Die Sozialisierung
Ohne erst auf die Bildung zentraler Instanzen der antifaschistischen Bewegung zu warten oder gar die Zustimmung der alten republikanischen Behörden zu erbitten, hoben die Arbeiter nach dem Juliputsch in den wichtigsten industriellen Regionen und in breiten landwirtschaftlichen Gebieten Spaniens das Privateigentum auf.
Diese Bewegung, die am konsequentesten in Katalonien war und auch stark nach Levante übergriff, ergreift mehr und mehr das ganze Land. In Katalonien vor allem erfasste sie alle Industrien und Gewerbe, und erst nach Monaten wurde von der Generalidad ein Reglement über die Kollektivisierung dekretiert, das im wesentlichen die neue soziale Realität im Sinne der von selbst entstandenen Normen sanktioniert und die neue wirtschaftlichliche Struktur in Beziehung setzt zum antifaschistischen Wirtschaftsrat und dem Wirtschaftsdepartement der Generalidad. Die Zentralregierung jedoch versuchte von Anfang an zentralistische, staatssozialistische Tendenzen geltend zu machen, beschränkte sich aber auf Beschlagnahme der im Besitze von Faschisten befindlichen oder von ihren Unternehmern im Stiche gelassenen Betriebe.
Vor der Notwendigkeit über die bisherige Kollektivisierung hinaus zugehen, steht heute vor allen Dingen Katalonien. Die Fabrikkomitees können nicht kapitalistisch weiterwirtschaften, wenn die Bewegung einen wirklich sozialen Gehalt haben soll. Sie sind ausserdem dazu garnicht in der Lage, weil die Folgen der Blockade, des Devisen- und Rohstoffmangels und des Krieges sich bemerkbar zu machen beginnen und sich gebieterisch die Notwendigkeit einer Total-Reorganisation der Gesamtwirtschaft aufdrängt. Rohstoffbewirtschaftung, Produktionsmethoden und Erzeugung selbst, sowie der Absatz der Produktion (Versorgung der Bevölkerung, Kriegsarbeit und Export) müssen nach einem einheitlichen Plane neugestaltet werden, nachdem die private Unternehmerinitiative aus der Wirtschaft ausgemerzt ist. Die isolierten Komitees können diese Aufgabe nicht lösen, weil sie nur die Interessen einzelner Betriebe wahrnehmen können.
Wie soll die sozialistische Reorganisation der Wirtschaft vor sich gehen? Katalonien wird auf diesem Gebiete Spanien ein Vorbild geben müssen. Die traditionelle freiheitliche Arbeiterbewegung dieser Region wünscht keinen zentralistischen, staatssozialistischen Aufbau. Die autoritären Sozialisten, die in Katalonien unter den Arbeitern fast keinen Anhang haben, aber die Interessen des Kleinbürgertums vertreten, wenden sich gegen Auswüchse des Komitee-Wesens und fordern eine starke Regierung - eine sehr bekannte Melodie.
Die CNT und die FAI schlagen im Sinne ihrer Ideen einen anderen Weg vor. Die berufenen Organe, die nach allgemeinen sozialen Gesichtspunkten die Umgestaltung der Wirtschaft zu leiten haben, sind die Syndikate. Für die spanischen revolutionären Arbeiter sind die Syndikate niemals blosse Werkzeuge des Kampfes um Löhne und Arbeitsbedingungen gewesen. Immer fasste man sie auf als Keimzellen der sozialistischen Wirtschaft, als Träger konstruktiver Verantwortung.
Die Syndikate vertreten keine Berufs- oder Betriebsinteressen, sondern sind industriell aufgebaut nach Produktionszweigen. Sie sind örtlich zusammengefasst in den Lokalföderationen. In ihnen herrscht die grösstmögliche Autonomie und Selbstverwaltung der Sektionen, Berufe, Betriebe. Ihr Ziel ist die Regelung der Produktion im Sinn einer sozialistischen Bedarfsdeckungswirtschaft. Sie stellen keine produktionsfremde Bürokratie dar, sondern beruhen auf der fachlichen Zusammenarbeit der Produzenten an den sie unmittelbar angehenden Aufgaben. Die Lösung der CNT für den Übergang von der Kollektivwirtschaft in den beginnenden Sozialismus lautet daher: Syndikale Ökonomie!
Aus: Die Soziale Revolution Nr. 2, 1937. Digitalisiert von der Anarchistischen Bibliothek und Archiv Wien. Nachbearbeitet (Scanungenauigkeiten entfernt, ä zu ä, That zu Tat usw.) von www.anarchismus.at.