Die IG Farben im Spanischen Bürgerkrieg

„Selbstverständliche Pflicht, Franco zu helfen“

Vor 75 Jahren begann der Spanische Bürgerkrieg. Die von BAYER mitgegründete IG FARBEN ergriff dabei auf allen erdenklichen Wegen Partei für die Putschisten um General Franco, wie die 1966 erschienene Untersuchung „Die Herren Generale“ von Dr. Janis Schmelzer erhellt.

Am 17. Juli 1936 erhoben sich die Truppen Francisco Francos gegen die demokratisch legitimierte Volksfront-Regierung. Aber die Bevölkerung setzte sich zur Wehr und verteidigte die Republik. Unterstützung erhielt sie von Freiwilligen aus ganz Europa, während die faschistischen Regime in Deutschland und Italien sich auf die Seite der Putschisten stellten. Hitler sollte sich später brüsten, dass es „ohne die Hilfe der beiden Länder (...) heute keinen Franco“ (1) gäbe.

Einen bedeutenden Anteil daran hatte die von BAYER mitgegründete IG FARBEN. Der mit Abstand größte ausländische Investor in Spanien, der im Land 14 Niederlassungen unterhielt, stand den Putschisten treu zur Seite. Die Volksfront, die als Sieger aus den Wahlen im Februar 1936 hervorgegangen war, bereitete dem Konzern nämlich so einige Sorgen. „Von einer ungezügelten Flut sozialer extremer Bestrebungen“ (2) sprach der Bericht „Über soziale Kämpfe der Gegenwart in Spanien“, knapp sechs Wochen nach dem Erfolg der Koalition aus SozialistInnen, KommunistInnen und RepublikanerInnen verfasst von den IG-Statthaltern in Flix nahe Barcelona. „Die Einführung der Krankenkassen und andere schöne Dinge mehr“ wie die Verkürzung der Arbeitszeit, eine Sozialgesetzgebung und Maßnahmen gegen die Arbeitslosigkeit versetzten die Managern nicht weniger in Unruhe als die Aussicht auf eine Stärkung der Selbstständigkeit Kataloniens.

Die IG flieht

Bereits unmittelbar nach dem Putsch verließen sämtliche deutschen Angestellten die Niederlassungen in Flix und Bearcelona - im Stammland der Volksfront mochten sie sich nicht länger aufhalten. Das Auswärtige Amt hatte, von der „Wirtschaftspolitischen Abteilung“ der IG FARBEN um eine Einschätzung der Situation gebeten, zwar versichert, die Regierungskoalition „sei bemüht, Zwischenfälle zu vermeiden“, aber das beruhigte das Personal offenbar nicht. So begab es sich in die von Franco kontrollierten Gebiete oder „Heim ins Reich“, wobei einige der Beschäftigten als Transportmittel das Panzerschiff „Deutschland“ benutzt haben dürften. Auf solche Vorkehrungen hatte die „Wirtschaftspolitische Abteilung“ gegenüber den deutschen Stellen nämlich gedrungen, weshalb sie nach Spanien vermelden konnte: „Das Oberkommando der Kriegsmarine ist auf die Lage der in Flix befindlichen IG-Herren vom Auswärtigen Amt besonders hingewiesen worden und hat entsprechende Anweisungen an die in Spanien befindlichen Kriegsschiffe gegeben“ (3).

Die 3-köpfige Geschäftsleitung von AGFA-FOTO blieb vorerst. Aber Ende September 1936 beorderte die Zentrale zwei von ihnen in die Heimat zurück. Zwei Wochen später ging auch der Geschäftsführer Enrique Herold, nicht ohne 815.000 Peseten, den Tresor-Schlüssel und wichtige chemische Formeln mitzunehmen. Vorausgegangen waren Auseinandersetzungen mit dem neuen Aufsichtsgremium, welches das katalonische Wirtschaftsministerium geschaffen hatte. Die IG-Manager sahen in dem gewählten Kontroll-Komitee das Schreckgespenst der Kollektivierung aufsteigen, obwohl sich die Schockeffekte sehr in Grenzen hielten und die angeblich so bösen Geister partout nicht von den guten Geistern verlassen werden wollten. Der nunmehr mit der Leitung des Unternehmens betraute Betriebsrat arbeitete zwar „mit allen Mitteln für die antifaschistische Sache“, warf den Managern in einem Brief aber gleichzeitig vor, „zu einer Zeit, wo es gerade besonders nötig und angebracht gewesen wäre, das neue geschäftliche Leben zu organisieren und aufzubauen“, geflohen zu sein (4). Die Gewinne führte die AGFA-Niederlassung ebenfalls ganz ordnungsgemäß ab.

So war es denn auch weniger der Sozialismus, den das damals größte europäische Unternehmen fürchtete, als vielmehr die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtsstaates. Der hatte nämlich ausländischen Firmen schon vor der Volksfront-Zeit verboten, über eine bestimmte Grenze hinaus spanische Firmen aufzukaufen, um die heimische Wirtschaft zu schützen. Darum hatte die IG - wie andere deutsche Konzerne auch - ihren Besitz in dem Land Strohmännern übertragen. Und genau darauf war das Kontroll-Komitee gestoßen. „Das Comité verlangt für heute Auskunft über verschiedene die finanzielle Struktur der AGFA-FOTO betreffende Fragen“, verlautete aufgeregt aus Barcelona (5). „Da es mit Rücksicht auf mögliche spätere außerordentlich hohe Forderungen des Steuerfiskus vorerst unter keinen Umständen konveniert, zuzugeben, dass sich das gesamte Aktien-Kapital der AGFA-FOTO in den Händen der I.G., also einer ausländischen Firma, befindet“, erhielt Enrique Herold zunächst den Rat, auf Zeit zu spielen. Irgendwann aber wurde der Boden für ihn zu heiß.

Auch aus solchen Gründen schlug sich die IG auf die Seite Francos. Sie leistete ihm auf jede erdenkliche Art Beistand. Die Gesellschaft spendete dem General und seinem Anhang mehrmals Beträge in Höhe von 100.000 Peseten und bedachte dabei militärische Erfolge mit Sonderprämien. Gemeinsam mit SIEMENS und anderen deutschen Unternehmen unterstützte der Mörder-Konzern die „Legion Vidal“, die Sanitätstruppe der Putschisten, und rüstete die Kämpfer aus. „Während der ganzen Dauer des spanischen Bürgerkriegs hat Deutschland und innerhalb Deutschlands 100-prozentig die AGFA es fertiggebracht, Spanien, d. h. die spanische Wehrmacht mit den unbedingt erforderlichen Mengen (...) zu versorgen“, verkündete der Multi stolz (6). Von Zellwolle für die Uniformen bis hin zu Quecksilber und Experten für den „chemischen Kriegsdienst“ des Francisco Franco lieferte die IG FARBEN alles. Zufrieden meldete der den Schwermetall-Deal betreuende Generalstabsoffizier - und in Diensten der IG stehende - Luis Muntatas seinem Chef: „Dieser Bitte wurde in Deutschland ohne weiteres nachgegeben, weil man es für eine selbstverständliche Pflicht hielt, der Regierung Franco in jeder Weise behilflich zu sein“ (7).

In internen Schreiben rühmten IG-Manager den „vorbildliche(n) Kampfesmut“ der Franco-Schergen und erklärten die Eroberung von Toledo zum „Ruhmesblatt in der Geschichte Spaniens“ (8). Entsprechend unterteilten sie ihre Belegschaft in „gute Elemente“ und „Rote“. Zu diesem Zweck führte die Direktion Fragebogen-Aktionen durch und legte Schwarze Listen an. Auf einer solchen erschien etwa Tomas de V. Gali, der 2. Kommandant des republikanischen Schlachtschiffes „Gravina“, als besonders verdächtige Person. AgentInnen der Geschäftsleitung spürten solche unsicheren Kantonisten auf, von denen es eine ganze Menge gab. Zwei Drittel der Belegschaftsangehörigen standen den Spitzel-Berichten zufolge auf der Seite der Republik. Diejenigen, „die zur anderen Seite neigen bzw. zu uns halten“, erhielten unter einer Deckadresse Anweisungen zur Sabotage. Sogar in Führungspositionen gelangten die Undercover-Leute: Juan Trilla Buxeda leitete den Betriebsrat. Zudem hatte die IG Nazi-Spione wie Friedrich Lippenheide, Richard Modenhaus, Heinrich C. Langenbein, Rolf Rüggeberg und Albrecht von Koss in ihren Reihen. Insgesamt 104 solcher Personen identifizierte die US-Regierung bei den IG FARBEN, anderen Firmen wie MAN, LUFTHANSA, TELEFUNKEN oder bei den deutschen Konsulaten (9).

Handfeste Interessen

Dabei trieb nicht einfach faschistisches Kameradschaftsgefühl das Nazi-Regime und seinen größten Konzern an. Hitler und die IG verfolgten vielmehr handfeste Interessen. Sie konnten sich in dem Staat an der Zurückdrängung der „roten Gefahr“ versuchen und sich durch den „Weltkrieg im Kleinen“, wie es ein IG-Manager ausdrückte, auf den großen Waffengang vorbereiten. Spanien bot nicht nur Gelegenheit, die Allianz mit Benito Mussolini zu festigen, es diente auch als Truppenübungsplatz und als Rohstoff-Reservoir für die deutsche Wehrwirtschaft.

Diese zu stärken, hatte sich der Vierjahresplan von 1936 zur Aufgabe gemacht. Er leitete die Umstellung zu einer Ökonomie ein, die ihren Schwerpunkt auf die Erzeugung von Rüstungsgütern legt und sich unabhängig insbesondere von Rohstoff-Lieferungen aus dem Ausland macht. Die Blaupause für den Plan hatte die IG FARBEN geliefert. Hatte der Konzern in der Anfangszeit des Faschismus noch auf Freihandel gesetzt, so drängte ihn seine Devisen-Knappheit ab 1935, Niederlassungen in Übersee zu schließen und auf einen Autarkie-Kurs zu setzen. Passgenau für ihre Bedürfnisse schneiderten die IG-Experten das Konzept zurecht, das als Grundlage für den Vierjahresplan diente, weshalb er bald „IG-FARBEN-Plan“ hieß. Auch über die Umsetzung wachten zahlreiche, in die neue Vierjahresplan-Behörde abgestellte Konzern-Beschäftigte. So flossen 90 Prozent des Gesamtetats in den Chemie-Bereich und davon wiederum 72,7 Prozent in die eigenen Kassen weiter. Und bei der „Erweiterung des Lebensraums bzw. der Rohstoff- und Ernährungsbasis unseres Volkes“, wie Hitler in seiner Denkschrift zum Vierjahresplan formulierte, kam auch Spanien eine Rolle zu, verfügte das Land doch über wichtige Bodenschätze.

Rohstoff-Reservoir

Ob „wir unsere Hilfeleistungen nach Spanien als erfolgreich oder misslungen bezeichnen können“, machte Johannes Bernhardt als Görings Wirtschaftsstatthalter in dem Land nicht etwa von einem Sieg der Truppen Francos abhängig, sondern ganz profan von der „Lösung oder dem Scheitern unserer Bemühungen im spanischen Bergbau“ (10). Der IG-Direktor Heinrich Gattineau, im Konzern auch Verbindungsmann zur Nazi-Regierung, machte sich gleich im Herbst 1936 auf nach Spanien, um die Lage zu sondieren. Ihn trieb die Sorge um, durch den Bürgerkrieg von der Versorgung mit wichtigen Rohstoffen abgeschnitten zu sein. So warnte er in seinem Reisebericht „vor der sehr gefährlichen Situation, nicht mehr genügend Schwefelkies für die Schwefelsäure-Produktion einführen zu können“. Über die Hälfte des Bedarfs an diesem auch Pyrit genannten Minerals deckte das „Deutsche Reich“ aus spanischen Quellen. Aber die sprudelten entgegen Gattineaus Befürchtungen schon bald wieder. Über 200.000 Tonnen Schwefelkies akquirierten die deutschen Stellen bereits im Oktober 1936. Ein Großteil davon ging an die IG FARBEN; über die Jahre lag ihr Anteil am Gesamt-Import bei 80 Prozent. Auch Wolfram und Eisenerz, das Hitler 1937 in einer Rede als Hauptgrund für das Engagement im Bürgerkrieg genannt hatte, gelangte in ausreichenden Mengen nach Deutschland.

Durch den Rohstoff-Hunger des „3. Reiches“ wandelten sich die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Ländern fundamental. Der Anteil von Schwefelkies, Eisenerz & Co. an den Importen stieg binnen weniger Jahre von 35 auf 80 Prozent und verdrängte landwirtschaftliche Produkte wie Wein und Obst von den Spitzenplätzen - nicht unbedingt zum Gefallen Francos. Auch formell veränderte sich einiges. Das gesamte Ein- und Ausfuhrgeschäft lief über die beiden sich ergänzenden Institutionen HISMA und ROWAK ab, „weil mit Rücksicht auf die Bedürfnisse des Vierjahresplans eine restlose Erfassung der in Spanien zur Verfügung stehenden und für die deutsche Wirtschaft lebensnotwendigen Rohstoffe und Nahrungsmittel anders nicht gesichert erschien“ (11). Die Putschisten verfügten nämlich nicht über genug Gold- oder Devisenreserven, um beispielsweise Waffen zu kaufen und so etablierte Göring über HISMA/ROWAK ein Tauschsystem, in dem Kriegsgerät etwa gegen Bergbau-Konzessionen verrechnet wurde. Später überschrieb Franco zur Zahlung seiner Kriegsschulden in Höhe von 480 Millionen Reichsmark sogar sechs Minen ganz an seinen Bündnispartner.

Die Monopolstellung der neuen Organisation fand nicht die ungeteilte Zustimmung der IG FARBEN, nicht nur wegen der Vermittlungsgebühr, die für jeden über die Einrichtung abgewickelten Deal zu zahlen war. Der Konzern arbeitete lieber selbstständig. „Die Abteilung Exportförderung versucht zur Zeit, private Verrechnungsgeschäfte ohne Einschaltung der ROWAK/HISMA zustande zu bringen“, heißt es in einem Firmen-Dokument vom Dezember 1936 (12). So hatte Heinrich Gattineau auf seiner Spanien-Reise gleich das Hauptquartier der Franco-Schergen in Burgos aufgesucht, um eigenmächtig über die Lieferung von Stickstoff für den militärischen Bedarf zu verhandeln. Aber es gelang schließlich nicht, die ROWAK dabei zu umgehen, wie auch später kaum. Nur beim Export von Farben und Pharmazeutika in geringeren Mengen konnte das Unternehmen die mächtige Institution außen vor halten.

Guernica

Die bürokratischen Umwege, welche die IG FARBEN gehen musste, beeinträchtigten die Geschäfte indes kaum. Besonders die Nord-Offensive Francos vom Frühjahr 1937, die für immer mit dem Namen „Guernica“ verbunden bleibt, feuerte die Rohstoff-Exporte an, gelang es den Putschisten doch, Kontrolle über bodenschatz-reiche baskische Industrie-Regionen zu bekommen. Die Eisenerz-Ausfuhr verdreifachte sich von 1937 auf 1938, während die entsprechenden Lieferungen nach England einbrachen. Auch die Schwefelsäure-Exporte zogen an.

Dafür leistete der Chemie-Verbund Franco beträchtliche Schützenhilfe, denn bei den Luftangriffen der „Legion Condor“ auf Guernica und andere baskischen Städte kam die IG-Brandbombe B1E zum Einsatz. Sie entwickelte beim Einschlag eine Hitze von bis zu 2.400 Grad und entfachte eine Feuersbrunst, der mit Löschwasser nicht beizukommen war. Es zersetzte sich unter solch hohen Temperaturen sofort in Wasserstoff und Sauerstoff und bildete explosives Knallgas.

Die genaue Zerstörungsleistung - allein in Guernica starben an einem einzigen Tag fast 1.700 Menschen - untersuchten Experten minutiös; Spanien galt den Nazis nämlich auch als gigantischer Truppenübungsplatz. Und „Folgerungen im Hinblick auf einen europäischen Krieg“ ergaben sich gleich mehrere. Die Zivilbevölkerung sei „durch fortdauernde Angriffe kleinerer Einheiten (...) tief beeindruckt und verängstigt“ worden, protokollierten die Berichterstatter und prognostizierten: „In einem europäischen Krieg können Städte mit Holzfachwerk-Bau durch die Brandbombe angesteckt werden“ (13). Das tat der Legionsstabschef Wolfram Freiherr von Richthofen mit seinen Spanien-erprobten Geschwadern dann auch später bei seinen Weltkriegseinsätzen über Wielu, Minsk, Witebsk, Orscha und anderen polnischen oder sowjetischen Städten.

Nach dem Bürgerkrieg

Zum Ende des Bürgerkriegs zog die IG eine positive Bilanz. „Die zukünftige Entwicklung der Handelsbeziehungen zwischen Spanien und Deutschland wird positiv gesehen“, heißt es im Report „Spaniens Wirtschaftskräfte“ (14). „Deutschland ist in der Position, spanische Rohstoffe in ansehnlichen Mengen zu importieren“, konstatiert er und macht sich Hoffungen darauf, nicht nur vom Krieg, sondern auch vom Wiederaufbau profitieren zu können. Die große Bedeutung des Landes für Nazi-Deutschland strich im selben Jahr noch einmal der IG-Obere Carl Krauch heraus, der in der Vierjahrsplan-Administration inzwischen zum mächtigsten Mann aufgestiegen war. In einem unverhohlen kolonialistischen Memorandum empfahl er, dass „das Wirtschaftsgebiet zunächst friedlich auf den Balkan und auf Spanien ausgedehnt wird, entsprechend den verbesserten Rohstoff-Verhältnissen unserer Bundesgenossen“ (15).

In der Zeit nach dem Ende des Bürgerkriegs entfaltete die IG FARBEN eine rege Wirtschaftstätigkeit. Da der Heimatmarkt kaum noch lukrative Anlage-Möglichkeiten bot, suchte sie - wie andere deutsche Konzerne auch - anderweitig nach lohnenden Investitionsobjekten. So nahmen die FLIX-Werke 1941 eine Kapitalerhöhung vor. 1943 wollte die Niederlassung nochmals zunächst von neun auf zwölf Millionen Peseten und dann sogar auf 40 Millionen aufstocken. Die Nazi-Behörden erlaubten das jedoch nicht, zu sehr litt das „Deutsche Reich“ mittlerweile an der Kapitalflucht.

Nach dem Weltkrieg

Im Zweiten Weltkrieg focht das faschistische Spanien nicht mit den Achsenmächten. Vom Bürgerkrieg ausgepowert, wahrte es Neutralität, wobei diese sich jedoch - je nach Frontverlauf - mal mehr zu der einen und mal mehr zu der anderen Seite neigte. Ab 1944 wandte das Land sich verstärkt den Alliierten zu und machte auch entsprechende Zugeständnisse wie etwa die Einstellung der Wolfram-Exporte nach Deutschland.

Der Franco-Staat blieb aber immer ein unzuverlässiger Partner. Er konfizierte zwar die Geschäftsvermögen der IG FARBEN und anderer deutscher Firmen auf Geheiß der USA, tat das aber auf eine Weise, die den Schaden in Grenzen hielt (16). Weil das Außenministerium das wahre Ausmaß des deutschen Firmenbesitzes in Spanien vor den Siegermächten verbarg, vermochte diese nur 27 Prozent der eigentlich angesetzten Summe zu beschlagnahmen . Vor allem sorgte die zuständige Kommission dafür, dass die IG und andere Unternehmen nie ganz den Zugriff auf ihre spanischen Latifundien verloren. Die mit der Versteigerung der Betriebe betraute Bank URQUIJO erteilte nämlich mit Vorliebe spanischen Statthaltern oder früheren Angestellten den Zuschlag. Damit diese Übergabe reibungslos vonstatten gehen konnte, hatte das Außenministerium die Ausweisung nicht weniger deutscher Manager, Politiker oder Spione verhindert. Auch der Spanien-Chef der IG, Ferdinand Birk, verschwand so von der Schwarzen Liste der Alliierten, angelegt, um das Land nicht zu einem Rückzugsort für deutsche Nazis werden zu lassen. Er stieg stattdessen zum Leiter von UNICOLOR auf. Die AGFA-Foto ging an ihren ehemaligen Geschäftsführer Enrique Herold. Der spanische IGler José Luis Gallego durfte gleich zwei Niederlassungen vorsitzen, während sein Bruder mit finanzieller Hilfe von BAYER und SCHERING das „Instituto Farmacológico Español“ aufbaute.

Die Herren taten alles dafür, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Staaten wieder zu normalisieren. Besonders Birk legte sich mächtig ins Zeug. Er nahm die spanische Staatsbürgerschaft an, stand an der Spitze der deutschen Handelskammer und hielt nicht nur in dieser Funktion die Gemeinde der „MigrantInnen“ zusammen. Die beiden HistorikerInnen Núria Puig und Rafael Castro bezeichnen ihn als „Master of Ceremony“ des Comebacks der deutschen Wirtschaft in dem europäischen Land. Das größte Hindernis dafür wurde 1958 aus dem Weg geräumt. In diesem Jahr schlossen Bonn und Madrid ein Abkommen, das die Rückgabe-Frage klärte und den deutschen Firmen zehn Prozent der nach 1945 konfizierten Vermögenswerte zurückerstattete. Franco war daran gelegen, Investoren ins Land zu locken, weshalb er ein Jahr später auch seinen Botschafter austauschte. Neuer Chef-Diplomat wurde mit Luis de Urquijo y Landecho der Vizepräsident der URQUIJO-Bank. Die Konzerne ergriffen sofort die Chance und brachten sich nach und nach auch offiziell wieder in den Besitz ihrer Firmengüter. Und so nahmen die IG-FARBEN-Nachfolger unter den größten deutschen Firmen in Spanien bald wieder Spitzenplätze ein. 1972 führte BAYER vor HOECHST die Rangliste an, und nach der AEG und SIEMENS folgte die BASF auf Position fünf.

Jan Pehrke

Quellen:

  • “Die Herren Generale” (1966), Dr. Janis Schmelzer (eine Kopie senden wir gerne zu)
  • French and German Capital in Nineteenth- and Twentieth-Century Spain, Núria Puig and Rafael Castro http://www.h-net.org/~business/bhcweb/publications/BEHonline/2006/puigandcastro.pdf
  • DIE ZEIT zur Zerstörung von Guernica


Anmerkungen:
(1) Der Spanische Bürgerkrieg in der internationalen Politik, Hg: Wolfgang Schieder u. Christof Dipper, München 1976, S.15
(2) Dr. Janis Schmelzer, Die Herren Generale, Halle-Wittenberg, 1966, S. 13
(3) a.a.O, S. 23
(4) a.a.O, S. 83
(5) a.a.O, S. 68
(6) a.a.O, S. 25
(7) a.a.O, S. 27
(8) a.a.O, S. 68
(9) Robert H. Whealey, Hitler and Spain: The Nazi Role in the Spanish Civil War, Kentucky 2005, S. 144
(10) Schieder, S. 176
(11) a.a.O, S. 176
(12) Schmelzer, S. 76f
(13) Hannes Heer, Straße um Straße in DIE ZEIT Nr.17 vom 19.04.2007
(14) Christian Leitz, Economic relations between Nazi Germany and Franco's Spain: 1936-1945, S. 98
(15)Nuremberg Trials. War Crimes and International Law, Ergänzte Sonderausgabe, Übersetzung aus dem Englischen von Ruth Kempner, Zürich 1951, S. 92
(16) Zum Folgenden: Núria Puig und Rafael Castro, Changing and Persisting Patterns of International Investment: French and German Capital in Nineteenth- and Twentieth-Century Spain, Business and Economic History online, Volume 4, 2006, S. 18ff

Originaltext: Coordination gegen BAYER-Gefahren (gefunden auf www.syndikalismus.tk)


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