Mary Nash - Mujeres Libres. Die freien Frauen in Spanien 1936-1978
Einführung
Mit dieser kleinen Anthologie (Anm.: Siehe weitere Texte auf www.anarchismus.at) soll eine spanische Frauenorganisation durch ihre eigenen Texte bekannt gemacht werden. Es ist eine anarchistische (*) Gruppe, die sich "Mujeres Libres" nannte und zwischen April 1936 und Februar 1939 existierte.
Die Geschichtsforschung hat bei ihren Untersuchungen über die zweite Republik und den Bürgerkrieg diese Organisation nicht beachtet. Ein Grund dafür ist vielleicht, daß sie keine bedeutenden Persönlichkeiten hervorgebracht hat; denn gewöhnlich werden die Taten der bedeutendsten Persönlichkeiten immer als Bezugspunkte der Geschichtsschreibung genommen. Dennoch machen gerade die anonymen Massen die Geschichte, und in diesem Sinne verdienen die Taten der "Mujeres Libres" Aufmerksamkeit. Sie zählten in der Tat eine ansehnliche Zahl von Mitgliedern: 20.000. Die Mehrheit davon waren Arbeiterinnen, die in einem großen Teil des loyalen Gebiets der Republik Zentren gebildet hatten.
Aber das historische Interesse beruht vor allem darauf, daß die Gruppe "Mujeres Libres" zum ersten Mal in Spanien die Probleme der Frau aus einer Klassenperspektive heraus aufgegriffen hat: das heißt, die Befreiung der Frau aus der Perspektive der Emanzipation der Arbeiterklasse, was wir proletarischen Feminismus nennen können - im Gegensatz zu den bürgerlichen feministischen Bewegungen, die wiederum gründlich erforscht worden sind. (**)
Dieser Text und die Auswahl geht zum Teil auf das Material zurück, das in unserer Studie benutzt worden ist: La mujer en los medios anarcosindicalistas espanoles. 1931-1939, Staatsexamensarbeit, Universität Barcelona 1974.
Vorläufer der „Mujeres Libres“, das Frauenproblem unter den Anarchisten während der zweiten Republik
Man hat oft gemeint, daß die Beschäftigung mit den Problemen der Frauen eine Domäne der bürgerlichen, feministischen Bewegungen ist, die selten mehr als die Frage nach dem Frauenwahlrecht aufgeworfen haben. Dagegen waren sich die Anarchisten immer dieses Problems bewußt - allerdings sahen sie es als zweitrangiges und meistens auf die Formulierung allgemeiner Prinzipien beschränktes Problem an. Auch in Spanien hat sich die anarchistische Bewegung mit diesem Thema befaßt. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts haben ihm mehrere anarchistische Autoren wie Anselmo Lorenzo, Jose Prats und Teresa Claramunt einige Bedeutung beigemessen. Bereits im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts wurde es in einigen Artikeln und Broschüren der Anarchisten behandelt, besonders in der "Revista Blanca", wo sich Federica Montseny ausführlich mit den Frauenproblemen befaßte (1), und in der Zeitschrift "Estudios". (2)
Während der zweiten Republik nahm das Interesse an diesem Problem zu, was sich an drei miteinander zusammenhängenden Aspekten zeigte:
1. Die Kampagne für die Sexualerziehung. Im Verlauf der dreißiger Jahre erregten sexuelle Fragen eine große Neugierde, und man nahm an, daß es nur durch eine geeignete sexuelle Erziehung möglich sei, zu einer vollkommenen sexuellen Freiheit zu gelangen, in der sich die Beziehungen zwischen den Menschen optimal entwickeln. (3) Die Anarchisten befürworteten die sexuelle Befreiung für beide Geschlechter. Sie befaßten sich damit, die Frau so zu erziehen, damit sie diese Freiheiten genießen könnte.
2. Eine Serie von Artikeln, die in der Presse veröffentlicht und in denen die in den anarchistischen Kreisen herrschende Auffassung über die Frau ausgedrückt wurden. Dies waren oft heterogene und sogar widersprüchliche Konzeptionen, nicht nur über die Funktion und die Rolle der Frau in der Gesellschaft, sondern auch über die eigene menschliche Natur. Man kann sagen, daß die verschiedenartigen Ansichten über die Frau im großen und ganzen auf zwei Tendenzen gegenüber diesem Problem zurückgingen.
Auf der einen Seite gab es eine stark von Proudhons Gedanken beeinflußte Richtung. Für Proudhon beschränkt sich die Funktion der Frau auf die "Schwangerschaft und Mutterschaft". Er hielt die Frau moralisch und intellektuell und in ihrer physischen Konstitution für minderwertig gegenüber dem Mann. In den anarchosyndikalistischen und anarchistischen Kreisen lebten bis in die dreißiger Jahre unter vielen Militanten diese Ideen Proudhons fort, wenn auch in abgemilderter Form. Es herrschte in vielen Fällen die Vorstellung, daß die Funktion der Frau in der Gesellschaft von ihrer Biologie her bestimmt werde, d.h., daß ihre Funktion in der Reproduktion der Gattung bestünde und ihre Hauptaufgabe die Mutterschaft sei. Von der Voraussetzung ausgehend, daß sich die Frau durch die Mutterschaft bestätigt, mußte sich nach dieser Vorstellung ihr Leben im Rahmen des Heimes abspielen. Es wurde oft geäußert, daß sich die Frau nicht aktiv am politischen, ökonomischen und sozialen Leben des Landes beteiligen sollte.
In bezug auf die Produktion nahm man weiterhin an, die Arbeit sei, wenn schon nicht ein Monopol, so doch ein Privileg des männlichen Geschlechts. Gleichzeitig glaubte man, daß die Frau einen Faktor des Wettbewerbs in der Arbeitswelt darstellte, wodurch die Streiks zunehmen und die Löhne abnehmen würden. Man nahm außerdem an, die Frau könne nicht vollwertig an den sozialen Kämpfen teilnehmen; denn sie sei nicht für diesen Kampf vorbereitet -, was man aus der fehlenden kulturellen und sozialen Vorbereitung und aus dem großen Einfluß ableitete, den die Kirche und die bürgerlichen Werte auf sie ausübten. Die Aufgabe der Frau im sozialen Kampf sollte sich also darauf beschränken, den Mann vom Heim aus zu unterstützen, um ihm damit durch Anregung und Verständnis die Beteiligung an den Kämpfen zu erleichtern.
Neben dieser auf Proudhon zurückgehenden Sichtweise gab es noch eine andere, die eher mit der Konzeption Bakunins einherging und die vollständige Gleichheit der Frau und des Mannes postulierte. Diese Ansicht, in der die vollständige Gleichheit der Rechte und Pflichten beider Geschlechter gefordert wird, war unter den Anarchisten am meisten verbreitet, zumindest auf der theoretischen Ebene. Sie wurde auch in das Programm der Konföderation über den libertären Kommunismus aufgenommen, das im Mai 19 36 auf dem Kongreß in Zaragoza verabschiedet wurde. (4)
Unter den Anarchisten war wahrscheinlich Morales Guzmán derjenige, der am häufigsten die Befreiung der Frau verteidigte und die Dringlichkeit einer vollständigen Beteiligung der Frau sowohl bei der Arbeit als auch bei den sozialen Kämpfen hervorhob. Er kritisierte die Handlungsweisen vieler Militanter und versuchte, ihnen die Widersprüche zwischen ihrem Kampf für Gleichheit und Freiheit auf ökonomischem und sozialem Gebiet und ihren autoritären Verhaltensweisen zu Hause zu verdeutlichen.
3. Diese Diskussionen und die vorher erwähnte Kampagne für die Sexualerziehung trugen zu der allmählichen Bewußtwerdung jener Frauen bei, die die anarchistischen Prinzipien annahmen und sie auf ihre eigene Situation anwandten.
Diese Tatsache ist besonders relevant; denn von hier aus ging eine Bewegung unter Militanten an der Basis, die sich diesem Problem nicht nur als Anarchisten stellten, sondern auch als Frauen. Aus dieser Bewußtwerdung ergaben sich Forderungen nach einer authentischen Gleichheit der Geschlechter, eine Gleichheit, die von der libertären Bewegung auf der Ebene von Prinzipien gefordert, aber nicht realisiert wurde. Aus diesem Grund und auch, weil sie sahen, daß es der libertären Bewegung nicht gelang, für die Arbeiterinnen attraktiv zu werden, entstand im April 1936 die Frauenorganisation "Mujeres Libres".
Organisation und Entwicklung von „Mujeres Libres“
"Mujeres Libres" ist aus einer Gruppe von Frauen entstanden, die im April 1936 die Herausgabe einer Zeitschrift vorbereiteten. Sie sollte den gleichen Namen wie die Organisation tragen und sich mit den Fragen der "Kultur und der sozialen Dokumentation" befassen, um Frauen für die sozialen Fragen zu interessieren und ihnen die libertären Ideen nahe zu bringen. Nicht nur die Debatten über die Frauenfrage in der anarchistischen und anarchosyndikalistischen Presse scheinen Anlaß für die Gründung einer spezifischen Frauenorganisation gewesen zu sein, sondern auch das wachsende Bewußtsein unter den anarchistischen Frauen.
Drei Frauen gründeten die Organisation "Mujeres Libres": Lucia Sánchez Saornil, Mercedes Comaposada und Amparo Poch y Gascón. Lucia Sánchez Saornil hat vielleicht die fruchtbarste Arbeit der "Mujeres Libres" geleistet. Sie war Mitarbeiterin von theoretischen Zeitschriften der Anarchisten, wie "La Revista Blanca" und "Tiempos Nuevos" (5), und anarchosyndikalistischer Zeitungen, wie "Umbral", "Solidaridad Obrera", "El Libertario" und "C.N.T." aus Madrid. Sie übernahm den Posten der nationalen Geschäftsführerin der "Mujeres Libres" und im Mai 1938 außerdem die Geschäftsführung des Generalsekretariats der Internationalen Antifaschistischen Solidarität. (6)
Auch Mercedes Comaposada war Mitarbeiterin anarchistischer Zeitungen, wie "Ruta" und "Tierra y Libertad", und Redakteurin der Zeitschrift "Mujeres Libres". Amparo Poch y Gascón schrieb für "La Revista Blanca", "Tiempos Nuevos" und "Tierra y Libertad". Als Ärztin interessierte sie sich vor allem für die Kinderpflege. Sie war außerdem seit Dezember 1937 Leiterin des "Casal de la Dona Treballadora" in Barcelona. (7)
Die ursprüngliche Kerngruppe der anarchistischen Frauen, die die Zeitschrift "Mujeres Libres" Ende April 1936 gegründet hatten, wurde durch die Aufnahme von anderen Frauen erweitert, die sich für die Verbesserung der sozialen und beruflichen Ausbildung der Jugendlichen interessierten, die die Klassen der lokalen Gewerkschaftsföderation in Madrid besuchten. Hieraus bildete sich die erste Abteilung der Organisation "Mujeres Libres". Im September 1936 schloß sich die "Kulturelle Feministische Gruppe" (Grupo Cultural Femenino), die Kerngruppe der libertären Frauen Barcelonas, mit der Madrider Gruppe zusammen, wodurch die zweite Abteilung der Organisation entstand.
Während der folgenden zwei Jahre breitete sich die Organisation in der republikanischen Zone des Landes aus. Die meisten Abteilungen der "Mujeres Libres" gab es in Katalonien, wo neben den Gruppierungen der Stadtbezirke von Barcelona bis zu vierzig Gruppen in den verschiedenen Dörfern und Städten der Region existierten. In Madrid bestanden Gruppierungen in dreizehn Stadtbezirken und in der Region des Zentrums ungefähr fünfzehn, hauptsächlich in Guadalajara. Auch in der Region von Levante nahmen die Gruppen zu; dort gründeten sich achtundzwanzig. In Aragon werden vierzehn Gruppen erwähnt, die die Provinz-Föderation der "Mujeres Libres" bildeten, sich aber nur in fünf Dörfern dieser Region etablieren konnten.
Insgesamt scheint es 147 Gruppen der "Mujeres Libres" mit ungefähr 20.000 Mitgliedern gegeben zu haben, in ihrer Mehrzahl aus der Arbeiterklasse. (8)
"Mujeres Libres" konzipierte und bildete sich vor den Ereignissen des Juli 1936. Sie hatten damals bereits drei Nummern ihrer Zeitschrift herausgegeben. So ging sie als Organisation nicht aus den Kriegsereignissen hervor, obwohl die spezifischen Kriegsbedingungen entscheidend die weitere Entwicklung der Organisation beeinflußt haben.
Der erste nationale Kongreß der "Mujeres Libres" fand vom 20. August 1937 an in Valencia statt. An diesem ersten nationalen Kongreß nahmen Delegationen aus Barcelona teil, in Vertretung von 28 Gruppierungen aus der Provinz: aus Aragon im Namen von zwei Gruppen; aus Lerida in Vertretung von sieben Gruppen; aus Guadalajara, 25 Gruppen vertretend. Außerdem waren Delegationen der Gruppen aus Utiel, Horcha, Gerona, Sadurni de Noya, Alcoy, Yebra, Igualada, Mondejar, Elda, Alginet und Almeria anwesend. Der Kongreß legte die endgültige Grundlage für die Struktur der Organisation fest, die sich in lokale, provinzielle und regionale Gruppen mit ihren entsprechenden Provinz- und regionalen Komitees gliederte. Für die nationale Ebene war ein nationales Komitee vorgesehen. Neben diesem gründete sich ein nationales Unterkomitee, um die Aufgaben des nationalen Komitees zu erleichtern. Dieses Unterkomitee bestand aus sechs verschiedenen Sekretariaten: dem Generalsekretariat, dem Sekretariat für Organisation, für politische und soziale Fragen, für Wirtschaft und Arbeit, kulturelle Propaganda und Presse sowie Fürsorge (moralische Unterstützung für die Kämpfenden) . Mit der Bildung der nationalen Föderation der "Mujeres Libres" auf dem Kongreß im August 1937 wurden endgültig die föderativen Grundlagen der Organisation statuiert. Der Kongreß bestätigte die Prinzipien der Autonomie und Selbstverwaltung der verschiedenen Gruppen und legte fest, daß diese sich untereinander auf lokaler, provinzieller, regionaler und nationaler Ebene zusammenschließen könnten. (9)
Die Emanzipation der Frau und Frauen für die libertäre Bewegung zu gewinnen, galten als erste Ziele für "Mujeres Libres". Die Organisation hielt die ganze Zeit über die Befreiung der Frau für ihr vordringlichstes Ziel - und zwar vor allem die Befreiung der Arbeiterin von ihrer dreifachen Versklavung: die Versklavung durch ihre Unwissenheit, ihre Versklavung als Produzentin und ihre Versklavung als Frau. Gleichzeitig übernahm die Organisation während des ganzen Krieges die Aufgabe, die Frau in die Produktion zu integrieren.
Die Entwicklung der libertären Frauenorganisation fand in einer historischen Periode von großen sozialen Spannungen statt, und gerade diese historische Situation - Krieg und Revolution - bedingte in gewisser Weise den Aufschwung von "Mujeres Libres". Der Krieg bewirkte, daß viele Frauen ihre traditionell passiven Rollen aufgaben und aktiv am Produktionsprozeß und am sozialen Leben teilnahmen. "Mujeres Libres" wollten diesen spontanen Eingriff der Frauen kanalisieren, indem sie die Frau auf Dauer in den sozialen Kampf und besonders in die Verteidigung der revolutionären Errungenschaften der Arbeiterklasse integrierten. Der Mangel an männlicher Arbeitskraft wegen der Einberufung machte die Übernahme der freigewordenen Arbeitsstellen durch Arbeiterinnen notwendig. "Die Männer an die Front, die Frauen an die Arbeit" war die ständige Parole von "Mujeres Libres" in dieser Zeit. (10) Obwohl diese Haltung faktisch die Frau diskriminierte, nahm "Mujeres Libres" sie trotzdem ein und hob dabei hervor, daß die Frauen hinter der Front ihren Kampf führen müßten. (11)
Die politische Stellung von "Mujeres Libres" wurde durch die Notwendigkeit bestimmt, die soziale Revolution zu vollenden. Sie nahmen an, daß im Juli 1936 bereits die ersten Schritte zu ihrer Realisierung getan worden seien und schlugen deshalb, als spezifische Aufgaben für die anarchistischen Frauen, die Konsolidierung der revolutionären Errungenschaften hinter der Front vor. In ihrer Analyse der politischen Situation wiesen "Mujeres Libres" darauf hin, daß die Bezeichnung "Bürgerkrieg" für den derzeitigen Konflikt nicht zutreffend sei; denn es handele sich - ihrer Meinung nach - um einen "sozialen Krieg", in dem ein Klassenkampf stattfände. So verstanden sie den Krieg nicht nur als Verteidigung eines Gebietes, noch lediglich des republikanischen Staates, sondern als einen "revolutionären" Krieg, der die Interessen der Arbeiterklasse verteidigte und für die Errichtung eines gerechteren sozialen Systems kämpfte.
"Mujeres Libres" lehnten deshalb den Slogan ab, dem zufolge man dafür kämpfte, den Krieg zu gewinnen und die demokratische und parlamentarische Republik zu verteidigen. Für sie ging es um etwas Weitreichenderes, was keinen Augenblick lang auf die Verteidigung eines Staates beschränkt werden dürfe, in dem noch nicht einmal die Interessen der Arbeiter verteidigt würden: Es ginge tatsächlich darum, die soziale Revolution zu realisieren. Getreu diesem Postulat kritisierten "Mujeres Libres" in ihren Schriften die politische Haltung der Kommunistischen Partei Spaniens (P.C.E.) und der Sozialistischen Einheitspartei Kataloniens (P.S.U.C.), die sich darauf beschränkten, den republikanischen Staat zu verteidigen. Sie warfen ihnen vor, eine antisyndikalistische und reformistische Politik zu betreiben, die nicht den Interessen der Arbeiterklasse diente, sondern denen des Kleinbürgertums.
Von ihrer anarchistischen Orientierung aus hielten "Mujeres Libres" das Postulat aufrecht, die Zerstörung des Kapitalismus müsse mit der Abschaffung des Staates einhergehen. Hierdurch würde zugleich den politischen Parteien ihre Daseinsberechtigung genommen werden: die Eroberung der staatlichen Macht. So sollten die Gewerkschaften die Arbeitermacht und die revolutionären Eroberungen sichern. Die Mitarbeit einiger bekannter anarchistischer und anarchosyndikalistischer Führer an den staatlichen Organen der Republik - im Widerspruch zu ihren anarchistischen Prinzipien - löste selbstverständlich auch Widerspruch unter den Mitgliedern von "Mujeres Libres" aus. (12) Man muß aber dennoch hinzufügen, daß diese Politik der Kollaboration niemals explizit kritisiert worden ist.
Als libertäre Organisation identifizierten sich "Mujeres Libres" mit den Zielen der libertären Bewegung Spaniens und faßten feministische Organisationen als integrierenden Bestandteil dieser Bewegung auf. Sie hielten sich niemals für eine zweitrangige Organisation innerhalb der anarchistischen Bewegung und wiesen jeden Versuch zurück, der zu ihrer Instrumentalisierung führen könnte. "Mujeres Libres" bestanden darauf, daß gerade dies sie von den anderen politischen feministischen Organisationen unterschied. Denn diese blieben nur reine Anhängsel der politischen Parteien oder - im günstigsten Fall - feministische Sektionen, die diesen Parteien untergeordnet waren. "Mujeres Libres" beanspruchten ständig ihre eigene Autonomie als Organisation und wollten als autonomer Zweig der libertären Bewegung anerkannt werden. Von den Ansprüchen der Mitglieder her sollte "Mujeres Libres" genauso behandelt werden wie die C.N.T., die F.A.I. (Federacion Anarquista Iberica) und die F.I.J.L. (Federacion Iberica de Juventudes Libertarias), die drei schon bestehenden Zweige der libertären Bewegung Spaniens.
"Mujeres Libres" gaben ihre Bemühungen nicht auf, und als sie sich immer noch als Randgruppe betrachtet sahen, legten sie im Oktober 1938 einen Bericht auf dem regionalen Plenum der libertären Bewegung vor, um eine detaillierte Information über die feministische Organisation zu ermöglichen und zu fordern, daß sie als integrierter Bestandteil der Bewegung anerkannt werde. (13) Diese formale Forderung der "Mujeres Libres" wurde mit dem Hinweis zurückgewiesen, eine spezifisch feministische Organisation wäre ein Element der Zwietracht und der Ungleichheit innerhalb der libertären Bewegung, das negative Konsequenzen für die Entwicklung der Interessen der Arbeiterklasse auslöse. (14)
Die libertäre feministische Organisation stellte eine bahnbrechende Erfahrung innerhalb der anarchosyndikalistischen Welt und des spanischen Anarchismus dar; eine Erfahrung, die den libertären Militanten nicht sehr gefiel, so daß verschiedene Organe die feministischen Postulate von "Mujeres Libres" kritisierten. Die Beziehungen zwischen "Mujeres Libres" und der C.N.T., der F.A.I. und der F.I.J.L. entwickelten sich in einer spannungsgeladenen Atmosphäre. "Mujeres Libres" nahmen an, daß das Unverständnis der libertären Organisationen und ihre Haltung - zwischen maßloser und leichtfertiger Kritik auf der einen Seite und Herablassung auf der anderen Seite - die Aufgaben von "Mujeres Libres" innerhalb der anarchistischen Bewegung besonders erschwere. "Mujeres Libres" bekämpften die herrschende Meinung, daß der soziale und politische Kampf und die Arbeitswelt eine exklusive Domäne der Männer seien, und versuchten, die libertären Organe von der Notwendigkeit der Integration der Frau in alle Bereiche des politischen und sozialen Lebens zu überzeugen. Sie beanspruchten nicht nur innerhalb der libertären Bewegung die Vertretung aller Frauenprobleme, sondern versuchten auch zu erreichen, daß die militanten Frauen ihrer Organisation an den verschiedenen Organen beteiligt würden, nicht nur als Militante an der Basis, sondern auch an der Leitung, sowohl auf der Ebene der Fabrikkomitees als auch bei den Gewerkschaftsräten der C.N.T..
Die Ziele der "Mujeres Libres" blieben durch die fehlende Kooperation und das Desinteresse der anderen libertären Organisationen beschränkt. Es gelang ihnen niemals, die Abneigung oder den Paternalismus zu überwinden, die die Haltung der meisten Militanten bestimmten. "Mujeres Libres" glaubten, daß die ständigen Reibereien ihrer Organisation mit der C.N.T., der F.A.I. und der F.I.J.L. unter anderem damit zusammenhingen, daß die männlichen Vorurteile und Aversionen überdauerten, den Frauen keine Aufgaben zu überlassen, die als vermeintlich ausschließliche Domäne von Männern betrachtet wurden. (15)
Diese feindselige Haltung charakterisierte auch aus weiteren Gründen die Beziehungen von "Mujeres Libres" zu anderen feministischen Organisationen unterschiedlicher politischer Tendenzen. In gleicher Weise, wie das politische Postulat zurückgewiesen wurde, wonach das Kriegsziel sich auf die Verteidigung einer demokratischen Republik beschränkte, lehnte man es auch ab, sich mit feministischen Organisationen zu identifizieren, deren Programme nicht über den antifaschistischen Kampf hinausgingen und deren Daseinsberechtigung im Gewinn des Krieges bestand. Wenn auch bei einigen Gelegenheiten eine gewisse Zusammenarbeit zwischen "Mujeres Libres" und diesen Organisationen möglich war, um konkrete Programme durchzusetzen, so behielt "Mujeres Libres" generell eine unabhängige Linie und betonte ständig die anarchistische Richtung der Organisation und ihre revolutionären Ziele. (16)
„Mujeres Libres“ als feministische Organisation
"Mujeres Libres" wurden gegründet, um die Arbeiterinnen an die libertäre Bewegung Spaniens heranzubringen und zugleich als Verteidigungsbewegung der anarchistischen Frauen gegenüber den anderen feministischen Organisationen der verschiedensten politischen Richtungen, die sich infolge der Kriegsereignisse zur gleichen Zeit formierten. (17) Dennoch kann man sagen, daß "Mujeres Libres" nicht nur ein Bindeglied der spanischen Arbeiterklasse darstellten, sondern die ganze Zeit über eine eigene Identität hervorgebracht haben, indem sie nicht nur die Funktionen einer libertären Organisation übernahmen, sondern auch die einer feministischen. (18)
"Mujeres Libres" hatten ein zweifaches Bewußtsein: einmal ein soziales und politisches Bewußtsein, das sich mit den Interessen der Arbeiterklasse identifizierte, und zum anderen ein feministisches Bewußtsein, das die Befreiung der Frau von ihrer Unterdrückung als Frau forderte. Diese Eigenschaft des proletarischen Feminismus ist vielleicht das originellste Element dieser Organisation.
Für "Mujeres Libres" war nicht die Befreiung der Frau an sich das übergreifende Ziel, sondern vielmehr deren Befreiung im erweiterten Rahmen der Emanzipation der Arbeiterklasse. "Mujeres Libres" identifizierten sich mit den revolutionären anarchistischen Idealen und von daher auch mit ihren Zielen, eine Gesellschaft zu errichten, in der eine tatsächliche Gleichheit von Rechten und Pflichten zwischen den Geschlechtern besteht und deren soziales System auf dem libertären Kommunismus aufbaut. Die Gruppe meinte, daß die sozialen und ökonomischen Veränderungen, die die soziale Revolution zur Voraussetzung hat, mit qualitativen Veränderungen der Menschen einhergehen müsse, wodurch der neue revolutionäre Mensch geschaffen werde, der "vollständige" anarchistische Mensch. Für die Mitglieder von "Mujeres Libres" mußte aber dennoch die revolutionäre Umwälzung der Gesellschaft eng mit der Zerstörung einer patriarchalischen Gesellschaft verbunden sein, die auf den männlichen Autoritarismus aufbaut.
"Mujeres Libres" sahen die Möglichkeit der Befreiung der Frau nicht nur im Rahmen der sozialen Revolution und nahmen an, sie sei kein automatisches Ergebnis dieser Revolution, sondern müsse vielmehr eine konvergente und autonome Bewegung bilden. Deshalb bestanden sie ständig auf der notwendigen Selbstbefreiung der Frau, wie sie schon zu Beginn des Jahrhunderts von der Anarchistin Teresa Claramunt umrissen wurde. (19)
Sie waren sich auch der Widersprüche bewußt, die in der Haltung vieler militanter Anarchisten gegenüber der Frauenfrage lag, und meinten, daß die Befreiung der Frau innerhalb der bestehenden Organe der libertären Bewegung Spaniens zu erreichen sei. Deshalb hielten sie die Existenz einer spezifischen Organisation der Frauen für unumgänglich, die Impulse für die Emanzipation und die Befreiung der Frau selbst vermitteln, ihr eine libertäre Richtung geben könnte und damit gleichzeitig die Interessen der Arbeiterklasse und die der Frauen verteidigt.
Der Feminismus von "Mujeres Libres" hatte im Unterschied zum "bourgeoisen" spanischen Feminismus (z.B. einer gewissen Celsia Regia, den Mitgliedern des "Lyceum Club" von Madrid oder auch von Francisca Bonnemaison oder Dolores Moncerdá in Katalonien) (1) deutlichen proletarischen Charakter und ging vollständig mit den anarchistischen Zielen einher. Es war nicht das Ziel, ein feministisches Programm außerhalb des Kontextes von Klassenkämpfen durchzusetzen, obwohl sie hervorhoben, daß es im Rahmen der anarchistischen Bewegung notwendig sei, die Emanzipation des Proletariats und die Emanzipation der Frau zu verbinden. Wenn es auch stimmt, daß durch die Kriegsbedingungen andere Aspekte für wichtiger gehalten wurden als die Aktivitäten von "Mujeres Libres", so kann man doch bestätigen, daß "Mujeres Libres" sowohl in der Theorie (der zweifache Kampf der Frau) als auch in der Praxis (Zusammenfassung und Schulung der Frauen innerhalb ihrer Gruppierungen) immer darauf insistiert haben, das feministische Bewußtsein der Arbeiterin zu entwickeln. Sie haben unterstrichen, daß eine soziale Revolution, in der die Befreiung der Frau nicht erreicht werde, keinen Sinn hätte.
Indem sie davon ausgehen, daß die Frau schon wegen ihres Frau-Seins eine Reihe spezifischer Probleme hat, entwickelten "Mujeres Libres" die Theorie, wonach die Frau einen doppelten Kampf führen müsse. An erster Stelle müsse die Frau, genauso wie der Mann, als Mitglied der Gesellschaft einen sozialen Kampf führen, um das herrschende soziale und ökonomische System zu stürzen und eine Gesellschaft zu schaffen, in der es keine Ausbeutung der Arbeiterklasse gebe, d.h. eine Gesellschaft des libertären Kommunismus. Darüber hinaus müsse die Frau, im Unterschied zum Mann, gleichzeitig auch für die Beendigung ihrer eigenen Ausbeutung als Frau kämpfen: d.h., der zweite Zweig des doppelten Kampfes der Frau wäre der Kampf für ihre persönliche Befreiung.
In Übereinstimmung mit ihrer anarchistischen Vorstellung beanspruchten "Mujeres Libres" nicht, die Organisation einer Minderheit von Führern zu sein, sondern versuchten, eine Massenorganisation für die Arbeiterinnen zu werden. Deshalb bestimmten Vorbereitung und vorhergehende Erziehung der Mitglieder die weitere Entwicklung von "Mujeres Libres". Die Organisation mußte sich den Erfordernissen und Problemen anpassen, die sich gerade durch die fehlende politische und kulturelle Vorbereitung der Arbeiterinnen stellten. Das kurze Leben der Organisation "Mujeres Libres" und die Bedingungen des Krieges brachten es mit sich, daß es nicht gelang, die ideologischen Probleme von "Mujeres Libres" auf der Ebene der Organisation intensiv zu diskutieren. Die Vollversammlungen und Kongresse von "Mujeres Libres" behandelten, nachdem einmal die Basis für die Organisation errichtet worden war, vor allen Dingen Fragen mit direktem politischem Bezug. Deshalb ist es auch nicht erstaunlich, daß in den Veröffentlichungen von "Mujeres Libres" verschiedenartige und sogar widersprüchliche Ansichten über die unterschiedlichen Probleme auftauchten.
Innerhalb ihres Aktionsprogramms haben sie sehr viel Wert auf die Kultur als wesentliches Mittel zur sozialen Förderung der Frau gelegt. Die Befreiung der Frau aus ihrer Unwissenheit als eines der Ziele forderte logischerweise auch, daß sie der Verbreitung einer allgemeinen Kultur unter den Arbeiterinnen eine große Bedeutung beimaßen. Dennoch lehnten "Mujeres Libres" die Idee einer "Kultur für die Kultur" oder die Kultur ab, die man sich zur individuellen Förderung aneignen konnte. Sie hielten die Kultur für ein Instrument der sozialen Revolution, die nicht nur dazu diente, die Frauen für den Sieg im Krieg zu gewinnen, sondern auch für die Erziehung der gesamten Persönlichkeit. Die Kultur hilft dazu, die Bedeutung des Anarchismus und der sozialen Revolution besser zu verstehen.
Das Interesse von "Mujeres Libres" für die kulturelle Bildung der Frauen rührte auch von der Tatsache her, daß sie es für unerläßlich hielten, sowohl die Kultur als auch die Technik in die Hände der Arbeiterklasse gelangen und sie in deren Interesse nutzen zu lassen. Sie meinten, eine solide kulturelle Bildung helfe darüber hinaus, die Unabhängigkeit der Frau zu vergrößern, indem ihr leichter die Möglichkeit eröffnet wird, selbst eine eigene Meinung über die verschiedensten Fragen zu bilden.
Die kulturelle Arbeit von "Mujeres Libres" entwickelte sich vor allem über die Institute von "Mujeres Libres" in Madrid und Valencia und über das "Casal de la Dona Treballadora" in Barcelona. Zugleich wurden in den verschiedenen lokalen Gruppen Kurse für Grundbildung und für allgemeine Kultur organisiert. Als eine ihrer wichtigsten Aufgaben auf dem Gebiet der Kultur haben "Mujeres Libres" eine Kampagne gegen das Analphabetentum unter den Arbeiterinnen durchgeführt und dabei Kurse in der Mehrzahl ihrer Gruppen organisiert.
Einer der kulturellen Träger von "Mujeres Libres" entstand in der Zeitschrift "Mujeres Libres", von der insgesamt dreizehn Nummern erschienen. Die Zeitschrift richtete sich nach außen hin auf die Gewinnung von Frauen aus anderen politischen Bereichen und der kulturellen Welt für die libertäre Bewegung. Sie wollten auch die intellektuelle und philosophische Fortbildung ihrer Leserinnen erleichtern und zugleich ein Organ für Informationen über ihre Aktivitäten schaffen. Die Zeitschrift sollte sich nicht nur auf "feministische" Themen beschränken, sondern einen großen Bereich abdecken. Sie veröffentlichten eine Reihe von sehr grundlegenden Broschüren, die sich an ein Publikum ohne große Vorkenntnisse richteten. Außerdem war die Herausgabe einer Wochenzeitung geplant, die in "einfacher Sprache" geschrieben, besser für Arbeiterinnen und Bäuerinnen zugänglich sein sollte. Aus verschiedenartigen Gründen ist es nicht gelungen, diese Wochenzeitung unter dem geplanten Titel "Luchadoras" (Kämpferinnen) herauszugeben. (21)
"Mujeres Libres" meinten, die Frau müsse sich in den Produktionsprozeß eingliedern und sich nicht auf die Hausarbeit beschränken. Die Basis für ihre Unabhängigkeit und also auch ihre Emanzipation lag laut "Mujeres Libres" in ihrer ökonomischen Unabhängigkeit. Um diese ökonomische Unabhängigkeit zu erreichen, die für ihre persönliche und soziale Freiheit so entscheidend sei, müsse die Frau arbeiten. "Mujeres Libres" lehnten die Vorstellung von einem Monopol oder einem männlichen Privileg für die Arbeit ab. Sie betonten sogar, daß zwar die Notwendigkeiten des Krieges eine rasche Eingliederung der Frauen in den Produktionsprozeß fördere, die Frauen aber nicht bereit sein dürften, nach Hause zurückzukehren, wenn einmal die Arbeitskraft der Frauen nicht mehr gebraucht würde.
Die Eingliederung der Frau in den Arbeitsprozeß dürfe nach "Mujeres Libres" keine vorübergehende Maßnahme sein; denn die Frau habe genau soviel Rechte wie der Mann, an der Produktion teilzunehmen, und alle - ohne Geschlechtsunterschied - hätten das ständige und unveräußerliche Recht auf würdige Arbeit. In diesem Sinne behaupteten "Mujeres Libres", daß die Frau, die nicht arbeitet, eine Last für die Gesellschaft sei und als sozialer Schmarotzer zum Schaden der Allgemeinheit handle. Sie meinten, daß auch die Arbeit im Haus die Frau nicht von der Pflicht befreien könne, sich an der Produktion zu beteiligen. Für "Mujeres Libres" wurde die häusliche Arbeit ausschließlich für einige isolierte Individuen gemacht: Die Arbeit müsse aber allen zugute kommen. Diese Ansicht teilten nicht alle Artikelschreiberinnen.
"Mujeres Libres" waren sich der Feindseligkeit bewußt, die die Eingliederung der weiblichen Arbeitskraft unter den Arbeitern hervorrief und verstanden auch die Gründe dafür. Sie beharrten aber dennoch darauf, daß diese Eingliederung nicht notwendigerweise eine Verringerung der Löhne der Männer nach sich ziehen, noch sich bei Streiks auswirken müsse. Wenn die Arbeiter beider Geschlechter sich solidarisieren und eine gemeinsame Front gegen die Unternehmer mit einem Programm gegenseitiger Unterstützung bilden würden, statt den Interessen der Bourgeoisie mit dieser Frontbildung zwischen Arbeitern und Arbeiterinnen zu dienen, dann könnte nach "Mujeres Libres" der Eintritt der Frauen in den Arbeitsprozeß den Lebensbedingungen der Arbeiter nicht nur nichts schaden, sondern im Gegenteil die Sache der Arbeiter stärken und die Arbeitsbedingungen für beide Geschlechter verbessern. "Mujeres Libres" erkannten aber, daß dieser Prozeß auf jeden Fall zunächst eine Phase der Neu-Erziehung sowohl der Arbeiter als auch der Arbeiterinnen erforderlich mache.
Die libertäre feministische Organisation beschränkte sich nicht darauf, theoretische Postulate über die Eingliederung der Frauen in den Arbeitsprozeß zu formulieren, sondern bemühte sich, ihren Mitgliedern eine technisch-berufliche Ausbildung zu erleichtern, die es ihnen erlaubt, nicht nur die unteren Arbeitsplätze einzunehmen, sondern auch die, die eine gewisse Qualifikation erfordern. Sie befaßten sich außerdem mit den praktischen Problemen der Frau mit Familie, die außerhalb des Hauses arbeitet und führten eine große Kampagne für die Errichtung von kostenlosen Kinderkrippen in den Fabriken oder in den Arbeitervierteln durch. (22) Neben dieser Kampagne forderten "Mujeres Libres" die Schaffung von Volks-Speiseräumen für die Arbeiter beider Geschlechter, um die Arbeiterin von ihren Aufgaben zu Hause zu entlasten. Als Anarchisten befürworteten sie gleichzeitig gleiche Löhne für alle Arbeiter durch die Einführung des Einheitslohns und - was logisch ist - gleiche Löhne für Männer und Frauen, die die gleiche Arbeit verrichteten.
Haltung gegenüber der Sexualität
"Mujeres Libres" glaubten, daß die ökonomische und soziale Ungleichheit der Frau nicht nur die Entwicklung des Kampfes für die soziale Revolution und die Befreiung der Frau behindere, sondern daß sie eine der wesentlichen Ursachen für das Sexualproblem sei. Für "Mujeres Libres" werden in den meisten Fällen die Frauen durch die ökonomische Abhängigkeit versklavt und ihnen die Freiheiten auf sexuellem Gebiet genommen. Das Sexualproblem blieb also eng mit den ökonomischen und sozialen Problemen verknüpft, und deshalb meinten "Mujeres Libres", man müsse eine Gesamtlösung sozialer Art finden.
Für "Mujeres Libres" haben vorhergehende Kampagnen für die sexuelle Befreiung, die in den anarchistischen und anarchosyndikalistischen Reihen soviel Auftrieb erhalten hatten, allgemein der Frau geschadet. Bei diesen Kampagnen war es nicht gelungen, wirklich Verständnis für die sexuelle Befreiung zu wecken; im Gegenteil, bei der Mehrheit der Männer haben sie eine oberflächliche Haltung hervorgerufen, die sich tatsächlich gegen die Interessen der Frauen richtete.
Die Mitglieder von "Mujeres Libres" kritisierten die Haltung vieler Militanter, die sich selbst für Anarchisten hielten, aber die Frauen, die in die "Ateneos" (Versammlungslokale) oder andere Versammlungsorte gingen, für Sexualobjekte hielten, deren Funktion nur der Befriedigung der sexuellen Bedürfnisse des Mannes diente. Die sexuelle Freiheit, die sich für die Anarchisten in der freien Liebe erfüllt, sollte eine Überwindung und Sublimierung der Liebe sein, in der bei völliger Unabhängigkeit ein gegenseitiges Verständnis zwischen Mann und Frau auf allen Ebenen erreicht werden könnte. (23) Aber für "Mujeres Libres" haben sich die früheren Versuche von sexueller Befreiung nicht einmal dieser Konzeption angenähert und waren sogar negativ für die Frauen: einmal, weil sie eine Pseudo-Freiheit geschaffen haben, die tatsächlich nur ihre schon bestehende sexuelle Versklavung verstärkt hat, zum zweiten, weil sie die weite soziale und ökonomische Problematik ausschließlich auf den sexuellen Bereich beschränkten. Sie merkten außerdem an, daß es eine falsche Fragestellung für dieses Problem sei, wenn man versuchen würde, die sexuelle Befreiung unter den herrschenden ökonomischen und sozialen Strukturen einzuführen; denn unter kapitalistischen Bedingungen könne nur eine Minderheit von Frauen diese Freiheit anstreben, die Mehrheit der Arbeitermassen werde damit aber vollständig ausgeschlossen.
Im Rahmen dieser Kritik an der Haltung vieler anarchistischer Männer (und Frauen) tritt die Kritik von "Mujeres Libres" an jeder Art von Ehe heraus. Obwohl die Anarchisten in der Theorie ihre Verbindungen nicht legalisieren wollten, erhielten sich praktisch die standesamtlichen Trauungen als durchaus übliche Form des Ehebündnisses. Selbst wenn es Schwierigkeiten gab, die Ehen zu institutionalisieren, übernahmen es die anarchistischen Militanten selbst, sie zu beglaubigen. (24) Diese Haltung, die den anarchistischen Prinzipien widersprach, wurde von den Militanten von "Mujeres Libres" mit Nachdruck kritisiert.
In den Schriften von "Mujeres Libres" spiegelt sich eine Tendenz wieder, die notwendige Unabhängigkeit der Frau für ihre Entwicklung und Selbstbestätigung hervorzuheben. Unter den Mitgliedern von "Mujeres Libres" überwog außerdem die Ansicht, die Frau sei ein rationales und denkendes Wesen gegenüber der Sublimierung ihrer Funktion als Mutter. Dieses von einigen Mitgliedern von "Mujeres Libres" - an der Spitze Lucia Sánchez Saornil - vertretene Postulat unterstellte, daß die Mutterschaft nur eine von vielen Möglichkeiten für die Frau sei, sich zu verwirklichen. Die Frau als Mutter sollte nicht gegenüber der Frau als Arbeiterin oder der Militantin im sozialen Kampf bevorzugt werden.
In den libertären Reihen herrschte diese Ansicht über die Mutterschaft allerdings nicht vor. Man faßte die Mutterschaft vielmehr als etwas auf, was die Frau als solche vervollständigte und sie zu dem Gipfel ihrer menschlichen Entwicklung brachte. (25)
Es herrschte also die Verherrlichung der Frau als Mutter und die Mystifizierung von Kindern als Mittel zur vollkommenen Verwirklichung der Frau vor. Unter den Mitgliedern von "Mujeres Libres" gab es auch Anhängerinnen dieser Vorstellung von Mutterschaft, die vor allem von Amparo Poch y Gascón vertreten wurde. Trotz der unterschiedlichen Ansichten waren aber alle von der Notwendigkeit überzeugt, ein Gefühl der bewußten Mutterschaft unter den Arbeiterinnen entwickeln zu müssen. (26)
Auf der anderen Seite verdiente auch die Prostitution die besondere Aufmerksamkeit von "Mujeres Libres". Sie konzipierten einige "Liberatorios de Prostitucion" (Rehabilitations- und soziale Reintegrationszentren). Diese Versuche sollten in die Praxis umgesetzt werden, die allerdings wenig Erfolg zeigten, da sowohl die Unterstützung der Organe der libertären Bewegung als auch der offiziellen Institutionen fehlte.
Die Kindererziehung
Weitere Themen, für die sich die libertäre feministische Organisation interessiert hat, waren die Erziehung und die Pädagogik. Wie in libertären Kreisen üblich, rief die Erziehung bei "Mujeres Libres" ein lebhaftes Interesse hervor. Sie glaubten, daß in dem Maße, wie die Kultur ein Instrument zur Ausbreitung der sozialen Revolution darstelle, dies auch bei der Erziehung der Fall sei. Für "Mujeres Libres" spielte die Erziehung deshalb eine wichtige Rolle, weil sie als ein Instrument zur Durchsetzung der Interessen der herrschenden Klasse deren ideologische Vorherrschaft gegenüber der Arbeiterklasse reproduziert. Das heißt, "Mujeres Libres glaubten, daß die Schule unter kapitalistischer Herrschaft der Bourgeoisie dazu diente, die bürgerliche Ideologie den Schülern einzuimpfen und so ihr eigenes Überleben als politisches und soziales System zu sichern.
So wie die Arbeiterklasse die Technik beherrschen müßte, so meinten "Mujeres Libres" auch, daß die Kindererziehung ihren Interessen dienen müßte. Deshalb führten sie eine Kampagne durch, um einen Lehrkörper heranzubilden, dessen Aufgabe es sein sollte, den revolutionären Wandel auf dem Gebiet der Erziehung zu unterstützen und dabei ständig die Ziele der sozialen Revolution voranzutreiben. "Mujeres Libres" lehnten in Übereinstimmung mit ihrer anarchistischen Orientierung jedes autoritäre System in der Schule, genauso wie jede politische Manipulation der Kinder ab. Für sie widersprach es den anarchistischen Prinzipien die Kinder nach einer bestimmten politischen Konzeption zu erziehen. Nach "Mujeres Libres" sollte man die Kinder rational erziehen, um ihnen zu ermöglichen, sich als Erwachsene später selbst eine eigene politische Überzeugung zu bilden. (27). Sie glaubten, daß auch in der Familie kein Platz für autoritäre Eltern sei; denn dies würde nur das Fortbestehen des autoritären Systems in der Gesellschaft stabilisieren. Sie betonten, daß die Gedankenfreiheit, die Reflexion und die rationale Diskussion in der Familie deren Ausbreitung auch in der Gesellschaft begünstige.
Das Problem der Kindererziehung hatte im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts zu Diskussionen unter den Anarchisten geführt. Auf der einen Seite meinten sie, daß die Gemeinschaft (Kollektiv) und nicht die Familie sich um die Erziehung und die Sorge der Kinder kümmern müsse. So sollten alle Kinder ohne Diskriminierung erzogen werden, d.h., so, als seien sie die eigenen. Auf diese Weise stünden die Nachkommen weniger unter dem Einfluß ihrer Eltern. Die Entwicklung wäre für alle gleich, und man erzöge die Kinder innerhalb der "großen Familie" der Gemeinschaft. (28)
Neben dieser Ansicht bestand aber noch eine andere, wonach die Eltern auch eine wichtige Rolle bei der Erziehung der Kinder spielten. Für sie war die kollektive Erziehung nicht ausreichend; denn das Kind brauche auch die Eltern, sowohl für seine allgemeine Erziehung als auch für seine physische und psychische Bildung. Die kollektive Erziehung bliebe der häuslichen Erziehung untergeordnet, und deshalb sollten die Eltern die wesentliche Rolle bei der Erziehung spielen. (29)
Diese Meinung ging außerdem auf die Vorstellung zurück, daß die Wahl durch Verwandtschaft etwas dem Menschen Innewohnendes sei und die Idee von der Gleichheit aller Kinder letztlich sich gegen die Freiheit richte, sich von manchen Personen mehr angezogen zu fühlen als von anderen. Einige Anarchisten, wie Gaston Leval, hoben außerdem die Verantwortung hervor, die sich aus der Tatsache ergebe, Kinder gezeugt zu haben. Diese Verantwortung erstrecke sich auch auf die Erziehung.
"Mujeres Libres" vertraten die zweite Ansicht, wonach die Erziehung der Kinder eine Aufgabe sei, die zu Hause und in der Gemeinschaft vollbracht werden müsse. Die Erziehung sollte sich auch nicht auf die vier Wände der Schule beschränken; denn es dürfe nach "Mujeres Libres" keine Trennung zwischen Alltagsleben und Schule geben: Der Erziehungsprozeß der Kinder sei global auszurichten, indem ständig eine Beziehung zur Realität der Schule, des Zuhause und der Straße bestehe.
Indem "Mujeres Libres" für den direkten Kontakt der Kinder mit der Realität eintraten, sahen sie auch die natürliche Beziehung der Kinder beiderlei Geschlechts zueinander vor. Dabei sollte jede Art von Vorurteilen und Tabus innerhalb dieser Beziehungen vermieden werden. Sie glaubten, daß die Gemeinschaftserziehung in der Schule und die Erziehung der Kinder in vollständiger Gleichheit, ohne Unterschied der Geschlechter, eine bessere Annäherung der Menschen erleichtern und eine bessere Beziehung der Männer und Frauen untereinander ermöglichen würde. (30)
Abschließende Bemerkungen
Im Vergleich zu ihren weitgesteckten Zielen kann das, was "Mujeres Libres" erreicht haben, als einigermaßen bescheiden angesehen werden. Ihre Aktivitäten überschritten in vielen Fällen nicht die kurzfristigen Ziele der Organisation (Vorbereitung der Arbeiterin auf ihre Eingliederung in den Produktionsprozeß), wobei kaum Raum blieb, um die längerfristigen Ziele zu realisieren (die Befreiung der Frau von ihrer Versklavung als Produzentin, von ihrer Unwissenheit und von ihren Bedingungen als Frau). Dennoch beteiligten sich mit "Mujeres Libres" zum ersten Mal die Arbeiterinnen kollektiv an der libertären Bewegung Spaniens. Außerdem muß es als bedeutsam angesehen werden, daß trotz der fehlenden Unterstützung durch die Organe der libertären Bewegung und der staatlichen Organisationen ungefähr 20.000 spanische Frauen sich mit der Organisation identifiziert haben.
"Mujeres Libres" ist es in den wenigen Jahren ihres Bestehens nicht gelungen, ihre Ziele zu erreichen, noch gelang es ihnen, den dialektischen Prozeß zu systematisieren, der auf die verschiedenen angedeuteten Alternativen folgte. Sie waren sich aber dieser Problematik bewußt und versuchten, sie sowohl von einer feministischen als auch politischen Haltung her zu überwinden. Dabei lehnten sie allerdings auch eine politische Instrumentalisierung ihrer Organisation ab. Die Probleme, denen sich "Mujeres Libres" in so origineller Weise durch den doppelten Kampf der Frau stellten, bleiben heute nach wie vor aktuell, und vielleicht sind sie heute im Lichte dieser Erfahrungen sogar besser zu verstehen. (31)
In dieser Textauswahl (Anm.: Siehe weitere Texte auf www.anarchismus.at) sind Schriften von Mitgliedern und Sympathisanten von "Mujeres Libres" gesammelt. Die Grenzen, die dieser Sammlung gesetzt sind, ermöglichen es nicht, die gesamte Facette des Werkes und des Denkens von "Mujeres Libres" auszubreiten, genauso wenig wie die Entwicklung der Organisation. Wir haben uns dazu entschlossen, im allgemeinen die Texte auszuwählen, die sich speziell auf die Probleme der Frauen beziehen; ein in der libertären Literatur und in der Literatur über den spanischen Anarchismus nur am Rande behandelter Aspekt. Deshalb haben wir die Dokumente von "Mujeres Libres" nicht mit berücksichtigt, die sich auf den Krieg und die soziale Revolution beziehen; denn im allgemeinen unterscheiden sie sich nicht viel von den Äußerungen aus der übrigen libertären Bewegung Spaniens. In dieser Auswahl sind Texte verschiedener Art und von verschiedenem Interesse enthalten, aber ihre Heterogenität gibt die Vielfalt der Fragestellungen und die ungleiche Vorbereitung der Militanten von "Mujeres Libres" wieder. Wenn wir uns darauf beschränkt hätten, nur die Texte von größter Originalität und Interesse wiederzugeben, hätten wir vielleicht ein falsches Bild dieser Organisation geschaffen. Wir haben die Originalversion belassen, obwohl wir in einigen wenigen Fällen die Orthografie verbessert haben, wenn diese das Verständnis des Textes erschwerte.
Mary Nash, Februar 1974
Fußnoten:
(*) Wir verwenden anarchistisch und libertär synonym, obwohl es in Nuancen Unterschiede zwischen beiden Begriffen geben kann.
(**) Über den bürgerlichen Feminismus in Spanien siehe: Capmany, Maria A., La dona a Catalunya, Barcelona, Edicions 62, 1966; dies., El feminisme a Catalunya, Barcelona, Ed. Nova Terra, 1973; Laffite, Maria, La Mujer en Espana. Cien anos de su Historia. 1860-1960, Madrid, Aguilar, 1964; Llantes, Rossend/Balague, Domenech, Francesca Bonnemaison de Verdaguer i la seva obro, Barcelona 1972.
(1) "La Revista Blanca" erschien alle 14 Tage vom Juni 1923 bis zum Juli 1936 in Barcelona; geleitet wurde sie von den Mitgliedern der Familie Montseny: Federico Urales, Soledad Gustavo und Federica Montseny. Während des Jahres 1927 veröffentlichte Federica Montseny eine Reihe von Artikeln unter dem Titel: La mujer, problema del hombre (Die Frau, ein Problem des Mannes). Jahre später hat Federica Montseny dann eine Broschüre verfaßt, die sie "El problema de los sexos" (Das Problem der Geschlechter) nannte (Ed. Universo, Toulouse 1951) und eine bearbeitete Fassung dieser Artikel darstellt. Sie sammelte so in endgültiger Form ihre Gedanken über die Frau.
(2) Die eklektische Zeitschrift "Estudios" erschien seit 1923 in Alcoy unter dem Namen "Generacion Consciente" (Bewußte Generation), wurde dann als Monatszeitschrift zwischen 1925 und 1928 in Valencia herausgegeben und erschien schließlich von 1929 bis 1939 unter dem Titel "Estudios" ebenfalls in Valencia.
(3) Die Zeitschrift "Estudios" stellte sich an die Spitze dieser Sexualkampagne und befaßte sich mit dem Problem der Emanzipation der Frau. Sie erreichte eine Auflage, die zwischen 65.000 und 75.000 Exemplaren schwankte. Im Programm von "Estudios" wird festgestellt: "Das zwingende Problem der Sexualität erforderte schon immer eine bevorzugte Aufmerksamkeit, und man muß alle Mühe darauf verwenden, es aus seiner Verborgenheit herauszuholen, in die es die herrschende Moral verbannt hat." Die Zeitschrift führte ihr Programm unter folgenden Überschriften aus: Sexualerziehung; Abschaffung der Prostitution; Kampf gegen die Geschlechtskrankheiten; Verbreitung von Mitteln, um Geschlechtskrankheiten vorzubeugen; Gemeinschaftshochzeit; Scheidung; Sexuelle Freiheiten der Frau; Geburtenkontrolle; religiöse Entgiftung der Sexualität. S.: "A modo de programa", von einem Landarzt geschrieben ("Estudios", Nr. 91, Juni 1931).
(4) In dem Absatz über die "Familie und die sozialen Beziehungen" heißt es: "So wie die erste Maßnahme des freiheitlichen Kommunismus darin besteht, die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Menschen ohne Unterschied der Geschlechter zu sichern, so wird auch die gegenseitige Abhängigkeit zwischen Mann und Frau verschwinden, die aus Gründen wirtschaftlicher Unterlegenheit im Kapitalismus entstanden ist. So ist also klar, daß die Geschlechter gleichberechtigt sein werden, in ihren Rechten wie in ihren Pflichten." Abgedruckt in: Ökonomie und Revolution, Kramer Verlag, Berlin 1975, S. 155.
(5) "Tiempos Nuevos", eine Zeitschrift, die seit 1934 in Barcelona erschien. Von Januar bis April 1935 wurde sie als Wochenzeitung und von Mai 1935 bis November 1938 monatlich herausgegeben.
(6) Die Internationale Antifaschistische Solidarität ("Solidaridad Internacional Antifascista" (S.I.A.)) war eine internationale Hilfsorganisation für die Republik, im wesentlichen unter anarchistischem Einfluß.
(7) "Casal de la Dona Treballadora" hieß das Institut der "Mujeres Libres" in Barcelona.
(8) Bei verschiedenen Gelegenheiten haben Mitglieder von "Mujeres Libres" Angaben über die Mitgliederstärke gemacht, die zwischen 60.000, 30.000 und 20.000 schwankten. Dennoch scheint von diesen Zahlen die Zahl 20.000 am glaubwürdigsten zu sein, wenn man die allgemeine Tendenz berücksichtigt, die Mitgliederzahl von Organisationen übertrieben hoch anzusetzen. Diese Zahl wird auch am häufigsten in den Dokumentationen der Organisation genannt.
(9) "Mujeres Libres" planten auch, eine internationale Konföderation der Gruppen von "Mujeres Libres" zu bilden. Zu dieser Zeit erhielten sie die Unterstützung einer ganzen Anzahl von Sympathisanten und ausländischen Gruppen.
(10) Dieser Slogan der schnellen Eingliederung der Frauen in die Arbeit wurde nicht nur von der libertären Frauenorganisation aufgestellt, sondern auch andere feministische Organisationen der unterschiedlichsten politischen Richtungen riefen die Frauen in diesem Sinne auf, etwa "Mujeres" aus Madrid, das Organ der Kommunistischen Partei Spaniens oder "Company", das Organ der Sozialistischen Einheitspartei Kataloniens (P.S.U.C.) oder die Gruppe der antifaschistischen Frauen. Aber in der Form, wie "Mujeres Libres" diesen Aufruf im September 1936 herausgaben, kümmerten sich die anderen Parteien erst 1938 um dieses Problem; zu diesem Zeitpunkt sicherlich wegen der Verschlechterung der militärischen Lage.
(11) Bei einigen Gelegenheiten haben Mitglieder der "Mujeres Libres" zwar am Kampf teilgenommen, indem sie Lastwagen mit Lebensmitteln von Barcelona bis an die Front nach Madrid fuhren oder sich um die Wäsche für die Fronten kümmerten. Normalerweise aber war der einzige Kontakt der "Mujeres Libres" mit der Front ein Besuch der Soldaten, besonders bei denjenigen aus den anarchistischen Reihen.
(12) Die Beteiligung an den Regierungsorganen fand auf verschiedenen Ebenen statt: Einmal der Beteiligung von drei Mitgliedern der C.N.T. am Rat der "Generalidad" von Katalonien (Juan P. Fäbregas, Juan J. Domenech und Antonio Garcia Birlän) am 27. September 19 36 und dann der Eintritt von vier Mitgliedern der C.N.T. (Juan Garcia Oliver, Juan Peiro, Juan Lopez Sänchez und Federica Montseny) am 4. November 19 36 in die Regierung von Largo Caballero. Dies waren die herausragendsten Ereignisse dieser Politik der Kollaboration.
(13) Die Forderung lautet: "Wir erwarten nur, daß das Plenum unseren Bericht studiert und sich für uns ausspricht; daß es uns offiziell als integrierter Bestandteil der libertären Bewegung anerkennt, wie man es offiziös vorher bereits in zahlreichen Fällen getan hat. Außerdem erwarten wir Unterstützung und die nötige Zusammenarbeit, um unsere Aufgabe erfüllen zu können." Bericht, den diese Föderation dem nationalen Komitee der libertären Bewegung und den Delegierten des Plenums desselben vorlegte (Nationale Föderation der "Mujeres Libres", Nationales Komitee, Barcelona, September 1938, S. 8).
(14) Die Polemik, die sich aus dieser Forderung der "Mujeres Libres" entwickelte, kann man mit der Diskussion um die Bildung der Libertären Jugend (Juventudes Libertarias) im Jahre 1932 vergleichen. Damals wurden dieselben Argumente ausgespielt, aber im Gegensatz zu "Mujeres Libres" gelang es der libertären Jugend, ihre Meinung durchzusetzen. Das Scheitern der "Mujeres Libres" weist auf die Schwäche ihrer Organisation und den schwachen Einfluß innerhalb der libertären Bewegung hin. Man muß aber auch berücksichtigen, daß die F.I.J.L. die Anerkennung der "Mujeres Libres" offen ablehnte. Außerdem spielte auch die politische Situation des Krieges eine Rolle.
(15) Es könnte erstaunen, daß sich in dieser Anthologie kein Text der bekanntesten Anarchistin jener Zeit befindet - Federica Montseny -, und daß wir uns auch nicht auf sie beziehen, wenn wir hier über "Mujeres Libres" schreiben. Das erklärt sich vor allem daraus, daß Federica Montseny zwar mit Artikeln zu der Zeitschrift "Mujeres Libres" beigetragen oder an Konferenzen in ihren Lokalen teilgenommen hat, einschließlich einiger Plenen von "Mujeres Libres", aber in wesentlichen Punkten nicht mit dieser feministischen Organisation übereinstimmte. F. Montseny glaubte, daß es nicht ein spezifisches Problem der Frau gebe, sondern nur ein allgemeines Problem der Menschheit: die Befreiung des Menschen als Menschen. Gleichzeitig glaubte sie, die Lösung dieses Problems könne man nur auf einer individuellen Ebene und nicht auf einer Ebene von Organisationen suchen. Die Lösung der Emanzipationsfrage der Geschlechter könne man deshalb nur in der Selbstüberwindung des Menschen finden, die es ihm erlauben würde, einen neuen Menschen zu schaffen. Die Ablehnung einer spezifischen Problematik zur Befreiung der Frau und die Weigerung, eine kollektive Lösung des Problems zu sehen, brachte es logischerweise mit sich, daß F. Montseny die Existenz einer spezifisch feministischen und libertären Organisation nicht für opportun hielt.
(16) Selbst in Situationen größter Spannung gelang keine enge Zusammenarbeit zwischen "Mujeres Libres" und diesen Organisationen. Im Mai 1937 sollte eine Delegation von "Mujeres Libres" unter Concha Liaño und Fina Cubells zusammen mit einer Delegation kommunistisch orientierter Frauen von der Generalidad von Katalonien aus einen gemeinsamen Aufruf an die Frauen von Barcelona herausgeben, aber diese Initiative scheiterte, weil die kommunistischen Frauen nicht erschienen waren. Unter den bestehenden Frauenorganisationen erhielt das Frauensekretariat der P.O.U.M. von "Mujeres Libres" noch am meisten Sympathien. Bei verschiedenen Gelegenheiten verteidigten sie die P.O.U.M. gegenüber den Angriffen von anderen feministischen Organisationen, besonders gegenüber der Antifaschistischen Frauen-Gruppe. Außerdem gaben sie den Ausschluß der Frauen-Sektion der P.O.U.M. von dem ersten Kongreß der "Unio de Dones Catalanes" (eine von der P.S.U.C. beeinflußte Frauenorganisation) als Grund dafür an, an diesem Kongreß nicht teilzunehmen.
(17) Bei einer Gelegenheit hoben "Mujeres Libres" hervor, daß es ihnen gelungen sei, 20.000 Mitglieder vor dem "marxistischen Eindringen" bewahrt zu haben. "Informe que esta Federacion eleva a los Comites Nacionales del Movimiento Libertario y a los Delegados al Pleno del mismo" (Federacion Nacional de Mujeres Libres. Comite Nacional. Barcelona, September 1938, S. 2).
(18) Schon der Name der Organisation selbst - "Mujeres Libres" - weist auf die Bedeutung des letztgenannten Aspektes hin. Er bezieht sich weder auf den Anarchismus, noch auf irgendeine politische Schattierung.
(19) Teresa Claramunt (1862-1931), Textilarbeiterin in Sabadell, war eine der wenigen bekannten anarchistischen militanten Frauen. Sie wurde wegen ihrer Aktivitäten bei verschiedenen Gelegenheiten ins Gefängnis gesteckt und ausgebürgert, arbeitete an der Zeitschrift "El Productor" mit, während sie Leopoldo Bonafulla redigierte. In einer 1905 veröffentlichten Broschüre unter dem Titel "La mujer, consideraciones sobre su estado ante las prerrogativas des hombre" (Die Frau, Betrachtungen über ihre Lage angesichts der Vorrechte des Mannes), präzisierte Teresa Claramunt ihre Vorstellungen über die Frau. Sie forderte für sie das Recht, an allen Bereichen des sozialen und ökonomischen Lebens teilzunehmen - auf der Basis der Gleichheit mit dem Mann. Sie wies außerdem dar auf hin, daß die Frau selbst die Initiative im Kampf ergreifen müsse, um mit ihrer Ausbeutungssituation Schluß zu machen.
(20) Celsia Regia, in Alt-Kastilien geboren, studierte am Lehrerseminar in Valladolid, arbeitete als Krankenschwester im Marokko-Krieg und gründete - zurück in Spanien - im Jahre 1917 verschiedene Organisationen, um die Forderungen der Frauen zu propagieren. 1924 gründete sie die "Union del Feminismo Espanol" und versuchte von ihrer Stellung als Stadtverordnete von Madrid aus, die Situation der Frau durch Fürsorge, Schulen und Krankenhäuser zu verbessern. - Der "Lyceum Club" etablierte sich 1926 in Madrid. Als Präsidentin fungierte Maria de Maeztu und die Königin Viktoria als eine der Vizepräsidentinnen. Der Club versuchte, einen geeigneten Rahmen für den Austausch von Meinungen und Ideen unter den Frauen zu schaffen.
- Francisca Bonnemaison, die Frau des Poeten Narcis Verdaguer und 1934 Präsidentin der "Sección Femenina de la Lliga Catalana", gründete 1909 das "Institut de Cultura i Biblioteca Popular per a la Dona". In diesem Institut unterrichtete man junge Mädchen in allgemeinen Fragen und erzog sie zugleich zur Hausarbeit. F. Bonnemaison prägte folgendes Ziel des Instituts: "Die Veränderung der Frau die bis jetzt, bedingt durch den Mann und die Umstände, in einer kulturellen und sozialen Unterordnung gehalten wird, führt zu einem unabhängigen und starken Menschen, der in der Lage ist, innerhalb einer Gesellschaft zu kämpfen, die immer härter und leistungsbetonter wird, und würdig die Stelle einzunehmen, für die die weibliche Natur bestimmt ist: das Heim, die Erziehung und die Bildung einer Familie für diejenigen, die später die neue Generation bilden sollen." (Llates, Rossend; Balagué, Domènech: Francesca Bonnemaison de Verdaguer i la seva obra. Fundación Salvador Vives Casajuana, Barcelona 1972, S. 44 f.)
- Das "Patronato para obreras de la Aguja" (Patronat für die Näherinnen), 1911 von Dolores Moncerdä, der Frau von Macia, ins Leben gerufen, galt als ein Beispiel für die patriarchalische Wohltätigkeit der Frauen aus der katalanischen Bourgeoisie gegenüber den Arbeiterinnen. -Vgl. auch die bereits erwähnten Arbeiten über den bürgerlichen spanischen Feminismus und das Kapitel XVII über die "Sección Femenina de la Lliga Catalana" in der Arbeit von Isidre Molas, Lliga Catalana. Un estudi d'Estasiologia (Edicions 62, Barcelona 1972).
(21) Die Hauptschwierigkeiten lagen nach "Mujeres Libres" im Fehlen von Geld und "in der fehlenden Unterstützung durch die Organe der libertären Bewegung.
(22) "Mujeres Libres" gelang es, zwei Kinderkrippen zu errichten und deren Betreuung zu übernehmen. Die erste entstand in Barcelona. Später hat "Mujeres Libres" aus Barcelona einer der Gruppen aus Valencia geholfen, eine andere Krippe zu errichten.
(23) Für die Anarchisten war die freie Liebe die Form, in der sich die menschlichen Beziehungen unter den Geschlechtern abspielen sollten. Unter anderem verkörpert die freie Liebe das "menschliche Glück" und den "sozialen Fortschritt", und für Soledad Gustavo bedeutete sie "die wirkliche Erhebung des würdigen und reinen Gefühls, in dem die Wesen verschiedenen Geschlechts einander zugetan sein sollten". Soledad Gustavo, El Amor Libre (en plena Anarquia), Biblioteca "El Obrero", Vol. I, Montevideo 1904, S. 30.
(24) Dies geschah in den "Ateneos", in den Gewerkschaften und sogar an der Front.
(25) Federica Montseny vertrat diese Ansicht und meinte, daß die Fortpflanzung der Höhepunkt im Leben einer Frau sei. Sie hielt die Mutterschaft für so wichtig, daß sie sogar behauptete, jede Frau, die nicht auch Mutter sei, sei eine unvollständige Frau, die sich nicht verwirklicht habe: "Eine Frau ohne Kinder ist wie ein Baum ohne Früchte, ein Rosenstrauch ohne Rosen." La Mujer, problema del hombre, IV., in: La Revista Blanca, No. 94, 15. April 1927.
(26) In der Praxis konkretisierten "Mujeres Libres" diesen Wunsch, indem sie die bewußte Mutterschaft in den Kursen der Institute der Organisation verbreiteten und mit der Leiterin des Mütterhauses in Barcelona, Dr. Aurea Cuadrado, Mitglied von "Mujeres Libres", zusammenarbeiteten. Dennoch haben sie, im Gegensatz zu der sonstigen Angewohnheit der Anarchisten, keine Kurse zur sexuellen Erziehung oder über den Gebrauch von Verhütungsmitteln unter den Frauen abgehalten. Diese Tatsache erklärt sich vielleicht daraus, daß diese Bedürfnisse bereits durch andere Organisationen befriedigt wurden, wie in Katalonien durch die Kliniken, die im Abtreibungsgesetz vorgesehen waren, das der Generalidad von Katalonien am 25. Dezember veröffentlichte, oder auch durch die Organe der Arbeiter, die sich mit dieser Aufgabe befaßten.
(27) Es ist bemerkenswert, daß in gleicher Weise, wie "Mujeres Libres" sich gegen eine politische Manipulation der Kinder aussprachen, sie sich auch gegen jeden Versuch einer politischen Manipulation der Frauen wandten. Dabei beharrten sie darauf, daß ein Programm zur Gewinnung von Frauen für die libertäre Bewegung, das nicht mehr wäre als eine günstige Taktik, ohne dabei gleichzeitig einen radikalen Wandel der Denkweise nach sich zu ziehen, - daß dieses Programm ineffizient sei und den libertären Prinzipien nicht entspräche.
(28) Das Problem der Kindererziehung war sehr eng verbunden mit der Rolle der Familie. Man kann im allgemeinen sagen, daß die Anhänger der freien und häufig wechselnden Verbindungen und die Anhänger einer kameradschaftlichen Liebesbeziehung - von Hans Ryner postuliert - und der pluralen Liebe - von E. Armand vertreten - sich dafür einsetzten, daß die Gesellschaft sich in jeder Hinsicht um die Kinder kümmern müsse. Diejenigen, die nicht die Abschaffung der Familie befürworteten und stabile und monogame menschliche Beziehungen für notwendig hielten, wie Gaston Leval, meinten im Gegensatz dazu, daß zumindest einer der Elternteile, besonders die Mutter, eine wichtige Rolle in der Erziehung der Nachkommenschaft spielen müsse. Die letzte Ansicht überwog unter den spanischen Anarchisten.
(29) Unter denen, die die Bedeutung der Eltern bei der Kindererziehung hervorhoben, war auch Federica Montseny, die sogar betonte, die Kinder seien ein stark "individuelles" Werk, das man wie ein Kunstwerk formen müsse. Sie sagte: "Die Kinder gehören nach natürlichem Recht der Mutter ... Die Mutter gibt ihnen die Seele ein, wie sie zugleich ihrem Körper Nahrung gibt. Sie muß also die Erzieherin sein, die Künstlerin, die das Meisterwerk formt." La Mujer, problema del hombre, in: La Revista Blanca, 1. Juni 1927.
(30) Wenn es auch stimmt, daß sich "Mujeres Libres" ausführlich in ihren Schriften mit der Frage der Erziehung befaßt haben, so beschränkten sich ihre konkreten Aktionen auf dem Gebiet der Erziehung auf die Gründung der "Landschule" für die Flüchtlingskinder.
(31) Es gibt nur wenige Arbeiten über die Frau in der spanischen Arbeiterbewegung. Über die Frau in der spanischen anarchosyndikalistischen Bewegung siehe: Fredricks, Shirley A., Social and Political Thought of Federica Montseny. Spanish Anarchist. 1923-1937 (Dissertation, University of New Mexico, 1972, unveröffentlicht). Kaplan, Temma E., Spanish Anarchism and Women's Liberation, in: Journal of Contemporary History, Vol. 6, No. 2, 1971 S. 101-110. Nash, Mary, La mujer en los medios anarcosin dicalistas espanoles, 1931-1939 (Staatsexamensarbeit, Universidad de Barcelona 1974, unveröffentlicht). Demnächst werden die Memoiren der anarchistischen Militantin Lola Iturbe (Kiralina) erscheinen. Die Biografie von Richard Drinnon über Emma Goldman: Rebeide en el paraiso yanqui, Ed. Proyeccion, Buenos Aires 1965, widmet ein Kapitel der Aktivität Emma Goldmans in Spanien. Die Biografie von Jose Peirats über dieses Thema - die demnächst verlegt werden soll - behandelt ausführlicher diesen Aspekt. Über die Arbeiterin in Katalonien vgl. Albert Balcells, Condicions laborals de l'obrera a la industria catalana, in: Recerques, No. 2, 1972, S. 141-159. Erweiterte spanische Ausgabe: La mujer obrera en la industria catalana durante el primer cuarto del siglo XX, in: Trabajo industrial y organizacion obrera en la Cataluna Contemporánea, 1900-1936, Ed. Laia, Barcelona 1974.
Anmerkungen:
Für die Internetvariante des Textes wurden Bezüge auf Seiten im Buch ("Text S. 55") entfernt und die Fußnoten neu nummeriert.
Originaltext: Mary Nash: Mujeres Libres. Die freien Frauen in Spanien 1936 - 1978. Karin Kramer Verlag, Berlin 1979. Digitalisiert von www.anarchismus.at mit freundlicher Genehmigung des Freundeskreis Karin Kramer Verlag. Das Copyright des Textes liegt weiterhin beim Karin Kramer Verlag, der Text darf ohne Rückfrage nicht weiter kopiert oder gedruckt werden. Im Karin Kramer Verlag sind zahlreiche Bücher zum Anarchismus erhältlich.