Krieg - für die Revolution

Die kämpfenden spanischen Massen begreifen heute, jeden Tag mehr, dass sie sich keine Illusionen über fremde Hilfe mehr machen dürfen. Ausser Russland, das nach drei Monaten verzweifelten Kampfes der spanischen Arbeiter gegen italienische und deutsche Waffen im Oktober 1936 endlich zu helfen begann, und ausser dem stamm- und geistesverwandten Mexiko, dessen praktische Möglichkeiten begrenzt sind, hat kein Land sich solidarisch an die Seite des kämpfenden Spanien gestellt.

Die faschistischen Raubstaaten Deutschland, Italien und Portugal haben grosse Armeen nach Spanien geschickt und stehen in direktem Kampf gegen das un-imperialistischste, un-militaristischste der modernen Völker, das nichts als seine Freiheit und eine Ordnung der sozialen Gerechtigkeit will. Die "gesättigten" imperialistischen Mächte aber, die französische und die englische "Demokratie" greifen indirekt zugunsten Francos ein, indem sie dem Antifaschismus jede Unterstützung versagen. Die Arbeiterbewegung aller Länder, in Dreivierteljahrhundert parlamentarischer Politik revolutionär entnervt und moralisch auf den Hund gekommen, ein blosses Anhängsel des "liberalen" Imperialismus ohne eigene Schwerkraft und Aktionsfähigkeit, hat Spanien ebenfalls im Stich gelassen: die Arbeiter Spaniens warfen sich am 19. Juli mit nackten Fäusten den Kanonen und Maschinengewehren der Faschisten entgegen, die marxistischen Massenbewegungen der übrigen Länder schiessen mit papierenen Resolutionen. Anders haben sie es nicht gelernt.

Die spanischen revolutionären Arbeiter sind sich heute darüber klar, dass sie sich nur allein helfen können. Dies aber macht es notwendig, den Tatsachen ins Gesicht zu sehen. Der moderne Krieg hat seine unerbittlichen Gesetze.

Zugleich aber führen die revolutionären Arbeiter Spaniens nur Krieg, um ihre Revolution fortführen zu können. Sie sehen klar, dass mitten im Kriege gegen den Faschismus auf "antifaschistischer" Seite selbst die Konterrevolution ihr Haupt erhebt. In Deutschland war es 1918/19 die Sozialdemokratie, die die Arbeiterrevolution in eine politisch-demokratische umbog. In Spanien heute vertritt die III. Internationale die Sache der bürgerlichen Demokratie. Aber der revolutionäre Teil des spanischen Stadt- und Landproletariats, d.h. die Massen der Konföderation, sind anderer Meinung.

Die Konterrevolution folgt überall und zu allen Zeiten den gleichen Losungen: sie wendet sich gegen die revolutionären Machtorgane des arbeitenden Volkes — in Spanien die Syndikate und die Komitees der Arbeiter — und fordert die Wiederherstellung der zerfallenen Staatsmacht. An anderer Stelle in dem Artikel über Arbeiterkontrolle, zeigen wir dies am Beispiel Deutschlands. Die Deutschen Anarchosyndikalisten Barcelonas nahmen in einer Versammlung zur politischen und militärischen Lage Stellung und fassten im Sinne unserer Darlegungen folgende Resolution:

Resolution der Gruppe DAS

Die Gruppe Deutscher Anarchosyndikalisten von Barcelona (Gruppe DAS) akzeptiert in der Frage der Militarisierung (militarizacion) die Haltung der Mehrheit der konföderalen Milizen und unserer drei spanischen Organisationen: der CNT, der FAI und der Iberischen Föderation der Freiheitlichen Jugend (FIJL). Die antifaschistischen Milizen müssen aus Freiwilligenverbänden lockerer Organisation in straff militärisch aufgebaute Verbände verwandelt werden aus folgenden Gründen:

  1. Der definitive Sieg der Revolution hängt heute vom Gewinnen des Krieges ab. Die Milizorganisation ist militärisch inferior gegenüber modern militärisch disziplinierten, geschulten und geführten Invasionsheeren.
  2. Der Krieg kann nur durch eine Massenmobilisierung gewonnen werden; dabei wird ein neues Heer aufgestellt, das schon rein zahlenmässig den bisherigen Milizen überlegen sein wird und eine reguläre militärische Verfassung braucht.
  3. Die grossen Gefahren dieser Entwicklung (Entwicklung zur Diktatur, Opferung der spanischen Revolution zugunsten der Interessen einer Koalition imperialistischer Mächte) müssen verringert werden durch die allgemeine Politik der CNT und der FAI: Einbauen demokratischer Garantien in das Heer. Erhaltung der grossen konföderalen Kolonnen. Besetzung von Kommandostellen mit Anarchisten. Versuch zur Einigung mit den Arbeitern der UGT von unten auf. Zurückdrängung der politischen Parteien, Kampf gegen die Parole "Alle Macht der Regierung", Ausbau der Macht der Syndikate und ständige Vorbereitung der Arbeiterschaft für alle Aufgaben ihrer totalen sozialen Befreiung.


Aus: Die Soziale Revolution Nr. 7-8, 1937. Digitalisiert von der Anarchistischen Bibliothek und Archiv Wien. Nachbearbeitet (Scanungenauigkeiten entfernt, ä zu ä, That zu Tat usw.) von www.anarchismus.at.