Der folgende Brief der neuen Bürgermeisterin von Lampedusa erschien vor einigen Tagen in der freitag. Er zeigt in drastischen Worten die Konsequenzen der Festung Europa. Währenddessen befinden sich Flüchtlinge im Kampf um eine Chance auf ein besseres Leben in Wien in der Votivkirche im Hungerstreik, auch in anderen europäischen Städten gibt es Flüchtlingsproteste. Das Refugee Camp braucht solidarische Unterstützung!

Räumung des ursprünglichen Camps samt Zerstörung der Infrastruktur durch die Polizei:

http://www.youtube.com/watch?v=XHSQo1yQFN4


Die Schande Europas - Brief der Bürgermeisterin von Lampedusa

"Ich bin die neue Bürgermeisterin von Lampedusa. Ich wurde im Mai 2012 gewählt, und bis zum 3. November wurden mir bereits 21 Leichen von Menschen übergeben, die ertrunken sind, weil sie versuchten, Lampedusa zu erreichen.

Das ist für mich unerträglich und für unsere Insel ein großer Schmerz. Wir mussten andere Bürgermeister der Provinz um Hilfe bitten, um die letzten elf Leichen würdevoll zu bestatten. Wir hatten keine Gräber mehr zur Verfügung. Wir werden neue schaffen, aber jetzt frage ich: Wie groß muss der Friedhof auf meiner Insel noch werden? Ich bin über die Gleichgültigkeit entrüstet, die alle angesteckt zu haben scheint; mich regt das Schweigen von Europa auf, das gerade den Friedensnobelpreis erhalten hat, und nichts sagt, obwohl es hier ein Massaker gibt, bei dem Menschen sterben, als sei es ein Krieg.

Ich bin mehr und mehr davon überzeugt, dass die europäische Einwanderungspolitik diese Menschenopfer in Kauf nimmt, um die Migrationsflüsse einzudämmen. Vielleicht betrachtet sie sie sogar als Abschreckung. Aber wenn für diese Menschen die Reise auf den Kähnen den letzten Funken Hoffnung bedeutet, dann meine ich, dass ihr Tod für Europa eine Schande ist.

Wenn Europa aber so tut, als seien dies nur unsere Toten, dann möchte ich für jeden Ertrunkenen, der mir übergeben wird, ein offizielles Beileidstelegramm erhalten. So als hätte er eine weiße Haut, als sei es unser Sohn, der in den Ferien ertrunken ist.

Gezeichnet: Giusi Nicolini"


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