Pilar Grangel - Geistige und handwerkliche Arbeit der Frau

Was bedeutet die Arbeit im Leben der Menschheit? Sie ist eine notwendige Lebensbedingung, mehr noch: unerläßlich, sozial und biologisch.

Leben bedeutet ständige Aktivität, Dynamik. Leben ist nichts anderes als eine Serie von Aktivitäten, von Prozessen, einmal der Angleichung und zum anderen der Abgrenzung, durch die wir die notwendige Entwicklung, unsere Reproduktion erleben. Selbst im eigenen Tod, sogar dann, wenn er wegen fehlender physischer Reserven natürlich wird, sehen wir noch die großen Anstrengungen des Organismus, seine Rückkehr zur Mutter Erde zu verlängern.

Jedes Lebewesen hat nur ein Streben: zu leben, sich zu entwickeln. Um dies zu erreichen, kämpft es ständig mit allen und gegen alle, die ihm seine Lebensmittel, seine Nahrung entreißen wollen. Es weiß, daß es um seine eigene Existenz kämpft. So sind Essen und Kämpfen die geringsten Aktivitäten für jedes Lebewesen, sowohl in der Pflanzenwelt als auch im übrigen Bereich der Zoologie.

Als Lebewesen, das er auch ist, muß der Mensch aktiv sein. Aber seine Aktivität darf sich nicht auf Essen und Kämpfen beschränken, weil er ein intelligentes Wesen ist. Um sein ständig bedrohtes und weniger als bei anderen Lebewesen respektiertes Leben zu verteidigen, reichen seine physischen Kräfte nicht aus. Diesem Mangel, diesem ungleichen Kampf, dem er sich ständig gegenübersieht, muß er mit der Intelligenz wettmachen.

So sehen wir in jedem Kampf, daß die Aktivitäten des Menschen, zu essen und zu kämpfen, im gleichen Augenblick zu Arbeit und Wettbewerb werden.

Mit dem Fortschritt der Zivilisation hat die Arbeit einen hohen Produktionsgrad erreicht, mit dem Erreichen der Freiheit einen hohen Grad an Überwindung.

Zivilisation bedeutet: die Überwindung des Lebens oder besser, der Arbeit; die beständige Entwicklung von der mechanischen Arbeit hin zur Arbeit des Kopfes, damit das Gehirn die Muskeln anleitet und steuert. Das Ergebnis zeigte, daß die Arbeit zu Beginn schmerzhaft war, später zur Gewohnheit wurde, und wenn der Kopf sie steuert, können wir sicher sein, daß sie ein Vergnügen sein wird.

Dann wird es kein soziales Elend geben. Aber dies wird erst eintreten, wenn die Frau, genauso wie sie ihre Arme für die Arbeit zur Verfügung stellte, auch ausreichend gelernt hat, ihre Intelligenz zu geben. Man soll nicht glauben, daß das Problem der Frauenarbeit in irgendeiner Weise ein Wettbewerb der Arme sei, es ist vielmehr ein Durchsetzen von Rechten. Einige glauben, den anderen das Laufen verbieten zu müssen. Die Konsequenzen davon sind ein allgemeines Unbehagen der Menschheit und die moralische Trennung vom Heim.

Die Arbeiterin muß eine Lösung für dieses Problem suchen. Bis jetzt hat es nur die Mittelklasse vom Büro aus nach und nach gelöst. So sehen wir im Augenblick, daß trotz der ernsten Gefahr, die dies in sich birgt, alle Stellen in den Sekretariaten für Stenotypie, Maschinenschreiben usw. von denen wieder besetzt wurden, die auch früher der Bourgeoisie gedient haben.

Sind jetzt, kurz nach dem militärischen Aufstand, nach der italienisch-deutschen Invasion, wo die Schlachtfelder rot vom Blut der Proletarier sind und die kriminelle schwarze Luftwaffe die Straßen der schutzlosen Bevölkerung mit Leichen von Alten und Kindern übersät, sind jetzt nicht die liebevollen Hände der selbstlosen Frauen zur Stelle, die - ohne ihre Arbeit zur Wiederherstellung normaler Verhältnisse im gesellschaftlichen Leben zu verlassen - bei rein männlichen Arbeiten wegen mangelnder Vorbereitung große Energieanstrengungen und Leistungen vollbringen müssen?

Glaubt man denn, daß die Frau nach dem Krieg diese Leistungen von Kraft und Intelligenz vergessen oder verkümmern lassen könnte, die sie erst entdeckt hat, um ihre Unabhängigkeit und Freiheit zu erhalten? Wäre es gerecht, ihr dies wieder zu entreißen?

Nein, Genossen, nein! Die Frau will mit ihren Forderungen nicht gegen Euch kämpfen, sondern mit Euch. Sie will nicht mit Euch konkurrieren, sondern ihre Energien mit Euren zusammen bringen. Denn wenn sich die Frau verteidigt, verteidigt sie auch Euch, und genauso verteidigt Ihr selbst wirtschaftlich das gemeinsame Heim. Physisch verteidigt ihr es allgemein und moralisch. Ihr verteidigt auch allgemein die Zivilisation, und in diesem Rahmen - beim Zusammenwirken von körperlichen und geistigen Kräften - kämpft Ihr gemeinsam für die Arbeit, gegen die Schnorrer und Parasiten; mit der physischen Erziehung gegen die Degeneration der Rassen, gegen die Kraftlosigkeit und Ausbeutung; mit der Kultur gegen die Unwissenheit und für die Zivilisation.

Auf diesen drei Bereichen baut "Mujeres Libres" ihre Arbeit auf: ARBEIT, KULTUR und SPORT.

Genossen! In diesem Kampf könnt Ihr Euch nicht weigern, ihr zu helfen. Weigert Euch nicht! Wenn wir alle mit gegenseitigem Vertrauen arbeiten, wird sich das Leben der Menschheit am besten entwickeln können. Hände und Köpfe - ohne Unterschied der Geschlechter - an das große Werk, das die Rettung der Menschheit bedeuten wird!

Aus: "Mujeres Libres", Nr. 12

Originaltext: Mary Nash: Mujeres Libres. Die freien Frauen in Spanien 1936 - 1978. Karin Kramer Verlag, Berlin 1979. Digitalisiert von www.anarchismus.at mit freundlicher Genehmigung des Freundeskreis Karin Kramer Verlag. Das Copyright des Textes liegt weiterhin beim Karin Kramer Verlag, der Text darf ohne Rückfrage nicht weiter kopiert oder gedruckt werden. Im Karin Kramer Verlag sind zahlreiche Bücher zum Anarchismus erhältlich.