Syndikalisten auf Spitzbergen

Eine eigenständige IAA- Sektion gab es Mitte der zwanziger Jahre auch in Spitzbergen mit 280 Mitgliedern. Sie nannte sich "Spitzbergens Syndikalistisk Federation" (SSF) mit der Adresse: Box 37 in Tromsö (Nordnorwegen)!

Insgesamt arbeiteten auf Spitzbergen verteilt auf 6 Kohlengruben etwa 1.300 Arbeiter aus vielen verschiedenen Ländern. Die auf dem Festland bisher arbeitlosen Proletarier kamen jeweils für ein halbes Jahr dorthin zur Arbeit, da der Schiffsverkehr von Oktober bis April vollständig eingestellt wurde! Die 650 Km lange Schiffsreise von Tromsö nach Spitzbergen dauerte drei Tage. Die Motivation, überhaupt die Arbeit auf Spitzbergen anzunehmen, wird so beschrieben: "Die Einöde der Landschaft, der ewige Schnee und das Eis zwingen den Arbeiter, in den Baracken zu bleiben, und da keine Gelegenheit da ist, den Lohne auszugeben, so ist er gezwungen, aus der Not eine Tugend zu machen. Er behält das verdiente Geld, und nach einem halben Jahre hat er wirklich eine für einen Proleten respektable Summe beisammen. Das ist die Anziehungskraft, die Spitzbergen vielen Arbeitern bietet." Dort waren sie dann von jeder Verbindung abgeschlossen und mussten bei eisiger Kälte (im Winter zwischen 30-50 Grad unter Null, im kurzen Sommer bis zu 6 Grad über Null) Schwerstarbeit verrichten, während ihre kapitalistischen Gesellschafter (aus Norwegen, Schweden, England, Holland und Russland) sich in wärmeren Gefilden im Sonnenbaden üben konnten. Ihre Unterbringung in erbärmlichen Holzbaracken mussten die Arbeiter mit durchschnittlich einem viertel ihres Tageseinkommens noch selbst bezahlen. Die wenige Freizeit verbrachten die meisten Arbeiter in ihren Baracken, jedoch nutzten einige wenige die freie Zeit, indem sie auf die Polarwolf-und Eisbärenjagd gingen. Jedoch waren diese (erlegten) Tiere das Eigentum der Betreibergesellschaften und mussten folglich abgegeben werden. Gegen aufrührerisches Gedankengut setzten die Kapitalisten Priester ein, verkauften Alkohol (Schnaps), errichteten Bibliotheken "zweifelhaften Charakters", sowie ein Kino und zogen auch Bordelle in Erwägung. Die stärkste Waffe der Kapitalisten, die Sozialdemokratie, kam hingegen nicht zur Wirkung: Denn von den 450 (1/3) organisierten Arbeitern waren 170 in der Schwedischen "Sveriges arbetaren Centralorganisation" (SAC) organisiert (alle in einer Kohlengrube und dort 170 von insgesamt 200 Abeitern!), der Rest (280) in der SSF. Beide Sektionen gehörten der anarcho-syndikalistischen Internationalen Arbeiter Assoziation (IAA) an.

Andere Arbeiterorganisationen außer den beiden Syndikalistischen gab es nicht! So konnte die SSF nach einem Arbeitskampf eine 30 Prozentige Lohnerhöhung durchsetzen, und die hygienischen Arbeitsbedingungen verbessern. Dabei hatten die meist skandinavischen Arbeiter der SSF die holländischen Arbeiter auf ihrer Seite, während die deutschen Arbeiter als Streikbrecher auftraten!

Die "Spitzbergens Syndikalistisk Federation" (SSF) kassierte Mitgliedsbeiträge und vereinte durch den solidarischen Klassenkampf zusammen mit der SAC etwa ein Drittel der Spitzbergischen Arbeiterschaft. Ende der zwanziger Jahre wird die Sektion nicht mehr in der IAA-Mitgliedsliste aufgeführt.

H. (FAU- Bremen)

Quelle:
"Die Internationale - Organ der Internationalen Arbeiter-Assoziation", 1. Jg. (1925), Nr. 4

Aus: "Direkte Aktion" Nr.156 (März/April 2003)

Originaltext von: www.fau-bremen.de.vu