Tragisches Spanien der Nationalen
Über dieses Thema schreibt Victor Montserrat, der Sonderberichterstatter der französischen Zeitung "La Croix". Die Ausführungen sind um so bemerkenswerter, weil es sich bei der Zeitung "La Croix" um ein katholisches Blatt von ausgesprochenen Rechtstendenzen handelt, das bisher die Ereignisse in Spanien mit absolut parteilicher Einstellung zugunsten Francos betrachtet hatte. Hier haben wir ein Beispiel für die Reaktion in den eigenen Reihen der Rechten auf die Ungeheuerlichkeiten der Nationalen. Montserrat schreibt:
"Was machen die Nationalen mit ihren Gefangenen? Ich habe überall nachgeforscht und habe nirgends Spuren von Gefangenen gefunden, weder in den Gefängnissen noch in den Konzentrationslagern. Ich habe gefragt und man hat mir geantwortet, dass sie alle getötet werden. Ende September wurden vier junge Leute, die auf dem Flugplatz von Getafe Dienst taten, nach der Gegend von Soria geschickt, um dort Madrider Presse abzuwerfen. Unterwegs landeten sie um Gasolin zu nehmen, und zwar in der Nahe von Burgos, wo sie von der Guardia Civil verhaftet und ins Zentralgefängnis von Burgos gebracht wurden. Die vier jungen Leute waren Katholiken und gehörten in Madrid sehr bekannten rechtsstehenden Familien an. Trotzdem wurden sie vom Kriegsgericht zum Tode verurteilt. Sie hofften, auf Grund ihres Katholizismus und ihrer Rechtseinstellung begnadigt zu werden. Aber eines Morgens wurden sie aus ihrer Zelle geholt und erschossen. Ich übertreibe nicht, wenn ich behaupte, dass, wie sie, zahllose junge Militärs erschossen wurden, die die Erhebung auf von "Roten" besetztem Gebiet überraschte und die sich nicht weigern konnten, bestimmte Befehle auszuführen, für die nicht sie die Verantwortung, tragen sondern ihre Chefs.
Und die Verwundeten? Wo sind die Verwundeten aus dem feindlichen Lager? fragte ich einige Falangisten. Wir haben nicht einen einzigen feindlichen Verwundeten — antworteten sie mir erstaunt. Medikamente sind knapp und teuer. Glauben Sie, dass wir die unnütz verschwenden? Unsere Verwundeten brauchen sie. Die anderen werden sowieso erschossen, wozu sie da erst noch kurieren.
Und in der Tat; als ich durch die Hospitäler ging, habe ich nirgends feindliche Verwundete gesehen. Wo bleiben da die Pietät und christliche Gesinnung? In dem von den Nationalisten besetzten Teilen des Landes erscheint das Leben auf den ersten Blick normal; aber der Terror beherrscht alles. Die Verfolgungen, denen alle Elemente der Linken ausgesetzt sind, haben eine Athmosphäre von Schrecken geschaffen, die ihresgleichen sucht. Alle Männer linker Tendenz sind verschwunden. Die hervorstechendsten wurden in den ersten Tagen der Erhebung gefangen gesetzt und erschossen; andere wurden später gefangen genommen, teilweise erschossen; einigen gelang es zu fliehen. Alle Leute sehen mit Schrecken die Gruppen von Bewaffneten, die ohne die geringste Autorisation Nachts in die Häuser gehen und nach Leuten suchen, die man ihnen verraten hat; sie nehmen sie fest und erschiessen sie sofort ohne jede Gerichtsverhandlung. Man versichert mir, dass die Zahl dieser Opfer sehr gross ist.
Wie man sich vorstellen kann, sind die Gefängnisse voll Gefangener. Allein im Zentralgefängnis von Burgos sind mehr als 2.400. In dem von Logrono sitzen mehr als 1.000. Oft sind sie Opfer schlimmster Repressalien. In der Provinz Navarra wurde das Gefängnis einer Ortschaft von aufgehetztem Pöbel erstürmt und alle Gefangenen wurden niedergemacht. Das gleiche wäre um ein Haar in Burgos geschehen, wo die Falangisten das Gefängnis stürmen wollten. Nur dem energischen Eingreifen des Zivilgouverneurs gelang es, das Leben der Gefangenen zu retten. Der Gouverneur dementierte später, weil er die Verantwortung für ähnliche Vorkommnisse nicht tragen wollte. Aus dem gleichen Gefängnis in Burgos wurden einige hundert Gefangene herausgeholt und ohne jedes vorherige Urteil in ein Dorf bei Estepas gebracht, wo sie erschossen wurden; einige der Erschossenen hatte man vorher gezwungen, den Empfang ihres Freilassungsscheins zu unterschreiben.
Was sollen Worte von der Verteidigung der Zivilisation, wenn man solche Grausamkeiten begeht? Wie kann man christliche Zivilisation, wie die Worte des Meisters "Liebet Euch untereinander" vereinbaren mit solchen Taten?"
Aus: Die Soziale Revolution Nr. 4, 1937. Digitalisiert von der Anarchistischen Bibliothek und Archiv Wien. Nachbearbeitet (Scanungenauigkeiten entfernt, ä zu ä, That zu Tat usw.) von www.anarchismus.at.