La miliciana - Frauenmilizen in Spanien ab 1936

Te fuiste en silencio
querida amiga,
dejándonos la tristeza
de tu ausencia.
¡Es tanto lo que te debemos!
A nuestro lado
estuviste,
por el ingrato camino,
marcando tus huellas.
Con tu voz,
con tu pluma;
con el corazón,
las grabaste.
En los días de lucha, en las horas de dolor,
en los días de esperanza…

(Pura Pérez zu Lola Iturbe)

Wir definieren eine Miliciana als jede bewaffnete Frau, die ab 1936 direkt am Kampfgeschehen des spanischen Bürgerkriegs beteiligt war oder darin geschult und darauf vorbereitet war, um die Städte und Gemeinden zu verteidigen. Wenn auch zwischen diesen beiden Frauengruppen einige Unterschiede noch zu benennen sind, so standen diese Frauen, nicht nur in militärischer Hinsicht, sondern vor allem in der spanischen Gesellschaft für eine Veränderung in der Rolle der Geschlechter.

Das Spanien der dreissiger Jahre war noch stark im traditionellen Rollenverständnis verhaftet. Der Frau war der häusliche Bereich zugeschrieben, oft trieb die Armut sie in die Besitztümer der Großgrundbesitzer, wo sie in der Landwirtschaft oder als weitere Dienstmagd arbeiteten.

Der Beginn des Bürgerkriegs im Juni 1936 veränderte dann das Leben vieler spanischen Frauen drastisch. Es waren vor allem die Frauen in den Städten, die ein neues Frauenbild prägten. Auf Plakaten erschienen die ersten „Milicianas“ als Symbol des antifaschistischen Widerstandes.

Diese Milicianas, vor allem in den beiden grössten Organisationen , den „mujeres antifascitas“ und „mujeres libres“, kämpften an der Front zusammen mit den Männern, auch wenn sie dort auch noch die traditionell als „Frauenarbeit“ angesehenen Tätigkeiten (Kochen, Putzen, Nähen, waschen) verrichteten.

„Sehen Sie, was die Männer machten, das machten wir auch. Wenn wir auch noch einige zusätzliche Arbeiten machten wie Reinigung oder Kochen, standen wir gleich darauf Wache wie die Männer. Und als wir angriffen, gingen wir genauso in den Angriff wie die Männer. Wir taten, was menschlich möglich war, und einige von uns Frauen taten dies noch mehr als die Männer.“ (Concha Pérez Collado)

In der Geschichtsschreibung weniger erwähnt aber waren die Tausende von „Milicianas“ in der sogenannten Nachhut. Diese Bataillone, nur von Frauen gebildet, trugen durch ihre tägliche und öffentliche Präsenz mehr zur „Dekonstruktion“ der traditionellen Geschlechterrollen bei, als dies die Frauen der Front machen konnten.

Die Frauen der „Nachhut“ waren bewaffnet, ausgebildet und vorbereitet und bildeten eine wichtige Rolle in der Verteidigung der Städte in der republikanischen Zone. Bekannt wurde die Verteidigung von Madrid, die von den Milicianas der Nachhut getragen wurde.

Ein Artikel von Etheria Artay in „Crónica“ aus dem Jahre 1936 lässt uns ein wenig von dem Alltag dieser Frauen erfahren: „Die Frauen von Barcelona sind für den Fall, daß sie kämpfen müssen, bestens vorbereitet…. Mehrere Stunden pro Woche, beginnend am Sonntagmorgen um acht Uhr, unterziehen sie sich einer militärischen Ausbildung. Meistens Fabrikarbeiterinnen sind sie bereit, notfalls auch an die Front zu gehen aber auf jeden Fall für die Verteidigung der Republik.“

Der Artikel weist daraufhin, daß dies auch in Santander, Valencia und anderen Städten gleichzeitig geschieht.

Mary Low berichtet in „Rotes Notizbuch“ über diese Bataillone.

Hatten die „Milicianas“ auch bei (männlichen) Gleichgesinnten oft noch gegen überholtes Denken anzukämpfen, wurden sie von den Faschisten besonders diffamiert. Fielen sie diesen und deren Söldnern in die Hände, wurden sie von denen mit fast unvorstellbarer Brutalität behandelt, Vergewaltigung auch im Sinne der Erniedrigung fast systematisch eingesetzt. Viele Frauen wählten den Freitod, bevor sich die faschistischen Truppen über sie hermachen konnten.

Hier sei stellvertretend für viele Frauen Georgette Kokoczinski erwähnt. Sie – „la Mimosa – die Zärtliche“ genannt – war 1908 in Frankreich geboren worden und schloß sich 1928 in Paris einer Theatergruppe an, die auf libertären Festen spielte. Daneben engagierte sie sich in anarchistischen und anarchosyndikalistischen Organisationen und verkaufte, so jedenfalls nach den Memoiren von Lola Iturbe( von der wir im zweiten Teil berichten werden) nach den jeweiligen Theatervorstellungen die Zeitschrift „La Revue Anarchie“.

Am 18 September 1936 entschliesst sie sich, nach Spanien zu gehen und auf Seiten der Republikaner*innen zu kämpfen. Als Krankenschwester ausgebildet und in der Kolonne Durutti darüber hinaus an der Waffe, baut sie mit anderen Frauen – darunter den deutschen Sozialistinnen Augusta Marx und Madeleine Gierth(die sich der POUM angeschlossen hatten) – an der Aragonfront eine Krankenstation auf. Als „Guerrillera“ kämpfte sie zusammen mit „Los Hijos de la Noche“ und anderen Gruppen hinter den feindlichen Linien.

Am 17.Oktober 1936 wird sie nach einem Kampf in Perdiguera (Zaragoza) zusammen mit Augusta Marx und weiteren internationalen Brigadist*innen von den Faschisten festgenommen und brutalst behandelt. Nach einem Bericht von Antoine Giménez seien beide Frauen später nackt und ausgeweidet wie erlegte Tiere sterbend aufgefunden worden , andere Berichte sind zurückhaltender und schreiben davon, daß alle Gefangenen erschossen und anschliessend verbrannt seien.

Eine Gruppe der „FAI“ aus dem Stadtteil Gracia in Barcelona nannte sich später „Brigade Mimosa“.

1937 wurden die Plakate mit den „Milicianas“ immer seltener. Es waren hier vor allem die kommunistischen Frauen der „mujeres antifascitas“, die durch die veränderte Politik der KP nun von „Heldinnen des antifaschistischen Kampfes“ zu „Prostituierten“ gemacht wurden, die an der Front „Geschlechtskrankheiten“ verbreiten würden und dadurch die „Kampfkraft“ der Antifaschisten schwächen würden.

Die KP versuchte nun, ihre Verbündeten in der bürgerlichen Volksfront nicht mit Bildern von kämpfenden Frauen zu verärgern.

Milicianas bei den Mujeres Libres

„Antifaschistische Frau und Revolutionärin
Tochter und Schwester, Witwe und Arbeiterin
Euer Kampf ist das beste Beispiel
um alle Ketten zu sprengen ..“ (Espartako, La miliciana)

Die „Milicianas“ , oft junge Frauen unter 20 Jahren, agierten nicht nur mit der Waffe in der Hand, viele an der Front kümmerten sich wie die beschriebene Georgette Kokoczinski auch um die Verletzten, waren in der „Nachhut“ bei den täglichen Aktivitäten der „mujeres libres“ oder widmeten sich vor allem der feministischen Propaganda – so wie Lola Iturbe, die – 1902 geboren – schon früh illegal in der militanten anarchistischen Gruppe „Keim“ aktiv war, nach Flucht dann in den dreissiger Jahren für die Zeitschrift der „FAI“ – „Tierra y Libertad“ – unter dem Pseudonym „Kyralina“ (Titelfigur eines Buches von Panit Istrati) schreibt und sich an der Gründung der „mujeres libres“ beteiligt. Sie war die Macherin der Flugblätter, die am 19.Juli 1936 von kleinen Flugzeugen auf Barcelona herunterrieselten, beteiligte sich an der Gründung der CNT Zeitung „Solidaridad Obrera“ und engagierte sich vor allem in einem Projekt der „mujeres libres“ gegen die Ausbeutung von Prostituierten und deren soziale Eingliederung.

“Es gibt dazu drei Mittel: 1. Das Ende der Armut. 2. Bildung und Unterricht und 3. die sexuelle Freiheit“ (Lola Iturbe).

Und sie schrieb über die „Milicianas „ die „milicianas auténticas“, über diese „weniger bekannten Frauen, um ihre Rolle in unseren sozialen Bewegungen zu zeigen und sie zu schützen vor dem Vergessen.“

Dies war ab 1937 sehr wichtig geworden. In November 1936 übernahmen die Anarchist*innen vier Minister*innenposten in der Regierung von Caballero. Dabei Juan Garcia Oliver und Federica Montseny. Diese Aktion – ohne Befragen der Basis von CNT bzw. FAI – stürzte die anarchistische Bewegung in eine tiefe Krise. Es ist müssig, über die Motive der vier zu spekulieren – Tatsache war, daß sich u.a. die gebildeten Selbstverwaltungsorgane der Arbeiterinnen und Arbeiter langsam zu Gunsten eines restaurierten Staatsapparates auflösten.

Jede Initiative von unten wurde erstickt, eigene Kritiker*innen wie die „Eisenkolonne“(über die noch zu berichten sein wird) unterdrückt, die Revolution von einem Teil ihrer Revolutionäre liquidiert.

Im Sinne der „Volksfrontregierung“ wurde nun die Losung ausgegeben „ Zuerst den Krieg gewinnen, dann die Revolution“ – mit fatalen Folgen für die „Milicianas“.

Denn mehr und mehr wurden nun die kämpfenden anarchistischen Frauen abgezogen. Die Miliz sollte in eine reguläre Armee mit verschiedenen Rängen, verschiedener Bezahlung, Disziplin und Hierarchie umgewandelt werden --- die Kommunisten hatten sich ohne grosse Mühe durchgesetzt und dazu gehörte auch, daß die Frauen die Waffen abzugeben und zurück in die Nachhut zum Kochen und Waschen sollten.

Rekonstruktion der Geschlechterrollen

Die „mujeres libres“ akzeptierten ohne Widerstand. Sie, die dem Gebrauch von Waffen immer sehr skeptisch und distanziert gegenüberstanden – so beschäftige sich ihre eigene Kolonne vorwiegend mit Krankenpflege und Socken waschen – predigten nun den „sozialen Dienst“. In einem Artikel der „mujeres libres“ vom Juli 1937 wird die alte, überholt schienende Frauenrolle wieder volle Pulle rekonstruiert: „ …sie hat ihren eigenen Wert als Frau wieder erkannt, indem sie das Gewehr gegen die (Näh-)Maschine in der Industrie und die kämpferische Energie nun gegen die milde Energie als Frau eintauscht.“

Die antifaschistische Revolutionärin zurück zu ihren „natürlichen“ Aufgaben als Frau, sogar von einer neuen „Mütterlichkeit“ war die Rede.

Die männlichen Anarchisten – anfangs noch angetan von dem Mut und dem Engagment, fingen nun an, ihre Masken fallen zu lassen…“ und nun in der zweiten Phase, wo die Revolution zum Krieg wird, da haben die Frauen nicht mehr an der Front zu kämpfen, aus dem einfachen Grund, daß die Frauen hygenischer, sauberer sind und die Front ist sehr dreckig. Man kann sich nicht waschen, man kann da gar nichts machen und liegt wochenlang im Dreck. …“(Abel Paz)

“Ich sah Frauen ausser sich vor Wut, als ihnen gesagt wurde, daß sie nicht länger in der Brigade und auf jeden Fall nicht weiter an der Front kämpfen konnten.“ (nach Lola Iturbe)

Doch es gab auch Widerstand.

María Pérez Lacruz, da schon in der „Eisernen Kolonne“ soll auf die Äusserungen von Abel Paz ausgerufen haben : „ Die Revolution, der Krieg ist dreckig? Ja, das ist so und deshalb können wir Frauen sie nicht den Männern überlassen.“

Ab Juli 1937 durften die Frauen nicht mehr an der Front sein. Einige – darunter die POUM Aktivistin Miká Etchebérèe und die eben erwähnte María, liebevoll „La Jabalina“ genannt( = die Wildsau) kämpften weiter.

María Pérez la Cruz – geboren 1917 in Teruel(Stadt und Provinz in Aragonien) – hatte sich mit 19 der berühmten „Eisenkolonne“ angeschlossen, jene anarchistische Brigade, die zuvor von den Anarchist*innen aus dem Knast in Valencia befreit wurde, eine eigene Miliz aufstellte und auf die „Militarisierung der Revolution“ und den „Verrat“ mit einer Schrift antwortete, die heute noch nichts von ihrer Ehrlichkeit und Radikalität verloren hat. Etwa ein fünftel von ihnen beugten sich dem Druck der CNT- und FAI und liessen sich in eine reguläre Armee eingliedern. Alle anderen blieben bis zum Ende des Bürgerkriegs(und darüber hinaus) ein echtes „Ärgernis“.

„Eines Tages jedoch, an einem grauen und traurigen Tag auf den Gipfeln des Berges, erreichte uns eine Nachricht wie der Eiswind, der ins Fleisch beisst: „Man muss sich militärisch organisieren!“ Und diese Nachricht schnitt in mein Fleisch wie ein scharfes Messer und ich litt im Voraus alle Ängste, die ich jetzt fühlte. Während der Nächte, in der Deckung, wiederholte ich mir den Befehl: „Man muss sich militärisch organisien!“… Neben mir wachte, während ich mich ausruhte, obwohl ich nicht schlafen konnte, der Delegierte meiner Gruppe, der demnach also Leutnant sein würde, und einige Schritte von dort, schlafend auf dem Boden, seinen Kopf auf einen Stapel Bomben gestützt, hatte sich der Delegierte meiner Hundertschaft hingelegt, der also Kapitän oder Kolonel sein würde. Ich ... ich würde weiterhin ich bleiben, ein Kind des Landes, Rebell bis in den Tod. Ich wollte nichts und ich will nichts von Orden, Rangabzeichen oder Befehlen.

Ich bin wie ich bin, ein Bauer, der im Gefängnis gelernt hat, zu lesen, der von Nahem den Schmerz und den Tod gesehen hat, der Anarchist war ohne es zu wissen und heute, wo ich es weiss, bin ich anarchistischer als gestern, als ich tötete, um frei zu sein. Dieser Tag, der Tag, an dem von den Gipfeln der Berge, wie ein eisiger Wind, der die Seele zerreisst, die todtraurige Nachricht herabkam, wird unvergesslich bleiben, wie so viele andere in meinem Leben voller Schmerzen. Dieser Tag... bah!

„Man muss sich militärisch organisieren!“ Das Leben lehrt die Menschen alle Theorien, mehr als alle Bücher. Jene, die in die Praxis hineintragen wollen, was sie von anderen gelernt haben, indem sie schluckten, was in den Büchern geschrieben steht, irren sich; die, die in Bücher hineintragen, was sie in den Windungen des Lebenswegs gelernt haben, können vielleicht ein Meisterwerk schaffen. Realität und Träumerei sind verschiedene Dinge. Träumen ist schön und gut, denn der Traum ist fast immer die Vorahnung dessen, was sein soll; das Erhabendste jedoch ist es, das Leben schön zu machen, aus dem Leben tatsächlich ein schönes Werk zu machen.“

Am 8.August 1942 – 25 Jahre jung – schaut die „Miliciana“ María Pérez La Cruz zum letzten Mal einem Sonnenaufgang zu. Im Friedhof von Paterna (Provinz Valencia) wird sie zusammen mit sechs Männern wegen „Vorbereitung einer Rebellion“ und „Missachtung des spanischen Staates“ von einem Exekutionskommando der Francoregierung erschossen.

Sie war die letzte von tausenden getöteten Frauen, die seit 1936 als „Milicianas“ kämpften.

„Unter den Umständen, unter denen die faschistische Erhebung stattgefunden hat, hatte das Volk keine andere Alternative, als die Gewalt mit Gewalt zu beantworten. Es ist beklagenswert, aber die ganze Verantwortung für die tragischen und blutigen Tage, die wir erleiden, liegt bei denen, die ohne Rücksicht auf die elementarsten sozialen Menschheitsprinzipien der Zerstörung und dem Töten freie Hand gelassen haben, nicht um Ideale zu verteidigen, sondern hassenswerte und vergängliche Privilegien, die in mittelalterliche Barbarei zurückführen.“ (Jose Brocca, War Resisters International)

Originaltexte: http://radiochiflado.blogsport.de/2011/11/03/la-miliciana-die-tage-des-kampfes-und-der-hoffnung-die-stunden-des-schmerzes/ und http://radiochiflado.blogsport.de/2011/11/06/kaempfen-wie-eine-frau-fortsetzung-von-la-miliciana/


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