Reorganisation der Front. Aus Briefen eines deutschen Milizionärs

In der Diskussion um die "Militarisierung" (= Umwandlung der ArbeiterInnenmilizen in eine regierungskontrollierte reguläre Armee mit unterschiedlichen Rängen und Besoldung) vertrat die Gruppe DAS in mehreren Artikeln einen pragmatischen Standpunkt und sprach sich für die Eingliederung der Milizen ein.

Was bedeutet die "Militarisierung"?

Ein deutscher Kamerad der Internationalen Kompanie in der Division Durruti schreibt uns aus Pina del Ebro einen interessanten Brief, dem wir einige Abschnitte entnehmen. Die Worte unseres Kamaraden sind geeignet, die Diskussion über "Militarisierung" auf den Boden der Tatsachen zu stellen.

Seit vier Tagen befinden wir uns auf dem Monte..., einem Höhenrücken dicht vor V..., den wir ohne einen einzigen Schuss eingenommen haben. Wir haben Tag und Nacht gearbeitet und gewacht, Schützengräben und bombensichere Unterstände gebaut.

Unsere Division hat eine gute militärische Aktion eingeleitet. Eine Arbeit Manzanas, Einsteins und vieler Namenloser, nach wochenlangen Vorbereitun gen im Terrain und im Hauptquartier. Alles hat geklappt wie am Schnürchen. Wir haben die faschistischen Stellungen noch unberührt gelassen, aber bedeutend an Terrain gewonnen und ausserdem, was in den Bergen wichtig ist, unsere Position so plaziert, dass sie uneinnehmbar ist. Vorher bestand die Möglichkeit, dass der Feind, mit dem Vorstoss einiger Tanks in der Ebene, O... einnehmen konnte ohne auf grösseren Widerstand zu stossen.

Jetzt beherrschen unsere Stellungen die Ebene und die Strasse zwischen O... und V... Unsere MGs und Minenwerfer halten den Feind. Das alles sind Erwägungen aus einer Defensivstimmung, aber auch in Hinblick auf eine Offensive, die von unserer Seite nicht mehr lange auf sich warten lassen wird, sind die neu eingenommenen Stellungen als zweite Linie von grösster Bedeutung.

Es war klar, dass der Feind unsere Absichten zum Teil erkannt hat. Es kam zu einem Artillerieduell, und mehrere Male wurden wir durch Bomber und Jagdflugzeuge angegriffen. Die MGs der Jagdflugzeuge verursachten den Tod von vier Kameraden und viele Verwundete...

Das alles ist noch kein Krieg. Es ist ein gelungenes Manöver der Division. Damit hat eine neue Zeit für uns begonnen. Die Columna Durruti schliesst eine Epoche ab, die noch von der revolutionären Kraft des 19.Juli gespeist wurde und die durch Durrutis moralische Kraft ihren Ruf bekam... Lebte dieser Mann noch, so würde er heute seine Kraft in den Dienst gut vorbereiteter militärischer Aktionen stellen. Das eben ist die "Militarisierung". Die moralische Kraft muss jetzt der militärischen Planung untergeordnet werden, anders geht es nicht.

Die Zeiten, in denen die Brust eines Tapferen mehr wert war als die MGs der Faschisten, sind vorüber. Gestern noch ging Durruti mit einer einfachen Autostrassen-Karte umher und leitete die Operationen auf seine Weise. Heute haben die Hauptleute und die Delegados Politicos jeder Kompanie ihre Aufmarschkarte, die eine Route festlegt und jeden im Falle eines faschistischen Angriffs den Platz zuweisst, den er einzunehmen und nicht zu verlassen hat.

Früher konnte ein ins Schwanken geratener militärischer Leiter durch seinen mündlichen Befehl eine ganze Front mit seinem Rückzug in Gefahr bringen (das hat uns in Madrid z. B. die Ciudad Universitaria gekostet) ; jetzt hat der schriftliche Befehl seinen Wert erhalten. Er muss befolgt werden, was es auch koste. Und das ist gut so.

Von der Co1umna Durruti zur Division Durruti war es ein langer Weg. Mit dem Tode Durrutis verloren wir viel. Bei einer militärisch durchgebildeten Truppe wird das anders sein. Ein gefallener militärischer Spezialist kann durch einen anderen ersetzt werden. Die militärische Einheit kann ein wenig ins Wanken geraten, aber sie marschiert weiter und wird in kürzester Frist jede Scharte ausgewetzt haben.

Nach dem Tode Durrutis haben wir viel Zeit mit Diskussionen und inneren Auseinandersetzungen, wenn auch kein Terrain an die Faschisten verloren. In diese Zeit wurde Manzana als neuer Chef der Truppe gestellt — nicht nur um vor den Namen Durrutis ein anderes Wort zu setzen, sondern Durrutis moralische Kraft zu repräsentieren und die Columna militärisch zu reorganisieren. Und es ging gut. Es hat eine neue Zeit der Aktivität begonnen, deren Wirkung der einfachste Miliciano verspürt und begriffen hat.

Aus: Die Soziale Revolution Nr. 10, 1937. Digitalisiert von der Anarchistischen Bibliothek und Archiv Wien. Nachbearbeitet (Scanungenauigkeiten entfernt, ae zu ä, That zu Tat usw.) von www.anarchismus.at.


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