Die Situationistische Internationale - Eine kurze Einführung

"1952...entschlossen sich vier oder fünf wenig empfehlenswerte Personen aus Paris, sich um die Aufhebung der Kunst zu bemühen. Es ergab sich dabei durch die glückliche Konsequenz eines gewagten Marsches auf diesem Weg, daß die alten Verteidigungslinien, die die vorhergehenden Offensiven der sozialen Revolution zerschlagen hatten, sich überschritten und umgangen fanden. So entdeckte man die Gelegenheit für eine weitere Offensive. Diese Aufhebung der Kunst ist die "Nordwestpassage" der Geographie des wahren Lebens, die seit mehr als einem Jahrhundert so oft gesucht worden war, besonders von der modernen sich selbst zerstörenden Poesie. Die vorangegangenen Versuche, in denen so viele Erforscher sich verloren hatten, waren niemals direkt auf eine derartige Perspektive gestoßen: Wahrscheinlich, weil noch etwas in den alten Provinzen der Kunst zu verwüsten übrigblieb, und vor allem, weil die Fahne der Revolution früher von anderen, sachkundigeren Händen gehalten zu werden schien. Jedoch hatte diese Sache niemals vorher eine derart vollständige Niederlage erlitten, noch hatte sie das Schlachtfeld so leer gelassen, wie in dem Moment, als wir antraten, um uns dort aufzustellen." (Guy Debord 1978)

Der hier die Ausgangsbedingungen zusammenfaßte, für das "[beste Unternehmen], was bisher gemacht wurde, um das 20. Jahrhundert zu verlassen", die Situationistische Internationale, war kein Unberufener: Guy Debord hatte sich 1979, sieben Jahre nach der bewußten Zerschlagung dieser Organisation, deren Gründer und Henker er zugleich war, zu Wort gemeldet, um noch einmal die Bedingungen zu skizzieren, unter denen 1967 in Frankreich ein Buch entstehen konnte, welches eine Kritik formulierte, die im Jahr darauf in der Mairevolte praktisch geworden war.

Es war sicher kein Zufall, daß er dies gerade zu diesem Zeitpunkt im Vorwort zur . italienischen Auflage seines Buches "Die Gesellschaft des Spektakels" tat. 1979 legte er besonderen Wert darauf, mit seinem Buch von der italienischen Leserschaft verstanden zu werden, sah er dort doch in der Bewegung der "Arbeiterautonomie" den - nach Frankreich und Portugal - nächsten Zwischenstop eines gewissen Gespenstes in Europa.

Was interssiert daran heute? Die erneut aufgenommene Auseinandersetzung mit der S.I. in den späten 80ern im kunstgeschichtlichen (Roberto Ohrt) und/oder popkulturellen (Greil Marcus) Kontext und die damit einhergehenden Schwerpunktsetzungen schufen ein genießbares Bild dieser Strömung, integrierten sie so in die Welt des Spektakels und killten damit jeglichen revolutionstheoretischen Gebrauchswert. Der Anstand gebietet es aber auch zu erwähnen, daß die mit immensem Fleiß erarbeiteten Bücher neben den Veröffentlichungen der Edition Nautilus überhaupt die Wiederentdeckung der S.I. ermöglichten. Man kommt auch gar nicht an ihnen vorbei und ist auch darauf angewiesen, lange Passagen aus ihren Darstellungen zu übernehmen, will man nicht noch einmal vergleichbaren Forschungsaufwand betreiben.

Trotzdem tut sich beim Abgleich der situationistischen Schriften mit Greil Marcus´ "Lipstick Traces" und Roberto Ohrts 'Phantom Avantgarde' ein tiefer Graben auf, was die Motivation, das Erkenntnisinteressese angeht: hinter den Stand der Kritik und den bedingungslosen Extremismus der S.I. zurückfallend, dienen solche mehr oder weniger wohlwollenden Darstellungen den Schreibenden der Selbstvergewisserung in den vermeintlich ewigen Sphären, worin sie nun mal ihre Brötchen mit der Herstellung von "Sinn" verdienen müssen. Ganz besonders erfüllend wird es dann, wenn der erbärmliche Alltag mit der Produktion von Bildern bestritten werden kann, die zumindest nach Lust und Revolte zu riechen scheinen, wie bei jenem Verhungernden, der in einem Lied von Daily Terror die McDonald's-Reklame ableckt. Die Spezies der Prosituationisten wurde bereits vor über zwanzig Jahren ausführlich charakterisiert. 'Die wirkliche Spaltung in der Internationalen' von 1972 ist nicht nur in dieser Hinsicht gerade heute besonders lesenswert.

Wenn im Folgenden versucht werden soll, die Geschichte einer fast vergessenen Gruppe über rund zwei Jahrzehnte und unter wechselnden Namen zu verfolgen, so nicht um eine weitere Ikone an die Wand zu hängen und ehrfürchtig vor ihr zu erstarren. Es geht ferner auch nicht allein um das Schließen einer Wissenslücke. Es geht viel mehr darum DEN Bezugspunkt wiederherzustellen, an dem subversive Praxis seither anknüpft und zu messen ist - ob sie es weiß oder nicht! Es geht darum das Wissen und das Niveau der Kritik, wie es die Lettristische Internationale und dann nach ihr die Situationistische Internationale erreichten, zur Kenntnis zu nehmen, um zumindest nicht immer hinter den Stand dessen was bereits da ist und was man ganz einfach wissen kann, zurückfallen zu müssen. So abstrakt das auch formuliert ist: es geht tatsächlich darum, die Situationistische Internationale als "Bewußtsein einer neuen Epoche", in ihrer modernen Reformulierung und Anwendung der marxschen Kritik auf unsere Realität bezogen, aufzuheben und sie gerade nicht folkloristisch zu imitieren.

Es wäre nun interessant jenen - kritisch an Avantgardekonzepte anknüpfenden - (anti-)künstlerischen, architekturkritischen Strömungen in der S.I. nachzuspüren, wofür Namen wie Asgar Jorn mit der Gruppe Cobra, Constant und dem M.I.B.I. oder der Gruppe SPUR in Westdeutschland stehen. Ebenso spannend ließe sich anhand der zuletzt Genannten die Vermittlungs- und Wirkungsgeschichte situationistisch inspirierter Kritik von der Kommune I und dem antiautoritären Flügel im SDS, über Spontis und Subrealisten, bis hin zu den Autonomen und (sub)kulturellen Strömungen zu untersuchen. Einen Versuch in diesem Bereich unternahm das Werkbund-Archiv 1991mit dem Katalog zur Ausstellung Nilpferd des Höllischen Urwalds in Berlin. Die darin vorliegende, interessante Textsammlung vermochte jedoch leider nicht die Stringenz in dem situationistischen Ansatz darzustellen, wie ich ihn auszumachen glaube. Auch Raoul Vaneigems radikal hedonistischer, ganz auf Entwicklung von Subjektivität setzender Ansatz ist sicherlich einer genaueren Betrachtung und Kritik wert. Hier soll jedoch nur versucht werden die Geschichte der L.I./S.I. zu skizzieren; als Anregung für die eigene Beschäftigung, bzw. als Beginn einer Debatte. Daß meine Kenntnisse sich vornehmlich durch Lücken auszeichnen, ist mir bewußt; ebenso, daß ich die Story um vornehmlich um Guy Debords Sichtweise zentriere. Irgendwo muß eben mal angefangen werden...

1946 gab Isodore Isou, ein in Paris lebender Rumäne, gerade mal einundzwanzig Jahre alt, die Gründung der Lettristischen Bewegung bekannt. Diese verstand sich als Jugendfront, die sich in Ortsvereinen organisieren sollte. .Ihre zwei Dutzend Mitglieder verkündeten 1948 auf im Quartier Latin verklebten Plakaten optimistisch: "120.000 Jugendliche werden die Straße erobern, um die Lettristische Revolution zu machen." Jedwede ästhetische Disziplin ihrer Zeit sollte revolutioniert werden. Die Sprache sei als kreative Quelle erschöpft, weshalb künstlerische Produktion auf ein "reineres und tiefgründigeres Element des Poesiemachens" (Isou) gründen sollte: den Buchstaben. Figürlichkeit und Abstraktion in der Malerei seien durch Buchstaben und Zeichen zu ersetzen, schließlich müßten alle Disziplinen in einzige Disziplin überführt werden, die Isou Hypergraphologie nannte.

Innerhalb der Lettristen begannen sich zwei gegensätzliche Strömungen herauszubilden: die eine um Isou beschäftigte sich mit Kunst und Ästhetik, die andere hielt es mehr mit dadaistischer "Anti-Kunst" und kultureller Sabotage. Diese zweite Gruppe erreichte in Frankreich einen gewissen Bekanntheitsgrad, als sie anläßich der Ostermesse in Notre Dame 1950, den Priester einschloß und anstatt seiner einen Lettristen auf die Kanzel stellte, der nach dem Nietzsche-Zitat "Gott ist tot" seine Ansprache leider nicht fortsetzen konnte(1) um mit seinen Freunden nur knapp der Lynchjustiz durch die aufgebrachten Gottesdienstbesucher entgehen. 1951 stieß der damals neunzehnjährige Guy-Ernest Debord zu den Lettristen und schloß sich umgehend dem aktionistischen Teil an. Zum offenen Bruch der beiden Flügel kam es als 1952, als Isou eine geplante Störaktion der Pressekonferenz für Charlie Chaplin im Pariser Hotel Ritz vor der Presse verriet(2).Chaplin hatte man sich ausgesucht, weil er, dem Terror der McCarthy-Inquisition entflohen, nun in Europa bereit war, Ehrungen der englischen Königin, wie des französischen Staatsoberhauptes entgegenzunehmen. Die Aktion war auch aufgrund des Verdachtes geplant worden, daß Isou und einige seiner Anhänger eine Karriere oder zumindest ein Auskommen in/mit der Filmbranche anstrebten. Isous Denunziation beseitigte diesbezüglich die letzten Zweifel.

Die sich nun um Gil Wolman und Guy Debord konstituierende Gruppe nannte sich Lettristische Internationale. Michèle Bernstein, die kurz nach der Gründung die L.I. in deren Stammkneipe Moineau, kennenlernte ("...und ich fand meine Leute.. Da waren Alkoholiker, sehr junge Alkoholiker, wie wir alle es waren. Sie kamen nachmittags zusammen und dann gab es Musik, Lärm Gespräche die ganze Nacht")(3), äußerte sich zu den Avantgarde-Wurzeln der L.I.: "Jeder ist ein Kind vieler Väter. Es gibt den Vater, den wir hassten, den Surrealismus und es gab den Vater, den wir liebten: DADA."

Sie bestand aus ehemaligen Studenten, Dichtern und Filmemachern, die es sich untersagten, Kunst zu machen und zu arbeiten. Sie schlugen sich mit Kleinkriminalität und Betteln durch, wobei sie es als Ausdruck wirklich gelebter Kunst ansahen, ohne einen Franc in der Tasche die ganze Nacht durchzutrinken. Die Lettristen propagierten eine an den städtischen Raum gebundene Lebenskunst kämpferischen Stils. Sie wurden durch Selbstmorde, Zwangspsychiatrisierung und Knastaufenthalte dezimiert. Immer wieder versuchten Lettristen - meistens wohl aus Verzweiflung- mittels künstlerischer Produktion nicht nur ihr Auskommen innerhalb der bestehenden Verhältnisse zu finden (was sie alle tun mußten, um überleben zu können) sondern auch ihre Mitgliedschaft bei den Lettristen als Faustpfand für den Start in eine Künstlerkarriere einzubringen. In diesen Fällen wurden sie aus der L.I. ausgeschlossen.

Die L.I. entwickelte bereits die umfassende "Wissenschaft" zur Revolutionierung des Alltags, die mit der Situationistischen Internationale wirkungsmächtig werden sollte: Sie trieben sich in Paris herum. Oder besser: sie ließen sich treiben, "sinnlos", in unbekannten Stadtteilen, nur den momentanen Lüsten und dem Zug der Architektur folgend. "Mit den Bedingungen der städtischen Gesellschaft verbundene experimentelle Verhaltensweise oder Technik des beschleunigten Durchgangs durch verschiedenartige Umgebungen. Im besonderen Sinne auch die Dauer einer ununterbrochenen Ausübung dieses Experimentes", lautete Jahre später die Definition des dérive in der Revue internationale situationniste, dem Organ der Situationistischen Internationalen. Im Umherschweifen entwickelte sich die Psychogeographie, die "Forschung nach den genauen Wirkungen der das Gefühlsverhalten der Individuen unmittelbar beeinflußenden geographischen Umwelt - bewußt eingerichtet oder nicht. Das, was die unmittelbare Wirkung der geographischen Umwelt auf das Gefühlsleben zur Erscheinung bringt." Ganze Straßenzüge wurden peinlich genau darauf untersucht, inwieweit sie zu durchstreifen Unlust, bzw. Freude bereitete. Die Ergebnisse wurden festgehalten und dienten als Grundlage für die Kritik der urbanen Struktur. Anknüpfend an Erkenntnisse Walter Benjamins über die Rückwirkung der von den Menschen gemachten Umgebung auf sie selber, entwickelten die Lettristen den Unitären Urbanismus, die Erarbeitung emotional begründeter Stadtpläne, die als Grundlage zur Konstruktion neuer, utopischer Umgebungen dienen sollte - als grundlegende Kritik der bestehenden Stadtplanung. Der 19jährige Ivan Chtchleglov (alias Gilles Ivain) faßte 1953 mit seinem Formular für einen neuen Urbanismus die Ideen der L.I. zusammen: "Man muß die Ausbreitung des Mißtrauens gegen diese luftigen und kolorierten Kindergärten, die im Westen wie im Osten neue Schlafstätten bilden, unterstützen. Nur wer wach ist, stellt die Frage nach einer bewußten Konstruktion des städtischen Milieus...Wir werden leidenschaftliche Häuser bauen... Ein jeder wird in seiner eigenen Kathedrale wohnen. Es wird Räume geben, die lebhaftere Träume erwachen lassen als jegliche Drogen. Es werden Häuser entstehen, in denen es unmöglich sein wird sich nicht zu verlieben. Andere werden Reisende unüberwindlich anlocken"

Eine wichtige Rolle spielte die Aneignung bzw. Zweckentfremdung (détournement) von vorgefertigten ästhetischen Elementen. Aktuelle bzw. vergangene Kunstproduktionen sollten in eine höhere Konstruktion der Umwelt eingehen. In einem ursprünglichen Sinne war die Zweckentfremdung innerhalb der alten Kulturgebiete eine Propagandamethode, die deren Abnutzung und Verlust an Bedeutung zu erkennen gab. Zur "Reinvestition des Scheins in die Wirklichkeit" (Vaneigem) war die Benutzung jedes vorgefundenen Materials recht, um verdreht und mit unerwarteten Botschaften munitioniert zurückgespuckt zu werden: Comics, Filme, Fotoromane: Massenmedien-Guerilla...

Mit ihrer Kritik der Trennung ging es der L.I. um mehr als nur die Abrechnung mit sich in der Nachkriegszeit durchsetzenden Vorstellungen in Architektur und Stadtplanung, die alle Lebenssphären (Arbeit, Wohnen,Freizeit, Ausbildung...) räumlich weit auseinanderfallend realisierte (im Mai 68 in das Graffitti "metro,boulot, dodo" -Metro, Arbeit, Schlafen- gefaßt).

Mit Marx begriffen die Lettristen Trennung als gleichzeitig konstituierend für den Kapitalismus und als von ihm notwendig immer wieder neu erzeugt: die Totalität der Gesellschaft drückt sich negativ in der Vielzahl von Trennungen, Abspaltungen und Sphären aus; die Trennung von Produzenten und Produktionsmitteln, die Trennung von Produktion und Konsumtion, die Herrschaft des Mangels als notwendige Voraussetzung für die Welt der Waren.

Angeregt durch Henry Lefbvres Kritik des Alltaglebens stand nicht der schrumpfende Arbeitstag im Zentrum der Kritik , sondern die warenförmig organisierte "Freizeit", die Unterhaltung, das Spektakel. "Das Leben lebt nicht, sondern überlebt". Analog zu Marx, der feststellte, daß außerhalb der Arbeitszeit im Kapitalismus nie disponible (i.S.v. frei verfügbare) sondern immer nur überflüssige Zeit anfalle, konstatierte die L.I. Langeweile als vorherrschenden Zustand in der modernen Warenwelt, die in ihrer historisch einmaligen (allerdings eben negativen) Vergesellschaftung gerade die Vereinzelung ihrer Produzenten herstellt.

Das Spektakel ist das in Bilder verkehrte gesellschaftliche Verhältnis von Personen. Die Wahrnehmung von allen vereinzelten Einzelnen läuft über eine Bilderwelt, erzeugt Unzufriedenheit und Unglück. Der potentielle Fakt aller Freiheiten wird durch eine Fiktion falscher Freiheiten ersetzt: genug Geld und Zeit um anzusehen, was es zu sehen gibt, anzusehen, was andere tun. Freizeitkultur schafft Langeweile, produziertsie, verkauft sie, streicht die Profite ein und investiert sie wieder.(4) Daraus ergab sich die lettristische Parole: "Langeweile ist immer konterrevolutionär" und zementiert die "Herrschaft der toten Zeit".

Von dieser Erkenntnis ausgehend leisteten die Lettristen bereits in den frühen 50er Jahren die Kritik am Tourismus: Urlaub sei der Teufelskreis von Entfremdung und Unterjochung, das Symbol der falschen Versprechungen des modernen Lebens.

Das Organ der L.I., mittels dessen sie von 1954-57 "die kollektive und bewußte Etablierung einer neuen Zivilisation" anstrebte, hieß Potlatch. Warum gerade dieser Name? Historisch war das Potlatsch eine Vorform des Warentauschs bei einigen indigenen Stämmen an der nördlichen Pazifikküste der heutigen USA. Ein Würdenträger lud einen anderen ein und überhäufte ihn mit Geschenken. Was dem Gast nicht gefiel - egal ob Sklaven oder andere Reichtümer - wurde zerstört. Der Ruhm des Gastgebers stieg mit dem Maß von Veräußerung, das er "zu Ehren"des Besuchers initiierte. Der "Sinn" lag darin, daß der Gast, durch diese Orgie des Gebens gedemütigt, nun seinerseits selbst ein solches Potlatsch veranstalten mußte,das keinesfalls hinter dem des Herausforderers zurückbleiben durfte, um sein Ansehen wieder herzustellen.

Potlatch steht steht als Versprechen für eine Welt des Überflusses, des überbordenden Reichtums, der unbekümmerten 'Verschwendung' und des Spiels, für die Aufhebung warenförmiger Verkehrsformen; jenseits der Ökonomie, der Zweckgebundeheit und des kleinlichen Aufrechnens von Geben und Nehmen. Potlatch ist hier das Synonym für "die niemals endenwollende Fete" an der die kommende Revolution zu messen sein wird.

Die in der Potlatch verteilten "unverkäuflichen Güter", bestanden aus den bislang unveröffentlichten Wünschen und Fragen der Lettristen. Deren gründliche Analyse durch andere Menschen stellte ein Gegengeschenk dar. Das hektographierte Mitteilungsblatt wurde in einigen Vierteln von Paris verteilt und an wenige Gleichgesinnte in ganz Europa verschickt, zu denen Verbindung gehalten wurde und mit denen man die Debatte führte.

Im Mittelpunkt der Bemühungen der L.I. stand, neben der Publikation von Potlach und einer intensiven Reisetätigkeit, die Entwicklung einer "Praxis-als-ob" -der Antizipation von möglichen entdinglichenden Handlungsmöglichkeiten, stand die Konstruktion von Situationen(5), die Organisation eines erlebten Augenblicks, in Form eines kreativen, leidenschaftlichen Spiels. Es geht um den Aufbau einer vorübergehenden Mikroumgebung und eines Satzes von Ereignissen für einen einzigen Moment im Leben einiger Personen. Die konstruierte Situation soll in den, von der kapitalistischen Zeitökonomie durchgetakteten, Alltag der spektakulären Warengesellschaft kurzzeitig Räume mit einem eigenen Zeitgefüge entstehen lassen. Darin kann sich ein bewußt spielerischer Umgang mit Enttäuschung entwickeln : zum einen Ent-Täuschung als Entdinglichung. Sie entlarvt den Alltag als gemacht, die vermeintliche Naturhaftigkeit des gesellschaftlichen Seins löst sich vorübergehend auf, was defetischisierend wirkt, weil in der konstruierten Situation das eigene Handeln dem Handelnden nicht mehr als fremde Macht gegenübertreten muß, somit durchschaubar wird. Zum anderen stellt die kurze Dauer und die örtliche Begrenztheit des bewußten Erlebens eine Enttäuschung dar, ähnlich dem Erwachen aus einem Drogenrausch (was den Lettristen kein unbekanntes Phänomen gewesen sein dürfte). Mit der Konstruktion von Situationen versuchte die S.I. auf spielerische und experimentelle Weise ein Instrumentarium anzuwenden und weiterzuentwickeln, mittels dessen sich ihr hohes Niveau von Kritik an der totalitären Warenwelt zu einer aufhebenden Praxis überführen ließe.

Als auf 1957 im italienischen Cosio d´Arroscia die Siuationistische Internationale gegründet wurde, waren von der Lettristischen Internationalen nur noch wenige Mitstreiter übriggeblieben. Außer jenen kamen Menschen verschiedener Nationalität aus verschiedenen europäischen Ländern zusammen. Leute, wie z.B. Asger Jorn die seit den 40er Jahren in der kunsttheoretisch und -praktisch tätigen Gruppe COBRA (Copehagen-Brüssel-Amsterdam) gewirkt hatten, welche später in das M.I.B.I.(6) eingegangen war.

Außer in Frankreich hielt die S.I. zeitweilig Sektionen in Algerien, Belgien, Deutschland, Großbritannien, Holland, Italien, Skandinavien und den U.S.A. Tatsächlich gehörten ihr aber über 15 Jahre hinweg nicht mehr als insgesamt 70 Frauen und Männer an.

Die freiwilligen Austritte wurden bei weitem von den Ausschlüssen übertroffen, wobei es bis in die Mitte der 60er Jahre überwiegend um die Fragen von künstlerischer Produktion und revolutionärer Umwälzung des Alltags ging: "In einer klassenlosen Gesellschaft, kann man sagen, wird es keine Maler mehr geben, sondern Situationisten, die unter anderem auch malen", meinte Guy Debord. "Das kommende Kunstwerk ist die Konstruktion eines leidenschaftlichen Lebens."

Der Kampf der zwei Linien

endete mit einem Verdikt über die Kunstproduktion. . Damit rückte der "Umsturz aller Verhältnisse, die den Menschen zum erniedrigten und geknechteten Wesen machen" ins Zentrum des Interesses. Mit ihrer verstärkten Zuwendung zum Tagesgeschehen in Frankreich und in der Welt setzte die S.I. fort, was in der L.I. begonnen worden war. Sie vertiefte und präzisierte ihre, die marxsche Analyse der Verdinglichung und des Warenfetischismus wiederaufnehmende, Kritik an der Realität. Das Rätekonzept der Situationisten wollte der Massenspontaneität jenseits von Parteien oder herkömmlichen Organisationen freien Raum lassen und drängte zur Selbstaufhebung.

"Es ist nicht genug, ein abstraktes Votum für die Macht der Arbeiterräte abzulegen, es gilt ihre konkrete Bedeutung aufzuzeigen: die Aufhebung der Warenproduktion und somit des Proletariats. Die Logik der Ware ist prima und ultima ratio (= erster und letzter Grund; A und O) der gegenwärtigen Gesellschaften, sie ist die Basis auf der sich diese Gesellschaften totalitär-automatisch selbst steuern...In der warenproduzierenden Welt ist die Arbeit nicht auf ein frei gewähltes Ziel gerichtet, sondern von außen bestimmt. Die Gesetze der Wirtschaft scheinen dabei den Charakter von Naturgesetzen anzunehmen - denn ihre Macht beruht einzig darauf, daß sie sich dem Bewußtsein jener entziehen, die nach ihnen handeln. Das Prinzip der Warenproduktion ist der Ich-Verlust in der chaotischen und bewußtlosen Produktion einer Welt, die ihren Produzenten völlig entgeht."

Die S.I. sprach von einem neuen, nicht durch Arbeit oder Verelendung definiertem Proletariat, das aus jedem bestehe, "der keine Macht über den Gebrauch seines Lebens hat und der das weiß". Debord nannte die Phase ab 1963 später die "Periode der Verwirklichung der Politik", aber in einem eigenwilligen, dialektischen Sinne von Selbstabschaffung, Vernichtung. Politik ist die Produktion von scandales, worüber sich die Gesellschaft entrüstet, nicht weil sie als als billige Provokationen daherkommen, sondern die unbewußten Grundlagen thematisieren und in Frage stellen.Die S.I. sieht sich als Zersetzer von Systemen und Institutionen, läßt von der Linken nichts gelten. Die situationistischen Vorstellungen von revolutionären Eingriffsmöglichkeiten waren eng an den städtischen Raum gebunden, ihr historisches Vorbild sahen sie in der Pariser Kommune, dem ersten und bis dahin einzigen urbanen und theoretisch weitreichendsten(7) Revolutionsexperiment. Von der Sowjetunion, China , Kuba oder anderen nationalen Befreiungskämpfen versprach sich die S.I. gar nichts, sah sie doch in den Bürokratien dieser Länder die gleichen feindlichen Prinzipien verwirklicht, wie überall sonst auch - nur rückständiger.

Die Vorstellung, Situationen zu schaffen, die nicht mehr hintergehbar sein sollen, ist ja bereits in der lettristischen Phase angelegt. Solche Situationen sahen sie beispielsweise in den Riots von Watts, den Versammlungen in Berkeley oder den Auseinandersetzungen zwischen Rockern und der Polizei.

Zehn Jahre betreibt die S.I. nur über ein Pariser Postfach zu erreichen marginal ihre Wühlarbeit. In ihrer Revue, der Internationale Situationniste, einem drei Francs teurem Hochglanzmagazin, sagen sie eine Revolte entlang der von ihnen geleisteten Kritik voraus, doch niemand nimmt diese Handvoll Extremisten für voll.

Dann ist 1966 mit einem Schlag ihr Name in aller Munde: Der Skandal an der Straßburger Uni wird zur Generalprobe der Verweigerungen des Mais 1968. Dabei betrieb die S.I. gar keine Studentenpolitik; vielmehr kritisierte sie diese als Selbstbeschränkung auf Milieuprobleme, anstatt auf gesellschaftliche.

Von ihren Seminaren angeödet und der politischen Kleinkrämerei der linksgerichteten Studentenorganisationen überdrüssig geworden kandidierten fünf Studenten im Frühjahr 1966 für den Vorstand des Studentenausschusses an der Straßburger Universität. Die überwältigende Apathie ihrer Kommilitonen brachte es mit sich, daß sie zu ihrer eigenen Überraschung die Wahl gewannen und in dem allgemeinen Desinteresse plötzlich dazu bestimmt waren, die Finanzen des Vorstandes zu verwalten. In den Sommerferien traten Freunde der "Wahlsieger" mit der Situationistischen Internationale ( S.I.) in Verbindung und baten um ein Treffen (8). "Wir haben ein Stück Macht, sagten sie; das wollen wir kaputtmachen" (9) Von der "Zentrale" mit der Erkenntnis munitioniert, daß sie das schon selbst machen müßten entfalteten sie im Herbst kompromißlos Aktivitäten, in deren Folge nicht nur die Universität zu Straßburg aus den Fugen geraten sollte.

Die ihnen anvertrauten Finanzen flossen in 10.000 Exemplare einer erstklassig gedruckten und eingebundenen Broschüre mit dem Titel Über das Elend im Studentenmilieu betrachtet unter seinen ökonomischen, politischen, sexuellen und insbesondere intelektuellen Aspekten und über einige Mittel, diesem abzuhelfen - geschrieben von dem Pariser Situationisten Mustapha Khayati, weil die studentischen Verschwörer sich als unfähig erwiesen hatten, mit einem eigenen Statement an die Öffentlichkeit zu treten. (10)

Die gut geschriebene Broschüre brachte zehn Jahre situationistischer Theoriebildung auf den Punkt, stellte genüßlich und fundiert alle Sicherheiten und Autoritäten in Frage, und zerlegte ganz besonders sorgsam und respektlos die Identität der Studenten.

Mehr noch als der eigentliche Inhalt der Broschüre, die während der feierlichen Semestereröffnung an alle offiziellen Persönlichkeiten verteilt wurde, was schon einer Kriegserklärung gleichkam, verletzte die Tatsache der kaltlächelnd durchgeführten "Veruntreuung" der anvertrauten Finanzen den guten, bürgerlichen Geschmack. Nachdem die Presse sich auf jene mysteriöse Bande namens l´Internationale situationniste eingeschossen hatte, nutzten die Studentenführer die hysterische Berichterstattung in den internationalen Medien, um ihre Publikation überall in Europa zu verbreiten. Gleichzeitig setzten sie eine Urabstimmung über die Auflösung der verfaßten Studentenschaft an, ließen Läden und Kantinen für Studenten links liegen und nötigten die Studenten gleichzeitig, Bücher und Essen zu stehlen.

Während für Mustapha Khayati, der am Schauplatz weilte, die Straßburger Ereignisse ein "kleines Experiment" waren, wertete es die britische Sektion der S.I. als "bescheidenen Versuch, die Praxis herbeizuführen, mit der man die Krise dieser Gesellschaft insgesamt beschleunigen kann. Es wurde eine Situation geschaffen, in der man die Gesellschaft zwang, eine gegen sie gerichtete revolutionäre Kritik zu finanzieren, zu propagieren, in Rundfunk und Fernsehen auszustrahlen und, darüber hinaus, die Kritik durch ihre Reaktionen darauf zu bestätigen.". Nach sechs chaotischen Wochen mischten sich die Gerichte ein, schlossen die Studentenvertretung und enthoben die Fünf von Straßburg aller Ämter. Interessant ist es, an dieser Stelle das Hohe Gericht zu Straßburg zu Wort kommen zu lassen

"...; in Anbetracht dessen, daß man diese von den Beschuldigten verfaßten Broschüren nur zu lesen braucht, um festzustellen, daß diese fünf dem Knabenalter kaum entwachsenen, völlig unerfahrenen Studenten, deren Köpfe von den verschiedensten kaum verdauten philosophischen, gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Theorien vollstecken und nicht wissen, wie sie mit ihrer trüben Alltagsmalaise fertig werden sollen, in vermessenster und lächerlichster Weise und mit unflätigen Worten endgültige Urteile abgeben zu können glauben über ihre Kommilitonen, ihre Professoren, über Gott, die Religionen, den Klerus, die Regierungen und die politischen und gesellschaftlichen Systeme der ganzen Welt; in Anbetracht dessen, daß sie jede Moral, jede gesetzlichen Einschränkung, jeden Besitz ablehnen und den Diebstahl, die Abschaffung des Studiums und der Arbeit, den totalen Umsturz und die endgültige proletarische Weltrevolution proklamieren, damit sie `ohne Hemmungen genießen können´; ..."(11)

Selbst General De Gaulle war schwer empört: "Die `Situationistische Internationale´, die in den wichtigsten Hauptstädten Europas einige Anhänger hat - diese Anarchisten geben sich als Revolutionäre aus und wollen `die Macht übernehmen´, nicht um sie zu erhalten, sondern um Unordnung zu stiften und selbst ihre eigene Autorität zu unterminieren."(12)

Im Jahr nach dem Skandal von Straßburg wurden mehr als 300.000 Exemplare von Über das Elend im Studentenmilieu gedruckt. An Universitäten in ganz Frankreich bildeten sich nach dem Straßburger Vorbild kleine Gruppen und bestürmten die S.I. mit der Bitte nach Instruktionen. Die stets gleichbleibende Auskunft, die aus dem Pariser Headquarter zu erhalten war, forderte Selbsttätigkeit und das Vorantreiben einer Revolte, die sich an den jeweils eigenen Bedürfnissen zu orientieren habe.

Scheinbar belanglose Störungen auf dem Universitätsgelände von Nanterre lösten eine Kette von Verweigerungen aus. Waren es zunächst nur Studenten, die die Sorbonne besetzten, unter ihnen Situationisten und enragés (Sympathisanten des S.I., die sich nach einer radikalen Gruppe aus der Französischen Revolution benannt hatten), den Rat zur Aufrechterhaltung der Besetzungen ins Leben riefen und dazu aufriefen, alle Betriebe und Institutionen zu besetzen, so setzte bald darauf eine in diesem Ausmaß bisher unbekannte Bewegung ein: Fabrikarbeiter, Angestellte, Professoren, Krankenschwestern, Ärzte, Sportler, Busfahrer und Künstler verweigerten die Arbeit, gingen auf die Straße, bauten Barrikaden und schlugen sich mit der Polizei.

Als den "Beginn einer Epoche" wurden die Mai-Ereignisse 1969 in der zwölften und letzten Ausgabe der internationale situationniste bewertet. "..Alles, was bisher von der S.I. bekannt ist, gehört zu einer glücklicherweise abgeschlossenen Epoche...An den aktuellen oder nahen subversiven Strömungen gibt es viel zu kritisieren. Es wäre sehr taktlos, wenn wir diese notwendige Kritik ausüben und gleichzeitig die S.I. unangetastet lassen....Die S.I. muß jetzt ihre Wirksamkeit in einer weiteren Entwicklungsstufe der revolutionären Aktivität beweisen - oder verschwinden." (13)

Seit 1966 hatte die S.I. starken Zulauf erfahren. Dem entsprach aber keineswegs eine verstärkte "Schlagkraft". Vielmehr drohte der S.I. von zwei Seiten Gefahr.(14)

Zum einen scharten sich "Bewunderer", Prosituationisten, um sie, um etwas vom Glanz jener mitzunehmen, die "es schon immer gewußt hatten". ihrer Popularität zu sonnen, aber in Untätigkeit einer reinen spektakulären Fanhaltung verharrten. Außer einer äußeren Imitation und dem Bezeugen guter Absichten kam nichts von ihnen. Sie machten die S.I. zur immer recht habenden Partei, zur Ikone, ließen sie zur Ideologie gerinnen: den Situationismus. Je erfolgreicher die S.I. also wurde, umso enger legte sie sich also die Schlinge des Spektakels, ihren selbst geschaffenen Mythos um den Hals.

Die zweite Gefahr kam aus der Organisation selbst. In dem Maße wie sich die Wirklichkeit hin zu ihrer Kritik entwickelte, um so untätiger, bzw. handlungsunfähiger erwiesen sich Teile der S.I. Als endlich Kompetenz und Selbsttätigkeit an die Stelle von Kritik und Theorie treten konnten, wurden viele Situationisten kontemplativ. Sie taten nichts mehr außer dabei zu sein Es entstand damit eine Hierarchie innerhalb der S.I.: oben die sich leidenschaftlich in die vielfältigen Aufgaben und Möglichkeiten stürzenden Chefs und unten die Prositus in der S.I.. Diesem Herr-Knecht-Verhältnis sollte jedoch, einmal von den Aktiven durchschaut, keine Anerkennung zuteil kommen. Die S.I. wurde von jenen, die sie am Leben erhielten, planmäßig zerstört. Debord, ließ als die internationale situationniste, als keiner der Kontemplativen mehr etwas dazu beitrug, einschlafen. Die Zusammenarbeit mit Revolutionären, die autonom tätig waren, wurde intensiviert. Die S.I. schlich sich aus der Geschichte und damit aus der Gesellschaft des Spektakels. Die interne Debatte 1969-72 führte schließlich zum Ausschluß fast aller noch verbliebenen Mitglieder. Die Verbliebenen lösten die S.I. auf.

"Künftig sind die Situationisten überall, und ihre Aufgabe ist überall. Alle diejenigen, die es zu sein denken, brauchen lediglich den Beweis für die "Wahrheit, i.e. Wirklichkeit und Macht, Diesseitigkeit" ihres Denkens anzutreten, vor der Gesamtheit der proletarischen revolutionären Bewegung, überall dort, wo sie ihre Internationale zu schaffen beginnt; und nicht mehr allein vor der S.I. Was uns betrifft, so brauchen wir in keiner Weise mehr zu garantieren, daß solche Individuen Situationisten sind oder, daß sie keine sind; denn das haben wir nicht mehr nötig, und das war niemals nach unserem Geschmack. Doch die Geschichte ist ein noch strengerer Richter, als die S.I.

Dagegen können wir garantieren, daß diejenigen keine Situationisten mehr sind, die gezwungwn waren, die S.I. zu verlassen, ohne in ihr gefunden zu haben, was sie in ihr zu finden lang und breit versichert haben - die revolutionäre Verwirklichung ihrer selbst - , und die in ihr folglich ganz normal lediglich den Knüppel gefunden haben, um von ihm geschlagen zu werden. Der Begriff selbst des "Situationisten" wurde von uns lediglich deshalb verwandt, um bei der Wiederaufnahme des sozialen Kriegs eine gewisse Anzahl von Perspektiven und Thesen durchzubringen. Jetzt, wo das geschehen ist, mag dieses situationistische Etikett in einer Zeit, die noch Etiketten braucht, gut für die Revolution einer Epoche bleiben, aber auf ganz andere Weise. Wie im übrigen eine gewisse Anzahl von Situationisten Veranlassung finden mag, sich unmittelbar untereinander zu assoziieren - und zwar zunächst für die aktuelle Aufgabe des Übergangs aus der ersten Periode der von den Massen aufgenommenen revolutionären Parolen zu dem geschichtlichen Begreifen der Gesamtheit der Theorie und zu ihrer notwendigen Entwicklung -, das werden die Modalitäten des Kampfs bestimmen und kein organisatorischer Apriorismus."

Fußnoten:
(1) Der vollständige Text der nie Die Aktion war aufgrund des Verdachtes geplant worden, daß Isou und seine Anhänger eine Karriere oder zumindest ein Auskommen in/mit der Filmbranche anstrebten. Isous Denunziation beseitigte diesbezüglich die letzten Zweifel. Chaplin hatte man sich ausgesucht, weil er, dem Terror der McCarthy-Inquisition entflohen, nun in Europa bereit war, Ehrungen der englischen Königin, wie des französischen Staatsoberhauptes entgegenzunehmen.fertig gehaltenen Rede ist nachzulesen in: Greil Marcus, Lipstick Traces, Hamburg 1992, S. 289
(2) Roberto Ohrt, Phantom Avantgarde, Hamburg 1990 S.59
(3) Ohrt, Phantom, S. 52f.
Für Debord waren die Jahre im Moineau in ihrer ganzen Hoffnungslosigkeit später immer DER Fokus in der Entwicklung von Kritik und Einübung revolutionärer Praxis, auf den er sich geradezu schwärmerisch bezog, Es wurde ihm seit jener Zeit, neben der ernichts gelten ließ, eine tiefe Traurigkeit attestiert, die sich durch alle seine späteren Texte und Skripte verfolgen läßt. Siehe hierzu auch das Interview von Diedrich Diederichsen mit Roberto Ohrt in: Texte zur Kunst 1, Köln 1990, S. 127-37
(4) Marcus, Traces, S.56
(5) Zwischen der Ruhe und der Handlung liegt die Situation als ein Übergangsstadium, bei dem es nicht verbleiben kann. Situation und Geschwindigkeit sind zwei einander entgegengesetzte Aspekte. Um den situationistischen Aspekt zu bewahren, muß die Geschwindigkeit gebrochen werden. Etwas in eine Bewegung versetzen bedeutet an einer Bewegung teilnehmen, indem sich ihr widersetzt wird, indem Widerstände eingeführt werden, die Abweichungen und Veränderungen in der Bewegung erzeugen, die sie umstürzen, die sie in Geschehen verwandeln.
(6) Mouvement internationale pour un Bauhaus imaginiste (= internationale Bewegung für ein imaginäres Bauhaus). Parallel zu den architekturkritischen Positionen der L. I. hatte sich eine künstlerische Produktion weg von der Malerei, hin zur Kritik der Lebensbedingungen entwickelt. Anknüpfend an den Vorstellungen des Bauhauses in Dessau während der 20er Jahre, verdammte man die städtebaulichen Positionen LeCorbusiers und wollte die Ideen des Bauhauses auf modernem Niveau wiederbeleben.
(7) So hat Marx nach der Niederlage der Commune sehr viel Zeit in die Auswertung investiert. Für ihn waren die Ereignisse 1870/71 exemplarisch, da sie in der Hauptstadt eines der entwickelsten kapitalistischen Länder stattgefunden hatten. Auch Lenin sah in den Pariser Ereignissen einen Pool an Erfahrungen, mittels dessen er Fehler bei seinem revolutionären Projekt in Rußland vermeiden wollte.
Siehe auch "Über die Pariser Kommune" von Debord, Kotanyi, Vaneigem (18. März 1962) in: S.I. Nr 12
ISituationistische Internationale Band 2, S. 456-59
(8) Die S.I. agierte nicht gerne in der Öffentlichkeit. Kontakte ließen sich mit ihr nur über ein Pariser Postfach aufnehmen.
(9) Marcus, Traces, S.431
(10) Das Elend der Studierenden, Berlin 1968, S. 23
(11) Werkbund-Archiv, Nilpferd, S. 180 [Die Hervorhebungen sind von mir]
(12) aus "Aurore", 16.11.66, zitiert nach: Werkbund-Archiv, Nilpferd, S. 181 [ Die Hervorhebungen sind von mir]
(13) Situationistische Internationale 1958-1969, Gesammelte Ausgaben des Organs der Situationistischen Internationale. Deutsche Erstausgabe, Hamburg 1977, Band 2, S.461
(14) Die folgende Darstellung übernehme aus: Die wirkliche Spaltung in der Internationalen. Öffentliches Zirkular, Düsseldorf 1973. Das abschließende Zitat ist die 53. These.

Originaltext: http://www.trend.infopartisan.net/trd0499/t080499.html, auch http://www.oocities.org/wiederaneignung/si_allg.htm