Fritz Oerter - Gustav Landauer (1924)

Die wertvollsten Menschen sind die, welche die Zukunft bauen. Konservative Gelehrte, Ethiker und Künstler gibt es nicht, d.h. im eigentlichen Sinne nicht; denn was soll die Menschheit mit einer Wissenschaft anfangen, die wider alle Erfahrung und entgegen allem daraus entstehenden Übel das Vergängliche, Todgeweihte und Vernichtungsreife zu einer Dauereinrichtung machen möchte? Was mit einer Ethik, die trotz aller trüben Erscheinungen die gegenwärtigen Moralgrundsätze — sofern von solchen überhaupt noch gesprochen werden kann — aufrechterhalten will, und was mit einer Kunst, die nur Nachbild ist statt Vorbild? Eine rückwärts gerichtete Intelligenz ist unter allen Umständen unfruchtbar.

Nichtsdestoweniger sind - besonders in Deutschland! — jene Kreise, die sich zu den Intellektuellen zählen, fast durchweg reaktionär. Das haben sie vor dem Kriege, während desselben und nach ihm unzählige Male bewiesen. Das Häuflein jener Intellektuellen, die am Bestehenden scharfe Kritik übten und eifrig bemüht waren, Wegbereiter, Bahnbrecher und Baumeister einer schöneren, auf Gemeinschaft begründeten Zukunft zu sein, war von jeher außerordentlich klein. Wohl ritten hin und wieder einmal diese oder jene Wissenschaftler und Dichter eine schneidige Attacke, aber wenn es zum wirklichen Kampf kommen sollte, dann wichen sie aus und machten einen großen Strich zwischen sich, d.h. der eigenen Person und ihrem Werk; ja manche verleugneten sogar ihre Geisteskinder.

Wie ganz anders mutet uns da eine Charaktergestalt von der Größe Gustav Landauers an, der unter allen Umständen mit seinem ganzen persönlichen Leben hinter seinen gesprochenen und geschriebenen Worten stand, dem der Kampf mit den Dunkelmännern unserer Epoche geradezu ein Bedürfnis war.

Er war noch ein blutjunger Mensch, als er sich mit dem Feuer der Begeisterung in die sozialistische Bewegung stürzte, von Anfang an ein freier und unabhängiger Geist, der in keinen Parteistall paßte. Das geschah zu Beginn der neunziger Jahre. Die Wogen der sozialistischen Bewegung schlugen damals sehr hoch, denn es war ein großer Sturm ausgebrochen, der sich besondrs gegen die Engherzigkeit und den Opportunitätsgeist der sozialdemokratischen Partei richtete.

Die Jungen rebellierten gegen die Alten, die sich während der Herrschaft des Sozialistengesetzes eine große Autorität angemaßt hatten. Die Letzteren ließen kein Mittel unbenutzt, auch die schofelsten nicht, um die Opposition niederzuschlagen, was ihnen auch gelang. Die Folge war, Das sich ein Teil der aufrührerischen Elemente überhaupt vom Sozialismus abwandte, ein anderer reumütig in den Schoß der allein-seligmachenden sozialdemokratischen Kirche zurückkehrte und daß die revolutionärsten Elemente noch einige Schritte weiter gingen, d.h. zum Anarchismus übertraten. Das Organ dieser Revolutionäre wurde der von Gustav Landauer, Wilhelm Spohr und Albert Weidner geleitete „Sozialist", ein Kampfblatt trefflichster Art, das aber dennoch Zeit genug fand, auch noch höhere Geisteskultur zu pflegen.

Von allen Seiten verfolgt, hin und wieder unterdrückt, dann wieder neu-begründet, hielt sich dieser frühere „Sozialist" jahrelang. Um jene Zeit herum war es auch, wo Gustav Landauer jene zwei sonderbaren aber hübschen Novellen schrieb, die erst vor kurzem unter dem alten Titel „Macht und Mächte" wieder erschienen sind. Wenn wir uns ein Bild machen wollen von der Tätigkeit Landauers, dann lassen wir ihn am besten selbst reden. Er sah sich nämlich einmal — es war im Jahre 1918 (30. Dez.) im bayerischen provisorischen Nationalrat — infolge eines unschönen Angriffes durch den sozial- demokratischen „Revolutionsminister" Timm gezwungen, davon zu sprechen:

... Herr Timm hat gesagt, ich sei zwar anno 1896 im Konfektionsstreik in einer großen Arbeiterbewegung aufgetreten, hätte mich aber dann wieder zurückgezogen und jetzt höre er zum ersten Male wieder von meinem Auftreten in der sozialistisch-revolutionären Bewegung.

Wenn es auch der Fall wäre, Das Herr Timm von dem, was ich in der Zwischenzeit getan habe, nichts gehört hat, so hätte er nicht das Recht zu einer solchen Bemerkung, weil Herr Timm vielleicht zu eng an seine Parteibewegung angeschlossen war. Ich bin für unabhängigen, aber ganz unabhängigen Sozialismus, (Er betonte dies, um sich nicht mit der unabhängigen sozialdemokratischen Partei zu identifizieren. Der Verf.) für alle die, die mich hören wollten, für das, was man meinetwegen, wenn man es nur nicht mißdeutet, Anarchismus nennen kann: dafür bin ich eingetreten vom Jahre 1891 bis zu dieser Stunde, von meinem 21. Lebensjahr bis zum 48. und habe keine Pause gemacht. Ich habe, nachdem der alte „Sozialist", an den sich Herr Timm noch erinnern könnte, eingegangen war und pausiert hat, in anderen Zeitschriften, durch Bücher, durch meinen „Aufruf zum Sozialismus" gearbeitet und ich empfehle allen, wenn einmal von mir die Rede sein soll, die den Sozialismus in dieser höchsten Krisis aufbauen wollen, diesen „Aufruf zum Sozialismus" aus dem Jahre 1908. Ich habe vom Jahre 1909 bis zum Jahre 1915 in den Krieg hinein den Sozialist, das Organ des sozialistischen Bundes, herausgegeben, habe mich daneben allerdings vielfach literarisch, ästhetisch, dramaturgisch betätigt, weil ich, solange ich im Sozialismus wirksam bin, noch niemals einen Pfennig von der sozialistischen Bewegung für mein Leben genommen habe. Ich habe den „Sozialist" gratis redigiert und geschrieben, beinahe von der ersten bis zur letzten Zeile, sechs Jahre hindurch und habe daneben ohne jedes Vermögen mein Leben gefristet durch anderweitige literarische Arbeit ..." So Landauer selbst.

Für uns ist wohl sein „Aufruf zum Sozialismus" sein wichtigstes Werk, ja wir halten es überhaupt für das Beste, was jemals in Deutschland über Sozialismus geschrieben wurde. Die Sozialdemokratie hat das Buch totgeschwiegen, natürlich —: denn es erkennt ja die marxistischen Dogmen nicht an. Als es im Jahre 1911 herauskam, sandte es Landauer, wie er mir mitteilte, an alle bedeutenden Sozialdemokratischen Zeitungen zur Besprechung, aber man schwieg dennoch darüber. 1919 hat es der Verlag Paul Cassirer neu herausgebracht, dann ging es in den Verlag des Vorwärts über, aber wahrlich nicht, um es nun recht weit zu verbreiten, sondern eher, um es vor der Öffentlichkeit zu bewahren. Neuerdings jedoch erschien es im Marcan-Block-Verlag in Köln. Vielleicht erobert es sich doch noch die Herzen und Hirne der Menschen. Es gibt ja fast gar kein Buch, das, gerade in gegenwärtiger Zeit, aktueller wirken könnte. Für die kommenden Generationen ist es sicher von grundlegender Bedeutung und sollte es eigentlich auch schon für die heutigen sein.

Auch seine übrigen Aufsätze und Schriften, die gesammelt unter verschiedenen Titeln erschienen sind, haben große Bedeutung und zeugen für seinen vielseitigen, allesumfassenden Geist. Vor allem möchte ich seine Shakespeare Aufsätze und die Revolutionsbriefe erwähnen. Das er sich auch als Übersetzer bewährte, ist rühmlichst bekannt. Der Gedankenaustausch mit seiner geistvollen Frau, der sinnigen Dichterin Hedwig Lachmann, die sich ebenfalls mit Übersetzungen beschäftigte — sie starb ein Jahr und mehrere Monate vor ihm — wird viel zu seiner geistigen Regsamkeit beigetragen haben.

Allmählich geht selbst dem gebildeten Bürgertum ein Licht auf und und es erkennt, welch ein tiefer und großer Mensch Landauer gewesen ist. Wir, seine Genossen, wußten es längst. Sein Leben liegt offen vor uns. In einem Ort nahe bei Karlsruhe als Sohn eines Arztes geboren, konnte er höhere Schulen und sogar die Universität besuchen. Der bürgerliche Wissenskram, der da erworben wird, konnte ihm wohl kaum die Veranlassung geben, sich dem Sozialismus zuzuwenden, da mußte letzten Grund e s schon eine tiefe Veranlagung des Gemüts und das Herz dazu drängen. Mit Feuereifer und Begeisterung stürzte er sich als junger man n in die sozialistische Bewegung und kämpfte von Beginn an auf ihrem äußersten linken Flügel. Sein Ziel war — wie er selbst sagt — in allen seinen Lebensjahren Das gleiche: der unabhängige, herrschaftslose Sozialismus, wie er ihn mit so großer Geistesschärfe in seinem Aufruf verfocht. Das er infolge seiner revolutionären Tätigkeit auch mit dem Gefängnis Bekanntschaft machte, sei nur nebenbei bemerkt, denn das ist ja das gewöhnliche Schicksal eines jeden Revolutionärs.

Sozialdemokraten und Bürgerliche haben, teils, weil sie für die Erscheinung eines im vollsten Sinne des Wortes unabhängigen Sozialisten kein Verständnis hatten, jeden aber doch in eine gewisse Kategorie einreihen wollten, teils aber auch in bewußter Absicht, um ihm etwas anzuhängen, häufig Landauer mit den Parteikommunisten in einen Topf geworfen, und die Bolschewiki in Rußland sollen, wie wir hören, Landauer noch heute als einen der ihrigen reklamieren. Das ist ja ganz unsinnig. Niemals hatte Gustav Landauer etwas mit den sozialdemokratischen Marxisten, noch mit den kommunistischen Marxisten gemein. Auch während der revolutionären Gärungsepoche und der Räterepublik in München nicht. Die Führer der Kommunistischen Partei in München waren allerdings viel anständigere Gegner als die Sozialdemokraten, und selbst die kommunistischen Massen bezeugten unserem Landauer die größte Achtung.

Von den Sozialdemokraten jener Zeit muß gesagt werden, daß sie vor dem Adel des Geistes und revolutionärer Gesinnung niemals Respekt hatten. Einmal hat Landauer die Herren von der Mehrheitspartei in seinem gerechten Zorn tödlich beleidigt. Das haben sie ihm nie vergessen. Es war in jenem Rätekongreß, der nach der Ermordung Kurt Eisners in München zusammenberufen worden war. Die Leitung der bayerischen Sozialdemokratie (Dr. Braun) hatte sich die Kontrolle und Beaufsichtigung des Kongresses angemaßt und alle Beschlüsse — auch wenn sie mit dem Einverständnis ihrer eigenen Parteigenossen gefaßt worden waren — sofern sie ihr nicht paßten, und welche paßten ihr? — sabotiert, korrigiert oder direkt umgestoßen. Als es Landauer gelungen war — allerdings nur unter Preisgabe von Grundsätzen und mit größter Mühe — einmal den Rätekongreß zu einem ziemlich einmütigen Beschluß zusammenzubringen, schickte anderen Tages die Sozialdemokratische Partei einen Redner vor, der den Antrag stellte, den Beschluß des vorangegangenen Tages wieder umzustoßen. In begreiflicher Erregung über ein solch nichtswürdiges Verhalten warf Landauer der Sozialdemokratischen Partei vor, daß sie bisher alle revolutionären Anstrengungen zunichte gemacht habe und es jetzt wieder versuche, und er schloß mit dem Ausruf: „Da muß ich denn doch sagen: Die unwürdigste Kreatur in der ganzen politischen Naturgeschichte ist doch die Sozialdemokratie!" Darüber brach auf den sozialdemokratischen Bänken ein großer Lärm aus, ein wahres Indianergeheul: „Das werden wir Ihnen nicht vergessen, Herr Landauer!" Sie drohten und schimpften, und wahrlich, sie hielten Wort. In den Hetzblättern, die von der berüchtigten sozialdemokratischen Hoffmannregierung bis zuletzt gegen die Münchener Räterepublikaner gerichtet wurden, ward kein Name so oft und gehässig erwähnt als der Name Landauer. Obwohl dieser sich schon nach wenigen Tagen des Bestehens der Räterepublik von jeder amtlichen Tätigkeit zurückgezogen hatte, wurde er bis zuletzt als der treibende Geist, als der Macher dieser ganzen Erhebung, hingestellt. Man hetzte förmlich die gegen München gesandten Truppen auf ihn. Und als diese Landauer in die Hände bekamen, da glaubten sie vielleicht noch ein verdienstliches Werk zu vollbringen,  wenn  sie ihn umbrachten, wie jene Bauern, die Holz herzuschleppten, um Huß zu verbrennen. O sancta Simplicitas! Aber von der Mitschuld an dem grausigen Tode Landauers kann die Sozialdemokratische Partei nicht freigesprochen werden.

Zu solchen heftigen Konflikten führte nun freilich das Verhältnis zwischen Landauer und den Kommunisten nicht. Diese letzteren waren vernünftigen Auseinandersetzungen gegenüber noch zugänglicher, und die Führer hatten damals auch noch nicht dieses Bonzenmäßige wie die der Sozialdemokratie. In der 5. Sitzung des provisorischen Nationalrates vom 18. Dezember 1918 sagte Landauer: „Ich gestehe es frei heraus und will es auch denen sagen, die es nicht gern hören wollen: Diese Revolution kann keine Parteiherrschaft bringen, und die Leute, die sich Bolschewisten und Spartakisten nennen, wenn die uns nicht bald sagen, was sie wollen, wie sie die menschliche Gesellschaft, das deutsche Volk organisieren wollen, wenn sie uns immer nur bedeuten, sie wollen die Herrschaft haben — denn nichts anderes steckt hinter der Diktatur des Proletariats —, dann gehören sie in denselben Kessel hinein, in dem die stehen, die nur um die Herrschaft von Parteien kämpfen, in anderer Form, in anderen Ausdrücken, aber es ist genau dasselbe. Wir brauchen keine Parteiherrschaft..." Ich meine, klarer konnte sich Landauer über seine Stellung zur Kommunistischen Partei wie überhaupt zu den Parteien gar nicht aussprechen. Seine Haltung stimmt hier vollständig mit dem Standpunkt der Syndikalisten und Anarchisten überein. Aber es hätte dieses Hinweises gar nicht bedurft. Aus dem „Aufruf zum Sozialismus", zu dessen Wiederherausgabe durch Cassirer er 1919 ein Vorwort schrieb, aus dem hervorgeht, daß er seine Grundanschauungen über freien unabhängigen Sozialismus nicht geändert, sondern nur vertieft hat, kann man schon seine ablehnende Haltung gegenüber jedem Parteisozialismus und -kommunismus ersehen.

Auch die anfängliche Beteiligung Gustav Landauers an der Münchener Räterepublik ist alles andere als ein Beweis für Landauers Neigung zur Kommunistischen Partei. Kurt Eisner, neben Landauer wohl der fähigste und geistvollste Kopf der sogenannten deutschen Novemberrevolution und darum auch der von der Reaktion am meisten gehaßte, berief unmittelbar nach der Umwälzung Landauer und andere fähige Menschen nach München, um an ihnen Hilfe und Stütze zu finden. Während dieser Epoche war Landauer unermüdlich, und es ist zweifellos, daß er einen großen Einfluß auf die Massen hatte. Er hatte die Gabe des Wortes und übte sie, ohne dabei ein Vielredner zu sein. Wenn die Diskussionen im Rätekongreß und im provisorischen Nationalrat auch noch so niedrig am Boden schleiften, sobald Landauer das Wort ergriff, veränderte sich die Situation. Seine Rede war immer fesselnd, sogar für seine Gegner, und immer wieder gelang es ihm, den Kongreß aus seiner Starrheit emporzureißen.

Nach der Ermordung Eisners waren die tapferen Landtagsabgeordneten panikartig auseinandergestoben. Aber der Zentralrat der Arbeiter und Soldatenräte Bayerns berief einen neuen Kongreß ein, und dieser ermächtigte nach ziemlich stürmischen Verhandlungen ein sozialdemokratisches Ministerium, daß es die Geschäfte weiterführe. Es setzte sich zusammen aus Mehrheitlern und Unabhängigen, und Hoffmann war der Präsident. Dieses Ministerium wurde nachträglich von der Mehrheit des damaligen Landtages bestätigt; aber als es tatsächlich arbeiten und bescheidene soziale Maßnahmen treffen wollte, erhob die bürgerliche Presse ein fürchterliches Geschrei. Man behinderte die Weiterarbeit nach allen Regeln der Niedertracht. Das revolutionäre Proletariat verlor die Geduld, wurde unruhig und verlangte stürmisch die Fortführung der sozialen Maßnahmen, indem es versicherte, daß es mit seiner ganzen Kraft hinter dem Ministerium stehe. Obwohl in der Masse wenig Verständnis für die Aufgaben einer Rätewirtschaft vorhanden war, wurde der Ruf danach immer lauter. Man hatte aber dabei immer noch die Hoffnung und den Wunsch, das Ministerium zu stärken und ihm gegen die Bourgeoisie Widerstand einzuflößen. Aber nach kurzem Schwanken warfen sich die sozialdemokratischen Minister, mit Ausnahme der Unabhängigen, auf die Seite des Bürgertums. Die Gunst des Bürgertums und ihre sicheren Ministersessel waren ihnen lieber als das Schicksal der Arbeiterschaft.

Die Räterepublik war etabliert worden, und Landauer wurde beauftragt, für Aufklärung zu wirken. Aber sein Wirken dauerte nicht lange. Wenige Tage nach der Proklamierung der Räterepublik, woran sich die Kommunistische Partei als solche anfangs übrigens nicht beteiligte, veranstalteten sozialistische und reaktionäre Elemente einen Putsch. Dieser Putsch wurde mit Hilfe der Kommunisten niedergeschlagen, wonach sich auch diese an der Räterepublik beteiligten und an der Regierung teilnahmen. Da mochte Landauer eingesehen haben, daß sein Weiterwirken an der Sache keinen Sinn mehr habe, und er zog sich zurück.

Inzwischen war die famose Arbeiterregierung nach Bamberg verzogen und hatte gegen das rebellische München Truppen herbeigerufen, die die Ordnung wieder herstellen sollten. Im Namen Hoffmanns und seiner würdigen Kollegen fielen am 1. Mai (welch ein blutiger Hohn; gerade am Weltarbeiterverbrüderungstage!) die Soldaten und Freiwilligenkorps über München her. Wie sie dort hausten, ist allgemein bekannt. Am 2. Mai nahmen sie in der Wohnung der Frau Eisner Gustav Landauer fest, schleppten ihn ins Stadlheimer Gefängnis, wo sie ihn in bestialischer Weise wie einen Hund erschlugen. Die Mörder gingen straffrei aus, im neuen Deutschland keine Seltenheit.

So starb Landauer, einer der größten sozialistischen Denker Deutschlands, unbeugsam in seinem Charakter, tapfer und beispielgebend in seiner Lebensführung. Wir sind der festen Überzeugung, daß Landauers Geist noch in der Menschheit fortwirken und fortzeugen wird, wenn seine Mörder und Widersacher schon längst vergessen sind. Trotzdem sie ihm vorzeitig das Wort abgeschnitten haben und ihn tot wähnen: er lebt weiter, und sein Same wird aufgehen.

Aus: "Die Internationale", 1. Jahrgang, Nr. 4 (1924). Digitalisiert von der Anarchistischen Bibliothek und Archiv Wien. Nachbearbeitet (Scanungenauigkeiten entfernt, ae zu ä, That zu Tat usw.) von www.anarchismus.at.


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