Unser Kampf - unser Ziel

Am 19 Juli haben wir gesiegt über den spanischen Faschismus. Seitdem haben wir uns erfolgreich verteidigt gegen den Ansturm des internationalen Faschismus, 8 Monate lang. Mit gewaltigen Anstrengungen setzten wir uns durch in der Wirtschaft, beim militärischen Kampf, im kulturellen Leben.

Die Kapitalisten sind geflüchtet, die Organisatoren der Privatwirtschaft versagten, die bisherige Gesellschaftsordnung brach zusammen. Wir blieben fest; alles fiel, wir stehen aufrecht und wir marschieren unerschrocken weiter. Auf ungewohnten Pfaden gehen wir vorwärts, immer vorwärts; wir haben keine Wahl. Fehler wurden begangen von allen, denn schwer ist jeder Anfang. Wir sind nicht dogmatisch, doch unsere Ideale sind tief eingegraben in unseren Herzen. Wir sehen das Ziel und weichen nicht zurück vor den harten Notwendigkeiten des Tages.

Den freiheitlichen Sozialismus verwirklichen, können wir nicht in einem Tage und auch nicht vollständig in einem Lande. Aber aus dem Auge verlieren wir ihn nicht. Unsere Mittel tauchen wir in die Farbe des Zieles; unser Weg weicht nicht von unserer Zielrichtung.

Sind wir Reformisten geworden? Haben wir unser Ziel vergessen? Nein! Zwei wichtige Forderungen der anarchistischen Ideologie setzen sich um in Verwirklichung: Der Föderalismus und die Kollektivisierung.

Die politische Struktur des vom Faschismus befreiten Spanien ist heute schon föderalistisch. Das kann man nicht leugnen und das kann man nicht rückgängig machen. Auch die Marxisten, eingefleischte Zentralisten, haben den Föderalismus anerkannt. Nicht freiwillig; der Notwendigkeit gehorchend, nicht dem eigenen Triebe. Die Kollektivisierung setzte sich durch gegenüber dem Versuche der Verstaatlichung. Ein Sieg des Bakunismus über den Marxismus.

Wir sind erfolgreich. Noch ist es wenig, aber etwas. Der Boden ist hart, aber wir schreiten vorwärts. Noch gibt es andere Schwierigkeiten. Die wirtschaftliche Lage Spaniens ist nicht glänzend, doch auch nicht hoffnungslos. In Russland war es 1918-1925 viel schlimmer. Russland konnte sich aufraffen, und wir können es erst recht. Katalonien und Spanien werden sich rascher wieder erholen. Davon sind wir überzeugt.

Wir haben keinen Grund zum Pessimismus. Unser Land ist fruchtbar. Die "Agrarreform" unseligen Angedenkens aus der bürgerlichen Republik ist überholt durch die revolutionäre Expropriation des Latifundienbesitzes. Die bisher brachliegende Nutzfläche des spanischen Bodens kann bebaut werden. Wir haben modern eingerichtete und ausbaufähige Fabriken. Unsere industrielle Produktion kann erhöht werden. Unsere Rohstoffquellen sind zum Teil noch gar nicht aufgeschlossen. Unsere Lager an Kali, Kupfer usw. sind reichhaltig. Die Fertigwaren unserer Textil- und Glasindustrie werden, einmal exportiert, dem Lande Devisen einbringen. Unsere Weine sind begehrt in der ganzen Welt. Wir wurden sabotiert von den faschistischen Ländern und wir befinden uns in einem furchtbaren Kriege. Aber wir besitzen die junge Kraft eines erwachten Volkes. Mit dem Dynamismus unserer arbeitenden Jugend in Stadt und Land werden wir über alle Schwierigkeiten Herr werden.

Wir reorganisieren die Produktion, mitten im Kriege. Wir schaffen eine neue Industrie für die Verteidigung und für den Angriff, mitten im Kriege. Wir werden den Auslandshandel Kataloniens ausbauen; mitten im Kriege, während unsere Brüder an den Fronten im Norden und Süden, in Aragonien und vor allem in Madrid mit ihren Leibern die Freiheit des Landes verteidigen als Pioniere des Antifaschismus und der sozialen Revolution.

Das alles wird sich erfüllen. Vielleicht nicht so schnell, wie unsere idealistische Jugend es erhofft, aber sicher schneller als unsere verbrecherischen Feinde es erwarten.

Auf den 14. April 1931 folgte die bürgerliche Republik. Sie hat ihre historische Mission hinter sich.
Auf den 19. Juli 1936 folgt die soziale Revolution. Sie hat die Zukunft.

Aus: Die Soziale Revolution Nr. 5-6, 1937. Digitalisiert von der Anarchistischen Bibliothek und Archiv Wien. Nachbearbeitet (Scanungenauigkeiten entfernt, ä zu ä, That zu Tat usw.) von www.anarchismus.at.


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