 und der neuen Militarisierung der anarcho-syndikalistischen Jugend wird selbst in der Bildgestaltung ihrer Publikationsorgane überdeutlich (s. Abb. S 60-61).

(2) Schon vor der "Machtergreifung" der Nationalsozialisten im Januar 1933 waren vermutlich die "Schwarzen Scharen" wieder verschwunden. In einem Berliner Polizeibericht vom November 1932 [48] werden als Gründe dafür genannt: der Tod eines am Ort besonders engagierten Genossen (Walter Kaps), "Mangel an Interesse" und "Mitgliederschwund" von FAUD und SAJD. Angesichts einer Mitgliederstärke von vielleicht 250 im ganzen Reich [49] mag es verständlich erscheinen, wenn Georg Hepp rückerinnernd über die "Schwarzen Scharen" schreibt: [50] "Ich glaube nicht, daß sie irgendwelche Bedeutung im antifaschistischen Kampf erlangt haben." Dies kann aber nicht das letzte Wort über den historischen Stellenwert der "Schwarzen Scharen" im antifaschistischen Widerstand politischer Kleingruppen sein sondern die Aussage müßte zumindest in zwei Punkten erweitert werden:

(3) Vor Ort konnte die "Schwarze Schar" sehr wohl eine begrenzte antifaschistische Wirkung erhalten: "In Wuppertal war sie ein wichtiger Teil des proletarischen Selbstschutzes, glich ihre geringe Zahl durch um so größere Aktivität aus und trug in Arbeitsteilung mit dem Rotfrontkämpferbund, dem Reichsbanner und anderen Organisationen maßgeblich dazu bei, zahlreiche faschistische Übergriffe in Versammlungen und in den Straßen der Arbeiterviertel zu verhindern." [51]

(4)  Wir meinen zudem, daß die Gründung der "Schwarzen Scharen" ein Zeichen der Verzweiflung über die sektiererische Abkapselung der anarcho-syndikalistischen Bewegung und ein Ausdruck des Wunsches gerade der jungen Mitglieder nach aktiverem antifaschistischem Einsatz jenseits trennender ideologischer und organisatorischer Grenzen und jenseits bloßer gewerkschaftlicher Tätigkeit war. Die "Schwarzen Scharen" kündigen erstmals jenen Willen zur antifaschistischen "direkten Aktion", insbesondere auch zum politischen und militärischen Einsatz an, den dann Mitglieder der FAUD und SAJD während des Spanischen Bürgerkrieges bewiesen. Vermutlich waren es nicht zuletzt jene jugendlichen und aktivistischen Kräfte der ehemaligen "Schwarzen Scharen", die später in Spanien in der Gruppe "Deutsche Anarcho-Syndikalisten" (DAS) und bei der "Columna Durruti" hinter Barrikaden und im Schützengraben den Abwehrkampf gegen den Franco-Faschismus führten. [52]


Anhang:

Richtlinien der Schwarzen Schar, Bezirk Berlin-Brandenburg.

1.) Die Schwarze Schar ist eine antifaschistische Vereinigung revolutionärer Arbeiter.
2.) Sie bekennt sich rückhaltlos zu der Prinzipienerklärung des Syndikalismus und zu deren Organisationen, der Freien Arbeiter Union Deutschlands (Anarcho-Syndikalisten) und der Syndikalistisch-anarchistischen Jugend Deutschlands.
3.) Sie betrachtet sich als eine Ergänzungsorganisation der beiden genannten Bewegungen und zugleich als eine Abwehrformation gegen Faschismus und Feinde des Anarcho-Syndikalismus.
4.) Sie erblickt somit ihre Aufgabe in erster Linie in der Propaganda durch Wort und Schrift gegen den Faschismus aller Schattierungen und für den freiheitlichen Sozialismus.
5.) Mitglied der Schwarzen Schar kann jeder Arbeiter und jede Arbeiterin werden.
6.) Der Aufbau der Schwarzen Schar ist ein föderalistischer. Die Grundlage bilden die Gruppen. Die Gruppen sind 8 Mann stark. Jede weiteren 4 Mitglieder bilden eine neue Gruppe. Funktionäre der Gruppen sind die Gruppen- und Untergruppenführer. 3 Gruppen bilden eine Abteilung (Abt.), die sich aus den Reihen der Mitgliedschaft einen Abteilungsführer wählen (Abtf.). 4 Abteilungen schließen sich zu einer Hundertschaft (Hs.) zusammen. Als Hundertschaftsführer (Hsf.) kann nur einer der Abtf. gewählt werden. Die Hsf. des Bezirks bilden die Geschäftsleitung  (Gesch.Ltg.).
7.) Jeder Funktionär ist sofort zurückberufbar. Dazu ist nur eine einfache Majorität der betreffenden Gruppen-, Abt.- oder Hs.Versammlung notwendig.
8.) Der Beitrag ist auf 50 Pfg. pro Monat festgesetzt und ist in der 1. Woche jeden Monats an den Gruppenführer abzurechnen. Außerdem wird von jedem Neueintretenden ein Eintrittsgeld von 25 Pfg. erhoben.
9.) Der Ausschluß eines Mitgliedes kann von den Gruppen erfolgen, wenn dasselbe gegen die Prinzipien oder Richtlinien bzw. gefaßten Beschlüsse verstößt oder organisationsschädliches oder unkameradschaftliches Verhalten nachgewiesen wird.
10.) Die Auflösung der Vereinigung kann nur in einer Versammlung erfolgen, die 14 Tage vorher allen Mitgliedern bekanntgegeben ist und mit 2/3 Majorität beschlossen wird. Das Vermögen und sämtlicher Bestand fällt in diesem Falle der FAUD und SAJD zu.

(aus: Mitteilungsblatt der Schwarzen Schar. Antifaschistische Vereinigung revolutionärer Arbeiter, Nr. 3, 5. Juli 1930, in: Geheimes Staatsarchiv Berlin, Rep. 219, Nr. 72). Als Ergänzung der "Richtlinien" und mit gleicher Verbindlichkeit wie diese wurden weitere 10 "Beschlüsse" gefaßt.

Hermann Ritter: Lied der Schwarzen Scharen

Freiheit und Brot,
Fluch und Tränen,
Stürmend und rot
Ist unser Sehnen.
: Wir schwarze Scharen
Glüh'nder Freiheitsodem,
Sturm und Revolte,
Wir schwarze Schar.
Knechtschaft und Hohn
Unser Leben,
Revolution
Heiliges Streben.
: Wir schwarze Scharen...
Voll ist das Maß,
Kühn wie Falken,
Reißt unser Haß
Henker und Galgen.
: Wir schwarze Scharen...
In eure Hand,
Arbeitsbienen,
Werkstatt und Land,
Forst und Maschinen!
: Wir schwarze Scharen...
Rächer für die
Hungernd darben,
Ob Tyrannie
Kämpfen und starben.
: Wir schwarze Scharen...
Schwarz wie die Not
Uns're Fahnen,
Soll auch der Tod
Düster uns mahnen.
: Wir schwarze Scharen...


(Aus: Junge Anarchisten, 8. Jg., Nr. 3 , 1931; Noten für Refrain s. Klan/Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", S. 258)

Fußnoten:
[1] Rudolf Rocker, Aus den Memoiren eines deutschen Anarchisten, Frankfurt/Main 1974, S. 300. Dazu Hans Manfred Bock, Syndikalismus und Linkskommunismus von 1918-1923, Meisenheim am Glan 1969; Peter von Oertzen, Die Großen Streiks der Ruhrbergarbeiterschaft im Frühjahr 1919, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 6. Jg. (1958), S. 231-262; Klaus Tenfelde, Linksradikale Strömungen in der Ruhrbergarbeiterschaft 1905-1919, in: Hans Mommsen, Ulrich Borsdorf (Hrsg.), Glück auf, Kameraden! Köln 1979, S. 199-223.
[2] Rocker, Memoiren, S. 299.
[3] Bock, Syndikalismus, S. 174.
[4] Dieter Nelles, Zur Soziologie und Geschichte des Anarcho-Syndikalismus im rheinisch-bergischen Raum unter besonderer Berücksichtigung des Wuppertales von 1918-1945, Diplomarbeit Gesamthochschule Wuppertal 1984 (Mschr.), S. 187; Peter Wienand, Der "geborene" Rebell. Rudolf Rocker - Leben und Werk, Berlin 1981, S. 338. Sehr viel höhere Zahlen nennt Jan Foitzik, Zwischen den Fronten. Zur Politik, Organisation und Funktion linker politischer Kleinorganisationen im Widerstand 1933 bis 1939/40 unter besonderer Berücksichtigung des Exils, Bonn 1986, S. 31, Anm. 38: "Nach Schätzung der Gestapo hatte die FAUD am Ende der Weimarer Republik 10.000 -12.000 Mitglieder". Dagegen heißt es in einem Schreiben des Berliner Polizeipräsidiums von Anfang Februar 1933: "Es ist allerdings zu bemerken, daß der Bewegung, da sie schätzungsweise bis auf 4.000 Mitglieder im ganzen Reich gesunken ist, keine große politische Bedeutung beizumessen ist." (Geheimes Staatsarchiv [GS] Berlin, Rep. 219, Nr. 72)
[5] Zit. nach Nelles, S. 188.
[6] Walter Fähnders/Martin Rector, Linksradikalismus und Literatur, Bd. 2, Reinbek 1974, S. 145-153.
[7] Foitzik, Zwischen den Fronten, S. 37.
[8] Vgl. Ulrich Linse, Die anarchistische und anarcho-syndikalistische Jugendbewegung 1919-1933, Frankfurt am Main 1976.
[9] Die Resolutionen sind abgedruckt bei Linse, Jugendbewegung, S. 248f. und S. 281.
[10] Junge Anarchisten, 6. Jg., Nr. 8 v. 1929.
[11] Zum folgenden GS Berlin, Rep. 219, Nr. 72.
[12] Vermutlich: Freiheit. Politische Wochenschrift für Schlesien und Oberschlesien, Breslau, 1. Jg. (1928) -6. Jg. (1933).
[13] Die Polizei gab als sein Schriftsteller-Pseudonym "Kompardt" an.
[14] Ostdeutsche Rundschau. Wochenblatt für das schaffende Landvolk. Hrsg. v. Zentralverband der Landarbeiter für Ost- und Westpreußen, Königsberg, 1. Jg. (1923) - ?
[15] Das Polizeipräsidium Oppeln meldete im September 1930 dem Berliner Polizeipräsidenten über die Ratiborer "Schwarze Schar": "Statuten sollen zwar vorhanden sein, befinden sich aber nicht in den Händen der Mitglieder. Es ist daher bis jetzt noch nicht gelungen, in die Statuten Einsicht zu bekommen oder ein Exemplar derselben zu beschaffen." (GS Berlin, Rep. 219, Nr. 72).
[16] Ulrich Linse, Barfüßige Propheten. Erlöser der zwanziger Jahre, Berlin 1983, S. 129ff.; Ulrich Klan, Der Anarcho-Syndikalismus im rheinisch- bergischen Raum zwischen 1918 und 1945 als Kulturbewegung, Staatsexamensarbeit Gesamthochschule Wuppertal 1984, S. 143ff.; Ulrich Klan/Dieter Nelles, "Es lebt noch eine Flamme". Rheinische Anarcho-Syndikalisten/-innen in der Weimarer Republik und im Faschismus, Grafenau-Döffingen 1986, S. 270ff.; Dieter Nelles/Ulrich Klan, Alternative Entwürfe im Rheinland - am Beispiel der anarcho-syndikalistischen Siedlung 'Freie Erde' bei Düsseldorf (1921), in: Heribert Baumann, Francis Bulhof und Gottfried Mergner (Hrsg.), Anarchismus in Kunst und Politik. Zum 85. Geburtstag von Arthur Lehning, Oldenburg 1984, S. 71ff., 2. Aufl. 1985, S. 79ff.; Ulrich Linse, Ökopax und Anarchie, München 1986, S. 76ff.
[17] Ulrich Linse, Anarcho-syndikalistische Landarbeiteragitation in Deutschland (1910-1933): Über die soziale Kluft zwischen Stadt- und Landproletariat, in: Stefan Blankertz (Hrsg.), Auf dem Misthaufen der Geschichte, Münster/Wetzlar 1978, S. 97ff.
[18] Klan/Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", S. 150ff.
[19] Zum folgenden GS Berlin, Rep. 219, Nr.72.
[20] Vgl. Anm. 23 und 24.
[21] Der Ausrufer. Mitteilungsblatt des Jungproletariats, Berlin, 2. Jg., Nr. 23 v. 1. 12. 1927. Ferner Linse, Jugendbewegung, S. 87.
[22] Der Ausrufer, 3. Jg. (1928), Nr. 3 und Nr. 6.
[23] Im Geheimen Staatsarchiv Berlin, Rep. 219, Nr. 72 haben sich folgende Nummern erhalten: Mitteilungsblatt Nr. 1 v. Juni 1930, Nr. 3 v. 5. Juli 1930, Nr. 4 v. 19. Juli 1930 (1. Teil auch als gesondertes Flugblatt erschienen).
[24] Im GS Berlin, Rep. 219, Nr. 72 haben sich erhalten: "Arbeiter und Arbeiterinnen! Jungarbeiter!" und "Genosse wie stehst DU zur S.S.?"
[25] Linse, Jugendbewegung, S. 313.
[26] Kurzbiographie bei Foitzik, Zwischen den Fronten, S. 307.
[27] Erwähnt wird eine Nr. 7 v. 1.2. 1931. Das Blatt ist bibliographisch nicht zu ermitteln; der volle Titel bei Foitzik, S. 307 (auch Foitzik konnte in den Akten kein Exemplar der Zeitung entdecken: briefl. Mitteilung an Verf. v. 27. 1. 1988). Als Pauls Helfer bei der Herausgabe der "Proletarischen Front" vermutete die Polizei den Schmied Hermann Hannibal, geboren am 8. 10. 1898 in Kassel (GS Berlin. Rep. 219, Nr. 72).
[28] Bibliographisch nicht zu ermitteln, Exemplar bisher nicht bekannt.
[29] Kurzbiographie bei Foitzik, Zwischen den Fronten, S. 263f.
[30] Junge Anarchisten, 7. Jg., Nr. 3, 1930.
[31] Nelles, Zur Soziologie, S. 191ff; Klan/Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", S. 257ff.
[32] Zum folgenden T., Zeichen der Zeit, in: Die Arbeits-Börse. Mitteilungsblatt der K.A.B. - (Kreis-Arbeits-Börse) Groß-Berlin, Jg. 10,Nr.42v. 18.10. 1930; der Artikel ist eine Reaktion auf den Aufruf der "Schwarzen Schar": "Rüstet gegen den Faschismus", ebd., 10. Jg., Nr. 40 v. 4. 10. 1930.
[33] Mitteilungsblatt der "Schwarzen Schar". Antifaschistische Vereinigung revolutionärer Arbeiter, Nr. 4 v. 19. 7.  1930. Der ursprüngliche Wortlaut in: Junge Anarchisten, 7. Jg., Nr. 2 v.  1930; die "Kampfesfahn" ist da noch "blutrot" und noch nicht schwarz!
[34] Abgedruckt bei Linse, Jugendbewegung, S. 240ff.
[35] Junge Anarchisten, 4. Jg., Nr. 3 v. Juli 1927.
[36] Der Syndikalist, 11. Jg., Nr. 15 v. 13.4. 1929.
[37] Junge Anarchisten, 7. Jg., Nr. 4 v. 1930.
[38] Junge Anarchisten, 8. Jg., Nr. 3 v. 1931.
[39] Junge Anarchisten, 6. Jg., Nr. 5 v. 1929.
[40] Der 8. Reichskongreß der SAJD im Dezember 1930 in Erfurt beschäftigte sich auch mit dem Thema "Bildung von Wehrorganisationen" (Junge Anarchisten, 8. Jg., Nr. 1 v. 1931); das Ergebnis ist leider nicht bekannt. In Vorbereitung des Kongresses hatte die Bezirkskonferenz der SAJ Sachsen in Dresden am 26. 10. 1930 zum Tagesordnungspunkt "Aktions- und Propagandatruppen (Schwarze Scharen)" beschlossen: "Der Bezirk Sachsen möchte diesen Punkt nicht als Reichsangelegenheit behandeil wissen, vielmehr soll es den einzelnen Orten im Reiche selbst überlassen bleiben, zur Gründung solcher oder ähnlicher Organisationen zu schreiten, insofern sich diese als nötig erweisen, da die Verhältnisse verschieden sind" (Der Syndikalist, 12. Jg., Nr. 40 v. 4. 10. 1930 und Nr. 45 v. 8. 11. 1930). Die "Jungen Anarchisten", das Organ der SAJD, druckte lediglich einmal die vage Parole: "Jungarbeiter, organisiert den Selbstschutz der proletarischen Jugend" (Junge Anarchisten, 7. Jg., Nr. 3 v. 1930).
[41] Der Syndikalist, 12. Jg., Nr. 30 v. 26. 7. 1930: Lediglich eine Schalmeien-Kapelle wurde mehrheitlich beschlossen, "da dies mit Militarismus nichts zu tun habe und für Demonstrationen wünschenswert sei.".
[42] GS Berlin, Rep. 219, Nr. 72.
[43] Wie Anm. 32.
[44] Vgl. Walter Fahnders, Anarchismus und Literatur. Ein vergessenes Kapitel deutscher Literaturgeschichte zwischen 1890 und 1910, Stuttgart 1987, S. 75ff.
[45] Ursprünglich war bei der SAJD offenbar besonders beliebt "Wilde Gesellen, vom Sturmwind durchweht..."; auf die Melodie dichtete dann 1925 Karl Buttke "Jung-Anarchisten stürmen voran..." 1929 wurde das Lied in einer neuen Version veröffentlicht (beide Texte bei Linse, Jugendbewegung, S. 173), Zeichen eines neuen Bedarfs. Ab 1929 folgen eine ganze Reihe solcher Kampflieder, so von Georg Pasche "Rebellenlied" (Junge Anarchisten, 6. Jg., Nr. 2 v. 1929), O. Kl. "Drum flattern unsere Fahnen!" (Junge Anarchisten, 6. Jg., Nr. 8 v. 1929), "Russischer Anarchisten-Marsch. Kampflied der Narodnaja Wolja, 1887" und "Marsch der Linken Sozial-Revolutionäre in Litauen" (Junge Anarchisten, 7. Jg., Nr. 2 v. 1930), schließlich das "Lied der Schwarzen Scharen" (s. Anhang!). Bei der Wuppertaler "Schwarzen Schar" wurde nicht nur letzteres, sondern auch noch ein anderes Kampflied benützt. Es begann mit den Worten "Wenn Generalstreik tobt im ganzen Land", endete mit "...und Schwarze Scharen führen letzte Hiebe gegen Hitlers Banden" und wurde auf die Melodie des Horst-Wessel-Liedes gesungen (Klan/Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", S. 258). Solche Kontrafrakturen gegnerischer Lieder waren in der Arbeiterbewegung nicht unüblich (vgl. Vernon Lidtke: Lieder der deutschen Arbeiterbewegung 1864-1914, in: Geschichte und Gesellschaft, 5. Jg. (1979), S. 54 - 82), und gerade hier war die Kontrafraktur angebracht, um die nationalsozialistische Enteignung fremden Liedgutes rückgängig zu machen: "Das (Lied) haben die Nazis aber selbst geklaut: Ursprünglich war das ein bekanntes Seemannslied: 'Zum letzten Mal haben wir an Bord geschlafen - warum sollten wir die Melodie den Faschisten überlassen?" (zit. nach Klan/Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", S. 258).
[46] S. Anm. 45.
[47] Hinweis: Junge Anarchisten, 8. Jg., Nr. 1 und 3 v. 1931.
[48] GS Berlin, Rep. 219, Nr. 72.
[49] Die Zahl ist geschätzt durch Verdoppelung der in einem Polizeibericht vom 30.4. 1931 für Oberschlesien angegebenen Mitgliederstärke von 125: GS Berlin, Rep. 219, Nr. 72.
[50] Brief an den Verf. v. 18. 1. 1975.
[51] Klan/Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", S. 258.
[52] Bisher zeigen sich folgende personellen Zusammenhänge zwischen den "Schwarzen Scharen" und der DAS in Holland und Spanien: die "Oberschlesier" sollen in der DAS eine Rolle gespielt haben (Gustav Doster, Gruppe DAS, Manuskript); aus Berlin kamen: Johannes Noll, Mitglied der Geschäftskommission der SAJD, femer Paul Brunn, Karl Liereck und Ernst Petri; aus Kassel Willy Paul, der Vorsitzende der dortigen Ortsgruppe der FAUD, und Fritz (Fred) Schröder (zu den Biographien vgl. Foitzik, Zwischen den Fronten, S. 307 und 321); aus Darmstadt Gustav (Gustl) Doster der Leiter des Rhein-Main-Bezirks der FAUD (Foitzik, Zwischen den Fronten, S. 263) und Helmut Thomas; aus Wuppertal Fritz Benner, Arnold Engels und Helmut Kirschey (R. Theissen/P. Walter/J. Wilhelms, Der Anarcho-Syndikalistische Widerstand an Rhein und Ruhr, Meppen/Ems 1980, S. 129; Nelles, Zur Soziologie, S. 211; Klan/Nelles, "Es lebt noch eine Flamme", S. 185f.).

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Aus:
Archiv für die Geschichte des Widerstandes und der Arbeit Nr. 9, Germinal - Verlag, 1989. Mit freundlicher Genehmigung des Verlages.

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