Anarchosyndikalistischer Widerstand - Duisburg

1933: Auflösung der FAUD - Neuorientierung in der Illegalität

Im Ruhrgebiet existierten noch Anfang der dreißiger Jahre einige größere Ortsgruppen der FAUD, aus denen sich nach 1933 ein erheblicher Teil des anarcho-syndikalistischen Widerstandes entwickeln konnte. Insbesondere in Duisburg erhielten sich die Syndikalisten eine funktionierende Organisation.

Mitte Februar 1933 erfolgte die Auflösung der Duisburger Ortsbörse; die Kassierer stellten die Sammlung von Mitgliedsbeiträgen offiziell ein.

Zunächst herrschte aufgrund der verworrenen politischen Lage noch eine gewisse Ratlosigkeit in den Reihen der Duisburger Syndikalisten. Doch angesichts der bevorstehenden Etablierung der Faschisten im deutschen Staatsapparat stand eine illegale Neuorganisierung immer dringlicher zur Diskussion. Die Frage nach dem "Wie" einer solchen illegalen Arbeit blieb allerdings zunächst offen. Man einigte sich, die bestehenden Kontakte innerhalb Duisburgs und auch zu den benachbarten Ortsbörsen durch ständige Besprechungen zu erhalten und zu fördern. Ihre vordringlichste Aufgabe sahen sie nach wie vor in der Agitation gegen die menschenverachtende, auf Zerstörung und Krieg hinzielende Politik der NSDAP.

Doch die ersten Verhaftungen zwangen die Syndikalisten zur Vorsicht. Die Festnahme Franz Bungerts, ehemaliger Vorsitzender der Duisburger Ortsbörse, und seine sofortige Überführung in das KZ Börgermoor, ohne Gerichtsverfahren, verdeutlichte ihnen unmißverständlich die Skrupellosigkeit der neuen Machthaber gegenüber einer politischen Opposition. Von nun an orientierte sich die weitere Tätigkeit der Anarcho-Syndikalisten in Duisburg auf ein rein konspiratives Vorgehen: Akten, Ausweise etc. , die auf FAUD-Mitglieder hinwiesen, wurden vernichtet, Treffs und Besprechungen als Familienfeiern getarnt, an denen nur noch zuverlässige Genossen teilnahmen. Die Gruppen in den Stadtteilen und Vororten hielten die Kontakte durch einzelne Verbindungsleute aufrecht. Zu den benachbarten Orten wurden die Beziehungen in gleicher Weise organisiert.

Die entfernteren Ortsbörsen suchte man ebenso in das Netz mit einzubeziehen. Diese Aufgabe bewältigte hauptsächlich der Autoschlosser Julius Nolden. Durch seine frühere Funktion als Kassenobmann der Provinzialarbeiterbörse Rheinland hatte er zu allen rheinischen Ortsgruppen gute persönliche Kontakte. Er unternahm laufend Radtouren um Genossen aufzusuchen, die ihm zuverlässig erschienen. Zur Tarnung diente ihm seine Tätigkeit als Grabredner und Vertreter der "Großdeutschen Feuerbestattungskasse"(1), womit er auch seinen Lebensunterhalt - er war seit 1931 arbeitslos - aufbesserte. Zwar wurde er im April 1933 kurzzeitig in Schutzhaft genommen (Die Gestapo hatte seinen Namen in den Akten der Berliner Geschäftskommission gefunden), doch gleich nach der Freilassung setzte er seine Reisen fort. Nolden übernahm mehr und mehr die Rolle eines Koordinators der syndikalistischen Widerstandsgruppen im Rheinland. Er knüpfte Verbindungen zwischen den verschiedenen Städten, sorgte für den Informationsaustausch und organisierte kleinere Treffs. Nach seinen eigenen Angaben gelang es ihm, ca. 80 - 90 zuverlässige Mitarbeiter für eine direkte, überörtliche Zusammenarbeit zu gewinnen. 

Im Juni 1933 wurde auch der seit Monaten unterbrochene Kontakt zur Geschäftskommission wieder hergestellt. Karolus Heber, ein Kurier der Geschäftskommission traf in Duisburg ein. Er berichtete von zahlreichen Verhaftungen in Berlin, sowie von der Verlegung der Geschäftskommission nach Erfurt. Heber kam auch auf die Notwendigkeit zu sprechen, politische Flüchtlinge über die Grenze nach Holland zu schaffen. Der Weg, den die Emigranten dabei nehmen sollten, war schon im Jahre 1932 festgelegt worden: Er führte über Duisburg, Viersen, Dülken und Kaldenkirchen nach Venlo in Holland.

Als Anlaufstelle für die aus Mitteldeutschland eintreffenden Flüchtlinge stellte Nolden seine Wohnung zur Verfügung. Es wurde abgemacht, daß die Emigranten dort gleich nach ihrem Eintreffen abgeholt und von anderen Duisburgern nach Dülken oder direkt nach Holland geleitet werden.

Kurz nach der Abreise Hebers und bevor noch konkrete Vorbereitungen für den Aufbau der Fluchtroute getroffen werden konnten, traf der Provinzialarbeiterbörsenobmann Fritz Schröder aus Kassel ein. Er war über Noldens Adresse aus Erfurt informiert worden. Sein Ziel war Amsterdam, um dort mit den holländischen Syndikalisten in Kontakt zu treten. Die Duisburger baten ihn, sich in Holland um Schriftenmaterial für die Einfuhr nach Deutschland zu kümmern. Nolden brachte Schröder zum Bahnhof und gab ihm die Kontaktadresse einiger befreundeter Anarchisten in Dülken, die ihn nach Holland schleusen würden.

Einen Monat später, Ende Juli 1933, reiste der Holländer Albert de Jong nach Deutschland, um den illegalen Widerstandsgruppen Unterstützung anzubieten. Als Mitarbeiter des Internationalen Antimilitaristischen Büros in Amsterdam hatte er die Möglichkeit, deutschsprachige Agitationsschriften zu liefern. Auf Veranlassung des bereits emigrierten Schröder suchte er auch Julius Nolden auf. Sie vereinbarten, daß de Jong aus Amsterdam Pakete postlagernd nach Venlo schicke, wo sie der Dülkener Genosse Hillebrandt abholen und über die Grenze nach Deutschland schaffen werde. Hinsichtlich der deutschen Flüchtlinge versicherte de Jong, daß er und Fritz Schröder sich um ihre finanzielle Unterstützung in Holland kümmern werden; man sei dabei, einen Hilfsfond und eine zentrale Emigrantenstelle zu begründen.

Mit der Kontaktaufnahme zum Ausland waren die "logistischen" Grundlagen für den Aufbau einer illegalen Organisation endgültig geschaffen: Neben dem - schon vorhandenen - Verteilernetz standen nun auch Agitationsschriften und eine Fluchtroute zur Verfügung. Innerhalb dieses Rahmens entwickelte sich in der Folgezeit die konkrete Durchführung der Widerstandsarbeit.

Fluchthilfeorganisation

Ab Herbst 1933 trafen ca. alle 4 - 6 Wochen verfolgte Syndikalisten und Anarchisten in Duisburg ein, um von dort aus das Reichsgebiet zu verlassen. In der Regel brachte der Duisburger Albert Herzog die Flüchtlinge zunächst zu einem Anarcho-Syndikalisten in Dülken. Dieser begleitete sie dann auf Schleichwegen über die Grenze nach Holland. Einer der ersten, dem auf diese Weise die Flucht aus Deutschland gelang, war Georg Ackermann, ein Mitbegründer der Freien Jugend in Kassel. Über die weitere Entwicklung der Fluchthilfe finden sich in den Dossiers der Gestapo folgende Vermerke:

"... im September 1933 Viktor Händel aus Berlin, im Oktober 1933 ein anderer Berliner Funktionär und im November 1933 der frühere Provinzialarbeiterbörsenobmann Doster aus Darmstadt; dieser trat, wie bereits erwähnt, in die Auslandsstelle zur Unterstützung von Schröder ein. Auch einige Genossen aus seinem eigenen Bezirk schaffte der Angeklagte über die Grenze. So einen Schellinsky aus Mühlheim/Ruhr und einen Genossen aus Duisburg. ... “ (Az.: 9 J 267/37 S. 9/10)

Diese von der Gestapo ermittelten Personen stellen nur einen geringen Teil der Flüchtlinge dar; die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen.

Gelegentlich übernahm auch der in Duisburg wohnende Deutsch-Holländer Derksen die Begleitung der Emigranten. Dies geschah zumeist in Fällen besonderer Eile, da er das Grenzgebiet gut kannte, und von daher nicht erst die Hilfe der Dülkener Genossen in Anspruch nehmen mußte. So begleitete er Pfingsten 1934, Willi Paul, Kurier der Arbeiterbörse Kassel, anläßlich einer Konferenz der FAUD nach Amsterdam. Zu dieser Konferenz begab sich auch der Sekretär der Geschäftskommission, Ferdinand Götze, aus Leipzig:

„... Kurz vor Pfingsten 1934 erhielt der Angeklagte (Julius Nolden, Anm, d. Verf.) aus Leipzig schriftlich die Mitteilung, zu Pfingsten käme jemand zu ihm, der einen Besuch bei ’Onkel Albert’ machen wolle. Der Angeklagte entnahm diesem Brief, daß er den angekündigten Mann über die Grenze zu dem Holländer Albert de Jong, dem Leiter des Antimilitaristischen Büros in Amsterdam, den er schon seit Juli/August 1933 persönlich kannte, bringen sollte. Dem Schreiben lag die Hälfte eines Zigarettenbildes bei. Vorsichtigerweise fragte er über die Deckanschrift in Erfurt an, um wen es sichhandele. Bevor er jedoch Antwort hatte, erschien bei ihm Ferdinand Götze aus Leipzig, der Nachfolger Zehners in Erfurt in der Reichsleitung der FAUD (Anm. d. Verf.: Eine solche gab es nicht, gemeint ist die Geschäftsleitung der FAUD), und wies sich durch die andere Hälfte des Zigarettenbildes aus. Götze teilte ihm mit, daß er in Amsterdam an einer Besprechung mit den Leitern der Auslandsstelle und ausländischen Funktionären teilnehmen wolle und daß ihn einer von den Leuten des Angeklagten auf der Fahrt begleiten sollte, da er der holländischen Sprache nicht mächtig sei. ... (Nolden) fuhr mit ihm nach Krefeld. Dort machte er ihn in der Wohnung des Gesinnungsgenossen Klingen mit dem dorthin bestellten Hillebrandt bekannt. ... Hillebrandt erklärte sich bereit, mit Götze nach Amsterdam zu fahren, erhielt dazu von dem Angeklagten Reisegeld und brachte Götze nach einigen Tagen wieder nach Deutschland zurück. ... " (Anklageschrift J. Nolden - Auszug)

Im Herbst 1934 verringerte sich die Zahl der Flüchtlinge. Erst 1936 wurde der Fluchtweg wieder häufiger genutzt. Es trafen mehrere Anarcho-Syndikalisten in Duisburg ein, die sich über Holland nach Barcelona durchschlagen wollten, um in den Reihen der anarchistischen Milizen zu kämpfen.

Selbst nach einer Verhaftungswelle Anfang 1937, die die vollständige Zerschlagung der Duisburger FAUD zur Folge hatte, gelangten noch Anarcho—Syndikalisten über diese Route nach Holland. Sie wurden von den Frauen der Inhaftierten zur Grenze gebracht.

Einer der letzten, der auf diesem Wege Deutschland verließ, war der Anarchist Willi Paul: "... Und dann bin ich mit Heinrich Ackermann, der fuhr einen Lastwagen im internationalen Verkehr, bis nach Essen gefahren. Von dort aus weiter nach Duisburg. In Duisburg bin ich zu einer Familie namens Derksen gegangen, das waren Holländer. Der hatte mich auch 1933 über die Grenze gebracht. Er war Anarchist. Aber er war zu der Zeit gerade verhaftet worden. Deshalb ist seine Frau mit mir am anderen Morgen über die Grenze bei Kaldenkirchen. Dann bin ich über Eindhoven nach Amsterdam gekommen. ..."

Verteilung illegaler Schriften

Über die gleiche Route, die die Flüchtlinge ins Ausland nahmen, gelangten auch die illegalen Schriften der Syndikalisten nach Duisburg. In Absprache mit dem holländischen Anarchisten Albert de Jong traf die erste Lieferung etwa im August 1933 ein.

Zunächst wurde in Duisburg, im Haus der Familie Derksen ein Schriftendepot eingerichtet: "... (Er) überbrachte mir ein Paket im Rotationsdruck hergestellter Schriften. Es mögen dieses etwa 200 - 300 Stück gewesen sein. ... Über die Verwendungsmöglichkeit wurde zunächst nicht gesprochen. Ich sollte die Schriften lediglich einstweilen sicherstellen ... (und) brachte das Paket in meinen, Keller und verbarg es in einer aufrecht stehenden Apfelsinenkiste. ... Es handelte sich um einblättrige Flugschriften, deren Inhalt sich gegen den Staat richtete. ... In der Folgezeit erschien dann in Abständen von vier bis fünf Wochen Hillebrandt, auch des öfteren in Begleitung des Nolden und überbrachte mir illegales Schriftenmaterial zur Aufbewahrung..." (HD - Gestapo 29 121, Aussage Derksen, Blatt 211 f.)

Dort wurden die Schriften gebündelt und je nach Bedarf größere Posten an die jeweiligen Kontaktleute der Ortsgruppen weitergegeben. Diese übernahmen dann die Verteilung an die einzelnen Mitglieder. Nach konspirativen Regeln sollte jeder Leser sein Exemplar nach Lektüre an einen anderen weitergeben und den Inhalt auch mündlich verbreiten.

War eine solche Schrift beim letzten zuverlässigen Genossen angelangt, gab es für diesen laut Anweisungen zwei Möglichkeiten: Entweder vernichtete er die Schrift, oder aber - was wohl der Regelfall war - sie wurde mit einem kleinen "Lesegeld", dessen Höhe sich nach den finanziellen Möglichkeiten der Leser richtete, auf dem selben Wege wieder ins Duisburger Depot zurückgeleitet. Dort wurden die stark zerlesenen Exemplare aussortiert und verbrannt; der Rest erneut gebündelt und an die noch nicht belieferten Ortsgruppen übergeben. Mit den Lesegeldern wurde zum einen die Fluchthilfe finanziert, zum anderen flossen sie zur Unterstützung der politischen FAUD-Flüchtlinge nach Amsterdam. Bis Anfang 1937 blieb das auf diese Weise geschaffene Verbundsystem intakt.

Im einzelnen wurde die Verbreitung der Schriften folgendermaßen vorgenommen: Innerhalb der Duisburger Ortsbörse übernahm Derksen selbst in Zusammenarbeit mit dem Bauarbeiter Ernst Holtznagel und dem ehemaligen Kassierer der Bauarbeiterföderation Albert Herzog die Verteilung. Herzog belieferte auch Emil Kremer und Albert Krisch im Duisburger Vorort Meiderich. Krisch erhielt einen größeren Posten, von dem er wiederum einen Teil an den ehemaligen Vorsitzenden der Bau- und Metallarbeiterföderation Otto Reichenbach weiterreichte, der als Verbindungsmann für Duisburg- Hamborn fungierte.

Die anderen Städte im Ruhrgebiet wurden ebenso von den Duisburgern mit Schriften versorgt. Dies übernahmen vorwiegend Ernst Holtznagel und Albert Herzog, indem sie, gemeinsam oder abwechselnd, nach Mühlheim, Wattenscheid und Bochum radelten. Häufig beteiligte sich auch der Schmied Richard Zawatzki an den Touren, um die Schriften den Kontaktleuten in den verschiedenen Städten zu liefern.

Ein Großteil der Schriften ging auch ins Rheinland. Hier hatte Julius Nolden den Vertrieb übernommen. Auf Radtouren, die er bis auf einen Umkreis von 200 km ausdehnte, nutzte er nun die Verbindungen, die er schon zu Beginn seiner illegalen Arbeit geknüpft hatte. Es gelang ihm, das Rheinland ziemlich geschlossen mit Schriften zu versorgen und seinen Verteilerkreis organisatorisch zu festigen. Er ging sogar daran, seine Aktivitäten auf Städte benachbarter Provinzialarbeiterbörsen auszudehnen.

1935-1937: Niedergang, Neuorganisierung und Zerschlagung des Duisburger Kreises

Im Jahre 1935 führte die Einstellung der Schriftenlieferungen aus Amsterdam zwangsläufig zu einer starken Verminderung der Kontakte zwischen den illegalen Ortsgruppen. Ihrer bisherigen Arbeit war ein geringer Erfolg beschieden. Zudem konnten die Faschisten ihre Macht durch die Stabilisierung der Wirtschaftslage in Deutschland weiter verfestigen. Viele Mitglieder zogen sich aus der Organisation zurück, weil sie nach entbehrungsvollen Jahren wieder Arbeit gefunden hatten und nichts mehr riskieren wollten. Nur noch in wenigen Städten blieben größere Kerngruppen bestehen, deren Koordinierung vor allem Julius Nolden durch seine Radtouren bewirkte.

Der Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges im Jahre 1936 und die Beteiligung der dortigen Anarcho-Syndikalisten an den Kämpfen ließ in Deutschland die Bewegung wieder aufleben. Nolden verstärkte die Besuche in Duisburg, Düsseldorf und Köln, organisierte Zusammenkünfte in Parks und anderen öffentlichen Anlagen und initiierte Geldsammlungen für die spanischen Genossen.

Zur gleichen Zeit reiste Simon Wehren aus Aachen durch die Provinzialarbeiterbörse Rheinland und versuchte, Techniker für den Einsatz in Spanien zu gewinnen. Im Herbst 1936 übermittelte er Nolden die Sendezeiten und die Frequenz des Senders Barcelona, dessen deutschsprachigen Programme unter günstigen Bedingungen auch in Deutschland zu empfangen waren.

In der Hoffnung, neue Nachrichten über die Lage in Spanien zu erhalten, versuchten die Duisburger zwischen Weihnachten 1936 und Neujahr 1937 mehrmals, aber anscheinend vergeblich, den Sender zu empfangen. Um diese Zeit hatte sich jedoch der Ring der Gestapo um die anarcho-syndikalistischen Widerstandsorganisationen im Rheinland geschlossen.

Aufgrund eines in der Mönchen-Gladbacher Gruppe eingeschleusten Spitzels gelang es der Gestapo, schon im Dezember 1936 die Dülkener, Viersener und Mönchen-Gladbacher Widerstandszirkel auszuheben. In den darauffolgenden Verhören und Folterungen der Inhaftierten ergaben sich für die Gestapo auch erste Verdachtsmomente gegen mehrere Duisburger Syndikalisten.

Konkrete Beweise fielen ihr wenige Wochen später in die Hände: Anfang Januar erlitt Julius Nolden auf einer seiner Reisen einen schweren Verkehrsunfall. Bei der Einlieferung ins Krankenhaus fand sich in seinem Arbeitsrock ein Zettel mit Hinweisen auf den "Sender Barcelona". Weitere Durchsuchungen förderten den Verteilerschlüssel für die illegalen Schriften zu Tage, sowie eine Auflistung der eingenommenen Lesegelder.

SENDER BARCELONA: (KURZE) WELLE 42.88
SENDUNGEN IN DEUTSCH.
DIENSTAGS: 10 1/2 UHR
DONNERSTAGS: 12 UHR NACHTS
SONNTAGS: 12 1/2 UHR
ER SOLL IN DEUTSCHLAND UNBEDINGT ZU HÖREN SEIN; WENN NICHT, DANN MIT ZUSATZGERÄT FÜR KURZWELLENEMPFANG. SONSTIG NÄHERES BEI ANTON IN D. ODER BEI L. EBENDORTSELBST.
SCHÖNEN GRUSS: S

Daraufhin verhaftete die Gestapo Schlag auf Schlag nahezu 50 Anarcho-Syndikalisten. Weitere Verhaftungen folgten, Insgesamt wurden 89 Mitglieder der illegalen FAUD-Rheinland ermittelt und festgenommen, darunter 22 Duisburger.

Anfang 1938 ergingen die Urteile wegen Hochverrats bzw. Vorbereitung zum Hochverrat gegen 88 Angeklagte: Nur sechs von ihnen wurden mangels Beweisen freigesprochen, die übrigen wurden zu Strafen von einigen Monaten Gefängnishaft bis zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt.

Zwei Mitglieder der illegalen Duisburger Anarcho-Syndikalisten gingen nach der Verhaftung in den Tod. Der Eisendreher Emil Mahnert, der am 20. Januar 1937 auf seiner Arbeitsstelle verhaftet wurde, stürzte sich nach Darstellung der Polizei am 26. Januar aus dem zweiten Stock des Duisburger Gefängnisses und verstarb am gleichen Tage. Nach späteren Aussagen von vier ehemaligen Mitgefangenen hat Mahnert nicht den Freitod gesucht, sondern sei von einem Polizeibeamten über das Innengeländer des zweiten Stockes des Polizeigefängnisses in die Tiefe gestoßen worden.

Der Maurer Wilhelm Schmitz starb am 29. Januar 1944 an nicht näher bekannten Folgen der Strafhaft. Ein weiteres Mitglied der Gruppe, Ernst Holtznagel, fiel an der Front im berüchtigten Strafbataillon (Bewährungsbataillon) 999.

Das Verfahren gegen Julius Nolden war abgetrennt und an den Volksgerichtshof in Berlin gezogen, der Nolden am 5. November 1937 zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilte. Er kam in die Strafanstalt Lüttringhausen, wo er am 19. April 1945 von den alliierten Truppen befreit wurde.

Zwei Jahre später, Pfingsten 1947, beteiligten sich die Überlebenden der Duisburger Gruppe, so auch Julius Nolden, an der Gründung der anarcho-syndikalistischen "Föderation Freiheitlicher Sozialisten" (FFS) in Darmstadt.

NS-Urteil Duisburg FAUD

Fußnoten:
(1): Die "Großdeutsche Feuerbestattungskasse" beruhte auf einer Initiative des Freidenker-Verbandes, dem sich u.a. auch viele Anarchisten angeschlossen hatten. 

Aus: Theissen / Walter / Wilhelms: Anarcho-Syndikalistischer Widerstand an Rhein und Ruhr. Zwölf Jahre hinter Stacheldraht und Gitter. Originaldokumente. Ems-Kopp-Verlag 1980. Digitalisiert von www.anarchismus.at


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