Frau und Revolution

Die Revolution rückt alle weltanschaulichen Theorien in das Licht realer Lebensfähigkeit. So auch die Theorie der Gleichheit der Geschlechter, für die Revolution und ihren Sieg, untrennbar damit verbunden, ein wichtiges Problem der Revolution. Ohne die Frauen keinen Sieg der Revolution; ohne sie - das haben alle imperialistischen Machthaber begriffen — keine Durchführbarkeit imperialistischer Abenteuer, keine siegreiche Beendigung eines Krieges; das weiss der mit dem Chaplinbart, das weiss ebenso gut das glatzköpfige Froschmaul in Italien.

Deshalb Mobilisierung der Frauen schon in Friedenszeiten: in Deutschland, in Italien, in Finnland, in Polen, etc. Unmittelbar verbunden sind die Geschlechter zur Erhaltung der Art. Deshalb müssen sie es auch sein in der Revolution, denn diese ist die Verteidigung der Art durch den Kampf gegen den drohenden Untergang in der faschstischen Barbarei und im durch sie verursachten Kriegswahnsinn.

Die Revolution gleicht dem Krieg. In beiden dringt die Frau in wichtige ökonmischen Positionen ein, aber mit einem engegengesetzten geistigen Inhalt. In der Revolution übernimmt sie die ökonomischen Positionen zur Verteidigung des Lebens, für die Abschaffung des Krieges für alle Zeiten; sie übernimmt soziale Positionen, um sie nicht wieder zu räumen — im Gegenzatz zur Mobilisierung in einem kapitalitischen Kriege, wo man sie nach getaner Arbeit entlässt und sie wieder zurückdrängt in die Rolle der Hausfrau.

Je mehr die Frau erkennt, dass sie eroberte ökonomische Positionen nicht wieder preis zu geben, sie zu behaupten hat, um so gesicherter wird ihre Freiheit, das Leben ihrer Kinder, der Frieden und Wohlstand der Gesellschaft, der Sieg und die Erhaltung der Errungenschaften der Revolution sein.

Nach dem Sieg des sozialen Umsturzes wird die Revolution ebenso der Geschichte angehören wie der Krieg. Friedliche Evolution wird die Form der gesellschaftlichen Entwicklung sein. Die Wichtigkeit dieses Problems hat vor uns aufgetan in aller Klarheit die jüngste aller Wissenschaften: die Triebforschung. Sie hat uns erkennen gelehrt, dass unsere gesellschaftliche Versklavung ein gross Teil ihrer Ursachen hat in der Feindschaft der Geschlechter.

Die Revolution gibt uns die Möglichkeit, zu beweisen, inwieweit Theorie und Praxis übereinstimmen, inwieweit wir alten gesellschaftlichen Plunder über Bord geworfen haben, inwieweit wir innerlich bereit und aufgeschlossen sind, um alte überlebte gesellschaftliche Erziehung und Vorurteile über Bord werfen und in der Frau den gleichberechtigten Kameraden sehen zu können. Revolutionen, da sie Phasen des Überganges sind zu einer neuen abgerundeten Gesellschaftsform, tragen die Gefahr in sich, vor der Revolution gepredigte Prinzipien 100-prozentig auf den Kopf zu stellen: die Heiligkeit des Menschenlebens, antiautoritäres Handeln, föderalistische Organisationsform, antimilitaristisches Denken.

Auch die spanische Revolution macht keine Ausnahme. In diesen Dingen wird die Revolution zum Prüfstein innerer Wahrhaftigkeit der Weltanschauungen. In einer Revolution bringen es die realen Verhältnisse oft mit sich, dass anders gehandelt werden muss, als es theoretisch gewollt wurde. Dann besteht das Gute einer Tat oft nur darin, dass sie vollbracht wird von einem Anarchisten, von einem Menschen, der Macht, Autorität als Mittel zur Menschheitsbefreiung im Prinzip ablehnt, und nicht von einem prinzipiell autoritären Menschen. Die innere Haltung bedeutet in dieser Beziehung viel, ja sogar alles: Heiligkeit des Lebens, die Erkenntnis der Vergänglichkeit der Autorität, die Verderblichkeit des politischen Zentralismus, der Wille zum Glück und die Freiheit der menschlichen Gesellschaft.

Die Überwindung des Militarismus als Feind des Friedens , die Freiheit des Individuums, müssen fundamentale Prinzipien des Sozialismus bleiben. Möge eine Revolution sich auch scheinbar noch so weit vom ursprünglichen Weg entfernen, die lebendige, starke, moralische, ethische Spannung führt sie zum Ausgangspunkt zurück. Erkennen wir dies, Genossen, und sei dies Richtschnur unseres Handelns.

Immer wieder droht die innere Einstellung — gerade in der Meisterung des Verhältnisses von Mann zu Frau — vergessen zu werden, denn immer wieder stösst man bei Männern auf alte, überlebte, verfaulte Ansichten und Einschätzungen der Frau gegenüber. Mit Einem muss ein für alle Mal auf- geräumt werden: mit dem Begriff der Frauen- und Männerarbeit. Das gibt es nicht. Es gibt nur leichte und schwere Arbeit. Einen anderen Unterschied gibt es nicht. Alle von den Frauen geleistete Arbeit kann auch von den Männern geleistet werden und umgekehrt. Dies festzustellen ist wichtig, da diese Frage mit der Befreiung der Frauen zusammenhängt. Wir Frauen sind nicht mehr gewillt, uns durch die falsche Ansicht von Frauenarbeit immer und immer wieder in die Sklaverei des Hauses zurückdrängen zu lassen. Wir nehmen geistigen und praktischen Anteil am gesellschaftlichen Leben in all seinen Variationen. Gesteht man uns dies nicht zu, werden wir es uns erkämpfen.

Eine überspitzte unrevolutionäre Haltung der Frau gegenüber besteht in unseren Reihen noch in der Beurteilung des Kampfwertes der Frau. Die spanische Revolution ist in einem kritischen Stadium. Vielleicht ist noch einmal die Mobilisierung der Frau die Rettung der Revolution. Wenn die Frauen in Bewegung geraten, ist eine Revolution unbesiegbar.

Dass sie es noch nicht genügend sind, ist eine Gefahr für die Revolution. Tun wir alles dafür, und nichts dagegen, dass die Frauen in Bewegung geraten. Denken wir daran: ohne die Frauen gibt es keine grossen Revolutionen!

Aus: Die Soziale Revolution Nr. 11, 1937. Digitalisiert von der Anarchistischen Bibliothek und Archiv Wien. Nachbearbeitet (Scanungenauigkeiten entfernt, ae zu ä, That zu Tat usw.) von www.anarchismus.at.


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