Subcomandante Marcos - Die Geschwindigkeit der Träume (2004)

Teil 1: Stiefel

Die Dämmerung kennt keine Eile in den Bergen des mexikanischen Südostens. Als ob sie alle Zeit der Welt hätte, erfreut sie sich an jeder einzelnen Ecke wie ein geduldiger und hingebungsvoller Liebhaber. Der Nebel ist grenzenlos mit seinem langen Wolkenkleid und schafft es, selbst das willensstärkste Licht zu dämpfen. Er belagert es, umzingelt es mit seiner schneeweißen Mauer, umgibt es in einem diffusen Ring. Aus der Mitte des Himmels zieht sich der Mond zurück. Eine Rauchsäule verschmilzt mit dem Nebel, langsam, genauso träge wie die Wolke, die die verstreuten Hütten in ihren weiten Röcken birgt. Alle schlafen. Alle außer dem Schatten. Alle träumen. Ganz besonders der Schatten. Und sobald er seine Hand ausstreckt, fängt er eine Frage.

Was ist die Geschwindigkeit von Träumen?

Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es... Aber nein, ich weiß es nicht.
Die Wahrheit ist, daß man hier alles im Kollektiv weiß.
Wir wissen zum Beispiel, daß wir uns im Krieg befinden. Und ich meine nicht den wirklichen zapatistischen Krieg, der die Blutrünstigkeit einiger Medien und "linker" Intellektueller noch nicht gänzlich befriedigt hat. Die so besessen sind, die ersteren von der Zahl an Toten, Verletzten und Verschwundenen, und die letzteren davon, Tode in Fehler zu übersetzen, "weil sie nicht das getan haben, was ich ihnen sagte."

Es ist nicht nur das. Ich spreche auch von dem, was wir als den "Vierten Weltkrieg" bezeichnen, der vom Neoliberalismus gegen die Menschheit ausgetragen wird. Der Krieg, der an allen Fronten und überall ausgetragen wird, einschließlich den Bergen des mexikanischen Südostens. Genauso wie in Palästina und im Irak, in Tschetschenien und auf dem Balkan, im Sudan und in Afghanistan, mit mehr oder weniger regulären Armeen. Der Krieg, der vom Fundamentalismus beider Parteien in alle Ecken des Planeten getragen wird. Der Krieg, der in seiner nicht-militärischen Form Opfer in Lateinamerika, Sozialeuropa, Asien, Afrika, Australien und im Nahen Osten fordert, mit Finanzbomben, die ganze Nationalstaaten und internationale Institutionen in kleine Trümmer zerfallen lassen.

Der Krieg, der (darauf bestehe ich, tendenziell) versucht, Länder zu zerstören / entvölkern / lokale, regionale und nationale Landkarten umzuformen und neu zu ordnen und durch Blut und Feuer eine neue Weltkartographie zu erschaffen. Der Krieg, der seine Unterschrift auf seiner Spur zurückläßt: den Tod.

Vielleicht sollte die Frage "Was ist die Geschwindigkeit von Träumen" begleitet werden von der Frage "Was ist die Geschwindigkeit von Alpträumen?"

Nur einige Wochen vor den terroristischen Attacken vom 11. März in Spanien lobte ein mexikanischer Journalist-Analytiker (einer von denen, die für Zuckerstückchen in lächerliche Lobgesänge ausbrechen) die "Staatsvision" von Jose Maria Aznar.

Der Analytiker sagte, daß Aznar durch seine Unterstützung für die Vereinigten Staaten und Großbritannien im Irakkrieg vielversprechendes Terrain für die spanische Wirtschaft gewonnen hätte und die einzigen Kosten, die er dafür zu tragen hätte, wäre die Ablehnung eines "geringen" Anteils der spanischen Bevölkerung, "den Radikalen, die nirgends fehlen, nicht einmal in einer so heiteren Gesellschaft wie der Spanischen," so der "Analytiker". Er bemerkte weiter, Spanien würde nur noch eine Weile warten müssen, bis das Geschäft mit dem Wiederaufbau des Iraks losgeht, und dann, ja, dann würde es ganze Wagenladungen von Geld kassieren. Kurzum, ein Traum.

Es dauerte nicht lange bis die Realität den wahren Preis für Aznars "Staatsvision" einforderte. An diesem Morgen des 11. März wurde die Tatsache, daß der Irak nicht im Irak ist, wahr. Ich meine, der Irak ist nicht nur im Irak, sondern auf der ganzen Welt. Kurzum, das Atocha-Station als Synonym für Alptraum.

Schon davor war der Alptraum der Traum gewesen, aber es war ein neoliberaler Traum. Der Krieg gegen den Irak war schon eine ganze Weile vor den terroristischen Attacken des 11. Septembers 2001 in den Vereinigten Staaten in Gang gesetzt worden.

Um zurück zum Anfang zu gelangen, gibt es nichts Besseres als ein Foto: Flacher, rötlicher Boden. Es sieht hart aus. Vielleicht Lehm oder irgend etwas ähnliches. Ein Stiefel. Alleine, ohne Gegenstück. Verlassen. Ohne ein Fuß, der ihn trägt. Irgendein Stück verstreuten Schutts. Der Stiefel sieht sogar aus wie ein weiteres Trümmerteil. Das ist alles, was die Aufnahme zeigt, und daher ist sie auch der Boden des Bildes, das erklärt, worum es im Irak geht. Das Datum? September 2004. Man kann nicht erkennen, ob der Stiefel von einem Toten stammt, ob er auf der Flucht zurückgelassen oder nur einfach weggeworfen wurde. Man weiß auch nicht, ob er einem US- oder britischen Soldaten gehörte, einem irakischen Zivilisten oder einem Zivilisten aus einem anderen Land. Dennoch, trotz des Mangels an Information vermittelt die Aufnahme ein Bild davon, was Bushs "Nachkriegs-Irak" auszeichnet: Gewalt, Tod, Zerstörung, Verwüstung, Verwirrung, Chaos.

Alles ein neoliberales Programm

Nachdem die falschen Argumente, daß der Krieg gegen den Irak ein Krieg "gegen den Terrorismus" sei, zusammengestürzt sind, zeigen sich jetzt die wahren Gründe, mehr als ein Jahr nachdem Husseins Statue mit Hilfe der US-Panzer gestürzt wurde und ein euphorischer Bush eine eigene Statue errichtete und den Krieg für beendet erklärte. (Anscheinend hat der irakische Widerstand Bushs Botschaft nicht gehört: Die Zahl der getöteten und verletzten US- und britischen Soldaten ist seit "Ende des Krieges" nur gestiegen, und nun kommen die Verluste von Zivilisten verschiedener Nationalitäten hinzu.)

Die neokonservative Ideologie in den Vereinigten Staaten hat einen Traum: die Errichtung eines neoliberalen "Disneylands." Anstelle eines "Modelldorfes", einer Reflektion der Handbücher zur Aufstandsbekämpfung aus den 60er Jahren, soll eine "Modellnation" errichtet werden. Das Land des antiken Babylon wurde dafür ausgesucht.

Der Traum, ein "Beispiel" dessen zu errichten, wie die Welt sein sollte (immer nach Ansicht der Neoliberalen), wurde angetrieben vom "höchsten Glauben der ideologischen Architekten des Krieges (gegen den Irak): daß Gier gut ist. Nicht nur für sie und ihre Freunde, sondern gut für die Menschheit, und ganz sicher gut für die irakische Bevölkerung. Gier erzeugt Profite, die Wachstum erzeugen, das wiederum Jobs, Produkte und Dienstleistungen und alles andere erzeugt, was jemand brauchen oder sich nur wünschen könnte.

Die Rolle einer guten Regierung besteht darin, die optimalen Bedingungen zu schaffen, damit Konzerne ihrer bodenlosen Gier nachgehen können, um so ihrerseits die Bedürfnisse der Gesellschaft zu stillen.

Das Problem ist, daß Regierungen, sogar neokonservative Regierungen, nur selten Gelegenheit haben, den Wahrheitsgehalt ihrer heiligen Theorie zu beweisen: trotz ihrer enormen ideologischen Bemühungen, werden sogar George Bushs Republikaner, ihrer eigenen Ansicht nach, ständig von sich einmischenden Demokraten, halsstarrigen Gewerkschaften und schwarzseherischen Umweltschützern sabotiert. Der Irak wird das alles ändern. Die Theorie wird endlich irgendwo auf der Welt in die Praxis umgesetzt werden können, in ihrer perfektesten und reinsten Form.

Ein Land von 25 Millionen Einwohnern würde nicht so wiedererbaut werden, wie es vor dem Krieg bestanden hat. An seiner Stelle würde eine schillernde Schaubühne für laissez-faire Politiker entstehen, eine Utopie, wie die Welt sie nie gesehen hat." ("Baghdad Year Zero. The Pillage of Iraq After a Neo-conservative Utopia", Naomi Klein; in: Harper's Magazine, September 2004.)

Statt dessen ist der Irak tatsächlich ein Beispiel, aber ein Beispiel dessen, was die ganze Welt erwartet, wenn die Neoliberalen den großen Krieg gewinnen, den Vierten Weltkrieg: Arbeitslosigkeit von fast 70%, paralysierte Industrie und Handel, eine exorbitante Steigerung der Auslandsschulden, Explosionssichere Mauern überall, Bürgerkriege, die exponentielle Zunahme von Fundamentalismus und der Export des Terrorismus auf den ganzen Planeten.

Ich werde Sie nicht mit etwas überschütten, was täglich in den Nachrichten erscheint: militärische Offensiven der Koalition (in einem Krieg der "bereits geendet hat", die Mobilisierung des irakischen Widerstandes, Angriffe auf militärische und zivile Ziele, Entführungen, Hinrichtungen, erneute Offensiven der Koalition, erneute Mobilisierungen des irakischen Widerstandes, etcetera. Ich bin sicher, Sie können Unmengen solcher Informationen aus der internationalen Presse bekommen. Die beste Quelle auf Spanisch ist zweifellos die mexikanische Tageszeitung "La Jornada", die einige der ernsthaftesten und bestinformierten Analytiker zum Thema Irak aufbieten kann.

In Wahrheit haben wir dieses Video an anderen Orten gesehen und werden es weiterhin sehen: Tschetschenien, der Balkan, Palästina und Sudan sind nur einzelne Beispiele dieses Krieges, der Nationen zerstört, um zu versuchen, sie in Paradiese "umzustrukturieren" und sie letzten Endes in Höllen verwandelt.

Ein verlassener Stiefel auf dem Grund des "befreiten" Iraks, faßt die neue Weltordnung zusammen: die Vernichtung von Nationen, die Ausradierung jeder Spur von Menschlichkeit, Rekonstruktion als die chaotische Neuordnung der Trümmer einer Zivilisation.

Es gibt jedoch andere Stiefel, auch wenn es nur wenige sind

Kaputte Stiefel. Abgetragene Stiefel. Ja, die Stiefel von Insurgenta Erika sind abgetragen. Die Sohle löst sich von der rechten Fußspitze ab, was dem Stiefel den Anschein eines unzufriedenen Mundes verleiht. Die Zehen sind noch nicht zu sehen, und deshalb scheint Erika noch nicht begriffen zu haben, daß ihre Stiefel abgetragen sind, besonders der rechte.

Seit den ersten Tagen in den Bergen, habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, nach unten zu sehen. Fußbekleidung gehört oft zu den Träumen / Alpträumen eines Guerillero (andere Träume? Zucker, trockene Füße, und andere, eher feuchte), da er ihnen einen großen Teil seiner Aufmerksamkeit widmet. Vielleicht stammt daher die Besessenheit, dauernd auf die Füße anderer Leute zu starren.

Insurgenta Erika ist gekommen, um mir mitzuteilen, daß sie mit der Bearbeitung der Geschichte der "Magischen Orange" fertig sind (die neueste Produktion von Radio Insurgente, in der es darum geht, daß … nun, am besten hören Sie es sich selbst an). Ich antworte ihr, daß ihr Stiefel abgetragen sei. Sie senkt ihren Blick und sagt mir "Deiner auch". Sie salutiert und geht weg.

Erika wird sich umziehen, weil zwei Mannschaften von Insurgentas gleich Fußball spielen werden. Eine Mannschaft nennt sich "8. März", die andere "Die Prinzessinnen der Selva". Ich verstehe nicht viel von Fußball, aber soweit ich das sehe, spielen die "Prinzessinnen" einen Stil, der ziemlich weitab von den guten Manieren des Corte Real steht, und die vom "8. März" spielen wie der Aufstand vom 1. Januar.

In anderen Worten, ziemlich viele von ihnen enden in der aufständischen Krankenstation. Eigentlich halten die medizinischen Assistenten bei jedem Spiel die Tragbare auf einer Seite des Feldes bereit. "Damit wir nicht immer umkehren müssen", sagen sie.

Das Spiel endete unentschieden. Oder die Insurgentas zogen beim Fußball gleich. Sie gingen in die Verlängerung, und erreichten den Schlußpfiff, ohne den Gleichstand zu brechen. Insurgenta Erika kam und sagte mir folgendes. Erika ist die Liebesberaterin unter den Insurgentas, aber dieses Mal kam sie nicht, um mir zu sagen, daß eine Compañera "Herzweh" vor Liebeskummer hätte, sondern daß das Spiel jetzt zu Ende sei und sie nun losziehen würde, um in den Dörfern einen Vortrag zu halten, spezifischer, für die Frauen in den Dörfern. Sie ging als Zivilistin, bzw. in Zivilkleidung. Na ja, zumindest sagte sie das. Ich sah nämlich, daß sie Stiefel aus den zapatistischen Werkstätten trug, und die hatten auf einer Seite "EZLN" eingeschweißt.

"Hmm, wenn Du diese Stiefel tragen willst, solltest Du lieber die ganze Uniform anziehen," sagte ich ihr, und versuchte, sarkastisch zu sein. Erika ging weg. Sie kehrte kurz darauf in ihrer Uniform zurück. "Wo gehst Du hin?" fragte ich sie. "Ins Dorf," antwortete sie. "Aber wieso gehst Du in Uniform?" fragte / schalt ich sie. "Weil Du es mir gesagt hast," sagte sie. Ich begriff, daß es nutzlos wäre zu versuchen, die Qualität subtiler Ironie zu erklären und ordnete nur an: "Nein, zieh Zivilkleidung an und nimm diese Stiefel ab." Sie ging weg. Kurz darauf kehrte sie wieder, in Zivilkleidung und barfuß. Ich seufzte. Was konnte ich sonst tun?

Glauben Sie Erika nicht. Mein Stiefel ist nicht abgetragen. Die Naht reißt auseinander, was nicht das gleiche ist. Außerdem ist eine Öse abgerissen, deshalb sehen die Schnürsenkel so verwickelt aus wie das politische System unter dem Neoliberalismus: Es ist ein Durcheinander, und man kann rechts nicht von links unterscheiden. Ich war gerade dabei, das Rolando zu erklären, und was glauben Sie, wer da erschien.

Erste Generation Toñita oder Toñita I (sie, die sich weigerte, mir einen Kuß zu geben, weil ich "zu stachlig" war, sie mit der kleinen zerbrochenen Tasse, sie mit der Puppe aus einem Maiskolben) ist nun 15 Jahre alt. Oder "sie hat aufgehört, 14 zu sein, aber sie ist jetzt 15 und geht auf die 16 zu", erzählt mir ihr Papa, einer der ältesten zapatistischen Verantwortlichen.

Ich stimme zu, ohne zu gestehen, daß ich die höhere Mathematik, die die Kalender der zapatistischen Gemeinden im Widerstand beherrscht, nie verstanden habe. (Nach dem vergeblichen Versuch sie mir zu erklären gab Monarca auf und sagte nur: "Ich denke, es ist nur einfach unsere Art, die sehr anders ist").

Der Papa von Toñita I (oder Erste Generation Toñita) war gekommen, damit ich sie sehen konnte, weil ich sie seit mehr als 10 Jahren nicht mehr gesehen hatte. Zehn Jahre waren nicht umsonst vergangen, da Toñita I sich nicht nur nicht weigerte, mich zu küssen, sondern mich auch ohne ein Wort umarmte und einen Kuß auf die gefütterte Backe meiner Skimaske aufdrückte und dann in allen Farben errötete (Toñita I, nicht die Skimaske). Ich sagte gar nichts, aber ich dachte "Hmm, ich mach mich nicht gut dieses Jahr, und ich habe die Skimaske nicht mal abgenommen um mich zu waschen."

Dann zog Toñita I ein Paar Stiefel aus ihrem Rucksack und zog sie an. Ich wollte sie fragen, wieso sie ihre Stiefel anzog nachdem sie sechs Stunden lang aus ihrem Dorf bis hierher barfuß marschiert war, aber Toñita sprach zuerst, und fragte mich, ob sie "dorthin" gehen könnte - und zeigte dabei auf eine Gruppe Insurgentas. Toñita I weiß, was ein Kuß zuwege bringt, auch wenn nur auf eine Skimaske, also wartete sie eine Antwort gar nicht erst ab und zog los.

Während Toñita I hinüberlief um zu fragen ob sie beim Fußballspiel mitmachen durfte, berichtete mir ihr Papa über ihr Dorf (das ich immer insgeheim "Stürmische Höhen" genannt habe, aber nur wenn ich außer Hörweite war). Ich hatte auf Toñitas I linken Arm die Narbe gesehen, die von einem Kratzer stammte, und fragte ihn danach.
Toñitas Papa erzählte mir, daß ein junger Mann aus dem Dorf mit ihr zu den Latrinen wollte. (Anmerkung: ich sollte dem unwahrscheinlichen Leser dieser Zeilen wohl erklären, daß die Latrine in einigen Dörfer nicht nur die üblichen stinkenden Hygienezwecke erfüllt, sondern oft auch Treffpunkt für Liebespaare ist. Nicht wenige Ehen in den Gemeinden sind aus dem romantischen Schauplatz der Latrine hervorgegangen. Ende der Anmerkung). Es war so, daß Toñita I nicht auf die Latrine wollte.

"Es hat ihr nicht gefallen" teilte mir ihr Papa mit. Und dann versuchte der Junge, sie zu zwingen, und dann, "da es ihr nicht gefallen hat" - wiederholte ihr Papa - brach ein Kampf aus. Toñita konnte davonkommen, aber dann wurde, wie man das so schön sagt, die Sache publik und erreichte die Dorfversammlung.

Toñitas Papa erzählte mir, daß sie sie ins Gefängnis stecken wollten. Ich unterbrach ihn: "Aber warum denn, wenn sie angegriffen wurde und sogar einen Kratzer am Arm hatte?" "Ah, Sup, Du hättest mal sehen sollen, wie der jungen Mann zugerichtet war", sagte mir der Papa. "Sie hat ihn komplett umgenietet. Toñita ist, wie man das so schön sagt, sehr grimmig."

Toñita hat zusätzlich zu einem attraktiven Gesicht, eine kräftige Figur, oder - wie kann ich das am besten erklären? - nun, um am besten verständlich zu werden, werde ich nur einfach sagen, daß Rolando sie in der zapatistischen Fußballmannschaft als Mittelfeldspieler haben wollte.

"Aber die Mannschaft der Insurgentas ist schon komplett," sagte ich zu Rolando. Er meinte nur: "Die Mannschaft der Insurgentas vielleicht schon, aber ich wollte sie für die Männermannschaft." Genau in dem Augenblick zogen die Leute von der medizinischen Einheit mit zwei ziemlich mitgenommenen Insurgentas vorbei. Toñita weinte, weil die Mannschaft ihretwegen zwei Strafstöße kassiert hatte. Ich verstand, was Rolando meinte, drehte mich zu ihrem Papa um und fragte ihn: "Hat Toñita nicht mal erwähnt, ob sie eine Insurgenta werden möchte?"
Toñita I zog ihre Stiefel aus und packte sie in den Rucksack. Sie zog mit ihrem Papa davon, barfuß.

Nicht lange danach erschien in Begleitung ihrer Mutter Zweite Generation Toñita oder Toñita II. Die Mama von Toñita II oder Zweite Generation Toñita heißt Elena. Sie ist eine aufständische medizinische Leutnant und rettete im Januar 1994 das Leben vieler Insurgentas und Milicianos, die in den Gefechten von Ocosingo verwundet wurden. In einem mehr als bescheidenen Feldhospital operierte Elena Schußverletzungen und schnitt Schrapnellsplitter aus den Körpern von Zapatisten heraus. "Eine Compa ist gestorben," sagte sie, als sie Bericht erstattete. Sie erwähnte nicht die mehr als 30 Soldaten, die sie gerettet hatte und die nun in der Umgebung leben und kämpfen.

Toñita II ist drei Jahre alt. "Oder sie hat die Zwei beendet und geht auf die Vier zu?" fragte ich, um Elenas Erklärung zuvorzukommen. Sie lachte. Elena lachte, meine ich. Toñita II kreischte nämlich mit einer Lautstärke, die einen ernsteren Grund verdient hätte. Und so setzte ich mein kokettestes Gesicht auf (Nr. 7 aus meinem exklusiven "Katalog verführerischer Blicke") und bat sie um einen Kuß. Toñita II sagte nicht einem "zu stachelig" (nicht einmal eine verbesserte Version), sie brach nur in ein so vehementes Geheul aus, daß eine ganze Gruppe Insurgentas sich um sie versammelte, um ihr Karamelbonbons anzubieten, eine kleine Tasche mit einem Kaninchengesicht (obwohl es für mich mehr nach Stinktier aussah - die Tasche natürlich), und sie sangen ihr sogar das eine Lied über das kleine Zicklein vor, das bei zapatistischen Jungen und Mädchen so ungemein beliebt ist.

"Sie mögen Dich nicht," sagte mir Major Irma, um die Sache schlimmer zu machen. Ich antwortete: "Pah, sie ist verrückt nach mir" und tat so, als ob mein Herz nicht gebrochen wäre.
Beim Verlassen des Ladens drückte mir Rolando eine Nadel und eine Rolle Nylonfaden in die Hand.
Jetzt, in der Hütte des EZLN-Generalkommandos, wundere ich mich...
Ich kenne weder die Geschwindigkeit der Träume, noch weiß ich, ob ich meine Stiefel ausbessern soll oder mein Herz.

aus den Bergen des mexikanischen Südosten.
Subcomandante Insurgente Marcos

 

Teil 2: Schuhe, Sneaker, Flip-Flops, Sandalen und hohe Absätze

September ist der neunte Monat des Jahres, und oben sieht der Mond aus, als hätte er ein Bäuchlein. Er errötet sogar ein wenig, als er sich nach Westen hin fallen läßt. Der Regen und die Wolken treten fast in Erscheinung, aber werden faul und bleiben hinter dem Berg, der sich nach Osten hin erhebt. Unten singt Tania Libertad auf dem kleinen Kassettenrekorder dieses Lied, das lautet, "sie werden uns den Weg nicht versperren (…) wir werden wachsen trotz des Herbstes." Verschmolzen im Schatten schreibt der Schatten einen Brief. Nach "Zapatistische Armee etcetera" und dem Datum, September 2004, kann man lesen...

An: Pierluigi Sullo
Redaktionsbüro der Wochenzeitschrift "Carta"
Italien, Europäischer Kontinent, Planet Erde

Pedro Luis, Bruder:

Grüße aus den Bergen des mexikanischen Südostens. Wahrscheinlich findest Du den "Pedro Luis" seltsam, aber ich bin von der "Angewohnheit" der Compas angesteckt worden, Namen zu "zapatisieren", und deshalb verwende ich "Pedro Luis" statt "Pierluigi."

Ich habe den Brief erhalten, den Du geschrieben, aber niemals abgeschickt hast. Ich erhielt den Brief in der "Carta" (August 26 - September 1, 2004, Jahr VI, Nr. 31). Da mein Italienisch noch nicht einmal an das "Itañol" der "Turbineros und Tubineras" [dt.: Turbinenbauer] heranreicht (die jahrelang hart gearbeitet haben, um Licht nach La Realidad zu bringen), bat ich jemand, ihn mir zu übersetzen.

Und das haben sie auch getan, aber in eine Neo-Sprache, die wir hier "Itazapañol" nennen, und die, wenn meine Erinnerung mich nicht im Stich läßt, von Vanessa eingeführt wurde, als sie ungehorsam wie immer jahrelang blieb, um die zapatistische Wirklichkeit zu leben. So wie die Dinge standen, mußte ich auf einige Wörterbücher zurückgreifen, die sie uns vor einiger Zeit geschickt haben. (Ich erinnere mich nicht genau, ich glaube, es war Mantovant oder Alfio). Um das zu tun, mußte ich die Wörterbücher erst einmal finden. Wie zu erwarten war, stützten sie ein Tischbein in einer Comandancia General der einzigartigen EZLN. Es erforderte mehr Zeit zu erspüren als zu erfahren, was der Brief in "Carta" sagte.

Vielleicht irre ich mich, aber ich habe verstanden, daß der Zweck Deines Briefes es war, uns zu grüßen und Probleme anzusprechen. Das Briefgenre ist nach meiner bescheidenen Meinung, eins der besten Mittel um zu debattieren (ein noch besseres ist die politische Praxis).

Du hast es nicht offen gesagt, aber jeder konnte sehen, daß Dein Brief im Grunde, nun aus dem rebellischen Italien, die gleiche Frage über die Geschwindigkeit der Träume stellt. Und auch, wenn Du das auch nicht deutlich sagst, antwortest Du aus dem Italien, das kämpft oder träumt, ebenfalls mit "Ich weiß es nicht."

Nun, ich kann die Probleme, die Du aufwirfst, mit dem Axiom des unbeschreiblichen und großen (an Ego) Don Durito de La Lacandona beantworten: "Kein Problem ist zu groß, um sich zu erheben." Obwohl es mir ein exzellentes Rezept zu sein scheint (es hat mir bei mehr als nur einer Gelegenheit gute Dienste geleistet), glaube ich aufrichtig, daß Du nicht eine Lösung suchst, sondern eine Diskussion.

Das "was ist in Italien zu tun?" ist tatsächlich ein Problem. Und meiner Ansicht nach ist es Teil des Problems von "was ist auf der Welt zu tun?" Nun, unsere Antwort, als Zapatisten ist: "Wir wissen es nicht."

Ich weiß, daß Du nichts anderes von uns erwartest, so gut wie Du uns kennst. Aus unserem Land und unserem Kampf heraus können wir aber folgendes sagen:


Erstens: Im heutigen Mexiko können alle Politiker - auch die, die in Meinungsumfragen, Schlagzeilen oder Anzahl der Demonstranten führend sind, unabhängig von der Farbe ihrer Rhetorik oder dem Logo ihrer Partei - mit dem mürrischen Mißtrauen der Zapatisten, unserer Skepsis und unserem Zweifel rechnen. Allein auf der Basis ihrer Worte, Versprechen, Absichten, Statistiken und Meinungsstudien, werden sie von uns absolut nichts Wohlwollendes erhalten. Nichts, nicht einmal die Gunst des Zweifels.

Wie der Anführer der Befreiungsarmee des Südens General Emiliano Zapata gegenüber Francisco I. Madero wird unsere Feindseligkeit gegenüber Politikern der Mitte die unveränderliche Regel sein: Wie Emiliano Zapata vor dem Präsidentensessel werden wir dem Regierungspalast und allen, die nach diesem Sitz trachten, den Rücken kehren. Und das gleiche gilt für den selbsternannten "Bundeskongreß" und den Zirkus der Judikativen Bundesgewalt.


Zweitens: Im spezifischen Fall der offiziellen, selbsternannten linken politischen Parteien in Mexiko (die, wie man nicht vergessen sollte, nicht die einzigen linken politischen Organisationen sind, die in unserem Land existieren), können wir nur bitter lachen, wenn ihre Parteibeamten, Anführer, Abgeordneten, Senatoren und bezahlten Goldkehlchen Vicente Fox sein Versagen bei der Erfüllung seines Wahlversprechens, das "Problem" Chiapas in 15 Minuten zu lösen, ins Gesicht werfen. Wir vergessen nicht, das jene, die ihn kritisieren, die gleichen sind, die für ein Gesetz gestimmt haben, das es nicht nur versäumt, gegen einen Bruch elementarer Gerechtigkeit vorzugehen, sondern auch auf fundamentale Weise den Forderungen der indigenen Völker Mexikos und Millionen von Personen in unserem Land und anderen Teilen des Planeten zuwiderhandelt.

Es sind die gleichen, die paramilitärische Gruppen ermutigen, die zapatistischen Gemeinden zu drangsalieren und anzugreifen. Es sind die gleichen, die sich bemühen, einer Rechten gefällig zu erscheinen (ob es nun die kirchliche oder wirtschaftliche Hierarchie ist), die, das muß gesagt werden, sie überhaupt nicht mag. Es sind die gleichen, die die wirtschaftlichen und polizeilichen Pläne unter dem Arm tragen, die in den Gesprächsräumen der internationalen Gier entworfen wurden.

Trotz alledem können wir das dreckige legale Geschäft nicht durch unser Schweigen befürworten, mit dem sie versuchen, den Bürgermeister von Mexiko Stadt daran zu hindern, für die Präsidentschaftswahlen in 2006 zu kandidieren. Es scheint uns eine illegitime Handlung zu sein, armselig verpackt in gesetzlichen Täuschungen, ein Angriff auf das Recht der Mexikaner zu entscheiden, ob der eine oder andere oder keiner sie regieren soll. Die Konkretisierung eines solchen Betruges würde nichts geringeres bedeuten, als die Außerkraftsetzung von Artikel 39 der mexikanischen Verfassung, der das Recht der Mexikaner festsetzt, über die Form ihrer Regierung zu entscheiden. Es wäre, um es einfach auszudrücken, ein "sanfter" Coup d'Etat.

Indem wir darauf hinweisen, stellen wir uns nicht auf die Seite einer Person oder eines Regierungsprogramms. Noch weniger ist es als Unterstützung für eine Partei zu interpretieren, die nicht nur nicht links und progressiv ist, sondern nicht einmal republikanisch. Wir stellen uns nur einfach auf die Seite der Geschichte des Kampfes unserer Völker.


Drittens: Wahlen gehen vorbei, Regierungen gehen vorbei. Der Widerstand bleibt, was er ist, eine weitere Alternative für Menschlichkeit und gegen Neoliberalismus. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Gemäß unserer Abneigung gegen Dogmen jedoch werden wir immer zugeben, daß wir uns irren könnten und daß es vielleicht tatsächlich, wie die angesagten Autoritäten das jetzt verkünden, notwendig, dringend und absolut lebenswichtig ist, uns bedingungslos den Armen jener zu überlassen, die von oben mit Veränderungen werben, die nur von unten erreicht werden können.

Wir könnten uns irren. Wenn wir das erkennen, weil die dämliche Realität sich uns in den Weg stellt, werden wir die ersten sein, die diesen Fehler vor allen zugeben werden, die mit oder gegen uns sind. Das wird so sein, weil wir unter anderem daran glauben, daß Ehrlichkeit vor dem Spiegel für alle nötig ist, die sich mit Worten oder Taten der Errichtung einer neuen Welt widmen.

In jedem Fall hauchen wir unseren klügsten Entscheidungen und unseren Fehlern Leben ein. Ich glaube aufrichtig daran, daß wir uns seit dem Morgen des 1. Januar 1994 das Recht erworben haben, selbst zu entscheiden über unseren Pfad, seinen Rhythmus, seine Geschwindigkeit und seine Wegbegleitung, ständig oder sporadisch.
Wir werden dieses Recht nicht aufgeben. Wir sind bereit zu sterben, um es zu verteidigen.


Viertens: Wir werden weiterhin das tun, was wir als unsere Pflicht erachten. Und das ungeachtet der "Popularitätsrate", die unsere Handlungen erzielen, des Raumes, den wir in den Nachrichten einnehmen, oder der Drohungen und Prophezeiungen, die sie uns netterweise vorsetzen - von beiden Seiten des politischen Spektrums - wann immer wir nicht wissen, was sie wollen, das wir tun sollen oder nicht das sagen, was sie wollen (was ständig der Fall ist).

Wir werden uns nicht dem hysterischen Geschrei der politischen Klasse und ihrer Fans in den Kolumnen der "politischen Analyse" hinzugesellen. Diese Leute, die stets von oben eine Agenda durchsetzen wollen, die nichts mit dem zu tun hat, was sich unten in unserem Land zuträgt: dem unerbittlichen Abbau der Fundamente unserer nationalen Souveränität.

Wir werden uns auch nicht mit dem Kalender aufscheuchen, um 2006 und dessen Unsicherheit, dessen Festival der Eitelkeiten, dessen zynische Verschleuderung von Ressourcen und Dummheit zu beschleunigen. Noch weniger werden unsere Handlungen von jenen geleitet werden, die uns auffordern, Namen von Gefangenen, Verschwundenen und Toten beizusteuern, während sie Namen für die Kandidatenliste auswählen.


Fünftens:
Das bedeutet nicht, daß wir nicht zuhören. Wir tun es und werden es weiterhin tun. Aus aller Welt erhalten wir Worte der Ermutigung und der Kritik, Ratschläge und Warnungen, Unterstützung und Verurteilung. Wir hören allem zu und bewahren es im kollektiven Herz auf, das wir sind. Jeder, überall auf der Welt, kann sicher sein, daß die Zapatisten ihm zuhören werden.

Aber Zuhören ist eine Sache und Gehorchen eine andere.

Wir scheren uns einen Dreck um die "Polemik" darüber, ob die Zapatisten Revolutionäre oder Reformer sind, "Leicht-" oder "Schwergewichte", naiv oder bösartig, gut oder schlecht, und wie die Moskitos in den langen Nächten des mexikanischen Südostens, ist sie es nicht, die uns nachts wach hält.

Die Transnationalen regieren nicht auf zapatistischem Gebiet, auch nicht die IMF oder die Weltbank, auch nicht der Imperialismus oder das Imperium oder Regierungen irgendeines Zeichens. Hier treffen die Gemeinden die wichtigsten Entscheidungen. Ich weiß nicht, wie das genannt wird. Wir nennen es "Zapatismo".

Aber wir haben kein befreites Gebiet oder eine utopische Kommune. Auch kein experimentelles Labor für Unsinn oder das Paradies einer verwaisten Linken.

Dies ist ein rebellisches Territorium im Widerstand, besetzt von zehntausenden Soldaten, Polizisten, Nachrichtendienstlern, Spionen verschiedener "entwickelter" Länder, Agenten für Aufstandsbekämpfung und Opportunisten aller Arten. Ein Gebiet, zusammengesetzt aus zehntausenden mexikanischer Indígenas, aufgerieben, verfolgt, angegriffen, weil sie sich weigern aufzuhören Indígenas, Mexikaner und menschliche Wesen zu sein, das heißt, Bürger dieser Welt.


Sechstens: Was den Rest des Planeten anbetrifft, ist unsere Ignoranz enzyklopädisch (sie würde in der Tat mehr Bänder umfassen, als die ungekürzten Werke der externen und internen Worte der Neo-Zapatisten, die übrigens reichlich vorhanden sind), und wir können wenig oder gar nichts über die politischen linken Organisationen sagen, die unter einem anderen Himmel kämpfen oder sagen, sie kämpfen.

Dort wie überall ziehen wir es vor, nach unten zu blicken, zu Bewegungen und Widerstandsströmungen und der Errichtung von Alternativen. Wir heben unseren Blick nur dann nach oben, wenn eine Hand von unten dahindeutet.


Siebtens:
Wir versuchen, mit unserer Ungeschicklichkeit und unseren klugen Handlungen, versuchen es nur, aber indem wir ihr Leben einhauchen, eine Alternative zu errichten. Voller Unvollkommenheiten und immer unvollständig, aber unsere Alternative.

Wenn wir dort angekommen sind, wo wir jetzt stehen, lag das jedoch nicht nur an unseren Fähigkeiten und Entscheidungen. Es liegt an der Unterstützung von Frauen und Männern auf der ganzen Welt, die verstanden haben, daß es in diesen Gebieten nicht nur einen Haufen bedürftiger Leute gibt, die auf Almosen und Mitleid aus sind, sondern menschliche Wesen wie sie, die sich nach einer besseren Welt sehnen und für sie arbeiten, einer Welt, in die alle Welten passen.

Ich glaube, daß eine solche Bemühung die Sympathie und Unterstützung jeder ehrlichen und noblen Person auf der Welt verdient.

Und ich glaube, daß die glücklichste Version dieser Sympathie und dieser Unterstützung meistens in dem Kampf zu finden ist, den sie in ihre jeweiligen Realitäten aufnehmen oder in ihnen aufrechterhalten, ungeachtet ihrer Kultur, Sprache, Landesfahne, Fußbekleidung, ob nun Schuhe, Sneakers, Sportschuhe, Flip-Flops, Sandalen oder hochhackige Schuhe.

In diesem Sinn stehst Du unserer Geographie, den echten zapatistischen Gemeinden, näher, als die Entfernungen auf den Landkarten das vermerken.

Das Europa von unten steht uns so näher: das ungehorsame und selbstverwaltete Italien; das Griechenland, das mit Rauchzeichen kommuniziert; das Frankreich der Flip-Flops, und derer ohne Papiere oder Obdach, aber mit Würde; das rebellische und solidarische Spanien; Euzkal Herria, das Widerstand leistet und sich nicht ergibt; das rebellische Deutschland; die engagierte Schweiz; Compañera Dänemark; das hartnäckige Schweden; das gewissenhafte Norwegen; die den Kurden verweigerte Patria; das marginalisierte Europa, das die Einwanderer erleiden; das gesamte Europa der Jugendlichen, die sich weigern, Marktanteile an der Börse des Zynismus zu kaufen ... und die mexikanischen indigenen Mazahua-Frauen.

Rebellionen und Widerstände, die uns näher stehen, als die endlosen Entfernungen, die uns von der arroganten Stadt San Cristóbal de Las Casas trennen und von den politischen Parteien, die mit der Linken reden und der Rechten handeln

Nun, das ist alles für diesmal, Compa Pedro Luis. Glaube mir, ich bedaure es nicht, durch das, was ich Dir schreibe, Gefahr zu laufen, als "jemand beurteilt zu werden, der verrückt ist, der die Realität nicht sieht". Aber wie auch immer, das fundamentale Problem bleibt und zwar die Bemessung der Geschwindigkeit der Träume.

Bis zu dessen Auflösung die besten Wünsche, und nächstes mal, wenn Du schreibst, schick doch bitte mit dem Brief in der "Carta" auch eine Übersetzung dazu, auch wenn es nur auf "Itañol" ist.
Vale, salud und möge der Lärm von oben das Raunen von unten nicht daran hindern, Gehör zu finden.

aus den Bergen des mexikanischen Südostens
Subcomandante Insurgente Marcos


Originaltext:
http://www.chiapas.at/ezln/geschwindigkeit_der_traeume.htm