Übergangsepoche zum Sozialismus

Seit Juli 36 befindet sich das demokratische Spanien in einem sozialrevolutionären Prozess. Die Arbeiter haben durch ihre Syndikate die Betriebe besetzt, sie haben Kontrollorgane in den Regierungen und bei den Militärkommando-Stellen sowohl wie bei den Banken.

Die Kräfte der spanischen Arbeiterbewegung waren föderalistisch organisiert, und nur deshalb gelang es ihnen, dem Faschismus Einhalt zu gebieten und einen grossen Teil seiner Bollwerke im vergangnen Juli zu stürmen. Aber der Krieg, den Spanien aufgedrängt bekommen hat, hat diesen gesellschaftlichen Prozess gehemmt. Die Gegner des Sozialismus folgern aus dieser Hemmung, dass der 19. Juli keine Revolution eingeleitet habe; weiterhin werden aussenpolitische Erwägungen und Befürchtungen herangezogen, um zu beweisen, dass man nur für die Republik kämpfen, d.h. also, dem revolutionären Prozess das Genick umdrehen müsse, und die alte Gesellschaft verteidigen, die zum Faschismus geführt hatte.

In der CNT aber bewegen sich die konstruktiven Kräfte für den neuen gesellschaftlichen Aufbau, während in den anderen Bewegungen nur die zersetzenden Kräfte der zermürbten alten Gesellschaft zu finden sind. Deshalb auch und nur deshalb findet Spanien keinerlei Unterstützung bei den kapitalistischen Mächten, weil man eben die Kraft der CNT richtig einzuschätzen weiss. Wir haben dafür zu sorgen, dass der revolutionäre Gedanke wach bleibt, haben dafür zu sorgen, dass Institutionen im Heere und der Industrie geschaffen werden, die nach dem Siege sich günstig für die Soziale Revolution auswirken.

Ferner ist jeder Revolutionär verpflichtet, sich Organisationstechnische Kenntnisse anzueignen, um zu jeder Zeit kleinbürgerliche und konterrevolutionäre Saboteure ersetzen zu können. Der Sozialismus übernimmt die gesamte Gesellschaft und muss darum auch nicht allein die Muskelarbeiter für sich haben, sondern auch die kleinbürgerlichen Intellektuellen, die durch Erziehung und Tradition leicht dazu geneigt sind, konterrevolutionär zu wirken. Hier muss die Arbeiterschaft auch sich selbst heraus sich zu helfen wissen. Die Arbeiter haben am 19. Juli die Offiziere zum grössten Teile vernichtet. Diese technischen Kräfte musste die Arbeiterschaft jetzt aus ihren Reihen neu bilden. Wieviel leichter und besser wäre es für die Entscheidung des Krieges gewessen, hätte die Arbeiterschaft vorher schon diese Kräfte aus ihren Reihen gebildet! Und nicht allein auf kriegstechnischem Gebiete liegen die Dinge so, sondern auch auf ökonomischen und pädagogischem Gebiet. Scheiden wir die vielen persönlichen Streitigkeiten aus, gehen wir sachlich und ernst an die organisatorischen Arbeiten, dann wird der Föderalismus trotz aller Hemmungen seitens gewisser Bonzen und "Möchtegern-Mussolinis" keine Fiktion sein, sondern er wird den Freien Sozialismus, das ist der einzig wirkliche Sozialismus, zu schaffen wissen.

Gerade wir deutschen Kameraden, die wir durch Staat, Parteien und Schule eine starke zentralistische Erziehung genossen haben, die wir als Revolutionäre in der Demokratie fast nur eine Defensiv-Stellung einnahmen, haben an uns in dieser Beziehung zu arbeiten. Wir müssen den spanischen Kameraden helfen, und am besten können wir ihnen helfen wenn wir denselben Glauben an die Zukunft des Freien Sozialismus aufbringen wie die CNT-FAI; wenn wir mit derselben Tatkraft wie sie die Hemmungen der Revolution und des Sozialismus mithelfen aus dem Wege zu räumen. Diese Arbeit erfordert aber Zähigkeit und nicht nur die rasch aufflammende Begeisterung eines Strohfeuers.

Besinnen wir uns auf unsere eigne Kraft, so wie die CNT-FAI sich am 19. Juli sich darauf besann. Verzichten wir auf die Hoffnungen, die man bisher auf die internationale "Demokratie" gesetzt hatte. Die einzige Hoffnung, die wir haben können, trotz des internationalen Opportunismus und Reformismus, ist die Hilfe der internationalen Arbeiterschaft. Unsere Propaganda hat sie bisher nicht in dem Masse erreicht, wie es unbedingt vonnöten war. Die Sabotage der reformistischen Parteien und der Bonzen hat dies zu verhindern gewusst. Suchen wir neue Wege, damit wir mit unserer Propaganda das Welproletariat erreichen können. Nur in der Erfassung des internalionalen Proletariats für uns, liegt die Gewähr des Sieges der spanischen Revolution. Auf, Genossen, an die Arbeit!

Wenden wir alles an, um den Zustand der jetzigen sozialen Demokratie zu verteidigen, denn sie ist der beste Garant, um zum Freien Sozialismus kommen zu können. Bekämpfen wir auf das schärfste alle Diktatur-Bestrebungen, und wir haben keinen Grund dazu, Pessimisten zu werden. Im spanischen Proletariat lag die Kraft des 19. Juli und der Sozialisierung der Betriebe und des Landes. Diese Kraft wird auch die reformistischen Gegner des Sozialismus zu bändigen, und die Organisation des Sozialismus ausbauen zu wissen.

Aus: Die Soziale Revolution Nr. 13, 1937. Digitalisiert von der Anarchistischen Bibliothek und Archiv Wien. Nachbearbeitet (Scanungenauigkeiten entfernt, ae zu ä, That zu Tat usw.) von www.anarchismus.at.


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