Sie gehörte zu ihnen - Pepita Carpena

Am 26. Januar 1939 wurde Barcelona von den Franquisten eingenommen, Frankreich schloss daraufhin komplett die Grenzen zu Spanien. Doch schon zwei Tage später musste die Sperrung durch den gewaltigen Strom der Flüchtlinge wieder aufgehoben werden. Obwohl nun von den Rechten in Frankreich über die Medien eine fremdenfeindliche Kampagne gegen die „Rotspanier“ gesteuert wurde, mussten die Grenzen geöffnet werden. Ein nicht enden wollender Strom von Menschen quälte sich unter demütigenden Bedingungen durch die katalanische Ebene Richtung Pyrenäen. 450.000 gehen vom 31.Januar bis zum 9. Februar über die Grenze nach Frankreich ( „La Retirada“).

Es gab keinen Schutz, nichts zum Unterstellen. Viele gruben sich Löcher in den Sand und legten sich müde hinein. Männer und Frauen wurden beim Übergang getrennt, alle Männer in Internierungslager gebracht. Dort gab es kein Trinkwasser, nichts zu essen, keine sanitären Einrichtungen. Dafür aber Wachtürme mit MG Schützen. Statt in der Tyrannei der Francodiktatur vielleicht zu überleben, sterben in diesen ersten Tagen des Exils viele an den Entbehrungen .

„Sie trennten Männer und Frauen voneinander. Später sollten wir erfahren, daß die Männer alle in eilends errichtete Lager gesteckt wurden. Mein erstes „Hotel“ war ein verlassenes, zerfallenes Krankenhaus. Wir sanken erschöpft auf den nackten Boden, der mit etwas Stroh bedeckt war. Hätten wir gewusst, was uns erwartet, hätten wir dieses Stroh gesegnet“

Pepita Carpena, Anarchasyndikalistin und freie Frau gehörte zu den ersten etwa 10.000, die schon am Vorabend des 25.Januar Katalonien verlassen mussten.

„Beim nächsten Halt waren wir in so etwas wie einem Gestüt. Die Bedingungen waren erbärmlich, aber noch mehr waren wir überrascht von den Soldaten, die ihre Gewehre auf uns richteten, so als wären wir Kriegsgefangene oder Kriminelle.“

(Unter Hundert ist nicht eine/und dennoch, sie existieren/Die meisten Spanier/weiß die Hölle warum/vielleicht/weil sie in Spanien/kein Mensch versteht/die Anarchisten. // Sie haben alles eingesammelt/Ohrfeigen und Pflastersteine/Sie haben so sehr gemault/Daß sie noch immer maulen können/Sie stehen volles Herz voraus/Mit ihren darin verankerten Träumen/Und der von abgedrehten Ideen/Schon zernagten Seele/Unter Hundert ist nicht einer von ihnen und dennoch/es gibt sie - Leo Ferré, Les Anarchistes)

Der vollständige Geburtsname von Pepita Carpena ist Josefa Carpena-Amat, aber sie wurde nur „Pepita“ gerufen (so etwas wie „Goldklumpen“). Geboren am 19.Dezember 1919 wuchs sie mit 3 Geschwistern im Stadtteil Poble sec in Barcelona auf, im Schatten des Montjuic. Das Barrio Pople sec ist heute ein ruhiges Wohnviertel. 1936 allerdings war es durch die Avenida Parallel das Montmartre von Barcelona.

Mit 12 arbeitete sie als Näherin in einer Fabrik. Sie war 16, als ihr Durutti wohl persönlich erklärte, dass ihre Anwesenheit in Barcelona wichtiger sei als in seiner „Kolonne“. Erst zwei Jahre zuvor war sie dem Syndikat der Metallarbeiterinnen beigetreten und von dort in die Jugendföderation der CNT(Federación Ibérica de Juventudes Libertarias =FIJL), wo sie mit den Werken von Anselmo Lorenzo und Bakunin vertraut wurde.

Im April 1936 gründete sich die anarchistische Frauenorganisation „Mujeres libres“. Die „Mujeres libres“ lehnten als Frauen jede Unterordnung und als Anarchistinnen die Theorie des Feminismus ab, wenn sie die femine Macht im Wechsel zur maskulinen Macht ersetzen sollte. Bestürzt durch die Ignoranz, Gleichgültigekit oder auch das Unverständnis vieler Genossen gründeten sie nun ihre eigene Organisation.

Pepita, als anarchistische Aktivistin anfangs noch zurückhaltend dieses „separaten“ Kampfes, wurde von einer der Mitbegründerinnen der „Mujeres libres“, der Lehrerin Marie de Pilar Grangel Arrufat kontaktiert und zu einer ihrer Versammlungen eingeladen.

„Dadurch wurde mir erst richtig die sexistischen Ungerechtigkeiten im Alltag bewusst, weil sie von allen Frauen erlitten wurden.“

Sie fing an für die echte Gleichberechtigung zu und mit den Männern zu kämpfen. Liebe und Freiheit war eines der Ziele ihrer täglichen Arbeit. Frei sein auch in der Wahl ihrer Partner oder Partnerinnen entgegen der herkömmlichen Zumutungen.

Tagsüber arbeitete sie nun in einer Fabrik, die Waffen für die anarchistischen Kolonnen herstellte, abends organisierte sie im Sekretariat des Regionalkomitees der „Mujeres libres“ Alphabetisierungskurse oder Debatten. In dieser Zeit bemerkte sie den unermesslichen Freiheitsdurst von vielen der Arbeiterinnen und ihren Wunsch nach einer radikalen Änderung dieser Machogesellschaft.

„Diese Frauen wollten die Machotraditionen endlich beenden. Selbst die, die es noch nicht gewohnt waren, zu kämpfen, hatten klare Ideen und wussten was sie wollten.“

Die Faust in die Höhe/ Frauen der Welt/bis in den lichtvollen Horizont/auf glühenden Wegen/die Füsse auf der Erde/und die Stirn ins Blaue/….soll Vergangenes ins Nichts versinken/was kümmert uns das Gestern/ Wir schreiben aufs Neue/ das Wort „Frau“… (aus der „Hyme der Mujeres libres“)

Doch 1939 unterwerfen Francos Truppen das aufsässige Katalonien. Es beginnt die „La Retirada“ – die Flucht von fast einer halben Million Menschen – und Pepita Carpena ist eine von ihnen.

Pepita bleibt einige Zeit in Clermont Herault in der Nähe von Montpellier und wandert dann mit anderen spanischen Flüchtlingen nach Marseille, wo sie den Anarchisten Juan Martinez Vita kennenlernt, mit dem sie bis zu seinem Tode am 3.November 2001 zusammenlebt.

Im April 1945 nimmt sie als Delegierte am 1. Kongress der „FIJL en excilio“ in Toulouse teil und gehörte zu den Frauen, die energisch einem reformerischen Kurs der neu aufzubauenden CNT widersprach.

Einer ihrer engsten Freunde, Raul Carballeira, ebenfalls Delegierter in Toulouse, ging mit einigen anderen zurück nach Spanien, um dort u.a. die FIJL wieder aufzubauen. Es gelang ihm sogar, unerkannt Abel Paz im Gefängnis zu besuchen, wurde allerdings anschließend entdeckt und am 26.Juni 1948 in den Gärten des Montjuich von der Polizei erschossen. Sein Körper wurde später in einem Massengrab verscharrt.

Pepita Carpena arbeitete ab 1979 in Marseille bei der Zweigstelle der „CIRA“ (Centre international de recherches sur l‘anarchisme) mit und wurde dann von 1988 bis 1999 ihre Koordinatorin.

Pepita Carpena stirbt am 5.Juni 2005 im Krankenhaus Nord von Marseille und wird am 8.Juni in Aix-in-Provence eingeäschert. Vor ihrem Sarg, bedeckt mit einer schwarz-roten Fahne, wird „Les Anarchists“ von Leo Ferré zitiert.

„Sie haben eine schwarze Fahne
für die Hoffnung, auf Halbmast
Und die Melancholie
Um durchs Leben zu treiben
Messer um das Brot der
Freundschaft zu teilen
Und nicht zu vergessen:
Verrostete Waffen
Unter Hundert ist nicht einer von ihnen und dennoch, es gibt sie
Und sie halten sich gut, so untergehakt
Joyeux, und deshalb sind sie immer aufrecht
Die Anarchisten“

Originaltext: http://radiochiflado.blogsport.de/2012/04/20/sie-gehoerte-zu-ihnen-pepita-carpena/


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