Wie bauen wir auf? Aus einer Radio-Rede des Genossen Vázquez
Ich richte mich an euch alle, an die Genossen aus der Konföderation, an die Anarchisten, Sozialisten, Kommunisten und auch an die Republikaner, die heute gemeinsam mit uns gegen den Faschismus kämpfen. Ich möchte euch den grossen Wert der Syndikate, sowohl für den Krieg, den wir führen, als auch für die Ökonomie, zeigen. Ich weiss, dass ich dabei manches aufzeigen muss, das einigen nicht gefällt, aber der Krieg ist hart und die Situation verlangt es.
Fragen wir uns zuerst: was ist das Syndikat? Niemand kann leugnen, dass es heute das wichtigste Instrument geworden und für die Organisation der Krieges von auserordentlicher Bedeutung ist. Früher war es ein Instrument der Kampfes gegen den Staat und den Kapitalismus, aber heute ist es die Waffe des Aufbaus und der Administration. Ihr werdet vielleicht noch kein volles Vertrauen dazu haben, dass die Syndikate die neuen Aufgaben übernehmen und werdet vielleicht annehmen, dass sie dazu nicht geeignet seien. Aber überlegt euch: Am 19. Juli hat es mit den sozialen Privilegien aufgehört, und in Zukunft werden die Dinge nach ihrem sozialen Nutzen geleitet. Es waren meistens Mitglieder der Syndikate, die am 19. Juli auf die Strasse und die dann am zahlreichsten an die Front gingen. Diese Militanten, angespornt von ihrem sozialen Willen, haben ihre Arbeitsplätze verlassen, um für die Sache des Volkes ihr Leben zu geben. Sie fehlen uns jetzt, und die Lücke die uns ihr Fehlen bedeutet, ist noch in keiner Weise ausgefüllt.
Diese Arbeit, die vielleicht schwer realisierbar erscheint, ist es in Wirklichkeit nicht. In dem Moment in dem in jeder Industrie begonnen wird, kommt die Arbeit in absolute Ordnung. Die ökonomischen Räte der Orte und der Provinzen wie des ganzen Landes können dann leicht wieder alle Verbindungen zwischen allen Teilen der Industrie anknüpfen und die Arbeiter wieder restlos einreihen in die Industrie, können gemeinsam dafür wirken, die Produktion zu intensivieren, wie es der Krieg erfordert. Dass die Arbeit intensiviert werden muss, sieht jeder ein, und das gilt für alle Zweige der Industrie.
Sprechen wir jetzt von der Landwirtschaft. Auch hier müssen die Syndikate eine grosse Aufgabe übernehmen. Der Eingriff der politischen Parteien in das Leben auf dem Lande muss aufhören, denn die konstruktive Arbeit ist unmöglich, wenn die Parteien immer wieder stören. Was wissen die Parteien von dem Leben auf dem Felde? Was wissen die Opportunisten, die bisher nur dann an den Bauern interessiert waren, wenn es sich um Stimmenfang bei Wahlen handelte, von den Schwierigkeiten, mit denen der Bauer zu kämpfen hat? Von diesem Leben weiss nur das Syndikat der Bauern, denn sie selbst sind in ihm organisiert. Nur ihrem Syndikat bringen sie Vertrauen entgegen, und nur von ihm können sie eine Lösung der sie bedrückenden Fragen erhoffen. Einige sagen, das Land gehöre dem Staate, andere sagen es gehöre dem Bauern allein oder einer Gruppierung von Bauern. Aber das ist alles falsch und gegen die Revolution. Denn die Erde ist weder durch den Staat noch durch einzelne Menschen entstanden und niemand anders darf sie mit Beschlag belegen, als die natürlichen Vereinigungen der Bauern: das Dorf. Wer kann mehr Recht auf die Verwaltung und Nutzung des Bodens beanspruchen, als das Dorf? Die Erde ist für alle da, und niemand darf sie für sich beanspruchen, ob zum Verkauf oder zur Ausbeutung. Die Syndikate, und nur sie, können das Leben auf dem Lande verbessern und leichter machen.
Und nun das öffentliche Leben. Wenn wir einsehen, dass es die Syndikate sind, die allein das ökonomische Leben retten können, dann wird es auch verständlich sein, wenn wir sagen, dies gälte auch für die Politik. Die Regierung kann nicht in den Händen der politischen Parteien bleiben, die nichts anderes verstehen als zu reden und sich zu zanken. Die Syndikate sind in ihrem Handeln das Gegenteil der Parteien, denn sie reden wenig und arbeiten viel. Sie sind die Erhalter der Gesellschaft. Die zurückgesetzte Rolle, die sie spielen, muss sich verwandeln in eine führende Rolle gegenüber den Parteien, die ja doch niemand representieren, es seien denn Scharlatane.
Gehen wir zu den Provinzialräten über, die als frühere parlamentarische Organe Pflegestellen des Parasitismus waren. Jetzt sind sie die Organe der Administration und der Befriedigung der Bedürfnisse des Volkes. Ebenso die Munizipalräte. Wer soll zu all diesen Organen delegieren? Die Syndikate und nur diese. Deshalb sagen wir, die Syndikate seien berufen, die Pfeiler der neuen Gesellschaft zu sein. Alle müssen wir die grossen Aufgaben begreifen lernen, die den Syndikaten zufallen. All die grossen Anstrengungen und Verwirklichungen, die seit dem neunzehnten Juli durchgeführt worden sind, sind ihr Verdienst, denn mit ihrem Geiste des Aufbaues und der Erneuerung sind die alten Regierungsmethoden zurückgedrängt worden. Die Syndikate haben heute das Wort.
Aus: Die Soziale Revolution Nr. 9, 1937. Digitalisiert von der Anarchistischen Bibliothek und Archiv Wien. Nachbearbeitet (Scanungenauigkeiten entfernt, ä zu ä, That zu Tat usw.) von www.anarchismus.at.