Die Kontinental-Amerikanische Arbeiter-Assoziation

Vom 11. bis 16. Mai 1929 fand in Buenos Aires der Gründungeskongress der Kontinental-Amerikanischen Arbeiter-Assoziation statt.

Die Idee, eine Arbeiterorganisation zu bilden, die sich auf den gesamten amerikanischen Kontinent erstreckt, ist so alt wie die Arbeiterbewegung in Amerika. Zu allen Zeiten war es der Wunsch der Anarchisten, sich international zu vereinen, wobei sie es den Gruppierungen in jedem Lande überließen, sich die Organisationsformen zu schaffen, die den natürlichen Eigenarten des Landes entsprechen.

Bereits im Jahre 1920 sprach sich der außerordentliche Kongress der FORA für die Bildung einer Kontinental-Amerikanischen Arbeiter-Assoziation aus. Der Föderalrat der FORA (Arbeiter-Föderation der Region Argentinien) setzte ein Sekretariat für internationale Verbindungen ein, das den Kongress von 1929 im Einverständnis mit der CGT (Allgemeiner Gewerkschaftsbund) Mexikos vorbereitete. Die CGT Mexikos hatte bereits im Jahre 1925 einen amerikanischen Arbeiterkongress aller freiheitlich-revolutionären Arbeiterorganisationen nach Panama einberufen, darauf versuchte die FORA einen Kongress nach Buenos Aires im Jahre 1927 einzuberufen, doch beide Versuche scheiterten. Die Delegierten, die zu diesen beiden Zusammenkünften erschienen, waren nicht zahlreich genug, um eine Kontinental-Amerikanischen Arbeiter-Assoziation zu bilden. Der Kongress in Panama konnte nicht stattfinden, weil die Regierung dieses Landes den Delegierten keine Einreiseerlaubnis gab, und nach Buenos Aires konnten auf Grund finanzieller Schwierigkeiten nicht genügend Delegierte kommen. Eine Reise von Mittelamerika nach Südamerika ist so teuer wie eine Reise von Europa nach Amerika.

Auf dem Kongress im Jahre 1929 waren folgende Organisationen vertreten:


Die Internationale Arbeiter Assoziation hatte ihren korrespondierenden Sekretär aus Berlin zum Kongress gesandt.

Der Kongress nahm eine Prinzipienerklärung an, die sich im wesentlichen mit der Prinzipienerklärung der IAA deckt, jedoch den anders gearteten Verhältnissen Amerikas angepasst ist. Als soziale Organisation propagiert diese Prinzipienerklärung  die staatenlose Gesellschaft, die ohne Autorität von unten nach oben aufgebaut sein soll. Sie verwirft alle Monopolrechte und das Besitzmonopol an Grund und Boden sowie Produktionsmitteln. Sie fordert einen freien Menschen in einer freien Gesellschaft.

Als Kampfmittel anerkannte der Kongress die direkte Aktion in allen Formen, Streik, Sabotage, Boykott. Das Eingreifen des Staates bei Arbeitskonflikten wurde in jeder Form abgelehnt. Als Gegenwartsforderungen für die Arbeiterorganisationen wurden aufgestellt: Erkämpfung eines Einheitslohnes, Herabsetzung der Arbeitszeit in größtem Maße, Kampf gegen den Militarismus, Nichtanerkennung der künstlichen Staatsgrenzen, individuelle und kollektive Militärdienstverweigerung, revolutionärer Generalstreik mit allen Folgerungen gegen Kriegsausbruch. Ausübung der Solidarität mit allen Unterdrückten in allen Formen. Unterstützung aller kulturellen Bestrebungen, durch welche die politische Autorität und die wirtschaftlichen Privilegien geschwächt werden können. Hierbei dürfen jedoch nie die Endziele aus dem Auge verloren werden.

Der Kongress nahm auch zu dem wichtigen Einwanderungsproblem Stellung. Die südamerikanischen Regierungen haben Jahre hindurch Propaganda für Einwanderung in ihre Länder gemacht. Dies geschah im Interesse der kapitalistischen Unternehmer, die durch die Anhäufung von Arbeitskräften die Löhne herabsetzen wollten. Der Kongress erließ an die Arbeiter aller Länder, besonders der alten Welt, einen Appell, in welchem er davor warnte, sich von Agenten der kapitalistischen Staaten anwerben zu lassen, denn in den meisten Fällen werden die Versprechungen, die den Arbeitern von den Agenten der Bourgeoisie gemacht werden, nicht eingehalten. Die Einwanderer sind im neuen Lande dem Elend ausgesetzt und gezwungen, ihre Arbeitskraft für jeden Preis zu verkaufen, zu ihrem eigenen Schaden und zum Schaden der organisierten Arbeiter des Landes. Der Kongress beschloss daher die Organisierung eines Vermittlungsdienstes. Die wanderungslustigen Arbeiter sollten sich vor ihrer Auswanderung erst mit den Arbeiterorganisationen ihres Landes in Verbindung setzen, damit diese durch Verbindung mit den Arbeiterorganisationen des Einwanderungslandes die Arbeitsmöglichkeiten und die Aussichten für die Einwanderung prüfen. Dadurch soll erreicht werden, dass die Einwanderer vor Enttäuschungen bewahrt bleiben.

Der Kongress nahm dann auch noch zur Landarbeiterfrage Stellung. Da dieses Problem gerade in Amerika von großer Bedeutung ist, beschloss der Kongress, in den verschiedenen Ländern Südamerikas Erhebungen über die Lage der Landproletarier und über die Möglichkeiten einer Lösung der sozialen Frage auf dem Lande anzustellen. Der Kongress sah ein, dass es für die verschieden gelagerten Verhältnisse in den einzelnen Ländern keine Universallösung gebe, sondern dass in jedem Lande andere Möglichkeiten für den freien Sozialismus vorhanden sind.

Die Kontinental-Amerikanischen Arbeiter-Assoziation erwählte ein Sekretariat, mit dem Sitz in Buenos Aires. Diese Sekretariat gab eine Revue in großem Format von 16 bis 24 Seiten heraus, die anfänglich gratis verteilt wurde. Später wurde ein Exemplar zum billigen Preis von 10 argentinischen Centavos abgeben.

Nach Sturz der Regierung Irigoyen durch den Diktator Uriburu wurde auch in Argentinien die revolutionäre Arbeiterbewegung verfolgt. Das Sekretariat der Kontinental-Amerikanischen Arbeiter-Assoziation musste seinen Sitz nach Montevideo in Uruguay verlegen. Dort hatte es unter schwierigen materiellen Verhältnissen zu leiden, da die uruguayanische Sektion der IAA auf nur schwachen Füßen steht.

Nach dem Fall der Diktatur in Argentinien konnte das Sekretariat der Kontinental-Amerikanischen Arbeiter-Assoziation wieder nach Buenos Aires zurück. Seit September 1932 kann die Revue „La Continental Obrera“ wieder monatlich erscheinen und ihre Propaganda stärker entfalten.

Die Kontinental-Amerikanischen Arbeiter-Assoziation ist der IAA angeschlossen und fasst alle freiheitlich-revolutionären Organisationen Lateinamerikas zusammen. Da die IAA nicht in der Lage ist, von Europa aus die Verbindung mit den vielen Ländern Amerikas so zu pflegen, wie es wünschenswert wäre, wurde die Aufgabe von der KAAA übernommen. Mit der Industrial Workers of the World in Nordamerika konnte es bisher zu keiner Vereinigung kommen. In letzter Zeit haben sich jedoch deutliche Annäherungsversuche von beiden Seiten gezeigt, und man kann damit rechnen, dass in absehbarer Zeit auch mit der IWW eine Vereinigung zustande kommen wird. Die solidarische Zusammenarbeit aller Arbeiterorganisationen im angelsächsischen und lateinischen Amerika ist die Voraussetzung für den Sieg der proletarischen, freiheitlichen Ideen über jede Herrschaft und Ausbeutung in der neuen Welt.

Aus: "I.A.A. 10 Jahre internationaler Klassenkampf / Gedenkschrift zum zehnjährigen Bestehen der Internationalen Arbeiter-Assoziation" / Berlin, 1932

Originaltext: http://syndikalismus.wordpress.com/2011/06/07/geschichte-der-iaa-teil-10/