Victor Serge (1890-1947)

Die Erinnerungen des 1890 in Brüssel als Sohn russischer Emigranten geborenen Victor Serge (eigentlich: Kibaltschisch) sind als individuelles Zeugnis einer ungeheuren geschichtlichen Desillusionierung von exemplarischer Bedeutung. Sie spiegeln die Hoffnungen, das Engagement und die Erfahrungen eines revolutionären Sozialisten in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts wieder, vor allem seine wachsende Betroffenheit angesichts der Entwicklung in der Sowjetunion nach der Oktoberrevolution, über die er im Rückblick sagt: »Das einzige Problem, das das revolutionäre Rußland der Jahre 1917 bis 1923 niemals zu stellen wußte, ist das der Freiheit; die einzige Erklärung, die noch einmal abgegeben werden mußte und die es nicht abgegeben hat, ist die der Menschenrechte.«

Serge hatte sich in jungen Jahren zum Anarchismus bekannt, war 1911 in Frankreich zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden und lebte nach ihrer Verbüßung in Spanien. Anfang 1919 ging er in die Sowjetunion, wo er sich der Bolschewistischen Partei anschloß. 1922 entsandte ihn die Komintern zur Untergrundarbeit nach Deutschland; im Herbst des folgenden Jahres kehrte er nach Rußland zurück. Wegen »trotzkistischer« Tendenzen wurde er mehrfach verhaftet und Anfang 1933 nach Orenburg im Ural deportiert. Dank der Intervention nahmhafter ausländischer Freunde (unter ihnen Romain Rolland) konnte Serge 1936 aus der Sowjetunion ausreisen. Bis zum deutschen Einmarsch 1940 lebte er in Frankreich, später in Mexiko.

Aus: Achim v. Borries / Ingeborg Brandies: Anarchismus. Theorie, Kritik, Utopie. Joseph Melzer Verlag, Frankfurt 1970

Mit freundlicher Erlaubnis des Abraham Melzer Verlag´s

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