Louise Michel (1830 - 1905)

"Sklave ist der Proletarier, Sklave aller Sklaven ist die Frau des Proletariers."

„Ich will mich nicht verteidigen, und ich will nicht verteidigt werden. Ich übernehme die Verantwortung für alle meine Taten. [...] Man wirft mir vor, Komplizin der Kommune gewesen zu sein. Selbstverständlich war ich das, denn die Kommune wollte vor allem die soziale Revolution, und die soziale Revolution ist, was ich mir am sehnlichsten wünsche" verkündete die damals 41jährige Louise Michel auf die Anschuldigungen vor dem Kriegsgericht. [Sie machte sich im Verfahren fünf Jahre jünger und behauptete 36 zu sein.] Das Verfahren wegen Aktivitäten im Rahmen der Pariser Kommune endete für sie mit dem Todesurteil, das später in "Verbannung" umgewandelt wurde. Auf dem Weg ins Exil in Neukaledonien wird sie nach eigenen Angaben zur Anarchistin...

„Louise Michel ist sechsunddreißig Jahre alt, klein, brünett und hat eine stark ausgeprägte, plötzlich fliehende Stirn; die Nase und der untere Teil des Gesichtes treten stark hervor; ihre Züge zeigen eine außergewöhnliche Härte..." (Gazette des tribunaux vom 16. Dezember 1871)

Louise Michel, die „rote Jungfrau", wurde am 29. Mai 1830 als uneheliches Kind eines einfachen Landmädchen und des Sohnes des Schlossbesitzers im Schloss Broncourt geboren. Zu ihrer Mutter, der sie auch ihre 1886 erstmals erschienen Memoiren widmete, verbindet sie ihr Leben lang eine innige Beziehung. Die „rote Jungfrau" – wie sie später genannt wird - erhält 1852 ihr Diplom als Lehrerin und eröffnet, um dem Amtseid zu entgehen, eine „freie Schule" auf einem Dörfchen. Nach einem Jahr endet dieses Projekt. Sie nimmt eine Stelle als Aushilfslehrerin an. In dieser Zeit schreibt sie bereits mehrere regierungskritische Artikel, wird aber von staatlicher Seite dafür nicht belangt. Sie gründet erneut eine freie Schule, die sie nach ein paar Monaten wieder aufgibt. Schließlich tritt sie 1856 in Paris eine Stelle als Hilfslehrerin in einem Internat an. Ihr Interesse gilt fortan vor allem der Erziehung und Förderung von „geisteskranken" Kindern.

Um 1860 beginnt sie eine Volksschule zu besuchen, die von Republikanern geleitet wird. Ihr Studium gilt der Mathematik. Sie will ihr Abitur nachholen. Einer der Lehrer gibt zusammen mit einigen StudentInnen unentgeltlich an einer Schule Unterricht – Louise ist auch darunter. In der Schule macht sie Bekanntschaft mit der Gruppe Frauenrecht (Droits des Femmes). „In der Gruppe Droits des Femmes wie überall dort, wo die fortschrittlichsten Männer den Ideen von der Gleichheit der Geschlechter Beifall zollen, konnte ich feststellen, daß sie uns nur scheinbar unterstützten; in Wirklichkeit halten sie an ihren alten Gewohnheiten und Vorurteilen fest. Bitten wir also nicht um unsere Rechte, nehmen wir sie uns." Sie schreibt eine Reihe von Artikeln und wird 1868 Sekretärin der Société démocratique de moralisation. Sie nähert sich den Blanquisten und der Internationale an und beteiligt sich mit Gedichten und Artikeln am politischen Kampf.

„Die revolutionäre Frau (...) führt einen doppelten Kampf: den um die äußere Freiheit – in diesem Kampf findet sie in dem [revolutionären] Mann ihren Genossen, kämpft sie mit ihm für die selben Ziele, für die selbe Sache – und den um ihre innere Freiheit, eine Freiheit, die der Mann schon seit langem genießt. In diesem Kampf ist sie allein."

Als es 1871 zum Aufstand der Pariser Kommune kommt, ist sie aktiv an den Kämpfen beteiligt. Über die Ereignisse am 18. März schreibt sie: „Im Morgengrauen hörte man die Glocken Sturm läuten. Wir stiegen, die Gewehre im Anschlag, den Hügel wieder hinauf; wir wußten, daß uns oben eine kampfbereite Armee erwartete. Wir dachten, wir würden für die Freiheit sterben. Man fühlte sich schwebend. Wenn wir tot wären, würde Paris sich erheben. Manchmal sind die Massen die Avantgarde. Der Hügel war in weißes Licht getaucht, ein wunderbares Morgendämmern der Erlösung." Die Regierung flieht nach Versailles und erklärt der Kommune am 1. April den Krieg. Louise baut in der Zeit ein Frauenbataillon auf und kämpft mit der Waffe in der Hand für die Revolution. Das Amtsblatt der Kommune ist vollen Lobes für dieses Bataillon. Sie selber wird in diesem Artikel als „tatkräftige Frau" gewürdigt, die mehrere Gendarmen und Polizisten getötet habe. Das Schießen hat sie bereits auf dem Rummelplatz ein paar Jahre zuvor trainiert. „Wir beschlossen, für unsere Stadt zu kämpfen, weil es die alte Regierung nicht tat. Ich war eine der vielen Frauen, die Paris verteidigten und die Verwundeten pflegten; während der gesamten Kommunezeit verbrachte ich nur eine Nacht bei meiner Mutter. Diese Nacht zwischen dem 18. März und meiner Verhaftung im Mai war die einzige, die ich im Bett verbrachte." (Louise Michel)

Nur 72 Tage lang hält sich die Kommune, danach überrollt die Reaktion die Aufständischen und rächt sich fürchterlich. Die rote Jungfrau entkommt anfangs den Truppen, die daraufhin ihre Mutter festsetzen und mit ihrer Erschießung drohen. Louise Michel stellt sich daraufhin selber. Ihre Mutter kommt frei; ihr wird Erschießung angedroht. Letztendlich wird sie vor ein Kriegsgericht gestellt. Vor Gericht weigert sie sich zu verteidigen und will auch nicht verteidigt werden. „Da es scheint, daß jedes Herz, das für die Freiheit schlägt, nur Anrecht auf ein Stückchen Blei besitzt, so fordere ich meinen Teil!" Sie wird nicht getötet, sondern nach Neukaledonien verbannt, wo sie bis zu einer Generalamnestie 1880 lebt. In dieser Zeit beschäftigt sie sich mit der Sprache und Kultur der Einheimischen. 1878 kommt es zu einem Aufstand der Kanaken – Michel erklärt sich solidarisch mit dem Aufstand – „Auch sie kämpfen für ihre Unabhängigkeit, für ein selbstbestimmtes Leben, für ihre Freiheit. Ich bin auf ihrer Seite, so wie ich auf der Seite des Volkes von Paris stand."

Bei ihrer Rückkehr nach Frankreich wird sie gefeiert. Sie setzt ihren Kampf für die soziale Revolution und die Emanzipation der Frauen fort. Ein weiteres wichtiges Anliegen ist ihr die Spaltungen in der linken Bewegung zu überwinden. „Der Name Louise Michel ist in ganz Europa bekannt. Frankreich ist stolz auf sie, sie läßt uns unsere Niederlagen vergessen." (Blanqui)

1882 wird sie wegen Beamtenbeleidigung zwei Wochen inhaftiert. 1886 wird sie erneut verurteilt – diesmal zu sechs Jahren Gefängnis und 10 Jahre Polizeiüberwachung wegen „Aufheizung zur Plünderung". In dieser Zeit verfasst sie mehrere Romane. Bereits nach drei Jahren wird sie gegen ihren Protest vom Präsidenten begnadigt. Der Gefängnisdirektor sieht sich gezwungen den Innenminister schriftlich anzufragen, was er mit Michel machen solle. Sie weigere sich das Gefängnis zu verlassen. Kaum auf freiem Fuß wird sie wegen einer beleidigenden Rede zu vier Monaten Haft und einer Geldstrafe verurteilt. Das Urteil wird nicht vollstreckt. Es folgen weitere Verfahren wegen ähnlicher Delikte. 1890 – gesundheitlich angeschlagen durch das Attentat eines Verwirrten für dessen Freispruch sie sich erfolgreich einsetzt – zieht sie nach London, wo auch gerade der russische Anarchist Kropotkin verweilt. Bis sie 1899 wieder endgültig nach Frankreich zurückkehrt, besucht sie es regelmäßig um Vorträge zu halten. Mittlerweile hält sie auch vor bürgerlichem Publikum Vorträge über Formen der Prostitution, was einigen Genossen als Verrat an der Sache gilt.

Am 9. Januar 1905 verstirbt sie in einem Hotelzimmer in Marseille. Ca. 100.000 Menschen geben ihr bei der Beisetzung in Paris am 20. Januar das letzte Geleit.

Salut au réveil du peuple
Et à ceux qui en tombant
Ont ouvert si grandes
Les portes de l'Avenir....
(Grabinschrift)

Literaturtips:


Originaltext: http://www.terminator-berlin.tk/ (leichte Änderungen)


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