SUF - Die anarchosyndikalistische Jugend Schwedens

Redet man über die SUF (Syndikalistiska Ungdomsförbundet), sollte man Vorsicht walten lassen. Sie ist nicht mit ihrer Vorgängerorganisation zu verwechseln. Obwohl sie sich manchmal mit Stolz als Nachfolgerin der früheren SAC (1) Jugendsektion sieht, überwiegen die Unterschiede. Die alte SUF war ein Teil der SAC und wurde vor allem durch ihre revolutionären Sommercamps und ihre „Roten Fahrrad Patroullien“ bekannt. Diese fuhren damals meist in den Norden Schwedens, um für die SAC zu werben.

Die neue SUF hingegen wurde 1993 als Föderation verschiedener autonomer und anarchistischer Gruppen gegründet. Da sie unabhängig von der SAC blieb, wurde ihr von dieser Seite oft mit Argwohn begegnet. Heute sind sich beide Organisationen deutlich näher und die SUF hat in gewisser Weise den inoffiziellen Status als Jugendorganisation der SAC erworben. Auch wenn das Verhältnis von Ort zu Ort unterschiedlich ist, teilen sich beide Gruppen in der Regel ein Gewerkschaftslokal, verteilen zusammen Flyer oder besetzen gemeinsam Streikposten.

Die Föderation

In der SUF-Föderation gibt es kein zentrales Entscheidungsgremium, welches Macht auf die unabhängigen Ortsgruppen (2)(OGs) ausüben kann. Trotzdem hat die Gesamtföderation die Möglichkeit, Ortsgruppen auszuschließen, was aber solange eine Gruppe nicht inaktiv geworden ist noch nie passierte. Die Verantwortung für die Aufgaben, welche die Föderation am Laufen halten, wird unter verschiedenen Komitees aufgeteilt. Diese werden immer von einer bestimmten Ortsgruppe verwaltet. Beispiele für diese Komitees sind: Das internationale Komitee (Malmö), das sich um die internationale Kommunikation kümmert, das Propaganda-Komitee (Göteburg), das die OGs mit Flyern, Stickern und Plakaten versorgt, die Koordinationsgruppe (Stockholm) koordiniert die interne Kommunikation zwischen den OGs und das Zeitungskomitee (Stockholm), das vier bis fünfmal im Jahr die „Direkt Aktion“ herausgibt. Die Ortsgruppen müssen einen Antrag stellen, wenn sie ein Komitee, eine landesweite Kampagne oder ein Camp vorbereiten bzw. verwalten wollen. Über die Anträge wird auf den Föderationskongressen entschieden. Jede Ortsgruppe hat dabei eine Stimme. Das mögen manche für ein demokratisches Defizit halten, doch da die OGs keinen einheitlichen Umgang mit ihren Mitgliedschaften haben, wäre es schwierig, eine gerechte Stimmenverteilung anhand der Ortsgruppengröße einzuführen.

Die „SUFer“ - Die Mitglieder

Tatsächlich ist es sehr schwer zu sagen, wie viele Mitglieder die SUF genau hat. Es ist nicht unbedingt üblich, dass ein Mitglied offiziell austritt. Normalerweise wird ein Mitglied nach längerer Abwesenheit oder Inaktivität ausgeschlossen. Die personellen Wechsel in den OGs können sehr schnell ablaufen. Betrachtet man aber die Mitgliederzahlen auf föderaler Ebene, liegen diese relativ konstant zwischen 300-600 AktivistInnen. Im Jahr treten also wohl rund 1000 Menschen mit der SUF in Kontakt. Auch sonst erfüllt die SUF eine wichtige Aufgabe für die gesamte linke Bewegung Schwedens, denn sie ist eine ideologisch weitestgehend offene Organisation. Dieser Umstand, und die Tatsache, dass sie eine landesweit stark verbreitete Jugendorganisation ist, macht sie zu einem beliebten „ersten Stop“ in der politischen Karriere linksradikaler Jugendlicher. Sie hat sozusagen eine Anwerbefunktion für die Gesamtbewegung.

Spuren der SUF

Es ist kaum möglich festzuhalten, was die SUF in ihren 20 Jahren Existenz für die (schwedische) ArbeiterInnenklasse und für die revolutionäre Linke generell erreicht hat. Zwar gibt es einige Beispiele von erfolgreichen Organisationen und Kämpfen, die durch die SUF initiiert wurden, diese wuchsen dann aber als eigenständige Organisationen aus ihr heraus. Die Verknüpfungen sind heute kaum noch nachvollziehbar. Im Zentrum der Aktionen stand oft die „auto-reduction“. Eine Taktik, bei der (grob gesagt) die KonsumentInnen hohe Preise für Produkte oder Dienstleistungen selbständig umgehen. Möglich sind dabei u.A. Zahlungsverweigerung oder Diebstahl. Neben Planka (3) ist das auch im Falle der Kunskapsfabriken (Fabrik des Wissens) zu beobachten. Hierfür sammelte ein Komitee der SUF Schulliteratur und verbreitete sie illegal im Internet. Die landesweite Kampagne gegen Ausbeutung im Sommerjob (Sommarjobb.net) ermutigte u.a. jugendliche Angestellte, in ihrem Betrieben zu stehlen. Und die SUF Malmö veranstaltete Kurse zum Thema „Wie bastele ich meine eigene Räubertasche für den Ladendiebstahl“.

Wir haben uns entschieden

Im Wahljahr 2006 passierte dann etwas wirklich Außergewöhnliches: Der öffentlich rechtliche Kanal strahlte eine neue Show namens „Toppkandidaterna“ (“Der Spitzenkandidat”) aus. Junge möchtegern PolitikerInnen traten in zwölf Episoden gegeneinander an. Ziel war es, möglichst viel Unterstützung für das eigene Programm zu erhalten. Der/die GewinnerIn bekam 250.000 SEK (ca. 29.000€), um politische Projekte seiner Wahl zu finanzieren. Es war wahrscheinlich jenseits jeder Vorstellungskraft der ProduzentInnen, dass ein radikaler Aktivist aus dem autonomen Spektrum teilnehmen und gewinnen könnte. Doch genau das geschah. “Toppkandidaterna” wurde nie wieder gesendet, aber die SUF erhielt eine Unterstützung von 100.000 SEK (ca. 11.600€) um die “Osynliga Partiet“ (“Die unsichtbare Partei”) zu starten. Eine Kampagne, die Parlamentswahlen als nutzlos kritisiert und betont, dass die ArbeiterInnen durch ihre gemeinsamen Interessen vereint sind, egal wen sie wählen. Die “Osynliga Partiet” sollte dabei mit den gewerkschaftlichen Kämpfen der SUF in Verbindung gebracht werden. Diese sollten zeigen, dass die Möglichkeit der ArbeiterInnen zur Veränderung der Gesellschaft in wirtschaftlichen Kämpfen liegt. Die Parole lautete: „Die Wahl ist ein Schauspiel, die PolitikerInnen sind Clowns. Wir haben uns bereits entschieden“. Die “Osynliga Partiet” bekam eine Menge Aufmerksamkeit, allerdings verstanden die Medien die Kampagne von Anfang an komplett falsch. Sie behandelten die „Partei“ als eine neue „extremistische Organisation“ und bald waren urkomische Artikel zu lesen, in denen „Experten“ davor warnten, dass sich die “Partei” demnächst für einen Bürgerkrieg bewaffnen würde. “Osynliga Partiet” wurde also ziemlich zum Gegenteil der ursprünglichen Idee. Heute werden sich wohl mehr Menschen an die “Osynliga Partiet” erinnern, als über die SUF Bescheid wissen.

Die SUF im politischen Mainstream

Typisch für die SUF ist wohl ihr halblegaler, anonymer und auch ein bisschen kindisch-übermütiger Ansatz. Die SUF hat den Vorteil, sich in den Mainstream Medien eines doppelten Gesichtes bedienen zu können. Zum einen ist sie eine radikale und revolutionäre Organisation, die sich nicht von Gesetzen oder den Urteilen der Medien einschränken lässt. Zum anderen ist sie aber auch offen genug und geographisch so stark vertreten, um als ernsthafte Alternative zu den Jugendorganisationen der Parteien aufzutreten. Nicht selten hält sie Vorträge an Schulen oder nimmt an öffentlichen Debatten teil. Über die Richtigkeit der Taktiken mag man streiten, doch zeigt sich, dass die organisatorische Form der SUF die Möglichkeit gibt, beides zu tun: Den PolitikerInnen die Fensterscheiben einzuschmeißen UND ihnen öffentlich gegenüberzutreten, von Angesicht zu Angesicht.

Fußnoten:
1.) Sveriges Arbetares Centralorganisation. Anarchosyndikalistische Gewerkschaft Schwedens (gegründet 1910)
2.) Von der SUF “Lokalklubb” genannt. Sinngemäß wird der Begriff mit Ortsgruppe übersetzt.
3.) SchwarzfahrerInnen-Organisation, gegründet 2001 von der SUF Stockholm. Eine ausführliche Beschreibung von Planka findet Ihr auf Seite hier.

Dieser Artikel ist in der elften Ausgabe (November/Dezember 2012) des Schwarzen Kleeblatts erschienen. Eine Übersicht über alle Ausgaben, Artikel und den Downloadbereich findest du hier.

Originaltext: http://schwarzeskleeblatt.blogsport.eu/2012/11/13/wer-steht-noch-wenn-andere-fallen-2/